Die Gleichsetzung der Interessen anderer mit betont verkindlichender Form hat etwas herabsetzendes an sich. Infantilisierung ist ein typisches Stilmittel, um die Meinungen und Positionen anderer herabzusenken.
Aber eben nicht ausschließlich. Dinge wie "das innere Kind finden", "seid so wie die Kinder" oder die Entwicklung in der Belletristik, Romane zu schreiben, die auf Kinder und Jugendliche aber auch auf Erwachsene abzielen, zeigen doch, dass Infantilisierung kein primär negativ aufzufassendes Phänomen ist, sondern eben nur, wenn man sich auf eine negative Auslegung versteift. Abgesehen davon, dass die Barbiepuppe als solche ein generationenübergreifendes Spielzeug ist und damit auch auf eine nostalgische Bezugnahme auf die eigene Kindheit rekurrieren kann. Barbies haben außerdem als Sammlerstücke eine durchaus erwachsene Konnotation und wenn ein berühmter Modeschöpfer Kleidchen für das blonde Spielzeug designt, dann tut er das nicht nur in Hinblick auf den Spielzeugcharakter der Puppe, sondern ebenso auf deren Status als ein Objekt der Populärkultur. Mal ganz abgesehen davon, dass wir, die wir mit Rollenspiel ja im Grunde nichts anderes betreiben als eine kompliziertere Variante von "Vater - Mutter - Kind", den Vergleich mit Beschäftigungen für Kinder nicht zu scheuen brauchen.
Wie die meisten reinen Rollenspielfachjargon-Begriffe kommt hinzu, dass der Begriff nur für eine recht kleine Gruppe zugänglich ist, also von vorneherein relativ arkan ist. Für Aussenstehende erklärt sich die Bedeutung nicht, Insider wissen hingegen Bescheid, es wird dementsprechend ein regelrechter Code aufgebaut, der ob nun absichtlich oder nicht, exkludierend wirkt.
Ja, das macht den Begriff für mein Verständnis durchaus prätentiös.
Käme mir jemand mit einem
medizinischen oder besser, sagen wir: theaterwissenschaftlichen (Theater habe ich selbst gespielt und interessiere mich dafür) Begriff für eine bestimmte moderne Schauspielrichtung und ich wüsste nicht, was damit gemeint ist, dann würde ich doch den Theaterwissenschaftlern auch nicht direkt vorwerfen, mich auszuschließen, nur weil ich diesen Fachbegriff eben nicht kenne. Nehmen wir das fiktive Beispiel: "Ich habe mir im Theater jüngst eine Norrisonade angesehen." Nun ist eine "Norrisonade" ein Stück, das, fürs Theater ungewöhnlich, stark auf der Darstellung von, von Spezialeffekten und Maske unterstützten und mit Stuntmen versehen, Action auf der Bühne aufbaut - Actionkino im Theater. Diese Form des Schauspiels sei jetzt ein Interessengebiet eines Theaterwissenschaftsstudenten gewesen, der dann einen Artikel dazu geschrieben hat. Den Begriff "Norrisonade" übernimmt er von einem Regisseur, der selbst in einem Interview mal sagte, er mache hier quasi eine "Norrisonade", obwohl er natürlich nicht der Einzige war, der diese Art von Theater machte. Der Theaterwissenschaftsstudent führt jetzt diesen Terminus als Oberbegriff für Theater dieser Richtung ein und löst damit eine Forschungsdiskussion hat. Die Diskussion kreist und man ist sich in der Forschung letztlich nur sicher, dass unter den Begriff bestimmte Schauspielvarianten fallen und andere eben strittig sind. Und in genau dieser Bedeutung sickert der Begriff dann auch in die Theaterforen im Netz oder den Theoriebereich der großen Theaterzeitschriften. Ich kenne den Begriff dadurch natürlich noch lange nicht. Und würde mir jemand sagen: "Du, ich bin in einem Stück gewesen, dass die und die Elemente aufweist und das und das auf die Bühne bringt." – er müsste lange erklären, bis ich das verstanden habe. Und angenommen ich möchte weiter darüber reden und wir hätten dafür keinen gemeinsamen Begriff: Jedes Mal müssten wir die Erklärung wiederholen und kommt ein Dritter dazu, dem müssten wir auch alles erklären und es immer wieder wiederholen.
Für mich heißt das:
1.) Egal welchen Begriff wir für diese Spielweise verwenden würden: Wir müssten ihn Außenstehenden
immer erklären. Das ist nur logisch bei tiefergehenden Auseinandersetzungen mit einer Materie.
2.) Bei der aktuellen Diskussion um den Begriff geht es, durch 1of3 angestoßen, ja primär darum, auszuloten, was Barbiespiel genau ist und inwiefern es eine allgemeine Tendenz gibt, was in den Begriff reingehört. Warum tun wir das? Damit der Begriff klarer umrissen ist und damit wir ihn anderen Rollenspielern zugänglich machen und mit ihnen darüber reden können. Es sind bereits Artikel zu Barbiespiel außerhalb des Tanelorns im Umlauf. Wie auch bei allen anderen Subkulturen kennen natürlich zuerst nur wenige einen Begriff, bevor er allen nach und nach zugänglich ist. Dasselbe hat man auch bei
echter Wissenschaft.
Abgesehen davon, dass unsere Szene voller Begrifflichkeiten ist, die für Außenstehende unverständlich sind:
Railroading, Meister, W20, XP, Kampagne... Sie alle müsstest du konsequenterweise mit abschaffen, wenn du dich schon gegen Termini, die hier entstehen, wehrst. Denn die sind für Außenstehende nämlich genauso dunkel.
(Das ganze kann man noch mit der gender-Frage kombinieren, inwiefern Feminisierung, bzw. ebenfalls als Herablassung aufgenommen wird, sprich, inwiefern die Unterstellung an einem "Mädchenspiel" noch mal eine Stufe höher greift, da Weiblichkeit und besonders Mädchenhaftigkeit nun auch ein nicht so unüblicher Schmähbegriff ist, so bescheuert das auch ist).
Wobei die selbstbewusste Übernahme eines "mädchenhaften" Terminus zur Beschreibung des eigenen Verhaltens bei Jungen und Männern ("Barbiespieler") natürlich dann einen Ausbruch aus genau diesem klischeebehafteten Rollenbild darstellt.
Zumal, wenn ich eins festgestellt habe: Die Leute hier auf dem Forum haben eher wenig Probleme damit, sich selbst als "Barbiespieler" zu bezeichnen. Es gab die Diskussion schon einmal, doch die Versuche alternative Begriffe für diese Spielweise zu finden, dürfen als gescheitert betrachtet werden. Der Vergleich zu dem Spiel mit einer Barbiepuppe ist einfach zu sprechend und illustriert wunderbar, was dort vor sich geht, ohne eine Wertung zu implizieren.