Autor Thema: Immersion gibt es nicht!  (Gelesen 9505 mal)

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Online Jiba

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Immersion gibt es nicht!
« am: 26.10.2012 | 14:52 »
Ich wollte das nicht noch in den PE-Thread schreiben, da das zu weit führen würde. Daher habe ich das Thema mal ausgelagert.

Der Titel des Threads sagt es eigentlich schon: Ich behaupte, dass das, was allgemein immer so als 'Immersion' tituliert wird nämlich das Entdecken und Erfahren einer Spielwelt aus Sicht des Charakter, im Pen&Paper-Rollenspiel gar nicht erreichbar ist! Oder das man dem Fehlschluss erliegt, dass es durch Zurückfahren von Metagaming-Aspekten irgendwie annäherungsweise erreichbar sei.

Wie komme ich zu dieser ketzerischen These?

Erstmal natürlich ist das ein emotionales Thema für mich, da die ganzen PE- und Immersionsdiskussionen doch häufig in der Aussage gipfeln: Wenn ich auf der Metaebene spiele, erreiche ich keine starke Immersion in meiner Charakterrolle, da ich dann aus der Charaktersicht herausgerissen werde. Für sich genommen, mag die Aussage auf einzelne Spieler zutreffen. Sie enthält aber leider auch zumindest die Tendenz, die Aussage zu verabsolutieren und damit zu sagen: Spieler, die auf der Metaebene spielen und PE-Mechaniken verwenden, erreichen überhaupt gar nicht erst eine Immersion oder den Grad an Immersion, den Spieler erreichen können, die die Ingame-Ebene nicht verlassen. Und wenn wir Immersion als ein tieferliegendes Verständnis des Charakters, ja, des echten "sich als der Charakter fühlen" definieren, dann würde das effektiv heißen: Nur ohne Meta ist echte Charakteridentifikation möglich.

Dem will ich widersprechen. Ich kann ja auch als Nicht-Metaspieler nach meinem Glas greifen und einen Schluck Cola nehmen, ohne dass meine Immersion Schaden nimmt. Ich kann dem SL eine nicht charakterbezogene Frage stellen ("In diesem Setting haben Goblins vier Arme, oder?") oder meine Spielwerte studieren oder nebenbei einen Fakt in der Hintergrundgeschichte meines SCs definieren, ohne dass ich das Gefühl habe, dass ich mich weniger mit dem SC identifiziere als zuvor. Zumindest geht es mir so. Und auch bei PE habe ich nicht das Gefühl, dass meine Identifikation mit meinem SC dadurch abnähme. Natürlich: Ich verlasse seinen direkten Blickwinkel und handle im Zweifelsfall nicht aus seiner Perspektive. Aber tue ich das nicht auch bei jedem Würfelwurf? Bei jedem Spielstein, der herumgeschoben wird? Bei jedem Lacher über den Witz eines Mitspielers, den mein Charakter gar nicht verstehen könnte. Ich möchte also festhalten: Irgendwie meta sind wir als Rollenspieler immer!

Aber ich gehe jetzt noch ein bisschen weiter: Man möge mir verzeihen, wenn ich hier zu weit gehe. Klar, man könnte argumentieren ich hätte diese Erfahrung einfach noch nie gemacht. Ich hätte nur die Schatten der Amphoren an der Wand gesehen, die andere Leute, die das Sonnenlicht schon erblickt haben, am Fackelschein vorbeitragen. Vielleicht. Ja, und vielleicht sehe ich das Ganze auch viel zu eng und es ist eigentlich nichts dabei, wie wenn Leute über die Originalität von "Avatar" reden und am Ende ist es doch nur Pocahontas mit blauen Indianern.

Ich oute mich also mal: Ich habe noch niemals Immersion im Rollenspiel erreicht!

Dabei habe ich es echt versucht, habe alle autoritären SLs ertragen, die man nur ertragen kann. Habe seitenlange Hintergrundgeschichten geschrieben. Habe mich so angezogen wie mein Charakter. Habe alles von Freeform bis zu klein-klein-detailliertem Spiel versucht. Habe den Laws'schen-Spielertypen-Test so oft wiederholt, bis bei meinem Ergebnis "100% Method Actor" stand. Nichts. Hat nicht funktioniert.

Dieses vielzitierte Gefühl, die Geschichte aus der Perspektive eines Charakters zu erleben, diese Geschichte zu leben, die Spielwelt als Charakter zu betreten und wieder zu verlassen und für diese Zeit sozusagen deckungsgleich mit dem Charakter zu sein und alle Handlungen aus seiner Perspektive zu tätigen: All das habe ich nie erfahren.

Warum ist das so? Naja, inzwischen habe ich einen Verdacht. Man sehe mir die Theatralik nach, aber ich habe da tatsächlich ein Zitat aus der Serie "Glee" gefunden, was gut passt: Sue Sylvester berichtet hier darüber, wie sie versucht hat, damit klarzukommen, dass ihre große Schwester von anderen gehänselt wird.

Zitat
People were rude to her. They were cruel. They laughed at her, and so I began to pray. I prayed every night for her to get better. And nothing changed. So I prayed harder. And after awhile I realised it wasn't that I wasn't praying hard enough. It's that no one was listening.

Okay, spätestens jetzt habe ich wohl die Hälfte meiner Leser verloren. Naja, auch egal, denn das Zitat trifft für meine Versuche, die Immersion zu erreichen, auch zu. Denn eins habe ich vielleicht begriffen: Immersion ist unmöglich!

Zumindest beim Rollenspiel. Denn Pen&Paper-Rollenspiel als Medium kann das gar nicht. Zu viele störende Metafaktoren stürzen auf uns ein, um wirklich sagen zu können, wir erreichen eine Identifikation mit einem Charakter, die so stark ist, dass wir in die Spielwelt wirklich eintauchen. Zumindest mir gelingt das nicht, aber ich hatte bislang, auch bei echten beinharten Immersionisten nicht den Eindruck, dass es irgendwem gelingt.

Beobachte ich mein Leseverhalten, wird das auch deutlich: Bücher schaffen es irgendwie auch nicht, mich so zu fesseln, dass ich mich in ihre fiktive Welt versetzt führe. Klar, natürlich sehe ich die sanften Ausläufer des Auenlandes oder die schroffen Wände der Mauer, wenn ich die entsprechenden Werke lese. Klar höre in Gedanken das Pochen des Tell-Tale-Heart unter den Bodendielen (obwohl die Erfahrung bei Geräuschen schon diffuser wird). Aber selbst bei Texten aus Sicht eines Ich-Erzählers gelingt mir kein vollkommenes Aufgehen in der Figur. Bei Leutnant Gustl, so gut die Erzählung auch ist... ich habe nie den Eindruck wirklich Gustl zu sein und aus seiner Perspektive mit der Welt zu interagieren.

Bei Filmen, wo die visuelle und auditive Ebene dazukommt, geht es schon besser, aber auch da tauche ich nie weit genug ein,
um ein immersives Gefühl im Sinne dieses heiligen Grals des Rollenspielertums zu erreichen. Ich kann von einem Film gefesselt sein, gefangen sein, aber ich bin nicht wirklich "drin".

"Ja", sagt jetzt der versierte Game Studies-Forscher, "du bist ja auch nur passiv dabei und hast keine interaktive Kontrolle über den Film oder den Text. Du musst schon eingreifen können, sonst wird das mit der Immersion auch nix!" Also zu den Videospielen. Und siehe da: Die Figur auf dem Bildschirm tut, was ich will. Ich interagiere über sie mit der Spielwelt. Mann, das ist toll, aber... ich habe trotzdem nicht das Gefühl eine echte persona-Beziehung zu ihr aufzubauen. Ich meine: Da sind Knöpfe und da drücke ich drauf und die Figur macht dann was. Ich habe das nicht getan. Sie ist zwar mein avatar in der Spielwelt, aber die Stufe des characters erreicht sie doch nur bei sehr storyintensiven Spielen (Open-World-Games zünden bei mir da gar nicht, da bleibe ich im Avatar-Modus). Und wenn ich dann wirklich mal von der Figur als "Ich" rede, dann bleibe ich doch auf der Metaebene. Wenn ich sage "Ich habe den 10 Level geschafft." oder "Ich habe mir Selphie in die Party geholt.", dann meine ich mit "ich" doch eigentlich mich als Spieler (sogar bei Sätzen wie "ich bin gerade an der Stelle, wo ich meinen Vater wiedergetroffen habe"), denn ich denke vom Spiel als eine Herausforderung, die ich mit meinem spielerischen Geschick bewältigt habe. Also, liebe Computerspiele: Auch da keine Immersion.

Beim Pen&Paper-RPG habe ich das auch noch nie geschafft: Wie auch, denn die Kanäle sind um ein vielfaches primitiver als im Computerspiel. Ich habe keine Bilder, keine Texte, nur einen unzuverlässigen Audiokanal. Wie soll das was werden mit der Immersion, mit dem Eintauchen in die Spielwelt? Also ich kriege das nicht gebacken. Mehr als ein buch-mässiges Pseudoeintauchen in diese virtuelle Realität schaffe ich nicht.

Okay, eins kann ich von mir behaupten: Ich kenne meine Charaktere. Ich kann mich sogar mit ihnen identifizieren. Ich kenne ihre Träume, Ziele, Vorlieben, Abneigungen und weiß wie sie aussehen, handeln, denken. Aber das weiß ich auch von Leutnant Gustl. Der Unterschied mag sein, dass ich sie selbst so gestaltet habe: Ich habe sie als Autor mir so zurechtgelegt und improvisiere den Rest. Dazu greife ich auf Methoden aus dem Method Acting zurück und das heißt: Ich erschaffe fiktive Erinnerungen und frage mich, wo, wie und was der Charakter gerade durchmacht und wo, wie, wer und was er ist. Ich habe selbst auch schon Theater gespielt, wo ich das nicht so systematisch gemacht habe und trotzdem das Gefühl hatte, meine Figur zu kennen oder mich mit ihr zu identifizieren. Aber ich bin trotzdem nie an den Punkt gekommen, wo ich diese Figur war.

Und so ist es auch beim Rollenspiel: Egal wie detailliert ich meinen Charakter ausarbeite oder kennenlerne oder wie sehr ich die Metafaktoren ausschalte: Am Ende spiele ich ihn doch und treffe permanent, tatsächlich ständig, Metaentscheidungen über ihn. Das tun Method Actors übrigens zumindest laut Wiki auch: Niemand wird die Figur, die er spielt oder lebt die Spielwelt. In der Tat haben Method Actors eine ständige Kontrolle über ihre Metafaktoren insofern sie sie aktiv nutzen, um ihre Figur besser darzustellen (eigene Erinnerungen oder Private Moments). Sie wissen, dass sie Schauspieler sind, blenden aber alles andere aus. Ist das vielleicht der Kasus Knackus? Ich weiß immer, dass ich nur spiele. Aber sind Metafaktoren dann überhaupt noch spürbar. So recht weiß ich es nicht. Vielleicht könnt ihr mir da helfen.

Für mich steht Folgendes fest: Ich erfahre über Metaspiel mehr über meinen Charakter, das Setting und die Welt, als ich es nur aus Sicht meines Charakters, literaturwissenschaftlich gesprochen aus der internen Fokalisierung (und damit der Ich-Perspektive) könnte. Durch Mitgestaltung der Spielweltfakten erreiche ich auch eine stärkere Angleichung der Spielwelt auf meine Bedürfnisse bezüglich der Fiktion und dadurch, durch Method-Acting-Übertragung auf die Figur, auch eine stärkere Identifikation mit dieser.

Okay, verschwurbelter Beitrag, gebe ich zu. Aber ich bin inzwischen der Ansicht, dass unterschiedliche Spielstile vielleicht auf unterschiedliche Weise Meta sind, aber die persona-Identifikation mit einem Charakter können wir nie erreichen. Selbst das vielzitierte "klassische Spiel" ist unglaublich Meta, denn das ist doch ehrlich gesagt häufig Videospiel-Avatar-Perspektive. Denn letztlich löst man ja doch selbst die Herausforderung und nicht die fiktive Figur. Und inwiefern das zufällig glückliche Würfeln auf einen fiktiven Eigenschaftswert eine Herausforderung darstellt, auf die man nachher stolz sein kann... das muss mir auch noch jemand erklären. Aber das ist ja eigentlich auch eine andere Frage.

Vielen Dank jedenfalls für eure Aufmerksamkeit.
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“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Tsu

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #1 am: 26.10.2012 | 14:56 »
Leute die Immersion im RPG für unmöglich halten, haben in Ihrer Jugend nie wirklich mit Drogen herumgespielt.

Offline DonJohnny

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #2 am: 26.10.2012 | 14:58 »
Was für ein geistreicher Kommentar.
SL: "Und damit wäre die Theorie, dass wir an einem Samstagabend weniger albern sind als an einem Freitagabend, widerlegt."
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Druid: "Was soll das, eine Landschaft voller Trichter?"
Sorcerer: "Du Idiot! Das sind Berge! Du hälst schon wieder die Karte falsch herum!"

Online Jiba

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #3 am: 26.10.2012 | 14:59 »
Leute die Immersion im RPG für unmöglich halten, haben in Ihrer Jugend nie wirklich mit Drogen herumgespielt.

Ich bin gespannt, wie du erklären willst, warum du dieser Ansicht bist.
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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #4 am: 26.10.2012 | 15:04 »
Leute die Immersion im RPG für unmöglich halten, haben in Ihrer Jugend nie wirklich mit Drogen herumgespielt.
Als legalere Alternative kann ich auch Schlafentzug empfehlen

Online Jiba

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #5 am: 26.10.2012 | 15:06 »
Okay... und ihr seid echt der Ansicht, ein solcher Zustand lässt sich beim ROLLENSPIEL erreichen?!?
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“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Bad Horse

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #6 am: 26.10.2012 | 15:08 »
Ich würde jetzt erstmal "Immersion" für mich definieren, damit du auch weißt, wovon ich spreche: Ich meine damit das Gefühl, dass alles, was nicht Spielrealität ist, völlig in den Hintergrund rückt und quasi verschwindet. Dass ich in meiner Charakterrolle ganz aufgehen kann und die Gefühle meines Chars mitleide, seine Gedanken mitdenke.

So. Das kenne ich. Das hatte ich.

Aber: Ich verschwinde dabei nicht in meinem Charakter, sondern in der Spielrealität. Im Fluss der Erzählung, des Dramas, der Gefühle. Und ich kann dabei perfekt PE machen - nein, ich muss sogar: Rückfragen wie "gibt's das?" oder "wie viele Arme haben Goblins?" reißen mich viel rüder aus diesem Flow als die Anstrengung, mir das kurz zu überlegen.

...und ja, Schlafentzug lässt sich auch beim Rollenspiel erreichen. ;)
(Und hier muss ich bei aller Albernheit sagen: Schlafentzug auf dem richtigen Level intensiviert die Erfahrung. Von Drogen hab ich keine Ahnung.)
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #7 am: 26.10.2012 | 15:09 »
Ich würde mal behaupten, nicht jeder kann das erreichen, und die absolute Immersion - also wirklich im Geiste jemand anderes zu sein - ist wohl auch nicht erstrebenswert. Das Level, die emotionale Bedeutung der Erlebnisse des Charakters selbst zu spüren, damit die Erfahrungen der fiktiven Person zu den eigenen zu machen und andererseits die eigenen Reaktionen auf diese Erfahrungen zu denen des Charakters, ist aber erreichbar.

Davon abgesehen betrifft Immersion nicht nur den Charakter, wie Bad Horse ausführt. Immersion als Verlust der Wahrnehmung der Realität, als Aufgehen im Spielinhalt, vergleichbar zu dem, was im Wikipedia-Artikel zu Virtueller Realität beschrieben wird, wird im Rollenspiel recht oft erreicht.
« Letzte Änderung: 26.10.2012 | 15:13 von Crimson King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

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Offline tartex

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #8 am: 26.10.2012 | 15:09 »
Leute die Immersion im RPG für unmöglich halten, haben in Ihrer Jugend nie wirklich mit Drogen herumgespielt.

Ich behaupte mal, dass die meisten Rollenspieler Immersion erreichen, bevor sie mit Drogen experimentiert haben. Rollenspielen fängt man wohl so mit 10 an, selbst Christiane F. hat erst mit 12 zu Drogen gegriffen.
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Offline tartex

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #9 am: 26.10.2012 | 15:13 »
Okay... und ihr seid echt der Ansicht, ein solcher Zustand lässt sich beim ROLLENSPIEL erreichen?!?

Ja, genauso wie beim Bücher lesen, beim Film schauen, usw.

Ich persönlich bin eher für Metagaming und für das Geschichtenkonstruieren, aber Immersion geht schon für mich. Halt noch besser, wenn ich es im Nachhinein nochmals alles für mich allein überdenke und in ein Narrativ umforme. Storygames machen halt das bessere Narrativ als der autoritäre Spielleiter, deshalb bin ich für Metagaming.
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Offline Tsu

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #10 am: 26.10.2012 | 15:15 »
Zitat
Was für ein geistreicher Kommentar.

Den gebe Ich zurück, danke  :)

Und jetzt werde Ich auch, vor allem weil Du Dir wirklich Mühe gegeben hast, auch umfangreicher antworten.

Das erste was mir in den Sinn kommt ist das wir uns entscheiden müssen zwischen der aussage "Immersion gibt es nicht" oder "Immersion gibt es (für mich) nicht".

Die allgemeine These, das Immersion nicht möglich ist ( noch nichtmal teilweise) wiedersprechen einfach zuviele Erlebnisse, die ich in den letzten Jahrzehnten machen durfte.

Ich habe schon Spieler am Tisch vor Freude, Angst und Trauer aus Ingamegründen weinen sehen.
Ich habe Spieler sich gegenseitig verlieben sehen um dann bitter festzustellen das diese Liebe sich nur auf Ihre Charaktere bezogen hat.
Ich habe Spieler so voller Angst und Schauer erlebt, dass wir das Licht anmachen mussten oder Personen nicht mehr alleine Heim fahren konnten.
Ich habe Spieler die Action und DRamatik einer Session so mitnehmen sehen, das sie am Ende schweissgebadet waren als hätten sie einen Marathon gelaufen.

War das immer so? Nein, Vereinzelt, aber es kam vor.

Und Ich bin nicht der einzige der von solchen Ereignissen hier im Forum berichten kann. Die genannten Fälle oben sind natürlich Extremfälle, aber grade diese zeigen, was bei einer maximalen Immersion möglich ist. Oft geht man gar nicht so weit.

Eine Sache habe Ich festgestellt: Die Befähigung zur Immersion geht nicht vom Spieleiter aus, sondern von der Person selber. Ein Spieler muss diese Immersion wollen und sie sich absichtlich herbeispielen um sie zu geniessen.

Oh... und was meinen  "geistreichen Kommentar" angeht: Nun, wer diese Erfahrungen in der Jugend gemacht hat, der zweifelt auch nicht mehr daran das das menschliche Gehirn fähig ist extreme Illusionen den eigenen Sinnen zukommen zu lassen, oft auch gesteuert durch einen selbst. Das Potenzial ist also da...

@ Bad Horse: Es gibt auch interessante Experimente zu Schlafentzug oder überkoffeinierung, beides kann einen ähnlichen Effekt haben. Wer mal 48 Stunden durch wach war, kennt bestimmt dieses "Ich habe da was gehört"
 

Offline Boba Fett

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #11 am: 26.10.2012 | 15:20 »
Immersion im Rollenspiel gibt es sehr wohl.
Selbst erlebt, zuletzt als ich Judas spielen durfte.
Mehrfach bei Engel.

Früher sehr oft, aber da war ich jung und hatte weniger, das ablenkt.
« Letzte Änderung: 26.10.2012 | 15:32 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Online Jiba

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #12 am: 26.10.2012 | 15:22 »
Ich habe schon Spieler am Tisch vor Freude, Angst und Trauer aus Ingamegründen weinen sehen.

Ich habe Spieler so voller Angst und Schauer erlebt, dass wir das Licht anmachen mussten oder Personen nicht mehr alleine Heim fahren konnten.

Ich habe Spieler die Action und DRamatik einer Session so mitnehmen sehen, das sie am Ende schweissgebadet waren als hätten sie einen Marathon gelaufen.

Das habe ich auch schon alles bei mir selbst erlebt. Aber, so meine These, dies geschah aus Gründen eines "Mitfühlens mit dem Charakters" und nicht eines "Fühlens als sei ich selbst der Charakter". Deswegen behaupte ich: Leute, ihr fühlt euch nicht, als wärt ihr der Charakter – ihr identifiziert euch nur sehr stark mit ihm.

Was mein Beitrag zeigen soll, ist das umgekehrte, als das, was ihr mir da grade unterstellt und zwar: Bei Immersion ist nichts dabei. Anscheinend kann jeder sie erreichen. Ohne große Mühe. Also hört doch bitte auf, alle so zu tun, als könne man das nur unter Verzicht auf Metagaming oder PE oder Battelmaps oder sonstwas tun. :/
« Letzte Änderung: 26.10.2012 | 15:27 von Jiba »
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“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline tartex

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #13 am: 26.10.2012 | 15:26 »
Deswegen behaupte ich: Leute, ihr fühlt euch nicht, als wärt ihr der Charakter – ihr identifiziert euch nur mit ihm.

Ich denke nicht, dass man das so leicht trennen kann. Immersion als Begriff spielt ja auch in der Filmtheorie eine zentrale Rolle.

Mehr oder weniger blind aus den Google-Suchergebnissen als erster Treffer abgegriffen: http://www.filmforen.de/index.php/topic/14140-aesthetische-immersion-und-filmtheorie/

(Mann, ich will wieder zurück an die Uni... Waren das Zeiten, als ich mich tagein tagaus mit solchen Texten beschäftigt habe.  :'( )
« Letzte Änderung: 26.10.2012 | 15:28 von tartex »
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Online Jiba

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #14 am: 26.10.2012 | 15:29 »
@tartex: Ist mir bekannt. Was ich daran kritisiere ist lediglich, dass Immersion doch entweder leicht erreichbar sein müsste (dann aber für alle) oder eben überhaupt nicht. Ein intensives Spielerlebnis oder Identifikation mit dem eigenen Charakter aber gleich als Immersion zu bezeichnen, das halte ich für fraglich oder zumindest diskutabel.
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“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

killedcat

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #15 am: 26.10.2012 | 15:32 »
Ich glaube, dass hier im Forum niemand behauptet, dass es darum geht, Eins mit dem SC zu werden.

Aber...

Ich gehöre auch zu den Fuzzis, die ungerne auf die Metaebene gerissen werden, weil sie dann "Immersion" verlieren. Ich möchte aber an dieser Stelle doch bitten, und das gilt ja ganz allgemein für alle Diskussionen hier, die Beiträge wohlwollend und mit der Absicht des Verstehens zu lesen. Da brauchen wir uns nicht an Begriffen wie "Immersion" aufzuhängen oder darüber zu diskutieren, ob es das gibt. Jiba hat es ja im Eingangspost geschrieben: Spieler beschweren sich, weil ihnen beim Wechsel auf die Meta-Ebene etwas verloren geht, das sie beim Spiel für wichtig erachten. Der Begriff "Immersion" trifft einfach das, was sie verlieren, ganz gut, finde ich.

Wir wollen ja alle Spaß haben. Auch ich. Und wenn ich sage, dass ich es nicht mag, wenn mich die Regeln "herausreißen", dann ist für mich die Wichtigkeit der Immersion hinreichend dokumentiert. Ich muss aber auch gestehen, dass es mir heute schwerer fällt, mich emotional mit meinem Charakter oder der Geschichte zu verbinden, darin einzutauchen. Aber früher hatte ich ein paar ganz intensive Momente im Spiel, mit echten Gefühlen der Trauer oder der Freude bei rein fiktiven Handlungen. Natürlich ist das schön und ich hätte zumindest gerne, dass die Regeln mich in solchen Momenten nicht herausreißen. Wenn sie das aber tun, dann hilft es auch nichts zu sagen, dass es Immersion nicht gäbe. Dann nennen wir sie halt nur anders, aber wenn ich sie verliere, ist der Verlust real, weil er real erlebt wird. Dann hilft alle Diskussion nicht, ob es das gibt, wenn ich es doch erlebe. Dann ist mir auch egal, ob mir der Verlust des Gefühls verloren geht, mich wie der Charakter zu fühlen, oder mich als der Charakter zu fühlen. Immersion heißt nicht - und kann nicht heißen - sich selbst aufzugeben. Diesen Anspruch hat auch niemand erhoben.

Mein Chef sagt immer, es gibt nichts Hundertprozentiges im Leben. Und recht hat er. Der Punkt ist doch: egal ob ich Immersion nun mit Identifikation oder Einswerden definiere ... wenn ein Spieler das anstrebt und von den Regeln behindert wird, dann ist das doch genug, um die Regeln abzulehnen, oder?

Offline Crimson King

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #16 am: 26.10.2012 | 15:33 »
Was mein Beitrag zeigen soll, ist das umgekehrte, als das, was ihr mir da grade unterstellt und zwar: Bei Immersion ist nichts dabei. Anscheinend kann jeder sie erreichen. Ohne große Mühe. Also hört doch bitte auf, alle so zu tun, als könne man das nur unter Verzicht auf Metagaming oder PE oder Battelmaps oder sonstwas tun. :/

Metagaming verhindert Charakter-Immersion nicht, aber sie erschwert sie, zumindest für die meisten Spieler. Insofern haben diese Einwände ihre Berechtigung.
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Offline tartex

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #17 am: 26.10.2012 | 15:35 »
Also, ich kenne Leute, die schwören echt auf Railroading-Einfühl-Porn und die weinen angeblich auch, wenn ihr Charakter stirbt (und hassen es). Meine Schule ist das nicht. Aber es funktioniert wohl anscheinend doch nicht bei allen Leuten gleich.

Manche Leute schauen lieber fern, als dass sie RPGs spielen. Manche bevorzugen Bücher, andere Computerspiele. Warum soll es dann nicht auch im Hobby RPG eine ganze Bandbreite von unterschiedlichen bevorzugten Eintauch-Arten geben?

Das klingt jetzt leider leicht wertend, aber: manche bevorzugen halt eher aktives, manche eher passives Kopfkino. Wird schon jeder einen Grund haben, warum das eine oder andere besser klappt.
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Eulenspiegel

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #18 am: 26.10.2012 | 15:36 »
@ Jiba
Also gerade bei sehr immersiven Szenen trinke ich nichts sondern lausche gespannt den Worten des SLs bzw. beschreibe meine Aktionen.

Und doch, würfeln ist auch leicht störend. Besonders immersiv waren bisher Szenen, in denen nicht gewürfelt wurde bzw. Dredge. Klar, der Jenga-Turm befindet sich auf der Meta-Ebene. Trotzdem schafft es der Jenga.-Turm irgendwie, mich tiefer in die Immersion zu ziehen.

Zitat
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Hmm, hattest du dieses Gefühl denn schonmal, wenn du ein interessantes Buch gelesen oder einen spannenden Film gesehen hast?

Offline Weltengeist

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #19 am: 26.10.2012 | 15:37 »
Denn eins habe ich vielleicht begriffen: Immersion ist unmöglich!

Oh - und du hast mir gestern an anderer Stelle vorgeworfen, zu stark zu absolutieren?

Wenn du sagst, dass Immersion für dich unmöglich ist, dann habe ich da kein Problem mit. Das geht vielen Leuten so. Mir auch meistens. Aber zu sagen, dass es gar nicht möglich ist, wenn es Leute gibt, die sagen, dass sie sie erlebt haben, macht wenig Sinn, oder? Oder sind wir jetzt wieder beim beliebten Tanelorn-Spiel "ich verwende eine andere Definition eines landläufigen Begriffs und komme damit zu ganz anderen Ergebnissen"?

Ich schiebe das Phänomen auf das, was ich meinen "inneren Beobachter" nenne. Manche Leute können den ganz gut unterdrücken. Sie können in einen Film gehen und einfach nur die Handlung genießen, statt (wie ich) zu überlegen, wie sie wohl diesen oder jenen Special Effect hinbekommen haben. Manche Leute können sich auch zulaufen lassen und dabei vergessen, wie unsinnig die Dinge sind, die sie dann tun - ich dagegen schaffe das nicht. Manche können in ein Fußballstadion gehen und das Gefühl genießen, Teil eines Großen Ganzen zu sein - ich dagegen nicht. Ich kriege die Metaebene nie ganz ausgeblendet - andere schon. Aber nur weil es mir nicht gelingt, ganz in etwas einzutauchen, würde ich nicht behaupten, dass es diese Art von "ganz in etwas aufgehen" nicht gibt.

Und um auf dein letztes Posting einzugehen: Es gibt nicht nur "Immersion on/off". Es gibt Leute, denen Immersion mehr oder weniger leicht fällt und die sich (z.B. von Metagaming) mehr oder weniger dabei stören lassen.
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Offline Arldwulf

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #20 am: 26.10.2012 | 15:45 »
@Jiba: Erstmal schöner Text. Und ich stimme dir eigentlich durchaus zu dass der entscheidende Knackpunkt nicht die Frage ist ob man nun PE macht oder nicht.

Gibt es aber Immersion?

Nun um bei deinem Glee Beispiel zu bleiben: Nur weil dir keiner zuhört heißt das noch nicht das du allein bist. Als ich ein sehr kleiner Junge war sagte mir mein Vater wenn ich mir irgendetwas zu sehr und zu drängelnd wünschte barsch: Mach die Augen zu, dann weißt du was du bekommst. Das war nicht unbedingt nett, denn dummerweise umfing mich ernüchternde Dunkelheit wenn ich das versuchte und selbst wenn ich mir dann vorstellte was ich mir wünschen wollte: Es blieb Illusion.

Bedeutet dies die vielen schönen Dinge existieren nicht? Oder bedeutet es nur: "Pech gehabt, probier es nächstes mal doch wieder! So ist das Leben..." ?

Nur weil du etwas nicht hast bedeutet das noch nicht das es nicht existiert. Es ist schade wenn du keine tiefergehende Bindung an deine Charaktere aufbauen konntest, wenn sie nicht mehr sind als etwas detailliertere und von dir gesteuerte NSC. Bedeutet aber nicht das es diese Tiefergehende Bindung nicht gibt. Ich habe auch schon Charaktere erlebt bei denen IG Ereignisse unterbewußt in mein RL eingriffen - und umgedreht. Viele Charaktere sind letztlich ein Abbild von einzelnen Aspekten meiner selbst. Und das ist dann eben mehr als nur der nächstbeste NSC.
« Letzte Änderung: 26.10.2012 | 15:48 von Arldwulf »

Offline tartex

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #21 am: 26.10.2012 | 15:45 »
Also gerade bei sehr immersiven Szenen trinke ich nichts sondern lausche gespannt den Worten des SLs bzw. beschreibe meine Aktionen.

Wahrscheinlich klappt Immersion besser beim Lauschen als beim selbst Beschreiben. Deshalb wohl auch die Korrelation zwischen Railroading-Fans und Immersions-Freaks. (In meinem zugegebnermaßen sehr kleinen Sample.)
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Offline Blutschrei

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #22 am: 26.10.2012 | 15:58 »
Zitat
Früher sehr oft, aber da war ich jung und hatte weniger, das ablenkt.

Auch wenn ich mit 21 Jahren noch "jung" bin, muss ich trotzdem sagen, dass mir Immersion deutlich leichter fiel, als ich noch "jünger" war.
Ab 16 hatte ich mich in so ziemlich jeden Roman den ich gelesen habe "hineingefühlt", habe quasi alles miterlebt was passiert ist. Als ich und meine Gruppe es dann so ab 18 geschafft hatten, "gesundes" Rollenspiel zu spielen, kam auch da oft richtig tiefe Immersion, und scheinbar auch bei allen Spielern der Runde. Da ich meist Charaktere spiele, die mit meiner eigenen Denkweise nicht überseintimmen, spürt man natürlich immer kurz den Moment, in dem man denkt "Hmm, X wäre jetzt eine kluge Sache, aber mein Charakter würde jetzt Y tun". Aber das trägt in meinem Fall nur zur Immersion bei, weil ich dem Charakter durch die Entscheiedung noch mehr Substanz verleihen kann.
Auch in den meisten PC-Spielen, die ich in dieser Zeit gespielt habe (Allen voran Guildwars und WoW) fiel mir die Immersion sehr leicht, zwischenzeitlich von Phasen überschattet - oder bereichert - in denen die spielmechanischen und sozialen Aspekte in den Vordergrund traten.

In letzter Zeit nimmt die Fähigkeit sich auf die Immersion einzulassen jedoch zunehmend ab. Meist spiele, denke und erlebe ich vielmehr auf Spielerebene als dass ich die Sicht des Charakters direkt einnehme. Also tatsächlich ein "Woaa, der Spielleiter packt den Drachen aus" und nicht ein "Oha, vor meinem Charakter mir steht ein Drache".
Aber gerade vor ein paar Wochen, als wir mit dem regelarmen Risus einen Horror-Plot gespielt hatten, war ich mal zur Ausnahme ganz tief im Charakter, ich hatte richtig _Angst_ vor dem was da kommt und hatte echt Mühe, den Charakter so "cool" rüberzubringen, wie er eigentlich sein sollte ;)

Ich glaube es hängt auch einfach damit zusammen, dass ich mittlerweile die meisten Rollenspielrunden analysiere, bewerte, darüber nachdenke, was man hätte besser machen können, ich die Encounterschwierigkeit dahingehend teste, dass ich meist zum Ergebnis kam "Nur eine Illusion, wir hätten nicht verlieren können". Ich werde wohl zunehmend zum Rollenspiel-Wissenschaftler und Spielleiter-only ;) Dafür macht mir das Spielleiten umso mehr Spaß, auch ohne übermäßige Immersion, und vielleicht ist ja irgendwann mal der Punkt erreicht, an dem ich mit meinem Rollenspiel hinreichend zufrieden bin, um auch die analysen wieder zurückzufahren.


Noch kurz zu einem eher lustigen Erlebnis letztens:
Wir spielen in der Regel in unserem Jugendhaus und haben dank Ehrenamtler-Status auch Zugang zu diesem. Als neulich mal wieder ein paar betrunkene Stresser nachts um 01:30 ins Jugendhaus stolperten und unseren Kampf mit einem "Hey geht hier ne Schwulenorgie oder was" störten, ist die Hälfte unserer Runde direkt aus dem Ingame-Kampf, teils noch mit der Mentalität ihrer Charaktere in das Wortgefecht mit den Störenfrieden.
Als ich dann als Verantwortlicher und Hausrechtinhaber etwas lauter und bestimmter wurde, meinte einer unserer Spieler: "Alter, gleich teilt Grimm Hammerfaust wieder Schmetterschläge aus", mit Bezug auf meinen Charakter ;) Wir hatten uns dann erstmal nen Ast abgelacht und daraufhin - wieder in der Realität angekommen mit gezücktem Handy und Polizeidrohung unsere unerwünschten Gäste vor die Tür gesetzt.
« Letzte Änderung: 26.10.2012 | 16:02 von Blutschrei »
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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #23 am: 26.10.2012 | 16:06 »
Auch wenn ich mit 21 Jahren noch "jung" bin, muss ich trotzdem sagen, dass mir Immersion deutlich leichter fiel, als ich noch "jünger" war.

Kommt mir bekannt vor. Entwicklungspsychologen würden jetzt dazu was qualifiziertes sagen können (war da nicht was mit "magischer Welt" oder so?)... ;D

Und als zunehmende verkopfter Erwachsener muss man dann irgendwann anfangen zu meditieren, um wieder in diesen Kinderzustand zurückzufinden... :D
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Online Jiba

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Re: Immersion gibt es nicht!
« Antwort #24 am: 26.10.2012 | 18:02 »
Nur weil du etwas nicht hast bedeutet das noch nicht das es nicht existiert. Es ist schade wenn du keine tiefergehende Bindung an deine Charaktere aufbauen konntest, wenn sie nicht mehr sind als etwas detailliertere und von dir gesteuerte NSC. Bedeutet aber nicht das es diese Tiefergehende Bindung nicht gibt.

Stopp, stopp, stopp. Klar habe ich tiefe Bindungen zu meinen Charakteren. Ich kenne sie so gut, wie ich mich selbst kenne (logisch, sind meine Charaktere). Ich kann mich mit ihnen identifizieren und es kann mir ziemlich zu Herzen gehen, wenn ihnen etwas passiert. Und dann vergieße ich auch Tränen. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich irgendwann mein Charakter bin. Aber vielleicht ist das was ich ja jetzt beschrieben habe auch schon ein hinreichendes Kriterium für "Immersion".
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini