Autor Thema: Techniken zur Unterstützung von Immersion  (Gelesen 2192 mal)

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Offline Gummibär

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Techniken zur Unterstützung von Immersion
« am: 17.11.2012 | 22:40 »
Ziel: Hier sollen Techniken zur Unterstützung von Immersion gesammelt und erklärt werden.

Grundlegenere Fragen, z.B. ob Immersion im Spiel erwünscht oder gar überhaupt möglich ist, bitte ich bei Bedarf in den entsprechenden Threads posten bzw. eigene aufmachen.

Anlass ergibt sich u.a. aus diesem Beitrag.
« Letzte Änderung: 20.11.2012 | 16:46 von Gummibär »
Du greifst Teichdragon & Co. an und äußerst jetzt Unverständnis, wenn sich einer von ihnen zu Wort meldet?

Gut gemacht.  :gaga:

Offline Lord Verminaard

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Re: Techniken zur Unterstützung von Immersion
« Antwort #1 am: 17.11.2012 | 23:52 »
Wenn ich jetzt mal unterstelle, dass du mit Immersion ein starkes Gefühl der Unmittelbarkeit der Spielwelt und des Charakters im Sinne eines Eintauchens in selbige meinst, hat dieses meiner Erfahrung nach zwei Voraussetzungen: Erstens, eine Fiktion, die den Spielenden stark emotional anspricht (egal ob positiv oder negativ, negativ ist leichter, insbesondere bei Horror-Spielen), und zweitens die Bereitschaft des Spielenden, sich ohne Distanz oder Schutzmechanismus auf die Fiktion einzulassen.

Bei ersterem helfen gute Charaktererschaffungsregeln bzw. -prozeduren, und darauf aufbauend, gute Szenarioerschaffungsregeln bzw. -prozeduren, aber ganz überwiegend bleibt es die kreative Leistung des SL und der Mitspieler, die eine emotional packende Fiktion erschafft. Ebenso wichtig ist auch das reibungslose Zusammenspiel am Spieltisch, das durch gut funktionierende Regeln und Abläufe begünstigt werden kann, aber wiederum ganz wesentlich von den Personen am Tisch abhängt.

Bei letzterem hilft es bzw. ist unerlässlich, sich sicher zu fühlen. D.h. alle vertrauensbildenden Maßnahmen sind hier hilfreich, dazu zähle ich insbesondere auch Transparenz der Autoritäten und Entscheidungsmechanismen am Spieltisch. Aber auch hier ist wieder die Chemie zwischen den Leuten am Spieltisch alles entscheidend.

Demgegenüber wirst du häufig hören, dass es helfen soll, auf eine sogenannte Meta-Ebene zu verzichten, keine Spielpausen einzulegen, nur In-Character zu sprechen, niemals einen Witz zu machen usw. Ich glaube, die Leute, die so was behaupten, zäumen das Pferd von hinten auf. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass alle diese Dinge in ihren als besonders immersiv empfundenen Spielrunden abwesend waren. Aber nicht weil bewusst auf sie verzichtet wurde, waren die Spielrunden so, wie sie waren. Sondern weil die Spielrunden (aus den von mir oben genannten Gründen) so waren, wie sie waren, schlugen sie die Spieler so in ihren Bann, dass eben alle sehr konzentriert bei der Sache waren, alles andere ausgeblendet wurde, usw.
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Offline ArneBab

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Re: Techniken zur Unterstützung von Immersion
« Antwort #2 am: 18.11.2012 | 03:59 »
Demgegenüber wirst du häufig hören, dass es helfen soll, auf eine sogenannte Meta-Ebene zu verzichten, keine Spielpausen einzulegen, nur In-Character zu sprechen, niemals einen Witz zu machen usw. Ich glaube, die Leute, die so was behaupten, zäumen das Pferd von hinten auf.
Das kann gut sein. Wir hatten eine Dungeonslayer-Runde, die sehr Meta anfing: Klassische Stereotypen und als Ziel nur Monsterbatschen. Wir lachten und spielten ohne großen Anspruch.

Und dann gingen die Spieler in dieses Zimmer in dem One Page Dungeon und plötzlich war alles für einen Moment echt und wir waren in dem Raum. Und dann war es nicht mehr nur eine Nudeln-und-Knabberkram-Runde, sondern ging tief. Vielleicht gerade, weil wir uns wirklich entspannt hatten. Die Spielbericht davon hat es sogar auf 1w6 geschafft: http://1w6.org/blog/drak/2009-11-26-dungeonslayers-spielbericht
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Offline Edwin

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Re: Techniken zur Unterstützung von Immersion
« Antwort #3 am: 18.11.2012 | 09:28 »
Ich suche im RPG keine große Immersion und habe sie darum auch selten zu einem großen Ausmaß am Tisch gehabt.

ABER: als es mal so war, ist für mich ein oft übersehener Faktor entscheidend - die Anzahl der Spieler.

Interessant ist beispielsweise, dass der vorhergehende Spielbericht in dem man "unerwartet" Immersion erlebte so beginnt: "Wir wollten uns zum Rollenspielen treffen, waren nur zu dritt..." Zwei Spieler + Leiter ist eine ziemlich ungewöhnliche Konstellation, normal sind ja eher so fünf Spieler + Leiter.

Dann kommt es zu folgendem Effekt: der Spielleiter beschreibt irgendwas. Alle fühlen den Impuls etwas zu tun...gerade wenn es sich um eine bedrohliche oder irgendwie sonst interessante Situation handelt. Bei fünf Spielern müsssen 4/5 diesen Impuls erst mal unterdrücken, damit der Spielleiter und ein anderer Spieler in Dialog treten können. Jeder weiß ja wie das ist wenn viele Personen gleichzeitig reden, geht einfach nicht.
Nach meinen Erfahrungen aus dem (Impro)theater-bereich in dem Immersion für mich persönlich ziemlich entscheidend ist ist ein wichtiges Mittel diese zu erreichen einem Impuls SOFORT zu folgen. Du bist so wütend dass du ihr am liebsten eine scheuern würdest? Tu es! Du brauchst Nähe? Umarm sie! Tut man es nicht, driftet man ziemlich schnell in die Niederungen des, sagen wir, "Deutschunterricht-theaters" in dem Figuren irgendwie geschauspielert und nicht ausgedrückt (aus seinem eigenen Inneren heraus) werden. Man fragt sich: Passt das jetzt zur Figur ihr eine zu scheuern? Würde er sie wirklich umarmen? Mit anderen Worten: man denkt über die Person nach, nicht als Person. Meta, wenn man so will.

In intimen Situationen (weniger Spieler) kommt dann auch noch hinzu dass man sich wesentlich weniger vor einer Gruppe präsentieren muss und wird - man kann die Deckung seines sozialen Gesichtes etwas herunter lassen und sich in seiner eigenen Verletzlichkeit in die Situation begeben.

Meine persönlichen Immersionserlebnisse (sowohl als Spieler als auch als Leiter) fanden so auch statt in einer Reihe von Runden die nur aus mir und einem meiner damals besten Freunde bestanden. Wir spielten und leiteten abwechselnd Horrorszenarien, in denen der die Realität einer Person nach und nach zerstört wurde. Diese Intensität werde ich nie vergessen. Allerdings war das auch extrem anstrengend und ich wünsche mir sowas nicht für die wöchentliche Sitzung.
Guten Tag! Ja, ich bin ein sprechendes Pferd mit einer Kerze auf dem Kopf, aber kommunizieren Sie doch bitte mit mir so unbefangen wie mit bipedalen vernunftsbegabten Lebewesen auch!

Offline dunklerschatten

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Re: Techniken zur Unterstützung von Immersion
« Antwort #4 am: 18.11.2012 | 09:44 »
Zitat
Wenn ich jetzt mal unterstelle, dass du mit Immersion ein starkes Gefühl der Unmittelbarkeit der Spielwelt und des Charakters im Sinne eines Eintauchens in selbige meinst, hat dieses meiner Erfahrung nach zwei Voraussetzungen: Erstens, eine Fiktion, die den Spielenden stark emotional anspricht (egal ob positiv oder negativ, negativ ist leichter, insbesondere bei Horror-Spielen), und zweitens die Bereitschaft des Spielenden, sich ohne Distanz oder Schutzmechanismus auf die Fiktion einzulassen.


Ich glaube ja da denkst du zu kurz. Bzw. die Wirkungen sind nicht zu verallgemeinern.
Es gibt ihmo Menschen da greifen die ganzen Aspekte nicht weil diese eben ein ganz anderen Bezug zum RPG haben.


"Stellt Euch den Tatsachen, dann handelt danach!"
Quellcrist Falconer

Offline Skiron

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Re: Techniken zur Unterstützung von Immersion
« Antwort #5 am: 19.11.2012 | 12:23 »
Also,

ich glaube, dass die Grundvoraussetzung eine innere Bereitschaft zur Immersion ist.

1. Mir erleichtert die Immersion Rituale um in die Welt einzutauchen oder sie wieder zu verlassen.

Als Beispiel: Der Spielleiter oder ein Spieler sagen mit ein paar Sätzen "Die Charaktere befinden sich im Kaminzimmer,
das Feuer lodert, es ist Abend."

Ich erkläre es mir so, dass die Grenze zwischen Realität und Spielewelt klarer abgegrenzt wird, wenn man Rituale hat,
die im übertragenen Sinne sagen: Jetzt gehts los, jetzt ist es zuende.
Außerdem glaube ich, dass es für mich hilfreich ist um in meiner Vorstellung meinen Charakter und auch die anderen Charaktere
in der Welt in Raum und Zeit zu verorten. Findet das nicht statt, frage ich mich erstmal: Gehts schon los? Wo bin ich? Wo sind die anderen?
Was muss ich machen?

2. Als hilfreich für Immersion erlebe ich es, wenn die Charaktere ganz alltägliche Dinge sozusagen naturalistisch spielen. (finde ich nicht das spannendste als Spieler, aber sie haben eine starke immersive Wirkung).

Ich erkäre es mir so, dass die Erfahrung Alltag, es erleichtert eine Spielewelt zu akzeptieren, weil eine bestimmte Zeit verstreicht in der man entspannt Teil der Spielwelt ist, diese sozusagen im Zeitverlauf annimmt und sich darauf einlässt. Die Vorraussetzungen erfordern keine große Anstrengung, weil sie bekannt sind und man auch keine großen Konsequenzen fürchten muss.

Die Vorraussetzung ist natürlich, dass man das überhaupt zulässt. Wenn man die ganze Zeit denkt, was soll das? Kann man doch überspringen? Laaaaaaaaaaaaaaaangweilig! Dann funktioniert das natürlich nicht.

Wobei ich mich gerade frage, ob es nicht auch dann funktioniert, man aber dies nur nicht wahrnimmt, weil man ja die Störquelle am Missmut festmacht?

Soweit erstmal, gibt noch viel mehr. :-)
« Letzte Änderung: 19.11.2012 | 14:09 von Skiron »