Hey!
Danke für die Beiträge soweit. Ich glaube, das Thema wurde aber teilweise noch nicht ganz durchdrungen, ich hoffe, in Folge etwas Klärung bringen zu können
Ganz allgemein: Natürlich können die herausgearbeiteten Antinomien sich nur auf spezifische Typen des Rollenspiels beziehen, da wir mit Rollenspiel im weiteren Sinne eine Reihe von Spielen bezeichnen, die sich ganz erheblich voneinander unterscheiden und völlig unscharf gegen andere gemeinschaftliche Aktivitäten wie Schauspiel, Wargaming, Brettspiel und Erzählen abgrenzen. Ich würde davon auszugehen, dass jede Variante ihre eigenen Antinomien aufweist, die jedoch untersucht werden müssten. Wenn ich von Rollenspiel im engeren Sinne rede, dann meine ich "klassisches" Rollenspiel, welches von einer Arbeitsteilung von SL und SpielerInnen, einer starken Sonderrolle des Kampfes sowie sowohl von erzählerischen, schauspielerischen als auch problemorientierten Passagen (Herausforderungen) gekennzeichnet ist. Ich rede vornehmlich von diesem Spiel.
Aus diesen Feststellungen folgen Konsequenzen, die für die weitere Diskussion wichtig sind:
1. Antinomien müssen aufgrund der Unschärfe des Begriffs innerhalb einer bestimmten Form des Rollenspiels betrachtet werden.
2. Es muss unterschieden werden zwischen dem wechseln des Spiels und dem "Lösen" einer Antinomie. Wenn ich etwa den SL abschaffe, dann erschaffe ich damit ein grundsätzlich anderes Spiel. Ich mag damit zwar praktisch ein subjektives Problem, welches ich vielleicht mit der Antinomischen Struktur eines Spiels habe, lösen, aber praktisch tausche ich nur ein Problem gegen ein anders aus (auch wenn ich mit dem anderen Problem vielleicht besser umgehen kann). Einfaches Beispiel: Wenn ich Monopoly gegen Kniffel austausche, dann löse ich damit nicht die Mitleid vs Habgier Antinomie, die so viele Monopoly-Partien kennzeichnet. Ich löse überhaupt kein Problem von Monopoly. Ich löse höchstens mein Problem mit Monopoly und tausche es gegen die Probleme ein, die Kniffel hat.
3. Es muss unterscheiden werden zwischen mit einer Antinomie umgehen und eine Antinomie auflösen. Die Unterscheidung ist einfach: Wenn ich mit einer Antinomie umgehe schaffe ich es in einer Situation die widersprüchlichen Handlungsanforderungen in einer funktionalen Art und Weise zu bewältigen. Habe ich die Antinomie aufgelöst, gibt es keine Möglichkeit mehr, wie dieses Problem noch einmal auftreten könnte.
Nun möchte ich nochmal auf einzelne Beiträge eingehen:
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@Vermi
Der SL ist der Gegenspieler der Spieler. Der SL ist der Schiedsrichter.
Das ist ein hervorragender Punkt! Mich erinnert das daran, dass meine Großmutter mit der ich unlängst einen Familiendungeoncrawl spielte, es als Anmaßung meinerseits empfand, dass ich sowohl über die Regeln entschied als auch als Gegenspieler auftrat. Das heißt, mir ist jetzt erst klar geworden, was sie an meiner SL-Rolle so gestört hat.
Kämpfe sollen spannend sein. Charaktere sollen keine bedeutungslosen Tode sterben.
Unterschreibe ich auch mit Nachdruck und kenne ich ua aus DnD wo mein SL im Sinne der gemeinsamen Kampagne sich Kommentarlos über meinen eigentlichen Charaktertod hinweg gesetzt hat
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@1of3
Dein Beispiel ist, Minne, da schon interessant: Mann kann einfach die SL streichen. Mann kann auf Kampfsysteme verzichten und auf offizielle Abenteuer. Das sind alles Höllen, die wir uns selbst graben.
Zunächst würde ich auf Punkt zwei dessen, was ich oben geschrieben habe, verweisen. Aber wichtig scheint mir hier noch etwas anderes zu sein: Klar kann man auf den SL verzichten, aber will man das? Welche Konsequenzen hat das? Ich würde zum Beispiel sagen, dass ich in spielleiterlosem Rollenspiel nie das Gefühl hatte, etwas "erreicht" zu haben oder nie die Spannung der Bedrohung empfand. Hier zeigt sich für mich, dass die Machtantinomie zwischen SL und Spielern durchaus ein Spannungsverhältnis hervorbringt, indem ein spezifischer Reiz des Rollenspiels im engeren Sinne liegt. Nimmt man dies weg, hat man nicht unbedingt (aber meiner subjektiven Erfahrung nach oft) ein schlechtes Spiel, aber in jedem Fall ein anderes. Und hier würde ich betonen, dass die Konstitutiven Antinomien eben kein "Fehler" sind, sondern eben auch als etwas, was den Reiz eines Spiels ausmachen kann. Denn sie sind eben Quell von Problemen mit denen immer wieder umgegangen werden muss und das ist eben auch ein Element eines Spiels.
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@Condor
Konstitutiv bedeutet dann ja wohl, dass man die Antinomie nicht einfach auflösen kann, ohne dass etwas verloren geht, ja? Ob das wirklich jeweils vorliegt, hängt aber sicher wieder von den Präferenzen der Spieler ab.
Beispiel: Risiko des Scheiterns vs. Risiko der Spannungslosigkeit. Sofern die Spieler nicht grundsätzlich frustriert sind, sobald etwas mal nicht gelingt, kann der SL Herausforderungen oft auch so konstruieren, dass ein (partielles) Scheitern keine Sackgasse für die Story bedeutet (klassisch: alle tot).
Was du beschreibst, ist nicht das Lösen eines Problems, sondern der Umgang mit einem Problem: Statt totalem Scheitern baut man eben ein partielles Scheitern ein, welches wieder neue Möglichkeiten eröffnet. Aber auch dies ist als Prinzip ist nicht beliebig belastbar, ohne dass eine Situation erzeugt wird, in der etwa die Bedrohung oder Glaubwürdigkeit der Welt entwertet wird.
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@Rettet den Wald
...Ich halte das nicht für eine Antimonie. Das Ziel ist hier im Prinzip einfach nur, eine Herausforderung zu bieten, die zwar fordernd, aber schaffbar ist. "fordernd" ist allerdings kein Widerspruch zu "schaffbar".
Der Punkt hierbei ist doch, dass es keine objektive instanz gibt, von der "schaffbar" eindeutig bewertet werden kann. Faktisch ist es doch so, dass es beim scheitern von Gruppen sehr häufig geschieht, dass dieses scheitern der Planung der sl zugeschrieben wird. Diese kann sich nur darauf zurückziehen, dass sie es sehr wohl schaffbar konzipiert habe und die SpielerInnen es eben verbockt hätten. Das Problem lässt sich außer in extremen Fällen überhaupt nicht lösen.
Ansonsten kann ich mir nicht vorstellen, dass du alle deine Entscheidungen in jedem Kontext durchziehen kannst, ohne damit anzuecken.
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Insgesamt ist es nicht sehr hilfreich hier zu meinen, diese Probleme mit euren persönlichen Präferenzen zu lösen. Denn es geht hier eher darum, das Rollenspiel als Interaktionssystem zu beschreiben als darum, wie ihr Persönlich mit solchen Fragen umgeht. Denn dass ihr irgendwie mit diesen Antinomien umgeht ist mir klar, denn sonst würde das Rollenspiel ja garnicht funktionieren. Wenn ihr euch für eine Handlungsalternative entscheidet, impliziert das aber, dass ihr euch auch anders entscheiden könntet. Viele Diskussionen im Forum drehen sich um die unterschiedliche Bewertung der Handlungsalternativen, die sich einem im Rollenspiel bieten. Die Antinomien in den Blick zu nehmen heißt sich weniger zu fragen, wer jetzt recht hat und wer nicht, sondern wo die systematischen Widersprüche liegen, die diese Diskussionen erst hervorbringen.