Autor Thema: Standpunkte zu Balancing  (Gelesen 21681 mal)

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Offline Teylen

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #25 am: 27.02.2013 | 10:37 »
Nenne mir ein Spiel bei dem es ein tatsächliches, funktionierendes Balancing gibt :)
Schach, Go etc. die meisten normalen Brett- und Gesellschaftsspiele sollten ein funktionierendes Balancing haben.
Hinsichtlich RPG war habe ich schon zuvor einen Beitrag geschrieben.
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Offline Glühbirne

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #26 am: 27.02.2013 | 10:38 »


Und: Gibt es irgendwen, der gegen Charaktergenerierungspunkte prinzipiell ist, und besser findet, einfach mit jedem Anstieg ein Attribut steigern zu dürfen, 2 Fähigkeiten zu steigern und jeden 3. Level ein Talent zu bekommen? Oder direkt um Erfahrungspunkte Fähigkeiten einzukaufen? Irgendwas?

Es macht die Sache zumindest Einfacher. Bei DSA4 Rechnet man oft lange Rum, um hier noch ein Pünktchen Schwertkampf und da einen Punkt Überreden zu bekommen oder ob man doch lieber Körperkraft steigern soll, ohne dass man das im Spiel wirklich bemerkt. Dass Steigern selbst kann da zwar sogar Spaß machen, weil es etwas von einem Puzzle hat, aber es ist Zeitaufwendig. Und eben sehr Schwer zu Regulieren, welcher Spielwert welchen Wert im Spiel hat.


Achamanian

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #27 am: 27.02.2013 | 10:39 »
Nenne mir ein Spiel bei dem es ein tatsächliches, funktionierendes Balancing gibt :)


Hinsichtlich RPG gilt das für die meisten SL-losen Sachen: Fiasco, Polaris. Und auch für PTA. Interessanterweise alles Systeme, bei denen die Regeln keine In-Game-Ressourcen und Fähigkeiten der Charaktere simulieren, sondern einzig und allein der Verteilung der Erzählrechte dienen.

Offline blut_und_glas

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #28 am: 27.02.2013 | 10:41 »
Balance zwischen Charakteren ist dabei irrelevant. Die gibt es nicht. Es liegt hier eine Verkürzung des Gedankenganges vor. Bei typischen Rollenspielen können die SC-Spieler das Spiel nur durch die Steuerung ihres eigenen SCs beeinflussen. Was man da also eigentlich balancieren will, sind nicht Charaktere, sondern Einflussmöglichkeiten von Teilnehmern.

Die sind aber im klassischen Spiel, wie du es beschreibst und wie es wohl auch Rattendämon interessiert, in den Spielfiguren/deren "Werten" kodifiziert.

Wenn wir dieses Vehikel ignorieren, dann ist die Balance zwischen den Teilnehmern bereits in dem Moment hergestellt, indem sich einfach alle Teilnehmer für identische Figuren/Figuren mit identischen Werten entscheiden.

Die Kernfrage für Rattendämon scheint mir aber doch eher zu sein, wie es sich denn mit der Balance verhält, wenn sich Figuren/Werte unterscheiden. In diesem Zusammenhang scheint die Verkürzung dann aus meiner Warte doch eher zielführend (den für den konkreten Fall weniger relevanten Teil der globalen Betrachtungen herauskürzend).

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Offline rettet den wald

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #29 am: 27.02.2013 | 10:49 »
Persönliche Meinung von mir: Die Fragen "Gibt es funktionierendes Balancing in einem RPG?" und "Ist Balancing in einem RPG überhaupt sinnvoll?" verdienen definitiv einen eigenen Thread... Mal schauen ob ich dazu was sinnvolles zu sagen habe.



Hier möchte ich aber nochmal die Ausgangsdefinition des Threaderstellers in Erinnerung rufen:

Balancing bedeutet, wie der Name suggeriert, eine Balance zu schaffen. Ein Kräftegleichgewicht. Ein Spieler sollte nicht bevor- oder benachteiligt sein, wenn er sich entscheidet, seine Charakterpunkte in viel Stärke, Intelligenz oder Charisma zu investieren. Er sollte auch keinen Nachteil haben, wenn er sich entscheidet, körperliche Attribute zu vernachlässigen und stattdessen in handwerkliche Fertigkeiten oder Wissenstalente zu investieren. Ein Charakter sollte sogar keine Vor- und Nachteil daraus ziehen, je nachdem ob er sich auf Kampf oder hin zu friedfertigeren Fähigkeiten entwickeln möchte.

...Und das hat in meinen Augen sehr wenig mit der Verteilung von Erzählrechten und ähnlichem zu tun.
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Offline Infernal Teddy

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #30 am: 27.02.2013 | 10:51 »
Schach, Go etc. die meisten normalen Brett- und Gesellschaftsspiele sollten ein funktionierendes Balancing haben.
Hinsichtlich RPG war habe ich schon zuvor einen Beitrag geschrieben.

Schach gilt schon als unbalanced, weiß hat einen unfairen vorteil ;)
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Achamanian

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #31 am: 27.02.2013 | 10:54 »

...Und das hat in meinen Augen sehr wenig mit der Verteilung von Erzählrechten und ähnlichem zu tun.

Doch, sehr viel, insofern der konkrete Nachteil für den Spieler ja darin besteht, dass er aufgrund der Spielwerte seines Charakters weniger Mlglichkeiten hat, mittels dieser die gemeinsame Fiktion zu beeinflussen. In einem kampfschweren Setting ist ein Spieler, dessen Charakter nicht über sinnvolle Kampffertigkeiten verfügt, insofern benachteiligt, dass er während der Kämpfe weniger Ressourcen hat, mit denen er Spotlight für seinen Charakter beanspruchen bzw. den Gang der Ereignisse beeinflussen kann.
Ich bin mir nicht mal sicher, ob es im RSP für die Spieler überhaupt Nachteile geben kann, die nichts mit der Verteilung von Erzählrechten zu tun haben.

EDIT: Mir fällt gerade auf, dass in dem zitierten Post von Vor- und Nachteilen der Charaktere die Rede ist. Das ergibt allerdings für mich gar keinen Sinn - der Charakter, der in einer Hack-Slay-Kampagne die Fertigkeit Zimmermann wählt, kann daraus als Charakter ja theoretisch durchaus einen Vorteil haben, weil er z.B. mit beiden Beinen fest im Berufsleben steht, während seine Mitstreiter alles Hungerleider und Herumtreiber sind. Wenn der Fokus der Kampagne aber auf den Hack-Slay-Abenteuern liegt, dann nützt dieser Vorteil dem Spieler des Charakers wieder herzlich wenig, weil das Spiel einfach nicht um wirtschaftlichen Erfolg geht.
Genauso ist "Langlebigkeit" eigentlich in keinem Rollenspiel wirklich ein Vorteil für den Spieler - dass ein Zwerg theoretisch 200 Jahre alt wird, nützt einem Spieler in einer Kampagne, die maximal 20 Jahre In-Game-Zeit umspannt, herzlich wenig.

Es kann bei Balancing eigentlich immer nur darum gehen, welche Vor- oder Nachteile bestimmte Regeln den Spielern bei der Erzählrechtvergabe einräumen, und nie darum, ob eine Fähigkeit einem Charakter "etwas bringt".
« Letzte Änderung: 27.02.2013 | 10:59 von Rumspielstilziel »

Offline rettet den wald

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #32 am: 27.02.2013 | 11:15 »
Doch, sehr viel, insofern der konkrete Nachteil für den Spieler ja darin besteht, dass er aufgrund der Spielwerte seines Charakters weniger Mlglichkeiten hat, mittels dieser die gemeinsame Fiktion zu beeinflussen. In einem kampfschweren Setting ist ein Spieler, dessen Charakter nicht über sinnvolle Kampffertigkeiten verfügt, insofern benachteiligt, dass er während der Kämpfe weniger Ressourcen hat, mit denen er Spotlight für seinen Charakter beanspruchen bzw. den Gang der Ereignisse beeinflussen kann.
Ich bin mir nicht mal sicher, ob es im RSP für die Spieler überhaupt Nachteile geben kann, die nichts mit der Verteilung von Erzählrechten zu tun haben.

Wir scheinen unterschiedliche Auffassung von "Erzählrecht" zu haben. Egal ob du gute oder schlechte Kampfwerte hast, du kannst in beiden Fällen "erzählen", dass du jemanden attackierst. Das einzige, was von deinen Werten beeinflusst wird, ist deine Erfolgschance... Und egal ob du das Erfolg hattest oder nicht, du kannst in beiden Fällen das "Erzählrecht" darüber haben, wie dein Charakter erfolgreich oder eben nicht erfolgreich war. In beiden Fällen lieferst du eine Beschreibung ab, und in beiden Fällen bist du auf ein bestimmtes Ergebnis beschränkt, das durch die Würfel und Werte diktiert wurde.

Daher: Höhere Werte haben exakt gar nichts mit "mehr Erzählrechte" zu tun.
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Offline Rattendämon

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #33 am: 27.02.2013 | 11:17 »
Im Grunde muss man das aus verschiedenen Richtung angehen:

1.
Was macht man in deinem Spiel besonders viel.
Wenn man "nur" oder sehr viel kämpft, dann muss man natürlich vor allem den Kampf balancen.
Wenn allerdings viel intrigiert, klaut, rituale durchführt oder investigativ tätig ist und kaum kämpft, dann muss man auch so balancen.
Wenn du beispielsweise davon ausgehst, dass man fast nie irgendwo einbricht sollte es sehr günstig sein ein Meisterdieb zu werden.
Immerhin kann man diese Fähigkeit ja nur selten nutzen.
Genauso sollte man auch der Überkrieger mit 1-2 Punkten sein, wenn man nur alle 10 Abende mal die Waffe zieht.
Also was passiert im Spiel ist sehr wichtig fürs Balancing.

Ich glaube, diesen Gedanken, was in einem Spiel viel getan wird, muss man aber schon lange vor dem Balancing klar abgewickelt haben. Wie viel Sinn macht es denn überhaupt zahlreiche Hobbyfähigkeiten im Spielsystem zu haben, wenn das Spiel "Orcs vs Space Marines" heißt und davon ausgegangen wird, dass man sich 90% der Zeit im engen Raumkampf auf Raumschiffen befindet?
Daher wäre das eher schon eine Sache, die im Vorfeld passieren muss. In einem Setting wo zB. der offene Kampf so unüblich ist (Setting in einer normalen westlichen Stadt zB.), dass es keine Option ist, das häufig zu nutzen, dann braucht man in diesen Aspekt des Spiels generell nicht viele Regeln und Attribute zu investieren, die Einfluss nehmen und wird sich vermutlich viel mehr auf die Social Komponente und sonstige Dinge fokussieren, und dafür Regeln schaffen.

Für die Offenheit des Diskussionsthemas würde ich aber davon ausgehen, dass es um ein sehr offenes Spielsystem geht, in dem Kampf, Handwerk & Ökonomie, Sozialkompetenz und Wissen & Erfindsamkeit zu gleichen Teilen auf das Spielgeschehen Einfluss nehmen dürfen.


Hält man das Spiel ohne Fokus (klassisch: DSA), dann ist das eigentlich Verhandlungssache - alle Mitspieler (also auch der SL) sollten ein Interesse daran haben, daß jeder was vom Spiel hat.
Natürlich: Keine Regel der Welt kann ersetzen, dass die Spieler am Spieltisch miteinander spielen und in ihrem Interesse steht, alle zum Zuge kommen zu lassen. Aber ich denke das kann man sich in der Designphase eines Spiels nicht bereits als Ausflucht nehmen, um sich keine Gedanken über die Fairness bereits in den Regeln machen zu müssen. Wenn das sowohl im Design als auch am Spieltisch passiert, dann haben beide Seiten eine leichtere Aufgabe.

Balancing auf der Spielerebene versucht, die Einflussmöglichkeiten auf das Spielgeschehen oder die Screentime gleichmäßig auf die Spieler zu verteilen.

Beides findet in der Regel zwischen gleichberechtigten Spielern statt. Wenn es in einem Spiel aber einen SL gibt, kann es auch sein, dass dieser entweder auf der Spiel- oder auf der Spielerebene in seinen Möglichkeiten eingeschränkt wird, um zum Beispiel das Macht- oder Screentimegefälle zwischen ihm und den Spielern zu verringern.
Screentime Balancing ist ein interessanter Ansatz, zu dem ich mir noch gar keine Gedanken machte. Erscheint natürlich logisch. Wenn der Kämpfer einer Gruppe 30 Minuten Spotlight in der Runde bekommt als er eine Bande Goblins auseinander nimmt, dann will der Dieb vielleicht ähnlich glänzen können, wenn er in ein Haus einsteigt und ein Dokument stiehlt.
Allerdings weiß ich noch nicht so recht, wie man das in Regeln überhaupt begünstigen könnte, ausser indem man auch andere Tätigkeiten ähnlich vereinnahmend macht wie den Kampf.

@ Rattendämon
Hm.. dein Balance Ansatz ist sehr 90er. Mal zwei Ansätze zum Nachdenken:

1. Die Gruppe spielt in der Regel miteinander gegen eine vom SL eingeführte Oppostion. Wie wichtig ist da das Kräftegleichgewicht der einzelnen SCs untereinander?

2. Soweit nicht "Problemlösen über Werte" den Großteil dem Spiels ausmacht (was legitim ist), ist nicht viel mehr die Frage wie man Spotlight (also die Spielzeit die auf einen einzelnen fällt) verteilt und ermöglicht? Drama, Konflikte, Verwicklungen sind etwas was oft an Schwächen und Hintergründen der SCs hängt, nicht nur an ihren Fähigkeiten. EDIT: Siehe auch was Edvard Elch geschrieben hat :P.
Ja, ich denke du hast mich da schon etwas ertappt. Ich bin jemand, dem ein komplexes Datenblatt Spaß macht, und der Dinge gar nicht so recht als Rollenspiel anerkennen mag, wenn man sich da nicht mit Zahlen beschäftigen kann, was im Grunde genommen etwas absurd ist, wenn man das Wort Rollenspiel betrachtet. Aber meine persönliche Präferenz sollte da gar nicht so das Thema werden, denke ich.

Zu 1.: Doch, ja, ich denke schon, dass ein Kräftegleichnis zwischen den Spielercharakteren wichtig und sinnvoll ist, wenn dies denn beabsichtigt wurde (alle Helden bekamen die selbe Stufe / Anzahl an Generierungspunkten / was auch immer).  Ich denke wenn man das aussen vor ließe, weil man sich Ausreden findet, wieso das gar nicht so wichtig ist, dann verbaut man sehr viele interessante Möglichkeiten, ein Spielsystem zu nutzen - nein, macht vielleicht sogar das Vorhandensein des Systems unnötig. Das System ist ja im Normalfall dafür da, eine Fairness zu erschaffen, und wenn das System das gar nicht beabsichtigt, dann weiß ich nicht, wozu das System eigentlich dient.

Zu 2.: Du hast schon recht damit. Allerdings weiß ich gar nicht, inwiefern das eine Sache des Spielbalancing ist oder sein kann. Ich glaub das ist eher die Ebene, die sich am Spieltisch entscheidet.

Balancing ist eine Möglichkeit, auszuschließen, dass etwas keinen Spaß macht - viele Leute haben nämlich keinen großen Spaß dabei, im Rollenspiel nur anderen Leuten zuzugucken, wie die Probleme wegrocken. Es ist nicht die einzige, vermutlich nicht mal die effektivste, aber es ist immerhin mal ein Ansatz.
Deinem ganzen Post kann ich nur zustimmen. Wie eh auch schon im Eingangspost erwähnt ist mir schon klar dass für Rollenspiel ein perfektes Balancing zu machen vermutlich reine Utopie ist, aber das ist kein Grund, nicht zu versuchen, es möglichst dahin zu bringen, wo Spieler ein gutes Gefühl haben und sich nicht trauen gewisse Arten von Charakteren zu spielen, weil sie sich davon weniger Spaß versprechen.


Es gibt Systeme welche hinsichtlich der Charakter-Entwicklung Stufen verwenden.
Bei welchen der Spieler entweder keine Fähigkeiten auswählen muss oder bei welchen er sich aus einer Liste etwas heraussuchen kann.
Davon abgesehen gibt es Systeme bei welchen sich die Charaktergenerierung nicht an einem komplexen Punktesystem orientiert.
Dass sie existieren weiß ich auch. :) Die Frage ist eher danach, ob jemand den Ansatz in balancingtechnischer Hinsicht besser findet. Ich finde das ja eher noch schwerer, denn wenn die Dinge keine Währung kosten sondern man sich immer eine fixe Anzahl einfach aussuchen darf, ungeachtet davon was es ist, heißt das, dass ja jede Auswahl die ich treffen kann wahrlich gleichwertig sein muss. Und gerade bei Systemen wo dem ein Tree zu Grunde liegt, der bedingt dass man an die mächtigeren Auswahlen erst später kommt wegen der Vorbedingungen wird es noch mal schwieriger weil du dann um deinen Stufenaufstieg dann neben der Ultimativen Weltenvernichtung auch noch das im vergleich wenig attraktive Anstupsen nehmen kannst und sie kosten so gesehen eigentlich gleich viel, nämlich den Stufenanstieg.

1.:
Du scheinst das Konzept "Ein Rang in Fähigkeit X kostet Y Punkte" zu verfolgen, in einem Framework wo der endgültige Wurf durch deutlich mehr als eine Fähigkeit bestimmt wird. Persönlicher Erfahrungswert: Das funktioniert nicht. Es ist nahezu unmöglich, hier das Auftauchen von Währungslücken zu vermeiden. Die Gegenmaßnahme, die bei mir relativ gut funktioniert hat:

Die Kosten aller Fähigkeiten steigen auf jeden Fall stärker als linear. Auf diese Art und Weise machst du es unattraktiv, alle Punkte in eine einzelne Fähigkeit zu stecken. Ich persönlich habe für Nodix eine quadratische Progression benutzt.
Zu diesem Schluss bin ich auch schon gekommen und den Ansatz verfolge ich auch bereits. Leichte Abweichungen vom Standard oder 0-Wert sind definitiv weniger Punkte wert, als starke Abweichungen. Auch wenn es darum geht wie viele Punkte man erstattet bekommt, wenn man sich Nachteile auflädt.

2.:
Ich würde möglichst davon absehen, Konstrukte der Art "Stärke gibt einen ganzen Haufen Boni, aber du kannst dir die Boni auch einzeln kaufen für billigere Punkte" einzubauen. Es wird bei Attributen wie "Stärke" nahezu immer Anwendungsbereiche geben, die für diesen konkreten Charakter sinnlos sind, wodurch man sich Punkte erspart, indem man sich nur das kauft, was man braucht. Jetzt kannst du natürlich mit "Paketverbilligungen" arbeiten, um diesen Effekt zu bekämpfen, aber das ist an sich schon ein Balanceproblem. Lösung:

Beschränke solche Pakete auf ein Minimum. In Nodix gibt es an mit XP beliebig steigerbaren Werten nur Attribute und Skills, und das wars. Traglast oder Nahkampfschaden extra kaufen geht nicht. Alternativ dazu könntest du natürlich Stärke streichen, und sagen dass sich die Spieler von vornherein nur Traglast und Nahkampfschaden extra kaufen. Wichtig ist, dass es hier keine Doppelgleisigkeit gibt.
Kämpft hier nicht etwas das Balancing gegen die Nachvollziehbarkeit? Jeder Spieler wird erwarten, wenn nicht sogar fordern, dass gewisse Attribute sich bei gewissen Dingen auswirken. Grade wenn man das Attribut Stärke hat, dann werden die Leute nicht einsehen wieso das nicht auch Traglast beeinflusst. Nicht dass ich persönlich Traglast verwenden würde, das halte ich für lästiges Micromanagement, aber ich spreche nur von der generellen Überlegung.

3.:
Du hast zwar nicht explizit gesagt, dass du das tun willst, aber dieser Punkt ist mir trotzdem wichtig: Baue niemals unter gar keinen Umständen eine Mechanik ein, mit der du dir irgendwelche Verbilligungen von XP-Kosten mit XP kaufst. Eigentlich sollte ich gar nicht extra sagen müssen, dass das sowas für die Balance tödlich ist, aber ich sehe in Rollenspielsystemen so oft irgendwelche "Begabungen", "Schnelles Lernen" oder "Gute Ausbildung" Vorteile, dass mir das schon zum Hals raushängt...
Das habe ich auf die harte Tour gelernt. Ich hatte ursprünglich einen Gedanken, dass man "Karrieren" ermöglichen könnte, und solange du eine Karriere aktiv hast, kannst du gewisse damit verbundene Fertigkeiten leichter steigern. Dabei stellte ich aber schnell fest, dass das ein Punkte-technischer Clusterfuck wird und sogar völlig unnachvollziehbar macht, ob ein Charakter auf seiner jeweiligen Stufe überhaupt die korrekte Anzahl an Charakterpunkten verbraucht hat.

5.:
Bezüglich dem, das du "Kampfbalance" nennst: Das ist meiner Ansicht nach ein wesentlich schwierigeres Thema... Auf was man in erster Näherung mal achten sollte ist, dass alle Strategien und alle Kämpferbuilds irgendeinen klaren Konter haben. Die klassische Balancelücke ist beispielsweise, dass Magier viel zu mächtig sind... Also sollte man irgendwas einbauen, mit dem man Magier (als Nicht-Magier) effektiv kontern kann.
Danke, das wird vielleicht ein guter erster Ansatz sein, wenn ich mal dazu komme, mich damit zu befassen.

Was mir aufgefallen ist, wenn ich mit klassisch orientierten Spielern spiele: Ihnen ist es wichtig, dass alle Charaktere besonders in Kämpfen, also an für sie eigentlich völlig unwichtigen Aspekten des RSP, zumindest dem Eindruck nach annähernd gleich viel "reißen" können. Insofern würde ich, wenn ich im 90er-Stil spielen und designen wollte, meine Überlegungen darauf reduzieren, wie den Spielern in einer Kampfszene das Gefühl vermittelt werden kann, einen wichtigen Beitrag zum Sieg zu leisten. Deswegen würde ich Kampfmechanismen nur untereinander balancen, nicht mit den Mechanismen für andere Bereiche des Spiels (die mechanisch für 90er Jahre Spiel ohnehin völlig vernachlässigbar sind). Ganz brauchbar gemacht hat das z.B. ein komischerweise für andere Spielweisen konzipiertes Spiel wie D&D4.
Das ist ein Ansatz, den ich nicht unterstützen möchte, aber auch nicht so recht wüsste, wie man darauf überhaupt Einfluss nimmt über die Regeln. Ich finde nicht, dass jeder Charakter im Kampf nützlich sein muss. Ein Charakter sollte viel mehr die Möglichkeit haben, nicht kämpfen zu müssen, aufgrund seiner Fähigkeiten, wenn er darin nicht gut ist. Wenn du einen rein gewandten, akrobatischen Agilitätscharakter hast, dann sollte es genau so als erfolgreich absolvierter Konflikt gelten, wenn du schaffst der Stadtwache zu entkommen anstatt sie niederzukämpfen. Und wenn du ein Bäcker bist, dann musst du halt all deine Gegner mit Käsekuchen besänftigen, I guess.
Etwas in die Richtung wäre für mich eher ein Balancing als manche Charaktere einfach zu Supportanhängseln zu deklarieren.

Ich finde Balancing albern und unrealistisch (ich benutze mal ganz bewusst dieses abgedroschene Wort).
Ich echten Leben ist auch nicht jeder "gleich gut".

Mir ist viel wichtiger, dass jeder Charakter in einem rollenspielrelevanten Bereich gut ist und seinen Bereich hat, in der er sein Spotlight bekommt und diese Bereiche auch regelmäßig abgefragt werden.
Der Social Charakter muss nicht genauso gut kämpfen können, aber im Rollenspielverlauf sollte es dementsprechend auch Notwendigkeiten für die sozialen Fähigkeiten geben.

Balancing ist für mich dementsprechend kein Begriff der ausgeglichene Befähigungen der Charaktere bemißt, sondern der bewertet, wie ausgeglichen das "sich einbringen der Charaktere" ermöglicht wird.
Mangelndes Balancing entsteht nicht daraus, dass irgendein Charakter nicht so gut kämpfen kann, sondern, wenn das System Charaktere ermöglicht, die nichts relevantes können ("Zuckerbäcker"), der Spielleiter bestimmte Elemente nicht abfragt oder handwedelnd regelt, so dass dort auch Nicht-Spezialisten plötzlich unberechtigt einwirken können oder der Spieler sich einen Charakter so erschafft, dass er für die im Setting vorgegebenen Spielinhalte nichts relevantes einzubringen hat.

In den meisten Fällen ist mangelndes Balancing ein Spielrundenproblem und kein Systemproblem.


Ich denke, das ist der bequeme Weg auf Designerebene. Natürlich hängt viel mehr vom tatsächlichen Spielstil der Runde ab, wie gleichberechtigt Charaktere sind, aber das entbindet den Designer des Spiels nicht davon, Voraussetzungen zu schaffen, die das begünstigen.

Natürlich muss und sollte nicht jeder Charakter "gleich gut" sein, aber wenn man ein System hat, das Kompetenz beispielsweise mit Stufen bemisst, dann ist ein Vergleichswert da, und dann sollten zwei Charaktere einer Kompetenzstufe auch in etwa gleichwertig sein. Dass nicht jeder Charakter "gleich gut" ist spiegelt sich in dem Fall vor allem in unterschiedlichen Stufen wieder. Aber natürlich ist deswegen noch nicht jeder gleichstufige Charakter in jeder SITUATION gleich gut.

Zu klären ist, ob man die SC-Spieler untereinander balancieren oder die SC-Spieler als Gruppe mit dem Spielleiter balancieren möchte. Horatio hat diese Frage bereits gestellt.
Das klingt für mich etwas so als würden die Spieler GEGEN den Spielleiter spielen, was natürlich nicht der Fall ist. Aber das Balancing ist in dieser Hinsicht FÜR den Spielleiter wichtig, denn ein ausbalanciertes System bietet Richtlinien, was für Herausforderungen man dem Spieler stellen kann, denen er auch gewachsen sein kann.
Zu oft musste ich in einem Rollenspiel dem Spieler Vorteile zuschanzen oder einen Gegner plötzlicher sterben lassen, als das den Regeln entsprochen hätte, weil die Kämpfe keinen sinnvollen Gedanken dahinter hatten, was für den Spieler schaffbar ist. Ich denke gerade solchen Sachen kann man mit Balancing dann entgegenwirken.

Es kann bei Balancing eigentlich immer nur darum gehen, welche Vor- oder Nachteile bestimmte Regeln den Spielern bei der Erzählrechtvergabe einräumen, und nie darum, ob eine Fähigkeit einem Charakter "etwas bringt".

Für mich ist das eigentlich eine klare Unterteilung. Ein Balancing in der Simulation und ein Balancing im Spielerischen. Wie viel erzählerischen Raum du im Spiel erhältst hängt eigentlich nur sehr bedingt von Charakterwerten ab. Es hängt zu einem großen Teil auch davon ab, wie dominant du dich überhaupt einbringst, wie sehr der Spielleiter darauf achtet, dass alle mal zum Zuge kommen und versucht, die inhibitierten Spieler zu fördern, usw. usf.
Erzählerisches Balancing kannst du auch ganz ohne Regelwerk erzielen, das hatte ich mal in einer Runde und es war glorreich. Aber das Thema mit dem ich mich versuche zu befassen ist auf jeden Fall sehr viel zahlenintensiver und simulationslastiger, während ich die Implementation in echtem Rollenspiel eher als ein zweites Thema sehe, das oben drauf darauf aufbaut.

Achamanian

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #34 am: 27.02.2013 | 11:36 »
Wir scheinen unterschiedliche Auffassung von "Erzählrecht" zu haben. Egal ob du gute oder schlechte Kampfwerte hast, du kannst in beiden Fällen "erzählen", dass du jemanden attackierst. Das einzige, was von deinen Werten beeinflusst wird, ist deine Erfolgschance... Und egal ob du das Erfolg hattest oder nicht, du kannst in beiden Fällen das "Erzählrecht" darüber haben, wie dein Charakter erfolgreich oder eben nicht erfolgreich war. In beiden Fällen lieferst du eine Beschreibung ab, und in beiden Fällen bist du auf ein bestimmtes Ergebnis beschränkt, das durch die Würfel und Werte diktiert wurde.

Ich würde da "Erzählrechte" weiter fassen als "Möglichkeiten, Einfluss auf die gemeinsame Fiktion zu nehmen". Natürlich kann ich mir auch mit schlechten Kampfwerten den Mund fusselig erzählen und damit vielleicht auch was bewirken oder zumindest den Ereignissen irgendwie meinen Stempel aufdrücken. Aber wenn ich in einer Kampforientierten Kampagne gute Kampfwerte statt schlechter haben, steht mir damit von Regelseite automatisch eine Ressource zur Verfügung, den Ereignissen meinen Stempel aufzudrücken und die gemeinsame Fiktion zu beeinflussen, ohne dass ich mir dazu den Mund fusselig erzählen muss.

Ich kann immer noch nicht sehen, inwiefern Regeln etwas anderes sein können als Ressourcen, die es den Spielern erlauben, die gemeinsame Fiktion in bestimmter, zielgerichteter Weise zu beeinflussen. Von daher ist ein Balancing auch bei Systemen, die mit ihren Werten Eigenschaften der Charaktere simulieren, immer davon abhängig, was für Eigenschaften in der betreffenden Kampagne überhaupt relevant sind, um die entstehende Geschichte zu beeinflussen. D.h. Balancing ist immer mit der Frage verknüpft, welche Möglichkeiten die Regeln den Spielern geben, die Ereignisse zu beeinflussen. Und das ist für mich eine Erzählrechtsfrage. Ein guter Angriffswert gibt mir schlicht mit hoher Wahrscheinlichkeit das Recht zu erzählen, dass mein Charakter mit einem Schlag trifft.

Offline rettet den wald

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #35 am: 27.02.2013 | 11:37 »
Kämpft hier nicht etwas das Balancing gegen die Nachvollziehbarkeit? Jeder Spieler wird erwarten, wenn nicht sogar fordern, dass gewisse Attribute sich bei gewissen Dingen auswirken. Grade wenn man das Attribut Stärke hat, dann werden die Leute nicht einsehen wieso das nicht auch Traglast beeinflusst. Nicht dass ich persönlich Traglast verwenden würde, das halte ich für lästiges Micromanagement, aber ich spreche nur von der generellen Überlegung.

Ich glaube hier hast du mich falsch verstanden. Hier nochmal die Zusammenfassung meiner Position:

Was scheiße ist: "Es gibt ein Attribut Stärke, das unter anderem deine Traglast bestimmt, und das kostet X. Darüber hinaus kannst du dir noch deine Traglast hochkaufen, ohne Stärke zu steigern, und das kostet Y, wobei Y kleiner als X ist.".

Was gut ist: "Es gibt ein Attribut Stärke, das unter anderem deine Traglast bestimmt, und das kostet X. Es gibt keine andere Möglichkeit, mittels XP deine Traglast hochzukaufen, außer Stärke."
Was alternativ dazu gut ist: "Du kannst dir deine Traglast hochkaufen, und das kostet X. Dein Wert für Traglast beeinflusst nichts anderes als deine Traglast und deine Traglast wird von nichts anderem beeinflusst als von deinem Wert für Traglast."
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Offline 1of3

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #36 am: 27.02.2013 | 11:42 »
@b_u_g: Genau. Ich wollte nur einmal darauf hinweisen. Gehen wir das doch einmal an.

Was man sich denke ich in ganz erster Linie anschauen muss ist, wie weitläufig sich ein Attribut auswirkt. Wenn zB. das Attribut Stärke sowohl beeinflusst, wie gut man kämpft, was für Waffen man benutzen darf, wie viele Hitpoints man hat, was die maximale Traglast ist, und wie viel Schaden man verursacht, sowie die Hälfte aller körperlichen Fertigkeiten beeinflusst, dann muss der Punktwert sehr viel höher sein als er ist, um nur eine einzelne körperliche Fertigkeit zu steigern, oder einen Punkt auf den Trefferwurf mit einem Talent zu erhalten.

Dieser Ansatz scheint mir in gewissem Sinne falsch herum. Ich kann mich ja dafür entscheiden - und das ist eine ganz bewusste Entscheidung -, dass ich in meinem Spiel ein Subsystem für Traglast haben möchte. Weiterhin kann ich mich bewusst dafür entscheiden, dass unterschiedliche Charaktere unterschiedlich viel tragen können sollen. Auch das ist nicht von vornherein klar, denn alternativ könnte ich ja auch behaupten, dass alle etwa menschengroßen, zweibeinigen Wesen ungefähr für unsere Zwecke gleich viel tragen.

Wenn ich auch diese Frage beantworte, erhalte ich also einen Wert "Tragekapazität". Wieso sollte dieser Wert der gleiche sein, der auch den Schaden im Kampf bestimmt? Das wäre eine weitere bewusste Entscheidung. Ich könnte an irgendeiner Stelle in diesem Gedankengang auch nein sagen. Das Problem, Rattendämon, scheint mir, dass du von vornherein davon ausgehst, dass es einen Stärkewert gibt und dann überlegst, was der tun könnte, statt umgekehrt, wie ich es gerade vorgeführt habe.

Ich kann mich natürlich entscheiden, dass ich meine Tragekapazität in irgendeiner Weise mit meinen Kampfwerten "verpaaren" möchte. Vielleicht hat das Spiel ein ganzes Subsystem für Reisen in der Wildnis, in welchem u.a. relevant ist, wie viel ein Charakter tragen kann. Vielleicht ist in diesem Reise-System auch relevant, ob Charaktere den richtigen Weg finden.

Ich habe jetzt also Angriff und Abwehr im Kampf und Tragen und Ankommen beim Reisen. Die Zuordnung dieser beiden Bereiche ist mir aber freigestellt. Ich kann z.B. Angriff und Tragen verpaaren und nenne den Wert dann Muskeln. Ankommen und Verteidigung verpaare ich auch und nenne Wert "Aufmerksamkeit".

Ich kann aber auch genau anders herum vorgehen. Dann nenne ich den Verteidigung/Tragen-Wert eben Widerstandskraft und den Angriff/Ankommen-Wert irgendwie anders. Ich will nur sagen: Man sollte vorher alle benötigten Spielwerte kennen und hinterher überlegen, wie sie heißen sollen.

Immer wenn ich mir überlegen muss, ob ein Wert unterschiedlich viel Wert ist als ein anderer, kann ich einen Schritt zurück machen und die Dinge anders verteilen.


Ein weiterer Aspekt, der jetzt noch ein bisschen untergegangen ist, ist jene Transparenz, von der b_u_g spricht. Die erscheint mir besonders relevant, wenn auf Grund des Regelwerks eine Rollenverteilung geboten erscheint. Einmal als Beispiel: In der D&D3.5-Gruppe, in der ich gerade spiele gibt es folgende Charaktere:

- Einen Kämpfer, der ordentlich Schaden raushaut.
- Einen Psioniker, der Gegner behindern, mit Artillerie-Zaubern beharken und gegnerische Zauber beenden kann.
- Einen Kleriker, der ein bisschen kämpfen kann, aber vor allem für Heilung und defensive Zauber zuständig ist.
- Einen Druiden, der das alles so ein bisschen kann und aushilft, wo gebraucht wird.
- Mein Charakter ist Magier und spezialisiert auf Off-Buffs, ich blas also den Kämpfer auf und ggf. andere Charaktere auch, damit die noch mehr Schaden raushauen.

Und jetzt haben wir noch einen Schurken dazu bekommen. Der ist über. Die Klasse lässt sich nur schlecht buffen, hat also kaum Synergie-Effekte, und im schlimmsten Fall muss man ihn auch noch heilen. Der Runde genützt hätte z.B. ein Nahkämpfer, der voll auf Defense und Action Denial geht, oder ein z.B. ein Barde, der sich und alle potentiellen Kämpfer noch viel besser machen kann.

Der Spieler war nun neu und konnte das alles nicht wissen. Das Grundregelwerk zu lesen, hat ihm da auch nicht geholfen, es ist furchtbar intransparent.



Offline rettet den wald

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #37 am: 27.02.2013 | 11:43 »
Ich würde da "Erzählrechte" weiter fassen als "Möglichkeiten, Einfluss auf die gemeinsame Fiktion zu nehmen". Natürlich kann ich mir auch mit schlechten Kampfwerten den Mund fusselig erzählen und damit vielleicht auch was bewirken oder zumindest den Ereignissen irgendwie meinen Stempel aufdrücken. Aber wenn ich in einer Kampforientierten Kampagne gute Kampfwerte statt schlechter haben, steht mir damit von Regelseite automatisch eine Ressource zur Verfügung, den Ereignissen meinen Stempel aufzudrücken und die gemeinsame Fiktion zu beeinflussen, ohne dass ich mir dazu den Mund fusselig erzählen muss.

Ich kann immer noch nicht sehen, inwiefern Regeln etwas anderes sein können als Ressourcen, die es den Spielern erlauben, die gemeinsame Fiktion in bestimmter, zielgerichteter Weise zu beeinflussen. Von daher ist ein Balancing auch bei Systemen, die mit ihren Werten Eigenschaften der Charaktere simulieren, immer davon abhängig, was für Eigenschaften in der betreffenden Kampagne überhaupt relevant sind, um die entstehende Geschichte zu beeinflussen. D.h. Balancing ist immer mit der Frage verknüpft, welche Möglichkeiten die Regeln den Spielern geben, die Ereignisse zu beeinflussen. Und das ist für mich eine Erzählrechtsfrage. Ein guter Angriffswert gibt mir schlicht mit hoher Wahrscheinlichkeit das Recht zu erzählen, dass mein Charakter mit einem Schlag trifft.

Ok, dem kann ich zustimmen. Werte sind Resourcen, mit denen du das Geschehen in der Spielwelt beeinflussen kannst (meistens durch Aktionen deines Charakters). Für mich ist "Erzählrechte" halt ein etwas enger gefasster Begriff, der sich wirklich nur darauf bezieht, wenn und was du "erzählen" darfst. Auch mit hohen Kampfwerten kannst du in den meisten Systemen nicht einfach erzählen "Ich gewinne den Kampf". Du bist immer noch an die Ergebnisse der Kampfregeln, der Werte und der Würfel gebunden.
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Achamanian

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #38 am: 27.02.2013 | 11:52 »
Ok, dem kann ich zustimmen. Werte sind Resourcen, mit denen du das Geschehen in der Spielwelt beeinflussen kannst (meistens durch Aktionen deines Charakters). Für mich ist "Erzählrechte" halt ein etwas enger gefasster Begriff, der sich wirklich nur darauf bezieht, wenn und was du "erzählen" darfst. Auch mit hohen Kampfwerten kannst du in den meisten Systemen nicht einfach erzählen "Ich gewinne den Kampf". Du bist immer noch an die Ergebnisse der Kampfregeln, der Werte und der Würfel gebunden.

Ja, da hast du natürlich Recht. Worum es mir ging, war nur, dass man Balancing nicht von dem Komplex lösen kann "Welche Fähigkeiten sind relevant, um was für dramatische Situationen zu beeinflussen, und wie häufig tauchen entsprechende Situationen in der Kampagne auf". Ein Balancing, dass sicherstellen soll, dass die Charaktere auf In-Game Ebene "gleich gut" sind, scheitert schlicht an der Frage: "gleich gut für was?", worauf die Antwort wiederum lautet: "gleich gut dafür geeignet, für den Kampagnenverlauf typische Situationen mittels ihrer Fähigkeiten und Ressourcen zu beeinflussen." Und das bricht sich für mich dann wieder runter auf: "Gleich gut geeignet, ihren jeweiligen Spielern Spotlight zu verschaffen."

Offline rettet den wald

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #39 am: 27.02.2013 | 12:01 »
Ja, da hast du natürlich Recht. Worum es mir ging, war nur, dass man Balancing nicht von dem Komplex lösen kann "Welche Fähigkeiten sind relevant, um was für dramatische Situationen zu beeinflussen, und wie häufig tauchen entsprechende Situationen in der Kampagne auf". Ein Balancing, dass sicherstellen soll, dass die Charaktere auf In-Game Ebene "gleich gut" sind, scheitert schlicht an der Frage: "gleich gut für was?", worauf die Antwort wiederum lautet: "gleich gut dafür geeignet, für den Kampagnenverlauf typische Situationen mittels ihrer Fähigkeiten und Ressourcen zu beeinflussen." Und das bricht sich für mich dann wieder runter auf: "Gleich gut geeignet, ihren jeweiligen Spielern Spotlight zu verschaffen."


Allgemeine Anmerkung: Das Thema "Wie nützlich ist eine Fähigkeit in dieser und dieser Kampagne?" ist meiner persönlichen Meinung nach nicht so problematisch wie es hier dargestellt wird. Beispiel: Wir spielen eine Kampagne wo es um soziale Interaktion und politische Intrigen gehen soll. Kampffähigkeiten sollten hier laut diesem Ansatz hier also nutzlos sein, oder?

...Das hindert den Spieler mit haufenweise Kampffähigkeiten allerdings nicht daran, in der richtigen Situation ganz einfach einen Kampf zu starten. Die Kampagne war zwar nicht auf Kampf ausgelegt, aber der Spieler hat einfach selbstständig seine Stärken ins Spiel gebracht, um trotz der nicht auf einen derartigen Charakter ausgelegten Kampagne an Spotlight zu kommen.

Idealfall: Die Kampagne muss überhaupt nicht auf bestimmte Fähigkeiten ausgelegt sein. Die Spieler können ihre Fähigkeiten selbst zum Tragen bringen. Anstatt also zuerst den Kampagnentyp festzulegen und dann daraus den Schluss zu ziehen "Hey, die und die Fähigkeiten werden hier gebraucht!", werden zuerst die Charaktere gebaut, woraus man sagen kann "Hey, diese Fähigkeiten sind in dieser Runde ziemlich stark vorhanden!", und daraus ergibt sich dann der Kampagnentyp.
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Achamanian

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #40 am: 27.02.2013 | 12:06 »
...Das hindert den Spieler mit haufenweise Kampffähigkeiten allerdings nicht daran, in der richtigen Situation ganz einfach einen Kampf zu starten. Die Kampagne war zwar nicht auf Kampf ausgelegt, aber der Spieler hat einfach selbstständig seine Stärken ins Spiel gebracht, um trotz der nicht auf einen derartigen Charakter ausgelegten Kampagne an Spotlight zu kommen.

Idealfall: Die Kampagne muss überhaupt nicht auf bestimmte Fähigkeiten ausgelegt sein. Die Spieler können ihre Fähigkeiten selbst zum Tragen bringen. Anstatt also zuerst den Kampagnentyp festzulegen und dann daraus den Schluss zu ziehen "Hey, die und die Fähigkeiten werden hier gebraucht!", werden zuerst die Charaktere gebaut, woraus man sagen kann "Hey, diese Fähigkeiten sind in dieser Runde ziemlich stark vorhanden!", und daraus ergibt sich dann der Kampagnentyp.

Klar, das geht auch. Aber die Gefahr ist auch ziemlich groß, dass man dann ganz schnell mit einem kaputten Gruppenvertrag dasteht. Wenn sich einer in einer Intrigenkampagne einen Kämpfer erschafft und nach zwei Sätzen Intrigieren jedesmal schreit "Laaangweilig!" und jemandem eins auf die Rübe gibt, dann hat der Rest der Gruppe wahrscheinlich nicht mehr viel Spaß.

Das führt dann allerdings schon ziemlich weit weg von der Balancing-Frage bzw. zu der Feststellung, dass ein Balancing des Spotlight letztlich wieder mehr mit der Gruppe als mit den Regeln zu tun hat und dass ausgewogene Regeln dabei eher ein Hilfsmittel sind als ein Allheilmittel ...

Offline Rattendämon

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #41 am: 27.02.2013 | 12:14 »
Ich glaube hier hast du mich falsch verstanden. Hier nochmal die Zusammenfassung meiner Position:

Was scheiße ist: "Es gibt ein Attribut Stärke, das unter anderem deine Traglast bestimmt, und das kostet X. Darüber hinaus kannst du dir noch deine Traglast hochkaufen, ohne Stärke zu steigern, und das kostet Y, wobei Y kleiner als X ist.".

Was gut ist: "Es gibt ein Attribut Stärke, das unter anderem deine Traglast bestimmt, und das kostet X. Es gibt keine andere Möglichkeit, mittels XP deine Traglast hochzukaufen, außer Stärke."
Was alternativ dazu gut ist: "Du kannst dir deine Traglast hochkaufen, und das kostet X. Dein Wert für Traglast beeinflusst nichts anderes als deine Traglast und deine Traglast wird von nichts anderem beeinflusst als von deinem Wert für Traglast."

Ah, ich verstehe. Diesen Standpunkt hatte ich AUCH aufgeschnappt, aber vielleicht etwas zu weit interpretiert.
Aber da stellt sich mir die Frage, warum bist du eigentlich dieser Auffassung?

Im Fall von Traglast einfach so noch hochkaufen neben dem Attribut scheint es mir sehr nachvollziehbar, aber warum generell? Was spricht dagegen gleichzeitig gröber vorgehen zu können, indem man ein Attribut steigert, aber auch spezialisiert einzelne Aspekte zu fördern?
Gerade da finde ich das Balancing eigentlich eher einfach, und die einzelnen Fertigkeiten geben mir eher einen guten Richtwert wieviel das Attribut dann gesamtheitlich kosten könnte.

Offline rettet den wald

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #42 am: 27.02.2013 | 12:17 »
Klar, das geht auch. Aber die Gefahr ist auch ziemlich groß, dass man dann ganz schnell mit einem kaputten Gruppenvertrag dasteht. Wenn sich einer in einer Intrigenkampagne einen Kämpfer erschafft und nach zwei Sätzen Intrigieren jedesmal schreit "Laaangweilig!" und jemandem eins auf die Rübe gibt, dann hat der Rest der Gruppe wahrscheinlich nicht mehr viel Spaß.

Stimmt, wenn der Kämpfer sofort schreit "Laaangweilig!", dann ist das blöd... Aber das ist nicht die Schuld des Systems. Beispiel: Ich hab mal versucht, in einer Vampire-Intrigenrunde einen Brujah-Kämpfer zu spielen, der überhaupt kein Interesse am Pläneschmieden der anderen SCs hatte. Die Idee dabei ist folgende: Die anderen SCs brauchen irgendwelche "unwitting Pawns", die sie manipulieren können, und wenn sie mich dazu bringen, für sie die Drecksarbeit zu erledigen, dann fühlen sie sich gut... Und ich fühle mich gut, wenn ich die schön ausgearbeiteten Pläne der anderen mit dem Feuern einer einzigen Kugel in sich zusammenbrechen lasse.

Fazit: Runden mit sehr unterschiedlich geskillten Charakteren können durchaus Spaß machen. Der Job der einzelnen Spieler ist es, sich darauf einzulassen. Der Job des Systems ist es, dass die Charaktere trotz ihrer unterschiedlichen Skillung ungefähr auf Augenhöhe stehen können was ihre Effektivität betrifft.
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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #43 am: 27.02.2013 | 12:29 »
Im Fall von Traglast einfach so noch hochkaufen neben dem Attribut scheint es mir sehr nachvollziehbar, aber warum generell? Was spricht dagegen gleichzeitig gröber vorgehen zu können, indem man ein Attribut steigert, aber auch spezialisiert einzelne Aspekte zu fördern?
Gerade da finde ich das Balancing eigentlich eher einfach, und die einzelnen Fertigkeiten geben mir eher einen guten Richtwert wieviel das Attribut dann gesamtheitlich kosten könnte.

Wenn du mehr als eine Möglichkeit hast, zum selben Endresultat zu kommen, dann wirst du immer das wählen, was billiger ist. Daher:
-> Wenn die Kosten eines Attribute gleich den Kosten der Teilfunktionen des Attributs sind, dann hast du folgendes Problem: Wenn du nur an einem Teilbereich des Attributs interessiert bist, kaufst du dir nur diesen Teilbereich, um Kosten zu sparen. All jene, die sich aus Gründen die mit der Darstellung ihres Charakters zu tun haben das Attribut selbst hochkaufen, zahlen viel mehr für etwas, was ihnen kaum Vorteile bringt. Sie werden vom System benachteiligt (unbalanciert). Hier wäre es besser, das Konzept "Attribut" gleich komplett zu streichen, damit Leute nicht in diese Falle hineintappen, die deinen Charakter ineffektiv macht.
-> Wenn Attribute billiger sind als die Summe ihrer Teilfunktionen, dann benachteiligst du durch diese Paketverbilligung all jene Charaktere, die sich nur Teilfunktionen kaufen wollen (unbalanciert). Hier wäre es besser, die Option zum Kauf von Teilfunktionen gleich komplett zu streichen, damit Leute nicht in diese Falle hineintappen, die deinen Charakter ineffektiv macht.

...Das jetzt unter der Annahme, dass die Kosten für Attribute linear sind, oder neue Stufen der Teilaspekte einem festgelegten Bruchteil der Attributskosten entsprechen.



1of3 hat es eh schon richtig gesagt: Attribute werden ausbalanciert, indem man ihnen Teilaspekte zuordnet und sie dann entsprechend benennt, und nicht umgekehrt.
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Offline Feuersänger

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #44 am: 27.02.2013 | 12:31 »
Ich finde Balancing albern und unrealistisch (ich benutze mal ganz bewusst dieses abgedroschene Wort).
Ich echten Leben ist auch nicht jeder "gleich gut".

Boba, du überraschst mich. Mit Verlaub, das Argument ist Blödsinn. Natürlich ist im "echten Leben" nicht jeder "gleich gut". Ja und? Ist das nicht genau ein Grund dafür, dass wir überhaupt diese Form des Eskapismus pflegen? Um Charaktere spielen zu können, die Dinge auf dem Kasten haben, die wir IRL nicht bringen.

Und überhaupt verwirrt mich das etwas, wo du doch sonst zumindest in einer SaWo-Diskussionen den Ansatz vertreten hast, alles nur über Trappings zu definieren und es z.B. bei einem Cyberpunk-Setting keinen Unterschied machen sollte, ob der Charakter jetzt kiloweise Chrom eingebaut hat oder nur fleißig Gewichte geschmissen hat. Das war damals mir viel zu aggressives Balancing.

--

Zum Thema an sich: ich bin generell sehr für Balancing, aber alles mit Maß und Ziel. Der überbordende Balancefetischismus mancher Systeme ist ebenso daneben wie komplett undurchdachte Hartholzharnisch-Agglomerationen. Ich bin aber prinzipiell der Meinung, dass die Charaktere einer Gruppe alle ungefähr das gleiche Powerniveau haben sollen, oder anders gesagt: jeder einen ähnlich großen Anteil zum Erfolg beiträgt.

Unbedingt zu vermeiden sind Konstellationen wie "Angel Summoner & BMX Bandit" (ich denke das Video dürften inzwischen alle kennen?), und ebenso ist es in meinen Augen inakzeptabel, wenn einer der Charaktere zwar übermächtig ist, aber sich gnädigerweise "zurückhält" um nur dann aufzudrehen, wenn der Rest der Gruppe nicht mehr weiterweiß. Das hat für mich sowas von nem Erwachsenem, der nem fünfjährigen Kind erst fünf Minuten dabei zuschaut, wie es mit gestreckten Ärmchen hüpfend versucht an das obere Regalfach zu kommen, ehe er dann gnädigerweise mit einem Fingerschnippen aushilft.

Wo das Stichwort D&D 3.5 gefallen ist: dieses ist, obwohl eins meiner Lieblingssysteme, leider doch genau dafür anfällig. So etwa ab Stufe 11 aufwärts verkommen die weltlichen Klassen zu Wasserträgern und die Zauberer mutieren zu Halbgöttern, von denen jeder einzelne jederzeit das Spiel im Alleingang sprengen kann. Das dort implizierte "Balancing über die Level" ist eine ganz ganz beschissene Idee und sollte niemals nachgeahmt werden.

Siehe 1of3s Anekdote: der neu hinzugestoßene Rogue ist nur ein Klotz am Bein. Außerdem wäre selbst der Kämpfer verzichtbar, weil Druide und Kleriker die Jobs des Kämpfers besser machen könnten -- aber es ist halt billig und bequem, sich einen BSF zu halten. (BSF steht natürlich für "Boris the Strong and Fair" und nicht etwa für "Big Stupid Fighter".) Der Fighter kommt sich vielleicht toll vor, weil er den meisten Schaden raushaut, aber das kann er auch nur mit massiver Unterstützung von den Castern -- das ist wiederum wie ein Fünfjähriger, der stolz wie Oskar die Straße runterradelt, während hinter ihm Papa den Gepäckträger stützt damit der Kleine nicht umfällt. Für den kleinen Hosenscheisser ist das toll, solang er es nicht merkt.

Mit dem Tier-System ausgedrückt sieht 1of3s Gruppe so aus: 4x T1, 1xT5 und 1xT4. Das sind also _vier_ "Angel Summoner" und zwei BMX Bandits.
Der :T:-Sprachführer: Rollenspieler-Jargon

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Thor lootet nicht.

"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

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Offline Horatio

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #45 am: 27.02.2013 | 12:47 »
Zu 2.: Du hast schon recht damit. Allerdings weiß ich gar nicht, inwiefern das eine Sache des Spielbalancing ist oder sein kann. Ich glaub das ist eher die Ebene, die sich am Spieltisch entscheidet.
Deinem ganzen Post kann ich nur zustimmen. Wie eh auch schon im Eingangspost erwähnt ist mir schon klar dass für Rollenspiel ein perfektes Balancing zu machen vermutlich reine Utopie ist, aber das ist kein Grund, nicht zu versuchen, es möglichst dahin zu bringen, wo Spieler ein gutes Gefühl haben und sich nicht trauen gewisse Arten von Charakteren zu spielen, weil sie sich davon weniger Spaß versprechen.

Hm.. mal ein Real Life Beispiel, dass das Spotlight-Problem verdeutlicht und zeigt dass es doch im großen um Einflussnahme auf die Story geht (also nicht die Frage alleine im Vordergrund stehen kann, wer wie oft auf seinen höchsten Wert würfeln darf, sondern wer die wichtigen Proben des Abends schafft)

Ich war eingeladen mit lauter tollen Leuten in ihrer SR4 Runde zu spielen. Eine sehr klassische, 90er Jahre geprägte – aber funktionale – Runde.

Ich hab mir für die Gruppe also einen Hacker / soziales Chamäleon gebastelt, der wirklich nicht kämpfen konnte (hatte nur ein wenig Sachen in die Defensive investiert, damit er nicht beim ersten Treffer wegstirbt).

Entgegen dem wie die Charaktere in der Runde aussahen, hab ich die Fertigkeiten eher etwas breiter gewählt anstatt einzelne komplett auszumaxen (gut bis auf den Hacking Bereich, da bin ich stark auf Heimlichkeit gegangen) wie es üblich war. Zusätzlich hatte ich das Glücksattribut des Systems (das einem für einzelne Würfe mehr Würfel zur Verfügung stellt) ausgemaxt. Damit konnte ich jeden essentiellen oder wichtigen Wurf absicheren.

Ich hatte (insbesondere da ich im Kampf wenig handeln konnte) weniger Proben mit im Schnitt weniger hohen Werten als alle anderen Spieler.

Trotzdem meinte die SL nach vier Sitzungen: „Du wir müssen Reden. Es kann nicht sein, dass du 90% aller wichtigen Proben am Abend würfelst..“.

.. und sie hatte Recht! Mir gehörte jede wichtige soziale Interaktion, ich hatte jede wichtige Verhandlung und „Befragung“ geführt, fast alles an Legwork lief über mich, jede Infiltration und jeder Einbruch hing an meinen Fähigkeiten und dank Edge habe ich kaum einen Wurf – zumindest nicht die Entscheidenden von denen Abhing wie es jetzt weitergeht – nicht geschafft. Der Rest der Charaktere war an manchen Abenden nur noch das Backup und da selten was schief ging haben wir es selten gebraucht. Anfangs fanden das auch noch alle gut, da es „professioneller“ wirkte (und ich versuche andere iSpieler in meine Aktinonen einzubinden), aber später fühlten sich die Leute doch etwas zu sehr als Nebendarsteller (ich hab danach btw. erstmal ne Weile geleitet und dann den Chara gewechselt; lustigerweise wurden danach Charas in der Runde anders gebaut :P).

Ich hatte mehr Spotlight und mehr Einfluss auf den Spielverlauf als der Rest obwohl mein Chara weniger Proben gewürfelt hatte und in seinen Kompetenzbereichen geringere Werte hatte. Allerdings habe ich fast alle, nicht kampfbezogenen, wichtigen Proben gewürfelt und geschafft.

Btw. Da fällt mir noch ein: Ein anderes „Problem“ war, dass viele „körperlichen“ Probleme durch den ausgemaxten Magier mit seinen Geistern umgangen werden konnten; heißt in dem Bereich war das Spotlight durch eine extrem große Kompetenz kleiner geworden, da verschleiert rein und verschleiert raus nun mal weniger Spielzeit erfordert hatte, als das Ganze ohne diese magische Maßnahme durchzuführen. Hätten der Spieler (oder die Gruppe an sich) die Option nicht gehabt gäbe es mehr "coole" Sachen zu tun. Das Spotlight hat sich also im Spiel auf die Bereich verteilt, in denen es keine „Universallösung“ gab (nicht dass das Schlimm war, aber eben bezeichnent :P). Was auch wieder hieß, dass der Magier in der Runde sehr wenig Spotlight hatte, trotz seiner extremen Kompetenz.
« Letzte Änderung: 27.02.2013 | 13:13 von Horatio »
You see, it did not matter that setting canon and expected style was being broken,
as long as the characters in the story believed in their roles, the Story Guide believed in the consequences of any actions taken,
and the players believed in the story more than mere setting facts. Whatever the story would be in genre and message,
that would be revealed after the fact, not before.
- Eero Tuovinen: A Loveletter to a Story Gamer

Offline rettet den wald

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #46 am: 27.02.2013 | 12:47 »
"Angel Summoner & BMX Bandit" (ich denke das Video dürften inzwischen alle kennen?)

...Ich kannte es noch nicht. Jetzt kenne ich es. :)
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Offline 1of3

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #47 am: 27.02.2013 | 13:02 »
Danke für das schöne Beispiel, Horatio. Ich glaube das ergänzt sich ganz gut mit meinem und zwar so: In einem freieren Spielmodus ist Spotlight ein entscheidender Faktor, da immer vor allem ein Teilnehmer dran ist. In einem komplexen Kampfsystem mit Mehrspieler-Teams ist eine sinnvolle Rollenverteilung wichtig, da zwar alle dran sind, aber nicht notwendig das gleiche machen.


Allgemeine Anmerkung: Das Thema "Wie nützlich ist eine Fähigkeit in dieser und dieser Kampagne?" ist meiner persönlichen Meinung nach nicht so problematisch wie es hier dargestellt wird. Beispiel: Wir spielen eine Kampagne wo es um soziale Interaktion und politische Intrigen gehen soll. Kampffähigkeiten sollten hier laut diesem Ansatz hier also nutzlos sein, oder?

...Das hindert den Spieler mit haufenweise Kampffähigkeiten allerdings nicht daran, in der richtigen Situation ganz einfach einen Kampf zu starten. Die Kampagne war zwar nicht auf Kampf ausgelegt, aber der Spieler hat einfach selbstständig seine Stärken ins Spiel gebracht, um trotz der nicht auf einen derartigen Charakter ausgelegten Kampagne an Spotlight zu kommen.

Idealfall: Die Kampagne muss überhaupt nicht auf bestimmte Fähigkeiten ausgelegt sein. Die Spieler können ihre Fähigkeiten selbst zum Tragen bringen. Anstatt also zuerst den Kampagnentyp festzulegen und dann daraus den Schluss zu ziehen "Hey, die und die Fähigkeiten werden hier gebraucht!", werden zuerst die Charaktere gebaut, woraus man sagen kann "Hey, diese Fähigkeiten sind in dieser Runde ziemlich stark vorhanden!", und daraus ergibt sich dann der Kampagnentyp.

Den Idealfall sehe ich genauso. Das erfordert allerdings eine gewisse Beschaffenheit bei den Spielwerten: Ich muss sie einsetzen können, wenn mir danach ist, und nicht nur, wenn andere mich dazu auffordern. Bei Kampffähigkeiten ist das fast immer gegeben. In älteren Spielen ist das aber z.B. bei sozialen Fähigkeiten häufig nicht so. Da kann man dann zwar sagen: "Ich hau dir auf die Fresse für 5 Schaden", aber nicht: "Ich diplomatier dich für dich für 5." Bzw. es ist dann nicht klar, was daraus folgen muss.

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #48 am: 27.02.2013 | 13:30 »
Den Idealfall sehe ich genauso. Das erfordert allerdings eine gewisse Beschaffenheit bei den Spielwerten: Ich muss sie einsetzen können, wenn mir danach ist, und nicht nur, wenn andere mich dazu auffordern. Bei Kampffähigkeiten ist das fast immer gegeben. In älteren Spielen ist das aber z.B. bei sozialen Fähigkeiten häufig nicht so. Da kann man dann zwar sagen: "Ich hau dir auf die Fresse für 5 Schaden", aber nicht: "Ich diplomatier dich für dich für 5." Bzw. es ist dann nicht klar, was daraus folgen muss.

Exakt. Ein Skill, den du jederzeit selbst einbringen kannst (wie beispielsweise Kampfskills) ist tendentiell mehr wert als ein Skill, mit dem du nur reagieren kannst. Ich halte es für sinnvoll, wenn möglichst viele Skills von den Spielern selbst ins Spiel gebracht werden können: Beispielsweise ist es in meinen Augen wünschenswert, wenn ein Spieler jederzeit sagen kann "Ich diplomatier dich für 5!"... Jetzt mal relativ unabhängig davon, welche Auswirkungen das genau hat, aber Hauptsache es hat Auswirkungen.

Nicht alle Skills lassen sich einfach so designen: Wenn du beispielsweise einen Skill "Selbstbeherrschung" hast, dann ist es ziemlich schwierig, hier eine aktive Verwendung dafür zu finden (zumindest hatte ich dieses Problem). Selbstbeherrschung ist hier in meinen Augen aber weniger Problematisch, weil es sowohl im physischen Kampf als auch in sozialen Situationen etwas bringen kann, aber was ist mit solchen Skills wie "Spuren lesen"? Spuren lesen kannst du zwar aktiv anwenden, aber wenn keine lesbaren Spuren in der Nähe sind (beispielsweise weil du in einer modernen Großstadt mit asphaltierten Straßen spielst), dann bist du aufgeschmissen. Ähnliches bei "Heilkunde": Lässt sich zwar aktiv anwenden, aber wenn niemand verletzt oder krank ist, bist du aufgeschmissen... Ich persönlich halte aus diesen Gründen "Spuren lesen" und "Heilkunde" (zwei Skills die du aktiv anwenden kannst) aus Sicht des Balancings für problematischer als "Selbstbeherrschung" (ein Skill den du nicht aktiv anwenden kannst).

Fazit: Skills aktiv anwenden zu können ist wünschenswert, aber nur weil ein skill nicht aktiv anwendbar ist heißt das nicht automatisch dass er nutzlos ist, und nur weil man einen Skill aktiv anwenden kann ist er nicht automatisch nützlich. Hier kommt dann wieder das System ins Spiel: Es sollten von vornherein nur diejenigen Skills vorhanden sein, die im Setting dieses Systems auch Sinn machen. "Spuren lesen" macht beispielsweise in klassischer Fantasy Sinn, in einem modernen Setting nicht wirklich.
"A game should be a system of rules that allow the player to explore. If the player finds loopholes, then the game developer should fix them. It's never, ever the player's fault: it's the game developer's fault."

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #49 am: 27.02.2013 | 13:53 »
Das mit defensiven Werten wie deiner Selbstbeherrschung ist in der Tat bedenkenswert. Die haben aber auch diesen Aspekt: "Alter, schnall dich an, ich würfel das jetzt!"

Dein Spuren Lesen lässt sich vielleicht auch operationalisieren. Nennen wir es einmal "Nachforschungen". Dann müssen wir die Regeln nur noch so belegen, dass klar ist, wie viel Information man mit einer Nachforschungsprobe erhält. "Im Wald" etc. ließe sich dann mit Spezialisierungsboni abhandeln, wenn man möchte. Solche Spezialisierungen dürfen sich wegen Ressourcenstromdoppelung, wie du auch schon ganz richtig dargestellt hast, natürlich nicht in Konkurrenz kaufen lassen. Entweder also automatisch vergeben oder über ein separates Konto.

"Setting" finde ich in der Argumentation jedoch schwierig. Mein Ansatz geht eher dahin, dass fiktionale Ausgestaltung gerade keine Rolle spielen darf. Ich frage eher, was erreiche ich als Spieler, wenn ich das tue? Bei Heilung irgendwelche negativen Konditionen entfernen, bei Nachforschung irgendwelche Informationen gewinnen, bei Selbstbeherrschung bestimmte Konditionen von vornherein abwehren.