Während ich zustimmen würde, dass ich soziales Balancing für wichtiger halte als mechanisches Balancing, fasse ich schlecht balancierte Systeme, die einen gamistischen Spielstil propagieren, nicht mit der Kneifzange an. Wozu auch, wenn es bessere Systeme gibt?
Darüber hinaus würde ich gerne zwei Punkte zur Diskussion stellen:
Spiele haben üblicherweise Core Stories, die den Spielern mitteilen, worum es im Kern beim betreffenden Spiel geht. Wenn da vermittelt wird, dass es um das Besiegen von Dämonen mit Gewalt oder List geht, ist der BMX Bandit nun mal fehl am Platz. Versucht man das zu kompensieren, indem man regelmäßig BMX-Rennen unter Ausschluss übernatürlicher Wesen ausspielt, mag das für den BMX-Fahrer befriedigend sein, für die anderen Mitspieler aber höchstwahrscheinlich nicht. Es ehrt die Mitspieler, dass sie dem BMX-Fahrer ein Spotlight geben wollen, es ehrt den BMX-Banditen aber nicht, dass er einen Charakter gebastelt hat, der quer zur Core Story liegt. Es steht zu vermuten, dass das Spiel besser wird, wenn jeder Charakter innerhalb des vom System propagierten Spielstils die Möglichkeit hat, sich sinnvoll an der Überwindung von Hindernissen zu beteiligen. Es steht ja, wie der Gorilla treffend festgestellt hat, im Grunde die Balancierung des Spielspaßes im Vordergrund, und es sollte nicht überraschen, dass Spieler, die im Rollenspiel gemeinsam Probleme lösen und Hindernisse überwinden wollen, durch einen Mitspieler, dessen Charakter nicht in der Lage ist, etwas beizutragen, sondern statt dessen Extrawürdte gebraten bekommen muss, in ihrem Spielspaß eingeschränkt werden. Oder auch: alle sollten das gleiche Spiel spielen. Es geht nicht um die Balancierung unterschiedlicher Spielstile, die nebeneinander existieren wollen.
2. Combat as War vs. Combat as Sports: gamistische Spiele können sehr unterschiedliche Herangehensweisen an das Stellen der Herausforderungen haben. Combat as Sports fährt den Ansatz, dass jede Herausforderung mit den Resourcen, die den Spielern offensichtlich zur Verfügung stehen, überwindbar sein muss. Bei Combat as War müssen Herausforderungen plausibel sein. Von Machbarkeit ist hier keine Rede. Hier steckt eine Menge Simulationismus im Spiel. Spieler müssen dann selbst entscheiden, ob sie die Herausforderung annehmen, sich Hilfe besorgen, versuchen, durch überbordende Kreativität die Schwierigkeit der Herausforderung zu senken etc. Wenn das Encounter-Balancing über Bord geworfen wird, verliert aus meiner Sicht auch das Charakter-Balancing an Bedeutung, weil bei den wirklich kritischen Herausforderungen die Spielerleistung deutlich mehr gefragt ist als die Charakterleistung.
Mein Fazit: wer Combat as Sports betreiben will, sollte auf ein System, dass die Charaktere mit Blick auf die Core Story solide gegeneinander ausbalanciert, nicht verzichten. Soziales Balancing kann dann gerne statt finden, indem man den weniger regelfirmen oder regelinteressierten Spielern beim Erstellen des Charakters unter die Arme greift.