Heute betrachte ich Regeln weniger als Käfig denn als Stab der der Planze nach oben hilft.
Schön gesagt. Hatte auch schon im Rollenspiel die absurdesten Situationen, welche niemals zustande gekommen wären, hätte ich alles nur würfellos (und konventionsfrei) entschieden.
Regeln liefern den "creative constraint" für wirklich tolle Spielerlebnisse.
Im Rollenspiel ist es doch genauso: wenn alles optimal stattfindet, alle sich einig sind dann braucht man prinzipiell keine Regeln - es sei denn man möchte über klare Mechanismen abwickeln.
Interessant wird es, wenn es Uneinigkeiten, Interessenskonflikte über die Ereignisse gibt.
Sehe ich genauso.
Natürlich basieren diese Regeln (wie eigentlich alle Regeln, auch die im richtigen Leben) auf sozialen Absprachen, Normen und Prestige. Natürlich ist keiner an diese Regeln "gebunden" und kann sie ignorieren, die Frage ist,
warum er das tut. Ich habe genauso als SL (und auch als Spieler) die Freiheit, jede Regel zu ignorieren, wie ich beim Schach die Freiheit habe, den König über das ganze Feld zu ziehen, die Bauern diagonal laufen zu lassen oder meine Warhammer-Figuren das Spielbrett betreten zu lassen. Wer soll mich denn davon abhalten?
Die Frage ist weiterhin: was will ich damit
erreichen? Was für ein
Spiel spielen wir dann eigentlich? Will ich gewinnen um jeden Preis (egal was die anderen denken)? Will ich die anderen Spieler durch diesen unvorhersehbaren Zug unter Druck setzen und Spannung aufbauen? Bin ich der Meinung, dass Schach durch die Existenz bretonischer Füseliere bereichert wird? usw. usf.
Und wie denken meine Mitspieler über diesen Anspruch (ist mir deren Meinung überhaupt wichtig)?
Alle diese Fragen können darüber entscheiden, ob eine bestimmte Entscheidung gerechtfertigt ist, oder nicht.
z.B. habe ich selber die Flowchart aus Theatrix ziemlich schnell über Bord geworfen (und durch Tarot-Karten oder dass Ideen-Deck ersetzt). Meine Begründung war, dass die Entscheidungsknoten der Flowchart zu binär sind und mich nicht inspirieren. Also raus damit. Da die Spieler von der Flowchart-Regel ohnehin nicht explizit was mitkriegen (auch wenn es auf Dauer sehr transparent wird) gab es auch keinen Protest, auch wenn der Unterschied durchaus bemerkt wurde (insgesamt waren die Spieler auch der Meinung, dass sich die Story nach der Änderung "organischer" anfühlte).
Ein anderes Mal hab ich bei Vampire die Menschlichkeitsregeln komplett über den Haufen geworfen. Da bekam ich dann ordentlich Gegenwind von einem Spieler, welcher die alte Regelung mochte (ich denke immer noch, dass die Änderung für die Chronik gut gewesen wäre, aber das Ereignis hat mir auch gezeigt, dass es eine schlechte Idee ist, Regeländerungen (denn nichts anderes ist regel"loses" Spiel - eine Änderung) gegen den Willen der Spieler durchdrücken zu wollen).