O.K., ich bin jetzt durch mit dem Drama System Reference Document.
Ein paar Anmerkungen zu den Regelabschnitten:
Charaktererschaffung: Hat alles, was das Herz einer Dramaqueen erfreut (Rolle in der Gruppe, Beziehungen untereinander, unerfüllte Wünsche, dramatische Potentiale, ein rudimentäres Fertigkeitensystem, eine Art Spezialität (ähnlich wie Stunts bei Fate, aber ungeregelt), Fokussierung durch Schlüsselwörter und Merksätze. Für einiges von diesen Dingen gibt es Beispiele, einiges ist überhaupt nicht geregelt, einiges ist auf sehr einfache Art und Weise organisiert. Letztlich spielt sich relativ viel als Freeform ab.
Spielablauf: Der Spielabend heißt Episode und ist in verschiedene Szenen unterteilt, die von den Spielern in Rotation geplant und gemeinsam ausgespielt werden. Fast immer, wenn irgendjemand etwas erzählt, was anderen missfallen könnte, gibt es die Möglichkeit zur Anfechtung, was über Dramapunkte funktioniert.
Szenen sind entweder dramatisch (es geht darum, dass die Charaktere durch die anderen Charaktere der Erfüllung ihrer Wünsche näher kommen) oder prozesstechnisch ("procedural", es geht darum, dass die Charaktere andere, äußerlichere Ziele verfolgen).
Bei den dramatischen Szenen werden Dramapunkte vergeben und eingesetzt. Mit ihnen kann man seine eigenen Wünsche verfolgen oder auch andere von der Erfüllung ihrer Wünsche abbringen.
Die Regeln für die prozesstechnischen Szenen beinhalten einen allgemeinen Mechanismus zur Konfliktlösung. Im Prinzip funktioniert das System über 3 verschiedenfarbige Tokens, die jeder Spieler besitzt, die Fertigkeiten (die 3 Stufen besitzen können: stark, mittel und schwach) und Spielkarten. Die Spieler setzen Tokens ein und die Farbe des Tokens bestimmt, wieviele Karten sie ziehen und behalten dürfen. Erst wenn die Spieler alle Tokens ausgegeben haben, bekommen sie sie wieder zurück. Auf diese Weise müssen sie ständig mit Tokens leben, die eine gute, eine mittlere und eine schwache Chance auf Erfolg haben. Die Karten entsprechen in etwa der Funktion eines Würfels (über Farbe, Sorte (wie Kreuz, Pik, etc.) und Wert sind sie allerdings in der Lage unterschiedlich zu differenzieren, was auch im System genutzt wird und zu unterschiedlich starken bzw. kritischen Erfolgen führt). Zu Beginn einer prozesstechnischen Szene wird eine Zielkarte gezogen, die es zu übertreffen gilt. Wenn das Ergebnis feststeht wird es dann
erzählt. Das System ist nicht ganz einfach und es ist insbesondere auch nicht ganz einfach, es in seinen Absichten und Möglichkeiten zu durchschauen, wenn man es ohne jedes Beispiel und ohne jeden Abenteuerbezug im Reference Document liest. Ich glaube aber, vieles wird relativ schnell klar, wenn man es zwei, dreimal in Aktion gesehen hat. Nebenbei sei erwähnt, dass das System keine Schadensregulierung oder etwas ähnliches hat. Prozesstechnische Szenen können zu Konsequenzen führen, über die aber lediglich gesagt wird, dass man sie in den folgenden Szenen in die Erzählung einbeziehen kann. Na gut...
Es folgen noch ein paar Regeln über von den Spielern herbeierzählte Örtlichkeiten. Sie behandeln eigentlich nur den Fall, dass Mitspieler mit irgendeiner Schilderung nicht einverstanden sind und die Erzählung eines Mitspielers anfechten wollen.
Am Schluss eines Spieleabends wird der dramatischste Spieler des Abends ermittelt, der einen Bennie bekommt, mit dem er beim nächsten Mal dann ein paar Vorteile erkaufen kann.
Dann folgt ein Format, in dem sich der Autor vorstellt, dass Settings zum Drama System festgehalten werden (hier gibt´s zwei kostenlose Beipiele, wie so etwas aussehen kann:
"Rogue Periscope": Eine U-Boot-Besatzung gerät in Schwierigkeiten, während parallel dazu in den USA ein neuer Bürgerkrieg ausbricht (absolute Superidee! Unbedingt anschauen!) und
"Providence Summer", Teeniedrama in den Vereinigten Staaten von 1961 (liebevoll gemacht und ein bisschen melancholisch).
Zu guter Letzt folgt ein "Advanced Procedural System". Auch hierbei werden Tokens, Karten und Fertigkeiten verwendet, nun aber ganz anders als beim ursprünglichen System. Während das normale "Procedural System" schon nicht ganz einfach ist, ist das "Advanced Procedural System" recht verwirrend. Dabei ist die Sache nicht unglaublich komplex. Es bleibt im Reference Documant eben nur sehr abstrakt. Ich habe es nicht mit voller Konzentration gelesen und hinterher festgestellt, dass ich noch nicht mal genau weiß, zu welchem Zweck es das "Advanced Procedural System" überhaupt gibt. Ich habe den vagen Eindruck, dass sich damit besser schrittweise Konfliktverläufe darstellen lassen, während das Grundsystem schneller auf Erfolg oder Misserfolg hinausläuft. Ganz sicher bin ich aber nicht.
Über die Rolle des Spielleiters wurde in den obigen Beiträgen schon etwas eingegangen. Im Prinzip stellt der Spielleiter ein Setting vor, organisiert das Spiel (indem er zum Beispiel Reihenfolgen festlegt) und führt Nichtspielercharaktere. An einigen Entscheidungen ist er wie die Spieler auch beteiligt. Er schreibt allerdings kein Abenteuer (das ergibt sich aus der Erzählung der Spieler) und er hat auch kein Monopol auf das Beschreiben von Örtlichkeiten (das machen alle). Die Folge ist, dass der Spielleiter weniger zu tun hat, als sonst. Ob das Spaß macht, muss man ausprobieren. Ich könnte es mir schon vorstellen.
Die Rivalitäten innerhalb einer Spielergruppe dürften größer sein, als üblich. Dadurch, dass zu jedem unerfüllten Wunsch eines Charakters ein Mitspieler eine Begründung dafür entwirft, warum der Wunsch nicht (sofort) erfüllt werden kann, entsteht ein starkes Spannungsgeflecht, das das Drama in Gang bringt.
Alles in allem: Ich find´s nicht schlecht und will´s ausprobieren. Ein paar Fragezeichen habe ich noch, de sich aber wahrscheinlich beim Spiel auflösen... vielleicht auch schon beim Lesen von Hillfolk (das Spiel über die Lektüre des Drama System Reference Document zu erlernen ist eine einigermaßen freudlose Angelegenheit. Das ist einerseits auch richtig so, denn da will ja jemand auch noch ein Regelwerk verkaufen, andererseits weiß ich nicht, ob dieses Dokument - das man immerhin umsonst herunterladen kann - die beste Werbung für dieses Spiel ist). Drama System scheint mir wirklich ein bisschen wie Fiasko im Kampagnenmodus zu sein. Etwas mehr geregelt als dort ist allerdings schon. Mal sehen wie weit das System trägt.
edit: Link erneuert