Autor Thema: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?  (Gelesen 3403 mal)

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Offline Abaton23

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Das Thema wurde im Thread "Wie müssten Rollenspiele sein, um mehr Verbreitung zu finden?", schon angerissen und führte zu diesem Thread.

Ausgehend von der Markteinführung der RPGs in den 80ern kommen viele Rollenspielbücher mittlerweile viel düsterer daher. In Spielen wie Call of Cthulhu, Storyteller-Settings, Sundered-Skies, Opus-Anima oder Kult werden oft innere Zerissenheit, Wahnsinn oder Qualen der Seele thematisiert. Andere Settings wie Malmsturm, Hellfrost, Shadowrun, Warhammer oder Degenesis zeichnen stark degenerierte oder zerstörte Welten, in denen die Gewalt überhand genommen hat und der Einzelne im ständigen Überlebenskampf steht.

Es wurde die Vermutung geäußert, dass viele Spieler solche Fluffs nicht in vollem Umfang ausspielen oder dessen Umfeld durch Modifikationen entschärfen. Somit ergeben sich einige Fragen, welche ich Euch stellen mag:
 -A- Wie sind Eure Beobachtungen diesbezügkich?
 -B- Kann man Spielrunden mit einer dyster-depressiver Stimmung über einen dauerhaften Zeitraum genießen?
 -C- Ist das überhaupt ein erstrebenswerter Zustand?
 -D- Wirken sich solche dystopischen Hintergründe auf das Verhalten oder Wohlbefinden der Spieler aus?

Ich freue mich auf Euer Interesse und Antworten.
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Offline Lord Verminaard

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Puh, komplexes Thema.

Ja, es gibt Spielrunden, bei denen das „Düstere“ bloß ein Anstrich ist und der Inhalt ist (meistens) ganz einfach „löse diese Aufgabe“. Und dann gibt's Leute, die sich genau darüber den ganzen Tag lustig machen könnten, was ich persönlich dann auch wieder ziemlich albern finde.

Ja, es gibt Runden, die finden es eher witzig, ihre Charaktere irgendwelche ganz harten und gemeinen Sachen machen zu lassen und die fiesesten Aggro-Arschlöcher unter der Sonne zu spielen. Natürlich erwarten sie dabei nicht, es mit gleicher Münze zurückgezahlt zu kriegen. Die haben den Spott schon eher verdient. ;)

Aber, ja, es gibt auch Runden, die harte Themen ernsthaft und intensiv spielen. Ich habe schon in vielen solchen Runden gespielt. Wenn man ein Spiel möchte, das einem unter die Haut geht, dann ist das über negative Reize, Angst, Entsetzen, Verstörung, Wut, Hass, viel leichter als über positive Reize, obwohl auch letzteres möglich ist und auch das habe ich schon erlebt.

Ja, dem Zeitgeist entspricht eine Fiktion, die einen düsteren Anstrich hat und auch harte Themen und Konflikte verarbeitet. Man vergleiche statt aller das neue Battlestar Galactica mit dem alten. Auch darüber machen die oben genannten Leute sich gerne lustig.

Kann man nachhaltig ernsthaft „düster“ spielen? Wenn man will, kann man natürlich. Ich kenne viele, die das nicht wollen, aber ich kenne auch viele, die es tun. Ist natürlich auch immer die Frage, wie negativ es ist. Für langfristiges Spiel braucht man halt irgendwelche Entwicklungsperspektiven, aber das ist ja auch in einem „düsteren“ Hintergrund durchaus möglich.

Damit sei mal so ein bisschen an der Oberfläche gekratzt. ;)
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Offline Horatio

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Es ist immer ein Problem, wenn man eine Sache verspricht – also eine Erwartungshaltung aufbaut – und diese dann (kontinuierlich) enttäuscht. Insofern finde ich es hm.. etwas "frech" die Fraktion, die diese "Inkonsistenz" aufzeigt erstmal in die "machen sich lustig" Ecke stellst ;).


Davon abgesehen kann etwas auch „düster und ernst“ sein UND sich in erster Linie um das „Lösen einer Aufgabe“ drehen.

Mein Deadlands ist düster. Warum? Weil es Tote gibt. Weil Charaktere verkrüppelt werden. Weil jedes Risiko das man eingeht, immer abgewogen werden muss. Weil Spielercharaktere auch mal rennen und auch mal versagen. Handeln hat Konsequenzen und zwar auf einer ganz elementaren und direkten Ebene. Es ist unglaublich einfach. Ich brauche nicht mal gezielte "harte Themen", der „Alltag des Rollenspielhelden“ reicht..

Dazu im Kontrast: Bei Vampire und SR werden Spieler - RAW- durch den Plot gezogen, bestimmte Dinge müssen passieren und Charaktertode gibt es auch nicht. Dafür ist es immer „gewollt knapp“. Durch das „kreative Unterbinden von Handlungen“ bzw. „Entwerten von Spielerentscheidungen“ im Dienste des Plots wirken die Charaktere damit oft inkompetent (wird oft noch durch entsprechende Patzerregelungen verstärkt), sind auf der anderen Seite allerdings auch stets erfolgreich. Das führt zu einem recht verbreiteten Spielstil, den ich mal als „heroischen Slapstick“ bezeichne. Wie soll es hier düster werden? Oder ernst? Es wird nie ernst, es geht nie um was. Gleichzeitig spielt man überspitzt formuliert hochkompetente „Clowns“. Ebenso wird hier auch am Ende meist moralisches Verhalten in den Abenteuern von den SCs erwartet. Am Ende sind dann alle Beteiligten erstmal frustriert.


Nebenbei, was sind „harte Themen“? Harte Entscheidungen? Die brauchen keine „harte Welt“. Verlasse ich die Person die mich braucht und für die ich mich verantwortlich fühle um mit einem anderen Menschen glücklich zu werden, mit dem es leichter ist? Verrate ich den Bully der mich seit Jahren ärgert womit er von keiner Schule mehr aufgenommen wird oder bin ich der bessere Mensch? Stecke ich die unverdienten Lobeeren ein, oder kläre ich die Sachlage auf? Dafür brauche ich keine dystopische Welt; dafür brauch ich ein Setting und ein System und ein Szenario, welches mich mit solchen Fragen konfrontiert.

Natürlich kann ich das auch in einem "harten Setting" bringen. Erschieße ich als Soldatentruppe im Feindesland die Zivilisten die uns entdeckt haben oder lasse ich sie gehen so dass sie im nächsten Dorf unsere Position verraten können? Hier wird das Thema aber erst durch den Umgang damit hart; gerade in einer dystopischen Welt mit abgebrühten Mistkerlen als SCs mag das gar keine Frage sein und bei einem Hero Pulp Abenteuer im Stile von Indiana Jones auch nicht ;).


Genau diese Vorgänge waren nebenbei das große Problem im Dark Age of Comics (und zum Rise and Fall von Image Comics [und letztendlich der ganzen Industrie] geführt hat). „Düster und ernst“ waren Schlagworte. Die Inhalt war kindisch und trivial aber dafür gewalttätig und sexualisiert. Leider nicht totzukriegen, man sehe sich nur den neuen Superman an..
« Letzte Änderung: 5.01.2014 | 02:14 von Horatio »
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Online WitzeClown

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Interessante Idee.

Zu der Frage ob die Anzahl an düsteren Settings so hoch ist, dass es einen Einfluss auf das Spielerleben der breiten Masse an Rollenspielern hat und/oder die Außenwahrnehmung des Hobbys ansich beeinflusst möchte ich nichts sagen. Da müsste ich zu viel ins blaue spekulieren.

Aber ich hatte in meinen Kampagnen der letzten Jahre öfter die Situation, dass zentrale Spielinhalte zu einer gesetzteren Stimmung am Spieltisch geführt haben. Allerding will ich da nicht von düster sprechen, sondern lieber nüchtern oder ernst als Bezeichnung verwenden. Themen die eine Rolle gespielt haben waren unter anderem: Ausnutzung der Situation von armen Jugendlichen durch das organisierte Verbrechen, systematische Gewaltanwedung gegen prinzipiell unbeteiligte Dritte durch das organisierte Verbrechen, Machtmißbrauch durch Staatsorgane, die Problematik von gewaltsamen Ausschreitungen als Nebeneffekt von legitimem politischen Protest ( Hallo, Hamburg  ::) ) und die Tücken des Versuchs ein politisches/soziales Problem militärisch lösen zu wollen.

Das klingt jetzt in ersten Moment sehr hochtrabend, wurde im  echten Spielkontext allerdings nie so formuliert oder gar klar herausgearbeitet. Meine Intention bei der Auswahl der Themen war auch nie gezielt eine bestimmte Stimmung herzustellen, sondern reale Probleme unserer Zeit mit denen ich mich beschäftige irgendwie auf plausibele Art mit in mein Hobby zu integrieren. Teils um die Reaktion und  die Meinungen meiner Mitspieler zu erleben und teils um mich ein bisschen am "Edutainment" zu versuchen.

Das war jetzt  vielleicht eine etwas lange Erklärung, aber ich denke etwas Kontext ist nicht schlecht bevor ich auf deine Fragen eingehe.

A)

In den meisten Fällen sind meine Spieler bei der Konfrontation mit den oben genannten Inhalten entweder ins grübeln geraten oder haben mit ernster Miene so etwas gesagt wie "Puuuh, also was soll man denn da machen?". In einer kleinen Zahl von Fällen sind sie allerdings über das Problem einfach hinweggegangen. Meistens weil sich sich dafür entschieden haben eine Gruppe von Personen einfach zu instrumentalisieren und sich nicht mehr um ihr weiteres Schicksal zu kümmern. In etwa so wie Vermi das in seinem ersten Absatz beschreibt. Da hab ich dann auch in der Regel darauf verzichtet das Problem zu fokusieren, da ich keine Lust hatte meine Spieler mit für sie uninteressanten Inhalten zu gängeln. Wir haben uns auch nicht ausschließlich mit diesen Themen befasst, sondern häufig lockere Passagen gespielt in denen entweder generische  "Evil Henchmen" abgeballert wurden oder die Spieler durch skurille Aktionen und Pläne für lockere Stimmung gesorgt haben.

B)

Dazu kann ich leider aus eigener Erfahrung wenig fundiertes sagen. Wir hatten zwar immermal wieder unschöne Spielinhalte, eine ernste Diskussion über diese oder auch mal kurz gedrückte Stimmung am Tisch, aber wie schon erwähnt war das kein Dauerzustand. Wir hatten immer genug comical reliefs oder kurzweilige Action am Spieltisch.

C)

Gute Frage! Meine Motivation beim auswählen der Spielinhalte habe ich oben ja schon geschildert. Da ging es zum einen um Neugier meinerseits (Was sagen meine Spieler zu solchen Themen und wie lassen sie ihre Charaktere reagieren?) und zum anderen um ein wenig versteckte Horizonterweiterung für meine Spieler. Eine Situation fällt mir aber grade ein und die ist der Grund warum ich diese Frage mit einem Ja beantworten würde:

Wir hatten es mal, dass die Charaktere in einem Sci-Fi Siedler Setting Opfer von kleinen gewaltsamen Überfällen wurden. Es gab eine handvoll Hinterhalte auf ihre Patrouillen mit ein paar Verletzten und einem Toten. Durch Nachforschungen wurde relativ zügig eine kleine Dschungelsiedlung mit den Vorfällen in Verbindung gebracht. Die Charaktere sammeln also ihre Soldaten, setzen sich in ihre Sci-Fi Gunships/Transporter und fliegen hin in der Erwartung dort auf bewaffnete Feinde und eine klare militärische Auseinandersetzung zu treffen. Was sie finden, ist ein Dorf voller Zivilisten das nur über eine spärlich ausgerüstet Handvoll Milizionäre verfügt. Verwirrt nähert man sich dem Dorf, woraufhin sich die Leute in ihren Häusern verstecken. Bald folgen vereinzelte "Verpisst euch, ihr Faschisten!"-Rufe und andere Beleidigungen. Irgendwoher fliegt ein Stein oder eine  Getränkedose, dann ein paar Stöcke. Der eine Charaktere lässt die Soldaten anlegen und Ziele suchen. Dem Spieler des Charakters mit Oberkommando entgleisen daraufhin offgame die Gesichtzüge. Er befiehlt sofortigen Rückzug zu den Schiffen. Im späteren Spielverlauf wird ein vertrauliches Gespräch zwischen zwei Charakteren und einigen Vertretern der Siedlung eingeleitet. Es stellt sich heraus, dass die Menschen in den umliegenden Siedlungen zu großen Teilen politische Flüchtlinge und armen Emigranten sind, die nicht nur militärisch und technisch nie im Leben mit der Siedlung der Spieler mithalten können, sondern auch durch früheres willkürliches Auftreten der Spielersieldung (Schwer bewaffnete Flieger kreisen über der Siedlung ohne Kontakt aufzunehmen, etc.) eingeschüchtert und verunsichert waren. In diesem Klima haben sich dann einige junge Hitzköpfe aus verschiedenen Siedlungen zusammengetan und wenig überlegt die Hinterhalte gestartet.

Die Sitzung wurde später wegen ihrer Intensität gelobt und ein Spieler meinte später nochmal bei andere Gelegenheit: "Ich hab mir damals auf dem Heimweg Gedanken über die Leute gemacht und je mehr ich nachdachte, desto verständlicher wurde mir ihr Misstrauen und ihre Abneigung gegen uns."


D)

Hm...was habe ich beobachtet? Wirklich negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden habe ich weder wahrgenommen, noch zurückgemeldet bekommen. Das Verhalten am Spieltisch wurde aber stellenweise schon anders. Eher etwas ruhiger, es gab weniger Scherze und Herumgefrotzel, dafür mal hier und da eine ernste Diskussion jenseits von "Wie gehen wir am besten, reichsten, mächtigsten aus dieser Situation heraus. Es gab hier aber auch große Unterschiede zwischen den Spielern, der eine reagiert empfindsamer und denkt nach, der andere wiederum stimmt schnell für eine effektive Lösung und vereinfacht die Situation für sich.


My 2 cents.

 
« Letzte Änderung: 5.01.2014 | 02:19 von WitzeClown »

Offline Thandbar

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man sehe sich nur den neuen Superman an..

Den im Film oder im Comic?
"Du wirst direkt in diesem Moment von einer Zilliarde grünkarierter Kakerlakeneinhörner in Tweedanzügen umzingelt, die mit Fallschirmen aus gebeiztem Vanillepudding aus der nächstgelegenen Dattelpalme springen und dich zu ihrer Avonberaterin krönen - und die Krone ist aus Dr. Frankensteins bösartig mutiertem Killernougat! Streich dir 78000 Hirnschadenspunkte ab und mach sofort eine Jodelimprovisation!"

Offline Horatio

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Den Film.. den neuen Superman Comic macht Grant Morrison und der ist aus dem Dark Age schon lange raus :P.
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Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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-A- Wie sind Eure Beobachtungen diesbezügkich?
 -B- Kann man Spielrunden mit einer dyster-depressiver Stimmung über einen dauerhaften Zeitraum genießen?
 -C- Ist das überhaupt ein erstrebenswerter Zustand?
 -D- Wirken sich solche dystopischen Hintergründe auf das Verhalten oder Wohlbefinden der Spieler aus?

A) Prinzipiell fallen mir die auf finster getrimmten Settings schon verstärkt auf. Ich bespiele - außer Hellfrost - derlei Settings nicht, meine Homebrews sind eigentlich tolkienesker Blümchensex. Allerdings kommt es durch lange Kampagnen mit hohem Einsatz zur moralischen Thematisierung von Krieg, Gewaltanwendung, Recht vs. Gesetz... Es wird auch oft sehr intensiv im Sinne von fast hoffnungslos. (Hellfrost ist tatsächlich unsere leichtfüßigste Runde...)
B) Die harte Stimmung kann man durchhalten, wenn sie nicht aussichtlos wirkt, wenn am Ende ein Happy End möglich (nicht sicher, nicht mal wahrscheinlich) ist.
C) Jo, Katharsistheorie, Immersion, so Zoichs halt, ne. Wenn man am Ende des Abends das erste Mal wieder bewußt Luft holt und die blutigen Abdrücke der Fingernägel im Handballen realisiert, war das schon etwas Bereicherndes (das ist wertneutral).
D) Ja und nein. Wohlbefinden eher nicht, wenn man von Dingen absieht wie "Ich hab damals auf der Heimfahrt die ganze Zeit geheult, als mein Charakter gestorben ist." Ich habe allerdings auch Spieler erlebt, die vor jeder Sitzung Angst verspürten. Was auffällt ist, daß man als SL und als Spieler, wenn man in solche Situationen kommt, sich ernsthaft Gedanken über Fragen machen muß, mit denen man sonst nicht konfrontiert ist.*  Das finde ich gerade als Spieler interessant.

*Als ein Beispiel; ein SC wurde - weil der Clan im laufenden Krieg fast vernichtet wurde - zum Than seines Volkes, das geschlagen in die Stadt geflüchtet war. Er sollte sie ein weiteres Mal in den Kampf führen, um Zeit zu erkaufen, was den Untergang bedeuten konnte. Der Spieler (und alle anderen) haben sehr, sehr bitter die Entscheidung gefällt, nicht weiter nach Süden zu fliehen, sondern sich tatsächlich noch einmal zu stellen. Die Ansprache des Thans an sein Volk war eines der Spieler-Highlights meiner SL-Laufbahn - der Spieler hat die ganze Bitternis und Verzweiflung seiner Entscheidung verraten. Dann haben sich alle Zwergenkrieger geschoren und Glatzen und Wangen schwarz angemalt, so wollte es (der vom Spieler aus dem Stegreif erfundene) Brauch. IC können da schon bittere Fragen gestellt werden. Das Siedlerbeispiel von Witzeclown illustriert das auch sehr anschaulich, auch die Spielereaktion.
« Letzte Änderung: 5.01.2014 | 03:46 von Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder) »
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Butt-Kicker 75% / Tactician 75% / Method Actor 67% / Specialist 67% / Power Gamer 67% / Storyteller 58% / Casual 0% (Schubladen)

Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.

Offline Narrenspiel

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-A- Wie sind Eure Beobachtungen diesbezügkich?
 -B- Kann man Spielrunden mit einer dyster-depressiver Stimmung über einen dauerhaften Zeitraum genießen?
 -C- Ist das überhaupt ein erstrebenswerter Zustand?
 -D- Wirken sich solche dystopischen Hintergründe auf das Verhalten oder Wohlbefinden der Spieler aus?

A) Schau dir nur mal die aktuelle Fantasy-Literatur an. GRRM ist ja fast noch wie Blümchensex gegen die brutalen Gewaltorgien eines Joe Abercrombie oder Mark Lawrence. Klar gibt es da auch Ausnahmen (Pat Rothfuss vielleicht), aber die angesagte Fantasy-Literatur ist ja auch von expliziter Gewalt, düsteren Welten und Arschloch-Protagonisten gekennzeichnet. Ich persönlich finde ein bisschen Realismus oder dark'n'gritty gelegentlich ganz gut, weil sich damit oft ernsthafter ernsthaftere Themen bespielen lassen (muss aber nicht sein, ich habe auch schon in einer eher lustigen Swashbuckler-Runde Emanzipations-Terroristen gehabt). Ich habe das Gefühl, dass die wenigstens Spielrunden "innere Zerrissenheit", "Wahnsinn", usw. wirklich ausspielen - wenn man sich bspw. mal anschaut, was die meisten Cthulhu-Runden machen, sind das Würe auf eine Tabelle und dann verhält sich ein Charakter eine Weile lustig. Am ehesten finde ich sowas wirklich ausgespielt in thematisch begrenzten Indies, die aber dann ja auch meist nicht so lange gehen.

B) Klar! Solange die Spur von Hoffnung am Horizont ist, geht das. Und meiner Erfahrung nach kann es ergreifend sein, sich mit schwierigen Entscheidungen und ihren Konsequenzen herum zu schlagen (s. Loroms Beispiel), und solche Situationen entstehen eher in bedrohlichen Settings.

C) Geschmacksfrage? Kann doch jeder selbst entscheiden. :)

D) Eine unangenehme Folge dystopischer und bedrohlicher Settings ist meiner Erfahrung nach, dass die Spieler sofort super-vorsichtig werden. Wenn falsche Entscheidungen bedeuten können, dass ein Teil der Bevölkerung verhungert, ihre Liebsten gefoltert werden oder ihre Identität zerrissen wird werden Spieler sehr zögerlich Entscheidungen zu treffen und diskutieren ewig über die Vor- und Nachteile. Ist natürlich absolut verständlich und passiert schnell, wenn die Stimmung eher gedrückt ist, nervt mich persönlich am Spieltisch manchmal. Solche Diskussionen können cool sein - wenn man wirklich um eine Entscheidung ringt und die beiden Alternativen, die man hat, beide eigentlich fürchterlich sind -, aber sie können auch öde sein, wenn es dann ewig um Überfallpläne und Taktik geht, aber das Spiel nicht voran kommt.

Offline Slayn

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Das würde ich unbedingt getrennt von einander betrachten. Die stark degenerierten oder zerstörten Welten stellen in meinen Augen eine positive Evolution dar, da man im Gegensatz zum Ur-D&D (Dungeon Crawl, Söldner-Mentalität, Loot-Fokussiert) in so einem Setting tatsächlich einen "Helden" spielen kann, einfach schon durch simple Aktivität innerhalb des Settings.
Das hat in meinen Augen recht wenig mit Spielen zu tun, welche die Psyche des Charakters als Spielelement einbeziehen.


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Meiner Erfahrung nach können Spiele mit einer ausgeprägten "Abwärtsspirale" gerade den Helden-Aspekt unglaublich hervorheben, wenn sich alle Beteiligten darauf einlassen. Systeme bei denen Charaktere schnell und hart verstümmelt, korrumpiert, wahnsinnig werden können betonen weit mehr die Heldenhaftigkeit derjenigen, die sich trotz diesem Risikos in Gefahr bringen um etwas zu bewegen.
Gleiches gilt für Settings, die dazu gemacht sind Dilemmas zu erschaffen oder Charaktere vor unlösbare Aufgaben stellen. Wenn die Beteiligten Spaß an so etwas haben und dann auch noch eine reale Charakterentwicklung durch das Geschehen stattfindet, dann ist das ein enormer Gewinn.

Dysternis oder ein fieser Plot um seiner selbst willen finde ich enorm langweilig, ebenso wie Charaktere, die sich in so ein Setting einpassen anstatt heldenhaft sein zu wollen bzw. Charaktere, die immer unbescholten überleben sollen anstatt heldenhaft sein zu wollen.
Wenn wir einander in der Dunkelheit festhalten .. dann geht die Dunkelheit dadurch nicht vorbei
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Offline Lord Verminaard

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Es ist immer ein Problem, wenn man eine Sache verspricht – also eine Erwartungshaltung aufbaut – und diese dann (kontinuierlich) enttäuscht. Insofern finde ich es hm.. etwas "frech" die Fraktion, die diese "Inkonsistenz" aufzeigt erstmal in die "machen sich lustig" Ecke stellst ;).

Mir geht's eher um eine ganz andere Fraktion, nämlich die, die "löse diese Aufgabe" oder gar "Sandbox" in undüsteren Settings spielt, düstere Settings "dyster" nennt und per se für möchtegern-gothic-kiddie-peinlich hält, mit den genannten Spielrunden als Kronzeugen. ;) Als das O.R.K. noch eine irgendwie geartete Signifikanz hatte, waren sie dort im Rudel anzutreffen.
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Offline D. Athair

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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #10 am: 5.01.2014 | 11:08 »
Hier, weils drüben weniger passt:

Was mir bei neuen Settings vermehrt ins Auge fällt ist die sinnlose, bedrückende oder entmutigende Gewalt, welche als Hintergrund der Handlung gezeichnet wird. Als Beispiel sind die Warhammerwelten derzeit durchdrungen von faschistoidem Gedankengut, Nekrophilie, Genoziden, Folter und tiefster religiöser Mordgier.
Findest du? Ich halte gerade die WH-RSP für gelungen überzeichnete Bilder unserer (vergangenen, gegenwärtigen oder auch eventuell zukünftigen) Realität.

Schattenjäger: Eine Kirche, die sich selbst genügt und mehr an Einfluss als irgendetwas anderem interessiert ist. Wissenschaft und Technik als quasireligiöse Arkandisziplinen. Eine Verwaltung, die längst den Blick für den Menschen verloren hat. Ein Herrschafts- und Wirtschaftssystem, das große Teile der Menschheit von Teilhabe ausschließt. Konservative Unterdrückungssysteme vs. heilloses/wertebefreites "do what thou wilt". Das Militär als "Friedensgarant". Das Chaos als Symbol des Irrationalen. Gewalt als Mittel der (funktionierenden) Interessensprotektion.
Und die SC: Mittendrin und doch herausgehoben. Zunächst noch Handlanger und Stiefelputzer der Inquisition, später beteiligt am "Kampf um die Seele des Imperators". Als Hoffende gegen jede Hoffnung und als Steiter gegen Sinnlosigkeit und Verzweiflung oder auch vergeblich Kämpfende oder Verblendete.

Da kann man durchaus was draus machen. Zumindest, wenn die Dysternis nicht Selbstzweck bleibt oder bloße Kulisse ist.

Ansonsten +1 zu Slayn.
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Offline Arkam

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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #11 am: 5.01.2014 | 11:37 »
Hallo zusammen,

ich denke Rollenspiele passen sich wie alle Medien auch dem Zeitgeist und den Medien an der die Macher und das Publikum geprägt hat. Für den englischen und vor allen den amerikanischen Raum würde ich folgende Kernpunkte ausmachen: Mit Gewalt, zwei gewonnene Weltkriege können wir das Böse, hier prägte besonders der Kampf gegen die Nazis, zurückdrängen, Führergestalten können besonders schlechte Situationen klären, Leistung von besonderen Heerführern / Sportlern / Entdeckern / Forschern und die Technik bringt uns voran.
Dann kamen die siebziger und der Vietnamkrieg, Watergate, Ölkrise und schon im Frieden konnte man Auswirkungen der Situation, etwa Auto freie Sonntage, spüren. Gewalt brachte also keine Lösung mehr sondern zerstörte nicht nur den einzelnen Kämpfer sondern auch noch die Gesellschaft, Führungspersönlichkeiten boten keine Orientierung mehr sondern versagten und wurden zum Feindbild, der "Gegner" war nicht mehr böse und klar definiert sondern war als Organisation gesichtslos und von seiner Absicht her nicht böse sondern hatte vernünftig nachvollziehbare Absichten und war vorher teilweise in der Opferrolle und die Technik versagte zwar nicht aber war eben auch zur Quelle von Gefahren geworden.

Aus meiner Sicht führte das zu drei Trends. Man konzentrierte sich auf eine "Verbesserung" der Menschheit, ob durch Religion, Drogen oder Technik, man malte den Untergang einer Gesellschaft aus die von diesem nur einen oder manchmal auch nur einen halben Schritt entfernt war oder man bot alternative Gesellschaften, egal ob es jetzt Vampire oder Shadowrun Runner, an die außerhalb der Gesellschaft und ihrer Probleme standen.

Im Grunde konnte das Rollenspiel, das ja gerade das Individuum, als Charakter, in den Mittelpunkt stellte diese Trends schlecht aufgreifen. Das gelingt vielleicht einzelnen Spielrunden aber eben nicht der Mehrheit der Spielrunden. Aus Shadowrun und Cyberpunk 2020 wurden also weniger Spiele um die gesellschaftliche Veränderung sondern man spielte Spezialagenten die sich schwierigen Aufträgen stellten um noch bessere Chancen zu bekommen. Hier wurde der Einzelne so stark das er im Grunde ohne die Gesellschaft sondern maximal mit einer Clique oder Familie mit allem fertig werden konnte.
Vampire the Masquerade bot eine alternative Gesellschaft an in der man im Spiel die Macht ergreifen konnte oder wenigstens durch sein Handeln die Gesellschaft prägen konnte. Entsprechend stark polarisierte das Spiel auch. Wer lässt schon gerne seine Gesellschaftsordnung kritisieren. Aber auch hier gab es genügend Spieler die eben das mächtige Individuum das eben keine Gesellschaft braucht und über die Ghoule und die Möglichkeiten der Magie auch Clique oder Familie dominieren konnte.
Das mächtige Individuum wurde so zu einem Kernthema. Das Probleme auftauchten war selbstverständlich aber das Fluchtwerkzeug, der mächtige von der Gesellschaft unabhängige Charakter, durfte eben nicht angekratzt werden. Es ist also kein Betrug am Spieler sondern etwas das die Spieler, wenn auch nicht ausdrücklich benannt, erwarten.

Ein wirklich düsteres Rollenspiel bräuchte aus meiner Sicht die folgenden Komponenten:
Eine schnelle und einfache Ressourcen Verwaltung damit auch die Knappheit solcher Settings dargestellt werden kann.
Bespielbare Abenteuer die auch dann nicht zusammenbrechen wenn die Charaktere versagen oder nicht als Held handeln.
Konstruktionsregeln damit auch mit der Ausrüstung improvisiert werden kann.
Regeln für die gesellschaftlicher Entwicklung damit das Handeln der Helden auch Konsequenzen hat.
Ich denke aus dieser Basis heraus gibt es derzeit noch kein Rollenspiel das diese Möglichkeiten bietet.

Gruß Jochen
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Offline Slayn

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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #12 am: 5.01.2014 | 12:01 »
Hier, weils drüben weniger passt:
 Findest du? Ich halte gerade die WH-RSP für gelungen überzeichnete Bilder unserer (vergangenen, gegenwärtigen oder auch eventuell zukünftigen) Realität.

Ich halte Settings wie WH40K/Dark Heresy/Schattenjäger oder Rokugan/L5R nicht nur für überzeichnet, ich halte sie für die einzigen Settings, die es schaffen sich wirklich aus der Gut/Böse binären Denkweise zu befreien und somit auch abgestufte, graue und individuelle Antworten was "richtig" ist zu ermöglichen.

[Nachtrag] Ein wichtiger Faktor bei "düsteren" Settings scheint zu sein, das so typisch westliche Plattitüden wie "Love Conquers All" auch auf die Probe gestellt werden.
« Letzte Änderung: 5.01.2014 | 12:17 von Slayn »
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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #13 am: 5.01.2014 | 20:36 »
Hallo zusammen,

also für mich ist das Warhammer 40.000 Universum so überzeichnet und so weit in der Zukunft das man als Spieler und als Spielleiter schnell jeden Bezug zum Jetzt und Hier verlieren kann.
Reduziert man allerdings ein wenig oder sucht sich eine Partei aus die man darstellt funktioniert das Spiel mit den Grauzonen wirklich sehr gut.

Gruß Jochen
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Offline Arkam

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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #14 am: 6.01.2014 | 11:51 »
Hallo zusammen,

eine Düsternis die sich auch in den Regeln niederschlägt führt meiner Erfahrung nach zu drei Effekten.
Die Spieler optimieren ihren Charakter auf die Hauptgefahr und die offensichtlichen Nebengefahren des Setting hin oder der gespielte Charakter wird zum Pöppel. Nach den Berichten aus dem Cthulhu Forum etwa werden einige Kampagnen schon mit dem Gedanken begonnen mehrere Charaktere spielen zu müssen. So spielt man dann irgendwann keinen Charakter mehr sondern eine Wertesammlung.Gerade bei Cthulhu als Basic Roleplaying Ableger ist ja eine Entwicklung zu einem erfahreneren und damit auch belastbareren Charakter kaum vorgesehen.
Die Spieler werden besonders ängstlich was ihre Aktionen angeht. Oder im anderen Extrem weil man doch auf jeden Fall stirbt werden die Entscheidungen zur Nebensache.
Die Charaktere werden selbst düster und böse. Wenn man im Setting zu viele schlechte Erfahrungen gemacht hat passen die Spieler ihre Spielweise etwa an. In frühen DSA Abenteuern etwa verlor man gerne schon Mal die Ausrüstung und große Belohnungen konnten dann nicht abkassiert werden. Also bestand man darauf das der Auftraggeber die Ausrüstung stellte und auch eine kleinere aber sicherere Belohnung versprach. Bei Shadowrun war es ja wohl häufig so das man bei der Übergabe des vom Auftraggeber erwünschten Gegenstandes angegriffen wurde und sich irgendwann eben extrem absicherte. Bei Systemen aller Art galten NPCs die mit der Runde reisen wollten schnell automatisch als Verräter.

Einige düstere Settings haben bei genauem Betrachten sichere Häfen. Es gibt also Klassen, Vorteile oder Ausrüstung die die angepassten Regeln wieder außer Kraft setzen oder ihre Anwendung deutlich reduzieren.

Gruß Jochen
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Offline Slayn

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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #15 am: 6.01.2014 | 11:58 »
@Jochen:

Jetzt mal so als These: Systeme/Settings mit Abwärtsspirale leiden unter dem gleichen "Problem" wie, sagen wir mal, Fiasko: Verlieren/Scheitern und dabei Spaß haben will gelernt sein und gehört somit erst mal nicht zu unserem und erst gar nicht dem US-Amerikanischen Kulturkreis.

Bei der Art von System/Setting, über das wir hier aber reden, ist Verlieren/Scheitern aber auch die Quintessenz des Heldentums, daher ist eine Beschäftigung mit genau dieser Materie, entweder durch Schriften aus der Antike, antiken chinesischen Schriften oder aber auch, moderner, kritischen Schriften zu den Weltkriegen angesagt um sich darauf einzustellen.

[Nachtrag] Ich empfinde zum Beispiel bestimmte Parallelen als erstaunlich: Wenn ich "Samurai Drama" und "Steiner - Das Eiserne Kreuz" (oder 08/15) vergleiche, ergeben sich hier bestimmte gemeinsame Nenner.

[Nachtrag 2] Wenn ich so darüber nachdenke, sehr wenige Settings spielen mit dem grundsätzlichen Gedanken von "Lieber aufrecht leben als...."
« Letzte Änderung: 6.01.2014 | 12:05 von Slayn »
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Offline Abaton23

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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #16 am: 6.01.2014 | 14:03 »
Dass eine Gruppe Helden in eine scheinbar auswegslose Situation oder in ein moralisches Dilemma gerät, ist wohl in jedem Setting möglich. Auch in Midgard oder DSA kann die Gruppe vor das Problem gestellt werden, einen Verletzten auf der Flucht vor Orks zurück lassen zu müssen oder mit verschärften Verhörmethoden Informationen zu erpressen, wo entführten Kinder versteckt werden. Solche Situationen können das moralische Gewissen der Spieler sicher auf eine lehrreiche Probe stellen.

Allerdings zeichnen manche Settings recht düstere Hintergrundbilder, wo ich in dieser Diskussion ein moralisches Lehrstück für Spieler infrage stelle. Greifen wir nochmals WH-40k auf. Das Setting wurde nicht für RPGs entwickelt, sondern für Tabletops. Dieser Zweig wird GW wohl Geld oberhalb eines hundertfachen Gewinns in die Kasse spülen wie das RPG. Um einen Entwickler des White-Dwarf frei zu zitieren: "Da haben wir wohl die krankeste und brutalste Welt überhaupt in der Fantasyindustrie kreiert." Es war nie GWs Ziel, Leuten moralische Dilemmas aufzuzeigen.

Im Gegenteil, GW nutzt bewusst das Rebellierverhalten der pubertären Zielkundschaft von 12-16 Jahren (Aussage des Herstellers selbst), um möglichst viel Kasse zu machen. Verantwortung übernimmt der Hersteller dabei nicht. So habe ich selbst erlebt, wie Jugendliche am Spieltisch des Ladengeschäfts prahlten, wie ihre Terminatoren dem Gegner unter lautem Gekreisch die Gedärme aus dem Leib reißen werden oder ihre Slaanershanhänger Orgasmen bei Tötungsritualen erleben. Die allgegenwärtige Zurschaustellung und Schändung der Leiber von Opfern zieren sowohl Artworks wie die entsprechenden Spielminiaturen.

Das Lehren der Schädlichkeit von Faschismus, Folter, Genoziden und Inquisitionen wird in unseren Schulen ausgiebig getätigt. Dies passiert unter Anleitung von geschulten Lehrern durch Versuch der Wertung unserer Geschichte. Laut Beschwerden einiger Schüler anscheinend sogar zu oft. Der moralische Nutzen durch Verwendung solch dystopischer Kulissen wie WH-40k als Spiel erschließt sich mir nicht. Wenn jemand sagt, ihm macht diese Spielwelt einfach nur Spass, kann ich das eher nachvollziehen und es ist OK. Allerdings werde ich diese Meinung nicht teilen.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #17 am: 6.01.2014 | 14:12 »
Finde ich alles nachvollziehbar.

Mal abseits von Extremen wie Slanneesh-Kultisten ist es aber natürlich schon so, dass FSK12 heute was anderes bedeutet als vor 30 Jahren. Und wenn man die Zielgruppe der 12-16jährigen ansprechen will, dann muss man die Zielgruppe auch ernst nehmen, da sind geschmackliche oder gar pädagogische Ansprüche eher fehl am Platz. Wer in letzter Zeit nichts mit frühpubertären Jungs zu tun hatte: Frühpubertäre Jungs sind für erwachsene Menschen unerträglich. Doch, ehrlich. Das darf so sein und muss wahrscheinlich auch so sein. ;)
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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #18 am: 6.01.2014 | 14:52 »
Den Film.. den neuen Superman Comic macht Grant Morrison und der ist aus dem Dark Age schon lange raus :P.

Danke für die Klarstellung. Was den Film angeht, kann ich diese Kritik nur unterschreiben.
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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #19 am: 6.01.2014 | 15:09 »
So habe ich selbst erlebt, wie Jugendliche am Spieltisch des Ladengeschäfts prahlten, wie ihre Terminatoren dem Gegner unter lautem Gekreisch die Gedärme aus dem Leib reißen werden oder ihre Slaanershanhänger Orgasmen bei Tötungsritualen erleben. Die allgegenwärtige Zurschaustellung und Schändung der Leiber von Opfern zieren sowohl Artworks wie die entsprechenden Spielminiaturen.

Ja, und? Also worauf willst du hinaus? Hälst du solches Gerede für besonders bedenklich? Oder für sehr ungewöhnlich?

Zitat
Das Lehren der Schädlichkeit von Faschismus, Folter, Genoziden und Inquisitionen wird in unseren Schulen ausgiebig getätigt. Dies passiert unter Anleitung von geschulten Lehrern durch Versuch der Wertung unserer Geschichte.

Und interessieren tut es keinen bzw. kaum einen.


@Vermi: Erwachsene Menschen? Du meinst wohl alte Menschen.  >;D
« Letzte Änderung: 6.01.2014 | 16:31 von WitzeClown »

Luxferre

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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #20 am: 6.01.2014 | 15:29 »
Sehr schöner Thread  :d

Hilft mir aktuell bei Welten- und Kampagnenplanung immens weiter. Mehr ... ich brauche mehr davon ;)

Offline Lord Verminaard

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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #21 am: 6.01.2014 | 15:46 »
@Vermi: Erwachsene Menschen? Du meinst wohl alte Menschen.  >;D

Nimmst du dich da aus? >;D
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Offline Slayn

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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #22 am: 6.01.2014 | 16:25 »
@Abaton23:

So ganz verstehe ich dich bei dem Thema nicht. Im "echten Leben" haben wir selten bis nie die freie Wahl zu irgendwas, warum sollte das im RSP anders sein? Gerade hier liegt der Gag in so überzeichneten Settings wie WH40K, zu wissen das jede Wahl beschissen ist und auch zu wissen dass die freie Wahl, die man selbst treffen würde, noch schlimmer ist (Chaos lässt grüßen).

Du kannst aber dabei auch mal von den "düsteren" Settings abgehen und dich den kulturell geprägten Settings zuwenden, etwa eben L5R oder Arrows of Indriya und die Wahl haben zwischen kulturell guten, menschlich aber weniger guten Ergebnissen.

Wichtig bei der ganzen Sache ist doch, das auch in einem eskapistischen Hobby nicht mehr voll und ganz geträumt wird.
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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #23 am: 6.01.2014 | 16:30 »
Nimmst du dich da aus? >;D

Autsch, Treffer.  :'(

Offline Thandbar

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Re: Wie beeinflussen finstere Hintergrundwelten die Spielweise?
« Antwort #24 am: 6.01.2014 | 16:36 »
Ich glaube nicht, dass der sanft pejorative Terminus "dyster" geeignet ist, um diese ganzen Phänomene unter einen Begriff fallen zu lassen, wenn am Ende tatsächlich die WoD, L5R, WH40k und das PoL-Setting der 4E in dieselbe Schublade kullern.
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