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[Sammlung] Stilmittel / Erzählerische Mittel

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Bilbo:

--- Zitat von: Derjayger am 22.12.2016 | 02:40 ---Nicht sicher, ob diese Art von Stilmittel gemeint ist, aber das hat sich wohl noch nicht überall herumgesprochen:

Stilmittel: Grundsätzlich einen cleveren Umgang mit Wortarten pflegen:

Beschreibung:

1. Adjektive sind meist überflüssig, es sei denn, sie sind besonders unerwartet. <- Das sollte sich jeder Spielleiter hinter die Ohren schreiben, weil es auch viele "Profis" falsch machen (Kaufabenteuer aufschlagen genügt).
Bsp: Wie oft haben wir von der "finsteren Nacht" gelesen? Hörer schweifen ab. "Die helle Nacht" hingegen malt.
Bsp: "In der Ruine steht ein zerstörtes Schränkchen" ist langweilig. Besser: "In der Ruine ein trauriges Schränkchen".

2. Verben sind Trumpf.
Bsp: "Am Waldrand ruht ein Dörfchen...". "Kaminrauch kratzt die Baumwipfel".

Häufigkeit: Möglichst immer.

(Literaturempfehlung: Wolf Schneider: Deutsch für Kenner.)

--- Ende Zitat ---
Poetisch, sehr schoen! :)

KhornedBeef:
Muss natürlich auch das richtige Publikum treffen, wie immer. Bei dem  traurigen Schränkchen kann ich die Ulkerei  bestimmter Leute schon vor meinem inneren Ohr hören.

Lordkanzler:
Hi all.

Ich hoffe, ich mache nix falsch, wenn ich hier poste?!

Es geht in diesem Posting um Stilmittel. Das bedeutet z.B. für einen Rollenspiel-Spielleiter meines Erachtens, dass er in seiner „Erzählung“, ob diese nun langatmig, kurz, oder mittelmäßig ist, gewisse Methoden anwendet, damit die Spieler ( SCs ) die Geschichte nur schwierig oder bestenfalls: gar nicht wieder vergessen können, da sie sich ins Gehirn „eingebrannt“ hat.-

Aus alten Grammatiken: Stilmittel, wie z.B.: „Hendiadioyn“ ( 1 durch 2 ) „Natur und Schönheit“ = „natürliche Schönheit“, Hyperbaton ( Sperrung ) „ich hab da 'n Hund gesehen, als ich gestern durch Hannover ging, `n schwarzen“ ( statt: „Ich habe gestern während meines Spaziergangs durch Hannover einen schwarzen Hund gesehen.“ ) oder auch Climax ( „Fesseln, Schläge, Kerker, Beile, Kreuz“ ( siehe Lateingrammatik „Rubenbauer-Hofmann“ und „Ars Latina“, Schöninghbuch 10072 ) sind Mittel, um die AUFMERKSAMKEIT des ZUHÖRERS oder LESERS zu erlangen oder zu festigen, und somit essentieller Teil einer Geschichte oder Faktendarlegung.

Geschichten entwickeln wir Rollenspieler und insbesondere die Spielleiter unter uns aber andauernd, und somit sind WIRKSAME Stilmittel unabdingbar, meines Erachtens.-

Es gibt aber zusätzlich „neuere“ Forschungen, in denen meiner Ansicht nach weitaus „gefährlichere“ Stilmittel als die „althergebrachten“, von Lateinischen und griechischen Grammatikern erdachten, zum Einsatz kommen.

Wie ich an mehreren Postings sah, sind beispielsweise mehrere der hier Schreibenden mit H.P. Lovecraft und somit seinen Geschichten und seinem „Universum“ vertraut. Mehrere Leute hier scheinen auch die „Stadt ohne Namen“ zu besitzen: In diesem Buch wird im Anhang durch 2 wissenschaftliche Aufsätze auf die sogenannten „Dissonanzfaktoren“ eingegangen.

Dissonanzfaktoren in Horror / Grusel / spannenden Geschichten:

Diese Faktoren sind diejenigen, welche folgendes verursachen:

Sie rufen hervor, dass man eine Geschichte NIEMALS wieder vergisst, wenn man sie nur ein einziges Mal gehört hat. Die Geschichte „brennt“ sich unauslöschlich ins Gedächtnis ein, SELBST DANN, wenn man vordergründig behaupten sollte:

„Mich interessiert das alles nicht – das ist alles Quatsch“.

Sie rufen desweiteren einen „unangenehmen Zustand“ hervor, den man meines Erachtens am besten mit folgendem umschreibt:

„GANZ sicher kann ich NICHT sagen, dass es so etwas nicht gibt.“

Es besteht also ein ZWEIFEL an allem, was man bisher erlernt hat, unter anderem an den Naturgesetzen.

Der „unangenehme Zustand“, den solche Stilmittel ( Beispiele später ) hervorrufen, den bezeichnen Wissenschaftler als „kognitive Dissonanz“, denn ein solcher gedanklicher oder realer Zustand verlangt und strebt nach AUFLÖSUNG, so, wie in einem Klavierstück z.B. eine Dissonanz sich recht gerne auflösen lassen möchte für das Ohr des Zuhörers.-

Ich sprach oben von „gefährlichen“ Stilmitteln: Das Anwenden von Dissonanzfaktoren in Geschichten gehört meines Erachtens auf jeden Fall dazu. Es setzt schlechtestenfalls eine gewisse Affinität voraus zu solchen Elementen, und:

Man „durchkreuzt“ die ERWARTUNGSHALTUNG der Rezipienten!! Dies ist der eigentlich gefährliche Punkt ( weswegen ich z.B. meist empfehle, dass Lovecrafts Geschichten nicht Jugendlichen zugänglich gemacht werden sollten, wegen der Nachwirkungen. WENN man sie richtig darstellt / interpretiert, nicht als „bloße Gruselgeschichten“. ).

 Und selbst dann, wenn sich der Rezipient als „gläubig“ und „wissenschaftlich“ zu erkennen gibt, greifen solche Mittel. Dies ist bewiesene Tatsache.

Ich gebe folgendes Beispiel ( es gibt mehrere weitere ) zu den Dissonanzfaktoren:

1. ) Unsere AD&D-Kampagne spielte ab und an auch im Schattental ( Realms ).

Im „Alten Schädel“ , ein Gasthaus im Schattental, im Winter:

Die Party ist im Gasthaus. Wirtin ist Jhaele Silbermähne, draußen ist es BITTERKALT. Eine trostlose Atmosphäre muss vermittelt werden! Schnee fällt. Die Vorhänge sind geschlossen. An einem Tisch sitzen 3 Holzfäller o.ä., die karierte Hemden tragen und ihre – anscheinend: messerscharf geschliffenen – Äxte hinter sich an einen Bohlenstreben gelehnt haben, und an einem ( leckeren ) Eintopf sitzen.-

Zum Missfallen der Wirtin fliegt die Tür jäh auf, ( sie sagt: „Tür zu!“ ) und herein tritt eine DERBE GESTALT:

Jharassim Bollwündel, der Dorfschäfer!

„Nun? Wie sieht denn ein Schäfer Eurer Meinung nach aus ??“ ( Antwort egal, aber: )

„Ja, er hat ein FEINGESCHNITTENES ARISTOKRATENGESICHT, große Füße, usw., Pelzbekleidung.: Schafsfell über seinen Schultern!!

Im weiteren Verlauf beklagt er sich WORTREICH, dass ihm fast seine gesamte SCHAFHERDE abgeschlachtet wurde, und gerade als er dies näher ausführen will, geht vor aller Augen eine greuliche Veränderung mit ihm vor:

„Bollwündels Füße durchbrechen SCHNELL ihre angestammte „Behausung“, und auf seinem Körper wird in erschreckendem Maße FELL sichtbar!! Ein Schrei entfährt seiner Kehle, deren oberes Ende ( sein Mund ) sich zu einer langen, vor gelben Zähnen starrenden Raubtierschnauze verändert! Aus seinen nun GELBEN Augen ist Blutgier zu lesen ( an die Party: „wenn man lesen kann!“ ), und er wendet sich den 3 Hutzelmännchen zu, die wir vorhin als Holzfäller beschrieben hatten.

Nach einem Schlag seiner Pranke dreht sich der Kopf des einen der Holzfäller um 180 Grad -

hier ist wohl in irgendeiner Form Euer Eingreifen gefragt!!“ Das Schafsfell über seinen Schultern trägt er jedoch immer noch – ein WOLF im SCHAFSPELZ, nicht wahr?? - Aktionen!!!

Aktionen !!
:::::::::::::::::::::::::::::::::::

Im weiteren Verlauf untersucht die Party das GEHÖFT des Schäfers. Sie sind in der Scheune, und hier kommt der ECHTE Dissonanzfaktor numero 1 zum Tragen:

Draußen hatten sie bereits die zerfleischten Reste von ca. 24 Schafen und 2 großen Schattentaler Schäferhunden gefunden, auf einer schneebedeckten Wiese.

In der Scheune :

Diese besteht aus 2 „Stockwerken“: Einmal unten, und dann ist im „oberen“ Stockwerk eine Holzpalisade gebaut, die den Raum umgibt, sodass von UNTEN in der Mitte nach oben also ein ca. quadratisches LOCH ist. Von der Palisade aus, also von OBEN !!!, kann die Party „verhaltenes „MÄHen“ hören: Es gibt aber nur einen Weg nach oben, und zwar über eine einzige LEITER....

Die Party geht nach oben....

Oben entdeckt man einige Schafe.

( Diese Schafe sind ein DISSONANZFAKTOR. Sie sind zuvor in TODESANGST die LEITER hinaufgeklettert, eine Fähigkeit, die sie sonst NICHT haben, die völlig unmöglich ist!!! )

Das Ereignis, das sie traf, muss DERARTIG schrecklich gewesen sein, das es alles übersteigt, was man sich vorstellen kann.-

:::::::::::::::::

Nach Jahren sagten Mitspieler des Abenteuers ( wir nannten es: „Werwölfe im Schattental“ ) aus, als wir sie gefragt hatten, dass sie die „Ödnis“ ( Landschaft, Stimmung, Winter, eisige Kälte, Schafe / Werwolf ) niemals vergessen hätten. Das kleine ( 2 Abende ) Abenteuer, das wir uns ausgedacht hatten, wurde von mehreren Spielern und Spielerinnen als „das beste“ beschrieben, noch VOR dem langen „Piergeiron's Queste“ ( an anderer Stelle beschrieben ).

Auf Wunsch kann ich noch weitere Dissonanz-Ideen schreiben hier, fürs Erste soll dieses reichen.
Habe 17 Jahre als Lehrbeauftragter, unter anderem für Deutsch, gearbeitet, und z.B. einer 6. Klasse Schülerin, die ein REFERAT halten sollte über SCHAFE, geholfen: Sie wurde zuvor von einigen Mitschülern gemobbt, und wir entschieden im Nachhilfeunterricht, dass wir den „Mobbern“ ein Referaterlebnis „bescheren“ wollten, das diese niemals wieder vergessen sollten.... . Pädagogisch evtl. zweifelhaft, eine solche Aktion mit einer Sechstklässlerin durchzuziehen, aber...wir taten es. Die Folgen waren drastisch: Sie hatte auf einen Schlag Ruhe.-

Nochmal: Ich empfehle, gerade bei Kindern und Jugendlichen, z.B. als Mitspieler in Rollenspielen, extrem vorsichtig mit dem Anwenden von Dissonanzfaktoren zu sein. Diese Faktoren richten sich direkt auf die Psyche von Leuten, und können, meiner Laienmeinung nach, bei ungeplanter und unverifizierter Anwendung unabsehbare Folgen haben, weswegen ich auch z.B. Lovecrafts Geschichten, die ich sämtlich vom Suhrkamp-Verlag habe, nicht für Jugendliche unter 18 empfehle.-

Viele Grüße, „Lordkanzler“ Olli!

KhornedBeef:

--- Zitat von: Lordkanzler am  9.01.2017 | 07:54 ---Hi all.
[...]

--- Ende Zitat ---
Heiliger Mindfuck, Batman!
Ich dachte während des Lesens ja erstmal "Was geht denn jetzt hier vor sich..?", und so ganz hat mich dieser Impuls auch noch nicht verlassen.

Also, erstmal, das wird sicher ein eigener Thread, da das hier ja nur ein Sammel-Thread sein soll. Wird sich einer der Mods drum kümmern, vermute ich.
Ich bin nicht überzeugt, dass hier das Stilmittel alleine die Gefahr ist. Es muss in einen ansonsten normalen Kontext eingebettet sein (in deinem Beispiel Schafe, Holzhütten, Holzfäller), und es muss auch eine negative, typischerweise bedrohliche Konnotation haben, um sich "schädlich" auszuwirken.
Um beim zweiten anzufangen, natürlich finden Kinder auch mal Dinge bedrohlich, die man als Erwachsener wegfiltert (Ich finde Sam the Eagle von den Muppets bis heute vage furchteinflößend). Aber z.B. die Szenen aus Peter Pan, als er Wendy kennenlernt, behandeln unmögliche Dinge (Mini-Humanoide mit Flügeln, autark agierende Schatten), die in einem lovecraftesquen Erzählumfeld Horror sein könnten. Aber hier ist es Magie, und wird in ein wundervolles, kindgerechteres Licht gerückt.
Auf der anderen Seite muss, typisch für den Horror, etwas Vertrautes, oder sogar Banales vorhanden sein, dass durch das Fremde durchbrochen wird. Deswegen wirken z.B. Looney Tunes üblicherweise nicht beunruhigend: Die "Comicphysik"-Gesetze sind so allgegenwärtig, dass sich "Der Coyote läuft einfach weiter durch die Luft, weil er noch nicht weiß, dass da kein Boden mehr ist" nicht weiter dagegen abhebt. Außerdem weiß man, dass dem Coyoten ständig etwas passiert, aber kein dauerhafter Schaden entsteht.
Das ließe sich aber sicher noch weiter erörtern.

Allgemeiner gesprochen finde ich das einen guten Hinweis von dir, dass man die Wirkung von Erzählung auf Kinder oder Jugendliche unterschätzen kann, weil man als Erwachsener schon, pardon, zu sehr angestumpft und festgefügt ist, um sie als bedrohlich warzunehmen.
Da du ja selbst sagst, dass die Wirkung solcher Dissonanzen subversiv ist, hilft es deiner Meinung nach, sie deutlich als durch die Spielwelt bedingt zu kennzeichnen? Ähnlich, wie man bei einer Gruselgeschichte erzählen würde, dass sie vor langer Zeit im Land Pusemuckel geschah, um sie als gegenwärtige Bedrohung abzuschwächen? Oder setzt die Gefahr tiefer an?

Lordkanzler:
Hi KhornedBeef!!

Zunächst einmal: Stimme FAST allem zu, was Du sagtest.

Dieses hier,

Zitat:

Da du ja selbst sagst, dass die Wirkung solcher Dissonanzen subversiv ist, hilft es deiner Meinung nach, sie deutlich als durch die Spielwelt bedingt zu kennzeichnen?

Zitat Ende

Muss ich aber verneinen, denn man sollte eins nicht vergessen:

Ein ganz ganz wichtiges Element der genannten Faktoren ist die knallharte LÜGE bzw.: Verschweigen der Wahrheit. Würde man dieses kennzeichnen oder aufdecken, wäre viel vom Effekt verloren. Es geht auch um Vermittlung logischer Ideen und von Wissen. Zum Beispiel: In Lovecraft's Geschichte "Gefangen bei den Pharaonen" wird auf NITOCRIS eingegangen. Lovecraft erweist sich hier als zu seiner Zeit brillanter Rechercheur, denn es gab diese Prinzessin WIRKLICH,  sihe z.B. Dynastientabelle in Ceram's "Götter, Gräber und Gelehrte", und sie hat WIRKLICH einen gesamten Hofstaat zu einem "Bankett" eingeladen und durch Flutung der unterirdischen Gemächer ertränkt. Ein erfüllendes Mahl, wie ich meine! Nur leider so endgültig  >;D Die Wahrheit und das, was man aus den wahren Fakten macht, spielt eine nicht unerhebliche Rolle, würde ich doch sagen. Was meinst Du ?

Fragt, mit vielen Grüßen, "Lordkanzler" Olli!

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