Autor Thema: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)  (Gelesen 3952 mal)

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Tar-Calibôr

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Christopher Ruthenbeck aus der Google+ Community hat gerade in seinem Blog einen sehr spannenden Artikel über mentalen Stress gepostet, in dem er den Sinn eines eigenen Stress-Tracks sowie von mentalen Konflikten (im regelmechanischen Sinne von Fate Core) generell in Frage stellt, weil die Prämisse dafür (the characters involved have both the intent and the ability to harm one another") meist fehlt (Befragung unter Folter? Old Cthulhu is watching you? Alles sehr einseitig, und somit kein "echter" Konflikt). Sehr lesenswert, finde ich.

Der Artikel hat mich aber auch zum Weiterdenken gebracht und mich zu einem, nennen wir's mal hochtrabend Gedankenexperiment, gebracht:

Wieso verwenden wir eigentlich überhaupt eine eigene Konflikt-Mechanik, bei dem der regelmechanische Fokus auf das Verletzen/Ausschalten des Gegners liegt und nicht auf dem Erreichen des "eigentlichen" Ziels? Denn, wie ja bereits in Fate Core steht: "People fight for a reason, and if they’re willing to do harm, it’s usually an urgent reason."

Eigentlich ist ja nicht, oder nur in den allerseltensten Fällen, das Hacken und Schlachten das eigentliche Ziel der Auseinandersetzung (selbst in vielen Duellen geht es ja nicht um die Wunde an sich, sondern um Ehre oder Ruhm oder wasauchimmer). Und für klassischen "kill the monsters and take their stuff"-Dungeon Crawl Marke gilt Fate ja ohnehin nicht als besonders optimal. (Und selbst hier könnte man behaupten, dass die Monster im Sinne von "kill the monsters to take their stuff" nur Hinternisse auf dem Weg zum "eigentlichen" Ziel ist: Alles mitnehmen, was nicht niet- und nagelfest ist ;D)

Kurz: Wieso also eigentlich nicht auch für Conflicts überhaupt die Regeln für Contests verwenden? Wieso einmal Sonderregeln für "mutually exclusive goals, but they aren’t trying to harm each other directly", und einmal für gegensätzliche Ziele, aber mit "Verletzungsabsicht"? Und wieso dann überhaupt noch solch "Zusatz-Crunch" wie Stress und Stress-Tracks verwenden?

"Pacing" kann man schließlich auch in Contests betreiben – durch die notwendige Zahl der zu erreichenden Siege. Konsequenzen würden trotzdem weiter Sinn machen – als "Resource" für Success with a Cost, oder für Extreme Effort, wie im Toolkit beschrieben.

Oder, ins extrem getrieben...wieso überhaupt solche "formalen" Regelkonstrukte wie Conflicts, Contests und Challenges verwenden, anstatt es so "free-flowing" (follow the narrative) zu handhaben wie Dungeon World es zu tun scheint? (Leider ohne es bislang tatsächlich gespielt zu haben, aber das SRD und Spielberichte lesen sich äußerst spannend.)

Ein bisschen spätabends ins Blaue gesponnen und einfach mal so hingeworfen, ohne Anspruch auf Durchdachtheit ~;D

Offline LordBorsti

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Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #1 am: 16.05.2014 | 11:45 »
Möglicherweise um "klassisch" geprägte Rollenspieler nicht völlig zu vergrätzen bzw. zu verschrecken?  >;D

Meine persönliche Meinung zu Fate ist ja, dass es eine gelungene Synthese aus einem schlanken und robusten klassischen Rollenspiel + ein paar  Indieelementen darstellt. Die große Stärke von Fate: du kannst "klassische" und "Indie" Rollenspieler zusammen an einen Tisch setzen und die können zusammen spielen, weil jeder sich in dem System ein bisschen wiederfinden kann. Ich sehe das in meiner Hausrunde, wo ich sowohl "Regeltüftler/strategen" als auch "Geschichtenerzähler" drin sitzen habe und beide Seiten recht zufrieden mit dem Regelwerk sind. Die erste Frakion tüftelt an guten Stunts und die andere Seite hat Spaß an den Aspekten.

Aber wenn du Ideen für eine "vereinheitlichte Konflikttheorie" hast, nur her damit. Ich les mir das gern durch. Ich glaube White Picket Witches aus einem der Fate Worlds Bände hat auch sowas ähnliches gemacht.
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Offline Blechpirat

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Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #2 am: 16.05.2014 | 11:50 »
Kommt wohl auch ein bisschen darauf an, was man alles über den Stresstrack abfiedeln will. Der mentale Stress durch Zaubern (wie bei DFRPG) rechtfertigt den zweiten Stresstrack durchaus; zudem geht eine taktische Variante verloren (wir greifen den Gegner sozial an, da hat er einen kurzen Stresstrack).

Offline BeePeeGee

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Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #3 am: 16.05.2014 | 18:13 »
Sehr spannende und berechtigte Frage...

Im Prinzip ist doch der Unterschied zwischen Angriff/Verteidigung vs Create Advantage mit Widerstand folgender:
Erfolgreiche Angriffe werden zuerst vom Stress-Track "gepuffert", bevor sie in Aspekten (Konsequenzen) sich niederschlagen.
Ein erfolgreicher Create Advantage hingegen erzeugt direkt einen (temporären) Aspekt.

Man könnte also bei einem Kampf die Angriff/Verteidigung überspringen und gleich auf "Create Advantage" gehen. M.E. hängt es davon ab, ob man Konflikte länger ausspielen oder kurz abhandeln möchte.
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Offline LordBorsti

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Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #4 am: 16.05.2014 | 18:30 »
Um BeeGeePee zu ergänzen:

Stress und Konsequenzen sind beides nur Puffer vor einem "taken out". Ein Taken Out ist kurz gefasst die Möglichkeit eines Agressors kurzzeitig narrativ die Kontrolle über ein Element der Fiktion (meistens Charaktere) zu übernehmen. Eine create advantage Aktion hat diese Möglichkeit nicht.
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Offline Maarzan

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Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #5 am: 17.05.2014 | 01:23 »
Hört sich nach Ritter der Kokusnuss - der schwarze Ritter an.  ~;D
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Offline BeePeeGee

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Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #6 am: 17.05.2014 | 08:12 »
Stress und Konsequenzen sind beides nur Puffer vor einem "taken out". Ein Taken Out ist kurz gefasst die Möglichkeit eines Agressors kurzzeitig narrativ die Kontrolle über ein Element der Fiktion (meistens Charaktere) zu übernehmen. Eine create advantage Aktion hat diese Möglichkeit nicht.
Guter Punkt, Lord Borsti.
Meine Perspektive war aus Aspekt-Sicht. Eine Konsequenz ist dann ein Aspekt mit einem Puffer (Stress) davor.

Ich habe mich sowieso gefragt, ob ein Munchkin-Spieler nicht lieber den Kampf vermeidet und gleich versucht, mit Create Advantage sein Ziel zu erreichen?
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Offline 1of3

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Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #7 am: 17.05.2014 | 08:59 »
Es gibt ja Rollenspiele, die Kampfsysteme ohne Schadensallokation benutzen. Dass es so wenige sind, hat wohl vor allem - da stimme ich Lord Borsti zu - historische Gründe.

Das klassische Kampfsystem hat die folgenden Komponenten:

a) Es ist immer nur einer dran. Wir können beliebig komplizierte Regeln erdenken, um festzustellen, wer dran ist.
b) Wer dran ist, darf ein Ziel wählen und daran Schaden verursachen.
c) Ein Ziel mit zu viel Schaden ist ausgeschaltet / tot / ...
d) Der Kampf endet, wenn alle Gegner einer Seite ausgeschaltet sind. (Nicht etwa nach einer festen Anzahl von Runden oder so.)

Die primäre Wahl ist: Wen ich greife ich an? - Das lässt sich, wie Blechpirat andeutet, noch auf verschiedene Weise verkomplizieren: Gewisse Gegner greift man am besten auf gewisse Weise oder durch bestimmte Teammitglieder an. Man kann auch verschiedene Packs von Aktivressourcen einführen, die entweder den Angriff oder die Abwehr verbessern.

Man kann diese vier Voraussetzungen als Idee nehmen, wie man das ganze noch abwickeln kann. Fate ist schon ein wenig anders. Es führt auf Empfängerseite des Schadens (unter c) eine zweite Wahl ein, nämlich Stress zu nehmen, Konsequenzen zu nehmen oder eine Concession (wie heißt das auf deutsch?) anzubieten.

Man kann natürlich auch an (b) fuschen, z.B. indem man Charaktere an einem Ziel arbeiten lässt, statt einen Charakter anzugreifen. Wenn man das tut, muss man wahrscheinlich eine andere Abbruchbedingung formulieren. Man kann das ganz analog machen: Der Kampf endet, wenn alle Ziele gelöst sind. Das macht z.B. Capes.

Das könnte man sogar ziemlich schmerzfrei in Fate einbauen: Statt mit Blocks und Konsequenzen den eignen Stress-Track zu beschützen, kann man Ziele beschützen.

Offline BeePeeGee

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Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #8 am: 17.05.2014 | 19:49 »
Man kann natürlich auch an (b) fuschen, z.B. indem man Charaktere an einem Ziel arbeiten lässt, statt einen Charakter anzugreifen. Wenn man das tut, muss man wahrscheinlich eine andere Abbruchbedingung formulieren.

Ganz böse könnte man ja z.B. ein Create Advantage mit dem Aspekt "Gegner hat ein abgetrenntes Bein" versuchen, zu erzeugen  >;D
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Offline LordBorsti

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Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #9 am: 17.05.2014 | 20:55 »
Ganz böse könnte man ja z.B. ein Create Advantage mit dem Aspekt "Gegner hat ein abgetrenntes Bein" versuchen, zu erzeugen  >;D

(Klugscheißmodus an)
Das geht aber nur in Settings, in denen alle Charaktere regenerative Fähigkeiten haben. Situationsaspekte halten maximal eine Szene, und das muss die Formulierung widerspiegeln.
(Klugscheißmodus aus)  >;D
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Offline Horatio

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Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #10 am: 18.05.2014 | 16:25 »
Alternativ kann man Konsequenzen auch als aktive Resourcen die auf Verteidigungswürfe beschränkt sind gestalten und Stress Tracks ganz rausnehmen.

Heißt wenn ich getroffen werden und 4 Shifts brauche, kann ich einfach eine moderate Consequenz nehmen und mein Gegenüber hat sein Ziel nicht erreicht (also mich auszuschalten). Darum geht es letzendlich im Kampf / klassichen RSP sozialen Konflikt: Ich habe ein "Ziel", meine Gegner stehen mir "im Weg".

In Verbindung mit einem Ini System bspw. ähnlich dem von MHR, also im Zweifel beginnt der der agiert (ansonsten eben wieder Vergleich von Werten) und wer dran war, bestimmt wer als nächste Handeln darf (aber jeder nur einmal pro Runde), spürt man dann den Wechsel von "normalen Spiel" in einen Konflikt gar nicht mehr.

Plus ich selbst entscheide ob es mir Wert ist die Sache weiterzuverfolgen (ich nehme die Konsequenz) oder den Erfolg meines Gegners hinzunehmen (so wichtig war es mir nicht, ich spare es mir für später auf).

Einige Spiele / Hacks machen das auch so, bzw. auf dem Fate Fractal Blog wurde das mal angedacht..


AW in der Form von DW habe ich nur einmal gespielt, aber den Spaß am narativen Flow hatte ich nicht so ganz. Da verlieren sich teilweise alltägliche Geschichten in Kleinigkeiten und viel Szenen bestehen gefühlt nur aus Komplikationen. Gefühlt wird der Focus auf das eigentliche Ziel / Thema / die Szene an sich erheblich erschwert; dauernd kommt was von der Seite rein. Dazu kommt ein Gefühl des "Kontrollverlustes". Ich handele und schaffe damit erst die Gefahr in die ich mich hineinbegebe (und die kommt dann in der Regel auch noch vom SL; heißt ich kann nicht mal halbwegs absehen, was meinem SC durch mein eigenes Handeln passieren kann). Das ist schon ein sehr sehr spezielles Spielgefühl und taugt nur für einige "Genres".

Möglicherweise müsste ich mich mit AW stärker auseinandersetzen um abschließend mehr dazu sagen zu können, aber wenn mir da nicht jemand von außen das anbietet (also letzendlich es für mich leitet :P), wird das nicht in nächste Zeit geschenen :P.
« Letzte Änderung: 18.05.2014 | 16:40 von Horatio »
You see, it did not matter that setting canon and expected style was being broken,
as long as the characters in the story believed in their roles, the Story Guide believed in the consequences of any actions taken,
and the players believed in the story more than mere setting facts. Whatever the story would be in genre and message,
that would be revealed after the fact, not before.
- Eero Tuovinen: A Loveletter to a Story Gamer

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Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #11 am: 22.05.2014 | 11:40 »
Danke für das Feedback so far! Waren ein paar sehr hilfreiche Gedanken dabei.

Zitat von: LordBorsti
Aber wenn du Ideen für eine "vereinheitlichte Konflikttheorie" hast, nur her damit.

Ich hab die letzten Tage tatsächlich etwas weiter gesponnen, und zwar ausgehend vom Adventure Fractal von Ryan M. Danks. (Wer der Google+ Community folgt, wird meine Posts vielleicht eh schon gelesen haben.)

Kurz gefasst, im Adventure Fractal geht es darum, das ganze Abenteuer (bzw. zumindest einzelne Szenen) wie einen "Charakter" zu handhaben, mit einem Set an Aspekten, Konsequenzen, einem Stress Track, Approaches, Stunts, was auch immer. Die Charaktere agieren also nicht gegen einzelne NPCs, sondern "gegen die Szene".

Ich bin mal so frei, das Wichtigste einfach hier zu zitieren:

Zitat
I'm thinking about exchanging "normal" scene stress for contest-style victory points entirely in my "fractal" pick-up adventures, using them for ALL "story-propelling" dice rolls (i. e. overcome and attack actions) in the scene, not just for conflicts.

The exchange-based conflict mechanics tend to drag out scenes with minutiae (being after all still in the tradition of round-per-round wargaming), and the pick-up adventures I use the Adventure Fractal for most often are all about getting forward fast.

I'd go for three victory points (although I'd call them differently in this context, e. g. "progress", but that's just me) per player involved in the scene, and maybe let stunts add another point per player for especially dramatic, important scenes. I'd be, however, very careful about that – remember, I suggest this approach for keeping your "fractal" scenes short and sweet, not to drag them out.

I even think about making dice rolls a player-only issue to speed up the game even more (Dungeon World style): It's all about "what do YOU do" (or at least: "how do YOU react"). The players roll – against the adventure's skills as passive opposition – to achieve something.

If they fail, they will have to pay some cost, be it detrimental boosts/aspects (think of adversarial Create an Advantage), capital-C Consequences or being "taken out" of the scene (even if it's not technically a conflict), that is: not getting what they wanted at all. They could "concede" the scene, too, conflict or not, where the number of still missing "victory points" indicates how much of their goal they have to give up in addition to already paid costs.

(Consequences as costs vs. "just boosts/aspects" as cost would be a choice between "I can define the cost myself" and "the GM defines some nasty cost". On the GM side I'd probably let minor consequences soak a single victory point, the others up to two – that's a success with style, according to the Contest rules.)

Zusammengefasst: Die gesamte Szene wird als eine Art Contest abgehandelt. Alle Würfe der Spielercharaktere, die zum Fortschritt der Szene beitragen sollen und können, bringen "Siegpunkte" ein – sei es das davonlaufen vor einem Gegner, das ausschalten von Minions oder das Finden von Hinweisen. Die Einzelheiten werden narrativ beschrieben, die Punkte geben bloß an, wie weit die Szene schon fortgeschritten ist und wie nah die Charaktere dem Ziel sind, das sie in dieser Szene erreichen wollen.

Aktionen, die nicht direkt zum "Szenen-Fortschritt" beitragen, aber diesen irgendwie unterstützen, können natürlich weiterhin Create an Advantage sein (oder Overcome gegen einen Situationsaspekt), wie auch in normalen Contests. (Aktionen hingegen, die nur "Color" sind und mit dem Ziel der Szene gar nichts zu tun haben, würde ich einfach handwedeln, sprich: schlicht erzählen. Charaktere in Fate sind kompetent, was dramatisch nicht interessant ist schaffen sie einfach.)

Der Spielleiter selbst würfelt nicht, die Szene selbst sammelt also auch keine eigenen Siegpunkte! Es geht darum, wie die Charaktere die Szene angehen und welche "Kosten" sie bezahlen müssen, um ihr Ziel zu erreichen – succeed with a cost. Wenn die Kosten ihnen zu hoch werden, könnten sie die Szene vorzeitig beenden und nur das "mitnehmen", was sie bislang erreicht haben, sofern das narrativ Sinn ergibt. Das bedeutet natürlich, dass sie ihr Ziel nicht vollständig erreichen – es ist quasi eine Concession. (Bei Szenen, die wirklich nur ein "binäres" Ergebnis zulassen, wäre ein vorzeitiges Aussteigen hingegen de facto ein Taken Out – davon sollte es aber nur recht wenige geben.)

Apropos Szenen-Ziel: Dieses sollte finde ich explizit formuliert und nicht bloß implizit angenommen werden, damit keine Unklarheiten bestehen.

Zitat
I'd consider jotting down another aspect for each scene, namely an explicit Goal.

What this scene ought to be about, what would the player characters want to achieve here? Thus there would be a "what is to be done" aspect (Goal), a "what hinders us" aspect (Obstacle), and a "what's the frame" aspect (Environment).

(There is some overlap with scene titles, so I consider using Goal aspects instead of them altogether for the sake of saving space in my notes. Mere titles are nice reminders for the GM, but I think they're not obvious enough for the players. While "out of the frying-pan into the fire" makes a great name for a novel chapter, for example, something like "escape from or deal with the wargs" might be more useful for a game scene. GMs tend to become quite poetic during preparation, but at the game tables, it's all about clarity.)

If there is no definite goal, either active ("find out who murdered the butler") or reactive ("get the hell away from here!"), there's no sense in using the contest mechanics. If you cannot think of an interesting goal that brings you closer to the adventure's overarching goal, skip the rules and just narrate this part of the story.

Inspired by Graham Walmsley's "Play Unsafe", you could probably distinguish between "platform scenes" and "tilt scenes": The former would be about giving color without a specific goal, letting the players calm down a bit, just narrate what's going on – "role-play with the game stripped off", no need for game mechanics.

(There can be some narrative action nevertheless, but that's action the – Fate-style competent – characters can smoothly handle. Think of routine bar brawls.)

The latter are all about drama, about pursuing goals, taking hazards and getting your hands dirty. In the context of the Adventure Fractal, only prepare those as capital-S Scenes.

"Erteile dem Grafen eine Lektion im Duell!" wäre in diesem Sinne ein "legitimes" Szenen-Ziel. "Am Buhurt teilnehmen" oder gar "Das Turnier des Königs" wäre hingegen viel zu vage. "Den Intriganten am Ball finden und entlarven" wäre ein interessantes Ziel, "Plaudern und Tanzen am Opernball" eher nicht. "Freundschaft schließen mit den Söhnen des Herzogs" könnte ebenso ein Ziel sein, das einen Szenen-Contest rechtfertigt, "Festmahl am Hofe" weniger.

Szenen ohne ein spannendes Ziel erfordern keine Regelmechanik, sie können einfach ausgespielt oder erzählt werden. Die eine oder andere kleine "entspannte" Phase in einem Abenteuer schadet ohnehin nicht – die Ruhe vor dem nächsten Sturm. (Falls sich in so einer "Erzähl-Szene" doch noch ein interessanter Konflikt herauskristallisiert, kann ein "Szenen-Contest" natürlich immer noch nachträglich eingeführt werden.)


Soweit mein derzeitiger Stand an Ideen, wie sich "Pseudo-Contests" eventuell als "Einheitsmechanik" für dramatische Auseinandersetzungen aller Art verwenden ließen. Ich hab mich dort auch ein bisschen über die Implikationen von "shared consequences" (also einem einheitlichen Konsequenzen-Set für das Abenteuer/den Akt/die Szene anstatt pro NPC) und "shared stats" ausgelassen, spare das hier aber mal aus, um den Thread nicht zu sehr von der Spur abzubringen. Hier nochmal der Link, falls sich jemand dafür interessiert.

Das "Adventure Fractal" ist bloß der größere Kontext, in dem ich das Zeug hier geschrieben habe, das könnte man ruhig weg lassen. Meine Spinnereien hier müssten genauso funktionieren, wenn man allen NPCs und sonstigen Hindernissen eigene Werte gibt – dadurch relativiert sich aber der Vorteil der Einfachheit natürlich ganz deutlich.

Zumindest sollte es einheitliche "Siegpunkte" für die gesamte Szene geben (und keine Stress Tracks pro NPCs usw.) und ein klares Ziel, ansonsten kann man's gleich bei regulären Konflikten belassen :)

Wenn ich dazu komme schreib' ich das alles vielleicht auch mal in eine "Reinfassung".


PS: Eine kleine Zusatz-Regel, die mir gerade in den Sinn gekommen ist: Ich würde Charaktere nicht mehrmals in Folge denselben Skill würfeln lassen. Das wird schnell langweilig und würde genau zu dem "turn-by-turn" zurückführen, von dem ich eigentlich gerne wegkommen würde..."I hit him again, and again, and again." Wenn mehrere Handlungen denselben Skill hintereinander verwenden würden, kann man sie genauso gut zu einer einzigen Aktion zusammenfassen. "I've got some Challenge in my Contest", sozusagen :D

EDIT: Diverse Ergänzungen, falsche Zitat-Zuschreibung, das Postscriptum.
« Letzte Änderung: 22.05.2014 | 12:40 von Tar-Calibôr »

  • Gast
Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #12 am: 22.05.2014 | 16:49 »
Nun hab' ich ja ein bisschen über Contests als "vereinheitlichte Konflikttheorie" (was für ein herrlicher Begriff) gesponnen, als nächstes hätte ich vor zu versuchen, meine zweite Spinnerei weiterzuspinnen: das genaue Gegenteil von dem strukturierten Approach des Adventure Fractal, mit klaren Szenen-Zielen und einer konsequenten Anwendung der Contests-Mechanik.

Zitat
Oder, ins extrem getrieben...wieso überhaupt solche "formalen" Regelkonstrukte wie Conflicts, Contests und Challenges verwenden, anstatt es so "free-flowing" (follow the narrative) zu handhaben wie Dungeon World es zu tun scheint? (Leider ohne es bislang tatsächlich gespielt zu haben, aber das SRD und Spielberichte lesen sich äußerst spannend.)

Hier mal meine Ideen so far für dieses Fate Core Powered Inspired by the Apocalypse – nennen wir's also mal passenderweise Doom :ctlu:

  • Im völligen Gegensatz zu meinen obigen Vorschlägen gibt es keine klar im Voraus definierten Szenen und Ziele, auf die hingearbeitet wird, sondern das Motto lautet – gut geklaut ist besser als schlecht erfunden – "Play to find out what happens". (Heißt nicht, dass der Spielleiter kein Pacing und Framing betreiben darf, aber Szenen und Ziele kommen und gehen wie sie gerade kommen.)
  • Nur die Spieler würfeln, nicht der Spielleiter. Es gibt somit nur passive Opposition, egal was die Charaktere tun. Gleich ob die Spielercharaktere in der Fiktion gerade agieren oder reagieren, die zentrale Frage, schamlos von Dungeon World geklaut, lautet "Was tust du?"
  • Es gibt somit auch keine Exchanges, Runden oder sonst irgendeine "Initiative", in denen der Spielleiter zum Zug kommen würde. Wenn es auf irgendeine Struktur ankommt agieren die Spieler reihum, es sei denn irgendetwas anderes macht narrativ einfach Sinn, dann darf auch mal mittendrin etwas eingeworfen werden.
  • "Success at a Cost" wird eine ganz zentrale Bedeutung spielen, wobei ich mich an ebenso an den Gamemaster-Moves von Dungeon World orientieren werde wie an den Tipps in Fate Core. Minor Cost entspricht dann einem Soft Move, Major Cost einem Hard Move. Um den hervorragenden Dungeon World Guide zu zitieren: "A Soft move is the setup, a Hard move is the follow-through."
  • Da der Spielleiter ja nicht mehr selbst würfelt, werden Costs häufig spielmechanisch in etwa einem gegnerischen Create an Advantage entsprechen.
  • Es wird keine Conflicts im regeltechnischen Sinne mehr geben (genauso wenig wie Contests und Challenges). Daher fällt auch die Notwendigkeit von Stress und deren Tracks. Hohe Skills geben somit zusätzliche Konsequenzen anstatt neue Stress-Boxen.
  • Da ich mit dem Gedanken spiele, auch Resourcenverlust als Konsequenzen darzustellen, würde auch der Skill "Resources" eigene Extra-Slots geben. Womit auch klar ist, wie Rüstung, Munition u. Ä. gehandhabt werden kann: Resourcen-Konsequencen wie "Verbeulter Brustpanzer", "Keine Pfeile mehr" oder "Das war der letzte Heiltrank".
  • Das "Schadenssystem" wird auf Konsequenzen und Situationsaspekte fokussiert.
  • Konsequenzen spielen jedoch nicht nur in Kampfsituationen eine Rolle, sondern werden zu einer "Universal-Resource" für Success with a Cost!
  • Dem Spieler bleibt überlassen, ob er sich vom Spielleiter einen "bleibenden" Situationsaspekt ("Lasting Aspect") als Cost "aufbrummen" lässt oder sich dafür entscheidet, eine Konsequenz zu nehmen, die er aber selbst definieren kann.
    Sprich, der Spielleiter erzählt dem Spieler, was nun passieren würde – "Make as hard a move as you like", um es wieder mit Dungeon World auszudrücken, wobei die "Härte" sich grob daran orientieren sollte, um wie viel der Wurf fehlgeschlagen ist. Der Spieler kann das nun so hin nehmen – oder er verkündet, stattdessen eine dem Fehlschlag entsprechende (also +2, +4, +6, wie gehabt) Konsequenz zu nehmen, und erzählt, wie er dadurch der ursprünglichen Cost entgeht. Proaktivität ist schließlich ein wichtiges Stichwort in Fate.
  • "Lasting Aspects" verschwinden, sobald es narrativ Sinn macht (eine bestimmte In-Game-Zeit vergangen ist, eine Wunde verbunden wurde, whatever). Konsequenzen brauchen wie gehabt eine gewisse Out-Game-Zeit, um wieder frei zu werden – da es keinen Stress mehr gibt, sollte das aber öfter passieren. Eine Minor Consequence wird am Ende der Szene frei, in der sie zugefügt wurde. Eine Moderate Consequence am Ende der Spielsitzung, eine Major Consequence am Ende des Abenteuers.
  • Das gilt für den Slot, nicht für das "Wording" des Aspekts – wenn der Aspekt "in game" schon davor geheilt wird, verschwindet er, der Slot bleibt aber weinterhin gesperrt. Falls er "in game" auch nach dem freiwerden des Slots noch den Charakter behindern sollte, wird er ein normaler "Lasting Aspect".
  • De facto werden dadurch Konsequenzen-Slots von den Aspekten entkoppelt – man könnte sie daher auch als Checkboxen notieren (anstelle der derzeitigen Stress-Boxen) und für "Lasting Aspects" eine eigene Liste am Charakterbogen einführen (dort wo derzeit die Konsequenzen stehen). Konsequenzen werden quasi zu einer reinen Meta-Recource für Player Agency.
  • Wann wird ein Spielercharakter "ausgeschaltet"? Nun, wenn alle Konsequenzen-Slots belegt sind, sich eine weitere Major Cost ergibt und der Spieler auch sonst nichts mehr dagegen tun kann (z. B. Invoke) kann der Spielleiter eine "Cost" aufbrummen, ohne dass sie vom Spieler abgeändert werden könnte.
  • Concessions gibt es natürlich weiterhin und werden, da es keinen Stress als "Puffer" mehr gibt, umso wichtiger. Und da es keine Conflicts als solche mehr gibt, können Concessions IMMER verhandelt werden, nicht bloß in Kämpfen!
  • Ein NPC/ein Monster wird de facto ausgeschaltet, wenn es keine Konsequenzen mehr zur Verfügung hat und einen weiteren Erfolg seitens eines Spielercharakters hinnehmen müsste – der Spieler kann ihm dann nach Belieben eine "Cost" aufbrummen. Nameless NPCs haben gar keine Konsequenzen, Mobs eine, Supporting NPCs zwei, Major NPCs drei. Keine Stress-Boxen, natürlich.

Soweit mal meine bisherigen, völlig ungetesteten, hoch experimentellen Spinnereien :D

Meine Vermutungen: Das Spiel wird dadurch wohl "erzähliger" als Fate sonst ist, aber das mag an manchen Spielabenden genau das sein, auf was die Gruppe Lust hat.

Wäre sehr gespannt, was ihr davon haltet!


EDIT: Ein paar Ideen gestrichen, die sich beim zweiten Durchüberlegen als unnötig herausgestellt haben, dafür andere Ideen ergänzt und Absätze eingefügt, um mein Geschreibsel übersichtlicher zu machen.
« Letzte Änderung: 24.06.2014 | 14:25 von Tar-Calibôr »

Offline Haukrinn

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Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #13 am: 23.05.2014 | 17:51 »
Bezüglich "SL würfelt nicht" und "Kein Stress" kannst Du ja mal einen Blick auf meine entsprechenden Hacks hier im Forum werfen.  ;)
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Re: Wieso eigentlich Konflikte? (Gedankenexperiment)
« Antwort #14 am: 23.05.2014 | 17:59 »
Danke für den Tipp!

Ich verlinke FATE ohne Stress Tracks gleich mal der Übersicht halber

Kannst du mir zu "SL würfelt nicht" noch nen Link geben? Ich hab zwar FateKit goes Fate Core gefunden, aber in dem Thread wurde nicht viel geschrieben. Im alten FateKit-Dokument auf Google Docs ist das auch nur kurz erwähnt. Gab's da irgendwo im Forum eine ausführlichere Diskussion dazu?


(Frage abseits: Wie haben sich die Gear Stunts im Spiel denn bewährt? Ich finde die Idee spannend, hab' aber die Befürchtung, dass sie ohne irgendeine zeitliche/zahlenmäßige/wasauchimmer Limitierung das Balancing ziemlich durcheinander bringen könnten, da ein Charakter mit hohen Resources Stunt-Effekte einfach per Würfelwurf erwerben könnte, während andere Charaktere dafür mit Refresh zahlen müssen.)
« Letzte Änderung: 23.05.2014 | 18:17 von Tar-Calibôr »