Autor Thema: System DOES NOT Matter - Früher konnten wir das noch nicht wissen.  (Gelesen 25039 mal)

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Mit Beginn der Diskussion um GNS sowie der Entwicklung darauf basierender Spiele begann in unserem Hobby zugleich ein groß angelegter Hypothesentest: wenn die Rollenspieltheorie der Forge und insbesondere GNS die Wirklichkeit gut abbildet, dann müssten Spiele mit klar fokussierter Agenda rocken wie die Hölle. Schließlich sind die Leute dann endlich mal in der Lage, ihre dysfunktionalen Runden durch funktionale zu ersetzen. Das muss doch einen irrsinnigen Effekt haben und das Hobby enorm stark in die "richtige" Richtung lenken.

SYSTEM MATTERS!

Heute wissen wir, dass das nicht der Fall ist. Die durch GNS formulierten Thesen wurden falsifiziert. Die Vorstellung war naiv, die Theorie falsch, der Hypothesentest auf breiter Front gescheitert. Immerhin war GNS sehr hilfreich für die Sortierung von Gedanken im Zusammenhang mit Spieldesign. Das ist fraglos ein enormer Nutzen, welcher der Entwicklung von Rollenspielen unabhängig von der inhaltlichen Ausgestaltung und Korrektheit von GNS langfristig nutzen könnte.

Jedoch: Ich kenne keine einzige, lange Kampagne mit einem der Forgespiele. Warum das so ist? Durch die Fokussierung geht vermutlich ein massiver Motivationsverlust für das Langzeitspiel einher. Parallel kenne ich kein GNS-basiertes Spiel mit einer - im Vergleich zu den führenden Systemen - nennenswerten Auflage. Das dürfte doch theoriegemäß kaum sein! Wenn man dann noch D&D4 zu den GNS-inspirierten Spielen zählt, und das kann man meiner Ansicht nach mit gutem Grund tun, dann haben wir sogar eines der größten kommerziellen Desaster der Rollenspielgeschichte, was ziemlich direkt durch GNS verursacht wurde.

Mit anderen Worten: der sich mit der Agenda "System DOES Matter" verbindende Ruf nach einem stringenteren Design von Rollenspielen ist trotz eines gewaltigen Tamtams letztlich ungehört verhallt. Weder in der Tiefe noch in der Breite haben sich die GNS-inspirierten Spiele durchgesetzt. GNS und damit der Kern des Modells der Forge ist gescheitert.

Versteht mich nicht falsch: sehr viele Spiele der Forge habe ich eine zeitlang sehr gerne gespielt und durchaus als bereichernd empfunden. Aber für meine Bedürfnisse sind Indies mittel- und langfristig keine gute Lösung (mit Ausnahme von D&D4 vielleicht, das immerhin ein paar Jahre motivieren konnte). Wenn ich eine begrenzte Zahl an Rollenspiel mit auf eine einsame Insel nehmen dürfte, wäre ein Indie erst auf einem der hinteren Plätze dabei (vermutlich Fiasko).

Vor diesem Hintergrund empfinde ich Zitate wie das folgende aber als ignorant und hoffnungslos von der Realität überholt:

D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

Das ist ein Beitrag, der die empirischen Fakten ausblendet und, überspitzt ausgedrückt, Vampirespieler insgesamt zu Dummköpfen erklärt, die nicht wissen, was EIGENTLICH gut für sie ist. Denn Vampire ist eines der erfolgreichsten Rollenspiele aller Zeiten und fährt selbst in den Überresten der V20 noch immer Auflagen, welche jedes GNS-inspirierte Spiel (mit Ausnahme von D&D4) übersteigen. Man muss das nicht mögen oder unterstützen. Nur: zur Kenntnis nehmen sollte man das schon. Denn offensichtlich sind also Mischungen aus Spielstilen gar nicht so dysfunktional, wie von der GNS gemeinhin angenommen wird. Und auch das System spielt da ebenso offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle.

Nun bin ich natürlich nicht der einzige, dem das aufgefallen ist. Ein guter Blog, der den schlechten Leumund der bisherigen Rollenspieltheorie zusammenfasst, stammt von Brian Gleichman*. Der Artikel hat schon einige Jahre auf dem Buckel, aber ich habe den Eindruck, dass die Inhalte in dieser Form im Tanelorn noch nicht vollends angekommen sind. Here we go: Why RPG Theory has a Bad Rep - A 5-Part Series Die ganze Serie ist lesenswert, aber der für diesen Thread relevanteste Teil ist Nummer 4. Dort findet sich insbesondere auch ein weiterer Hinweis, weshalb das System erheblich irrelevanter ist, als die RPG-Theorie das Anfang/Mitte der 2000er-Jahre  so annahm: die große Marktstudie von WotC samt der daraus empirisch abgeleiteten Typologie von Spielern. Das war dann  der endgültige Sargnagel für die Hypothesen von GNS und co.

Insofern: Das System eines Rollenspiels beeinflusst das Erlebnis der Beteiligten erheblich weniger als gemeinhin angenommen und postuliert wird. Wenn wir in Zukunft über Rollenspiele nachdenken, sollten wir Inhalte, die auf GNS sowie mit dem damit eng verwobenen Theoriegebäude der Forge zusammenhängen, nur ausgesprochen behutsam berücksichtigen.

Und nun viel Spaß beim Diskutieren**.






*:  Brian ist eine der luzidesten Stimmen in der Rollenspieltheorie. Seit rund 5 Jahren hat er sich frustriert von Diskussionen in Onlineforen in einen Blog zurückgezogen. Aber er trägt bis heute Inhalte bei. Jeff Rients sagt über ihn: "Brian Gleichman is one of those people that when he disagrees with me I shut up and seriously reconsider my position, 'cause he's usually right on the money."

**: Bitte nehmts mir nicht übel, wenn ich meine Mitwirkung an der Diskussion ein wenig einschränke. Das geschieht zur allseitigen Wahrung  des Seelenheils und ist nicht böse gemeint.
« Letzte Änderung: 13.10.2014 | 13:51 von Wellentänzer »

Offline Grubentroll

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Ich würde sagen "People matter"...

Mit coolen Leuten kann man sich in 10 Minuten ein paar Regeln selber ausdenken und mehr Spaß haben als mit dem Brockhaus an modernen Rollenspielwerken.

Offline Praion

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SYSTEM MATTERS!

Heute wissen wir, dass das nicht der Fall ist.

Das alleine würde ich schon anzweifeln.
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Pyromancer

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Ich meine, dass das System wichtig ist, aber auf eine andere Weise, als Wellentänzer meint, dass die Leute meinen, es wäre.

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Brian Gleichman... Ist das nicht derjenige, der in seinem aktuellen Artikel erklärt, wieso sein Sohn einen schlimmen Fehler gemacht hat, als er als SL die Systemregeln für eine Situation überregelt hat? Schliesslich hatte er dabei die Konsequenzen nicht im Auge.
Hm...

Anyway. GNS ist tot meiner Meinung nach. GNS ist aber meiner Meinung nach nur (noch) mittelbar mit dem Ausdruck "System does Matter" verbunden. Die Spielregeln sind fürs eigentliche Spiel verdammt wichtig. Allerdings spielen sehr viele Runden nicht RAW sondern passen die Regeln an die eigene Spielweise an. Deswegen hast Du ne Menge Leute, die DSA toll finden, obwohl deren Regelsystem nur noch rudimentär etwas mit den Verkaufsregeln zu tun haben.
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Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

Offline Slayn

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Puh. Ich würde an der Stelle mal eine Parallele zum Wein, Weingeschmack und Weinkennern ziehen.

Beim Mainstream, also egal ob im RSP oder Supermarkt, steht "Systems Matters" eher im Weg, da mag man es _zu recht_ einfach, geradlinig, bekömmlich und ohne Einarbeitungszeit. Ist voll ok so.
Bei den Leuten, die eines der beiden Themen aber vertiefen, wird sich "System Matters" aber herausbilden, weil man einen anderen Geschmack entwickelt als der Mainstream und somit mit ganz anderen Produkten bedient werden muss.

Das ist in meinen Augen vollkommen natürlich. Man vergisst nur gerne das die Gruppen nicht mehr mit einander kompatibel sind und es somit keine allgemeingültigen Regeln für beide Gruppen gibt.

[Nachtrag] Damit will ich btw. überhaupt nicht aussagen das eine bestimmte Art zu spielen besser ist als eine andere. Der Sprung von einem "einfachen" Trollinger zu einem schweren Burgunder ist genau das: Ein Sprung. Sonst nichts.
« Letzte Änderung: 13.10.2014 | 14:41 von Slayn »
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Ucalegon

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Jedoch: Ich kenne keine einzige, lange Kampagne mit einem der Forgespiele. Warum das so ist? Durch die Fokussierung geht vermutlich ein massiver Motivationsverlust für das Langzeitspiel einher.

Mit Verkaufszahlen als Maß kann ich ja noch was anfangen, aber wieso ist Langzeitspiel hier so wichtig bzw. was hat das mit (Dys)funktionalität zu tun?

Offline Slayn

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Mit Verkaufszahlen als Maß kann ich ja noch was anfangen, aber wieso ist Langzeitspiel hier so wichtig bzw. was hat das mit (Dys)funktionalität zu tun?

Evtl. weil das lange Spiel, etwa die Kampagne oder der Story Arc schon immer fester Bestandteil des Mainstreams war?
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Mit Verkaufszahlen als Maß kann ich ja noch was anfangen, aber wieso ist Langzeitspiel hier so wichtig bzw. was hat das mit (Dys)funktionalität zu tun?
Ich denke es geht ihm dabei darum, dass die Forge-Spiele ihre Spieler nicht lange an das Spiel binden. Sie sind quasi ein Modetrend, der wieder verschwindet, während die großen Mainstreamsysteme ihre Spieler längerfristig binden.
Also Indy=Mode.
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Offline Grubentroll

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Gab's schon mal ne Definition davon, für was das System denn überhaupt "MATTERN" soll?

Ich finde da fängts doch schon an.

Offline Slayn

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Gab's schon mal ne Definition davon, für was das System denn überhaupt "MATTERN" soll?

Die ursprüngliche Aussage dazu ist, grob wiedergegeben: Du als Spieler solltest genau wissen was dir Spaß macht und dich nur damit befassen. Alles andere brauchst du nicht.
Dementspechend kann es gar keinen Mainstream geben, da sich die einzelnen Gruppen nur haargenau nach ihren besonderen Bedürfnisse ausrichten sollten.
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@Grubentroll:
Es bezog sich mal vor langer Zeit auf diesen Artikel.
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Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

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@Grubentroll:
Es bezog sich mal vor langer Zeit auf diesen Artikel.

Jau. Danke für den Link. Seitdem hat sich sehr viel getan, aber der Kern ist einigermaßen erhalten geblieben. Wichtig: Fragmente dieser Gruseltheorie haben die Zeit nicht nur überdauert, sondern prägen nach meinem Eindruck insbesondere auch im Tanelorn noch immer die theoretische Auseinandersetzung in einer Intensität, welche ich als unangemessen empfinde. Ich kann das aus einer politischen Perspektive verstehen: ein hart erarbeitetes Herrrschaftswissen, so beknackt es auch sein mag, gibt niemand gerne auf. Aus einer inhaltlichen Perspektive kann ich das jedoch nicht nachvollziehen.

Parallel ist es jedoch in einem öffentlich zugänglichen Diskussionsforum sehr leicht, jegliche Diskussion im Keim zu ersticken. Das geht dann von
Zitat
Definiere doch bitte mal den Begriff des ´Spiels´ etwas präziser, damit ich Deinen Ausgangspunkt verstehe.
über
Zitat
Das hat die Forge doch in Form des ´Impossible Thing Before Breakfast´sowie über die sich daran anschließenden Diskussionen eindeutig widerlegt.
bis hin zu haarsträubenden Metakommentaren der Marke
Zitat
Also eigentlich kann ich da keinen großen Unterschied zur großen Theorieschwemme von 04/05 erkennen, auch da sind viele oft genug über die typischen logisch-rhetorischen Fallstricke gestolpert und trotzdem kam etwas dabei raus. Im Gegenteil, ich freue mich sogar dass hier tatsächlich mal wieder etwas passiert und energisch diskutiert wird, irgendwie war hier ziemlich lange ziemlich viel Wischi-Waschi. Das dabei das Niveau an der einen oder anderen Stelle auf der Strecke bleibt - das ist jetzt nicht wirklich neu.

Offline bobibob bobsen

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Den Ansatz von GNS fand ich immer interessant und auch gut. Allerdings gingen die Schlussfolgerungen daraus imo in die komplett falsche Richtung.

Nur weil ich Schokolade mag fange ich ja nicht an diese nur noch zu essen.

Offline 1of3

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Ich würde zwischen der GNS-Theorie und damit verbundenen Storygames trennen. Zunächst mal, hast du, Wellentänzer, unzweifelhaft Recht, dass GNS Unfug ist. Das benutzt auch heute kaum noch jemand. Du gibst weiter zu bedenken, dass auch die Idee der Creative Agenda Unfug sei, unabhängig davon, welche Agendas man überhaupt feststellen kann.

Das kann nun durchaus sein. Wir haben hier im Forum neulich mal diskutiert, dass es Bedürfnisse gibt, die eher wie Schlüssel und Schloss funktionieren, also zueinander komplementär sind. Da bringt es nichts, wenn alle das gleiche tun. Zugegeben könnte man das, wenn man CA richtig liest, noch auffangen, wenn man den Begriff retten will. Es geht darum, dann nach wie vor darum, dass die Gruppe eine Sache tut, wobei einzelne unterschiedliches tun können.

Du hast nun allerdings als Beleg angeführt, dass (a) von GNS inspirierte Spiele keine kommerziellen Erfolge sind, (b) niemand lange Kampagnen mit GNS inspirierten Spielen spielt. Dies wiederlege, dass von GNS inspirerte Spiele "rocken wie die Hölle". Das kann man natürlich machen, allerdings kann man sich fragen, wie man Spaß (also die Rockung wie die Hölle) überhaupt messen kann, und ob (a) wirtschaftlicher Erfolg und (b) die Länge von Kampagnen Indikatoren dafür sein können. Vielleicht hat ja die kleine Gruppe, die Storygames spielt, tatsächlich total viel mehr Spaß als die große Mehrheit mit anderen Spielen? Aber wie will man das messen?

Hier haben wir also das zentrale Argument gegen das Big Model: Wir wissen nicht so genau, wie man es widerlegen soll. Das wäre für eine wissenschaftliche Theorie das Kriterium nach Popper. In diesem Sinne kann die Theorie von der Creative Agenda also keine Wissenschaftlichkeit beanspruchen. (Das heißt nicht, dass nicht andere Überlungen aus Forge-Kreisen sehr nützlich sein können.)


Kommen wir aber einmal auf die resultierenden Storygames zurück. Die kann man, sagst du, nicht lange spielen. OK. Soll man auch nicht. Vier, fünf Sitzungen und dann ist das nächste Spiel dran. Storygamer spielen nicht ein Storygame, sondern viele. Während sich üblicher Weise die Gamerschaft nach gespielten Spielen sortiert, also DSA, D&D, Vampire spielen Storygamer Storygames. Und zwischendrin vielleicht auch andere Sachen. Länge der Kampagne ist also tatsächlich kein gutes Kriterium, um den Erfolg dieser Spiele zu betrachten.

Und nein, diese Spiele sind nicht Mainstream und werden auch nicht Mainstream werden. Das wollen sie auch nicht sein, denn sie gefallen sich in der Rolle der Avantgarde. Aber anders als D&D4 hat Fate ziemlich erfolgreich Elemente von Storygames und das zugehörige Mindset inkorporiert und marktfähig gemacht. Was war der Unterschied?

Fate hat sich im Storygame-Bereich, also bei theoriegemäßen N-Spielen, bedient. D&D4 wollte gewissermaßen den Bereich G bedienen, wobei die Struktur eines klassischen Rollenspiels erhalten bleiben sollte. Und das geht in der Tat schief. Ich erinnere mich da auch an Versuche von Skyrock und Myrmidon in deutschen Forenkreisen, gamistische Spiele zu entwickeln, die sie letztlich aufgegeben haben. Die GNS-Theorie funktioniert gewissermaßen nur, wenn man vorhat N-Spiele damit zu machen. Und über S-Spiele weiß sie nichts zu sagen; das ist ja in der GNS-Theorie auch die Abteilung S wie Sonstiges.

Die Sache verhält sich also für meine Begriffe so: Die GNS-Theorie ist keine falsifizierbare wissenchaftliche Theorie. Sie war ein künstlerisches Programm. Also ein Rahmen, in dem eine künstlerische Strömung ihr Tun beschreibt. Daraus entstanden dann die Storygames, gefolgt von einer gewissen eigenen Subkultur.

Offline Fredi der Elch

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Wellentänzer, du baust hier eine Strohpuppe auf, um sie dann genüsslich selbst wieder einzureißen. Was soll das bringen? (Unabhängig davon und bevor ich weiter mache: "System" bedeutet im Big Model gar nicht "geschriebenes Regelsystem"...)

Um mal deine Beobachtung auf den Punkt zu bringen: die meisten Leute spielen keine hochfokussierten Systeme. Einen schöneren Beleg für "System Matters" gibt es doch wohl nicht, oder? Es bedeutet einfach, dass die meisten Leute andere Systeme wollen, eben keine fokussierten. Ihnen ist System also sehr wohl wichtig. Und dass hyperfokussierte Systeme die Welt verbessern würden, hat doch außer Ron Edwards 2004 sowieso kein Schwein geglaubt. :)

Woran das liegt, dass Leute keine fokussierten Systeme mögen? Marktmacht der vorhandene Spiele, Gewohnheit, Prävalenz von Spielen und der "Netzwerkeffekt" (Möglichkeit eine Gruppe zu finden), Gamismus spielen wollen, aber es sich nicht eingestehen können und, ja, wahrscheinlich zu einem großen Teil eine Vorliebe für inkoheräntes Spiel. Die Leute mögen Systeme, mit denen man "irgendwie alles machen kann". Das ist wohl so. Was das jetzt genau mit irgendwas zu tun hat (außer Ron Edwards unendliche Hybris ein weiteres Mal zu belegen), weiß ich leider nicht.

Kleiner Exkurs am Rand: Rollenspieler scheinen in ihrer Vorliebe für Inkohärenz tatsächlich etwas besonderes zu sein. So ziemlich alle anderen Freizeitbeschäftigungen sind nämlich ziemlich kohärent, was die "kreative Agenda" (oder so, whatever...) angeht. Merkwürdig...

Edit:
Die GNS-Theorie funktioniert gewissermaßen nur, wenn man vorhat N-Spiele damit zu machen.
Das Problem ist, dass es schon zu viele brillante G-Spiele gibt. Die nennen sich Brett- und Computerspiele.
« Letzte Änderung: 13.10.2014 | 15:03 von Fredi der Elch »
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Zitat von: 1of3
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Kleiner Exkurs am Rand: Rollenspieler scheinen in ihrer Vorliebe für Inkohärenz tatsächlich etwas besonderes zu sein. So ziemlich alle anderen Freizeitbeschäftigungen sind nämlich ziemlich kohärent, was die "kreative Agenda" (oder so, whatever...) angeht. Merkwürdig...
Ich werf jetzt einfach mal ganz böse Minecraft und Lego in die Runde... ;)
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Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

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Hm, es scheint in der grundlegenden Frage des Threads ja weitgehende Einigkeit zu herrschen. Sehr schön, das war mir nicht klar. Keine Kloppereien heute also. Nun gut. Ich lasse den Thread einfach mal stehen for future reference.

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« Letzte Änderung: 13.10.2014 | 15:27 von Wellentänzer »

Offline Fredi der Elch

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Ich werf jetzt einfach mal ganz böse Minecraft und Lego in die Runde... ;)
Siehste, im "echten Leben" gibt es sogar Sim! ;D
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Offline Arldwulf

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Ob nun GNS, BigModel & Co. etwas bringen oder nicht ist eigentlich völlig egal.

Für die Aussage "System does matter!" ist nur die Beobachtung wichtig, dass bessere Regelwerke auch dabei helfen bessere Spielerlebnisse zu haben. Und da würde ich definitiv zustimmen.

Ansonsten ist das wie Fredi schon sagte nur ein Strohmann, um je nach eigenem Geschmack über einzelne Systeme nun den Stab zu brechen oder es sein zu lassen.

Mit GNS hat das dann auch nur noch entfernt zu tun. Die einzelnen Versionen von D&D sind letztlich in ihrem Spielgeschehen so ähnlich, dass es überhaupt keinen Grund gäbe diese im GNS Modell, oder irgendeinem Modell groß in andere Schubladen zu packen. Sie haben einfach nur ein paar unterschiedliche Regeln für ähnliche Sachen (und natürlich auch viele die völlig gleich sind).

Und manchem gefallen sie, anderen gefallen sie nicht. Aber es werden keine völlig anderen Spiele nur weil der Kämpfer im einem 3 Manöver hat und im zweitem 10, und Zauber X mal eine andere Zauberdauer bekommt, oder weil Ressourcen mal mit einer kurzen oder mal mit einer langen oder mal mit einer mittleren Rast aufgeladen werden. Je größer man den Blickwinkel dort ausweitet, umso unbedeutender werden die Unterschiede, egal wie leidenschaftlich man darüber diskutieren kann. Und umgedreht sind viele andere Spiele viel zu verschieden um verallgemeinernde Gründe für ihren vermeintlichen Misserfolg (mal von: wenig Geld und Marketingmöglichkeiten abgesehen) zu suchen.
« Letzte Änderung: 13.10.2014 | 15:26 von Arldwulf »

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Siehste, im "echten Leben" gibt es sogar Sim! ;D
Also ich spiele Minecraft nicht wegen der Discovery sondern eher als Submission, während die anderen Leute bei mir im Spiel besonders auf die Expression stehen. Und jetzt steht gerade die Challenge hoch im Kurs.
« Letzte Änderung: 13.10.2014 | 15:26 von 6 »
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Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

Offline Tele-Chinese

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Was mich gerade umtreibt ist der Gedanke, dass System vielleicht doch "mattert". Zumindest hat das System einen Einfluß auf die Aspekte des Spiels, die eine Gruppe bevorzugt bzw. im Spiel erleben möchte.
Denn, so scheint es - und das ist, wie auch in Wellentänzers Argumentation die große Schwachstelle, denn sie lässt sich nicht "belegen", sondern stellt nur eine Wahrnehmung dar, ohne auf Zahlen oder Fakten zu basieren - dass es da draußen viele Gruppen gibt, die DSA, D&D oder irgendwas anderes von den großen Systemen/Rollenspielen spielen. Und die erschaffen ihre eigenen Regeln, passen die Regeln an, erfinden Hausregeln.
Warum macht man das? Warum erfindet man Regeln, wenn beispielsweise DSA doch alles mögliche an Spielstilen unterstützt und augenscheinlich sehr oft gespielt wird? Und das trotz der inkohärenz?

Vielleicht, weil die Hausregel einen bestimmten Bereich berührt, den die Spieler/die Spielleitung verregelt umgesetzt sehen will um so einen bestimmten Aspekt im Spiel zu betonen. Und so, zumindest in einem Teilbereich, der für die Gruppe wichtig zu sein scheint, eine "kohärenz" zu schaffen.

Gut das widerlegt Wellentänzers "Argumentation" nicht. Doch das war auch nicht meine Intention. Denn, ich hänge nicht am GNS Modell, oder an den Begriffen. Mit Creative Agenda hatten und haben wir ja einen wesentlich passenderen Begriff. Zumindest einen, mit dem man bestimmte (oder andere) Phänomene, am Tisch beschreiben kann.
Und auch die Forge hat diese Wendung ja mitgemacht, in dem sie die Theorie-Ecke geschlossen hat und nur noch AP's (Actual Plays) analysierte. Aber, vermutlich haben all die "Theoriegegner" da gar nicht mehr so genau mitgelesen.

Toastbrot (von englisch toast, „rösten“ aus lateinisch tostus, „getrocknet“) oder Röstbrot ist ein spezielles, feinporiges Kastenweißbrot mit dünner Kruste, das vor dem Verzehr scheibenweise geröstet wird, heute üblicherweise mit einem Toaster.

Brot kann schimmeln, was kannst du?

Offline Fredi der Elch

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Hm, es scheint in der grundlegenden Frage des Threads ja weitgehende Einigkeit zu herrschen.
Kommt ein bisschen darauf an, was du als grundlegende Frage des Threads ansiehst. Die meisten Rollenspieler mögen keine stark fokussierten Systeme? Ja, Zustimmung. System ist egal? Nein, das ist Quatsch, System ist sehr wichtig. Die Grundlegenden Thesen der GNS wurden falsifiziert? Nein, auch Quatsch. Oder haben wir nur unterschiedliche Vorstellungen von den "grundlegenden Thesen"? Und überhaupt: warum immer GNS? Wo ist das Big Model? Insofern: zu einem spezifischen Teil deines Ausgangsposts besteht tatsächlich Einigkeit. Wenn das die grundlegende These war - super, dann sind wir uns einig! :)

Also ich spiele Minecraft nicht wegen der Discovery sondern eher als Submission, während die anderen Leute bei mir im Spiel besonders auf die Expression stehen. Und jetzt steht gerade die Challenge hoch im Kurs.
Jedes für sich genommen ziemlich kohärent, oder? ;) Das war doch mal die Grundaussage von Ron Edwards: man kann mit demselben Spielzeug (Minecraft) ganz unterschiedliche kreative Agenden verfolgen (i.e. ganz andere Spiele spielen). Die Idee hat er sich wohl in der "echten Welt" abgeschaut, wo sie ganz gut funktioniert. Nur im Rollenspiel anscheinend nicht. ;D
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Offline Slayn

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@Fredi:

Ich denke es steht fast schon außer Frage das bestimmte Elemente im Spiel (etwa die Regeln) bestimmte Dinge betonen oder einfach nur akzentuieren. Somit: Ja, System Matters.
Die Frage ist da eher wie weit das geht/gehen soll bis es anfängt eher ein Störfaktor zu werden, diese Elemente von Hilfsmitteln zum definierenden Mittel des ganzen Spiels werden.
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Jedes für sich genommen ziemlich kohärent, oder? ;)
Ja. Mit meinen Regeln. :)
Zitat
Das war doch mal die Grundaussage von Ron Edwards: man kann mit demselben Spielzeug (Minecraft) ganz unterschiedliche kreative Agenden verfolgen (i.e. ganz andere Spiele spielen). Die Idee hat er sich wohl in der "echten Welt" abgeschaut, wo sie ganz gut funktioniert.
Und genauso funktioniert ein (EDIT: traditionelles) Rollenspielsystem. Du kannst mit dem Spielzeug ne ganze Menge verschiedene Spiele spielen. Und das alles kohärent. Das Problem ist dabei nur, dass ein Rollenspielsystem immer fälschlicherweise als Spielanleitung eines bestimmten Spiels angesehen wird. So als wollte man jetzt die Unreal Engine spielen. :)

EDIT: Aber natürlich gilt auch hier, dass das System mättert.
« Letzte Änderung: 13.10.2014 | 15:51 von 6 »
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