Diese drei Punkte bieten sicher einiges an Potential. Hoffe ich zumindest
An diesem Punkt von Fredi möchte ich mal einhaken und ein bisschen Verbindung zum Nachbarthread mit den "schlecht designten Spielen" herstellen.
Meine gar nicht so steile These hierzu lautet: Regeln in „schlecht designten“ Spielen sollen eben gar nicht als Spielregeln im strengen Sinn funktionieren. Das war tatsächlich ein großes Missverständnis von Seiten der Forge; man hat nämlich dort darauf geschaut, was diese Regelwerke alles
nicht machen und anklagend drauf gezeigt. Die Kritik lässt sich tatsächlich ohne viel Überspitzung so zusammenfassen: Das sind ja gar keine
Spielregeln!
Was man mit einigem zeitlichen Abstand und viel Theoriegebrabbel später tatsächlich jetzt eher sehen kann ist, dass sie das eben auch nicht sein müssen – und dass der Verzicht auf Spielregelcharakter für manche Benutzer ein Feature und kein Bug ist. Was die Regeln „schlecht designter Spiele“ im Gegensatz zu Spielregeln, wie sie etwa die Forge versucht hat einzuführen, liefern, sind Anlässe, sich sozial mit den imaginären Inhalten zu beschäftigen, und zwar in einem wilden Gemisch von Gruppeninteraktionsformen (uff!), die gar nicht immer spielförmig (ächz!) sein müssen.
Dazu gehören Barbiespiel (als Urheber dieses mittlerweile anscheinend eingebürgerten Begriffs möchte ich noch mal darauf hinweisen, dass ich den nie abwertend verstanden habe und selbst ein eifriger Betreiber von Barbiespiel bin, aktuell bei Diablo 3, wo ich immer ganz verliebt meinen Barbaren angucke, was für schöne Rüstungsteile der jetzt wieder anhat ), aber eigentlich alles, was die Forge geschmäht hat. Der SL zuhören und nur lose aus Charaktersicht kommentieren, ganze Sessions lang zusammenhocken und über Charaktervorgeschichte sprechen, Fraktionen und Interessengemeinschaften in der Spielwelt bekakeln, eigentlich gemütlich beisammenhocken und im lockeren Gespräch Material aus und für die Spiewelt anhäufen. Bis hin zu der DSA-Nischenkultur, wo man fast gar nicht mehr spielt, sondern nur noch die Bücher sammelt.
Eben: Sich auf Spielwiesen tummeln, die ein Umwälzen des imaginären Materials ermöglichen. Dazu haben „schlecht designte“ Spiele und ihre Spieler eine ganze Reihe von Techniken entwickelt, die wahrscheinlich bisher nur unzreichend beschrieben sind, weil man sie ständig als
Spiel missverstanden hat. Tatsächlich ist der Begriff Rollen“spiel“ aber wahrscheinlich selbst irreführend, und richtiger wäre eigentlich „gemeinsame sozial vermittelte kreative Auseinandersetzung mit einem Kanon des Imaginären“. Sagt natürlich aber keiner, weils bescheuert klingt. Die große Wut, die die Forge auf sich gezogen hat, rührt eben daher, dass sie aus Rollenspielen tatsächlich
Spiele machen wollte, und diese gewachsene Form der kreativen Auseinandersetzung damit implizit angegriffen hat. OSRler sind zu Frühformen des Rollen“spiels“ zurückgegangen, in der auf andere Weise der Spielcharakter dieser kreativen Auseinandersetzungskultur noch im Mittelpunkt stand, und haben den weiter entwickelt.
Das „Mainstreamrollenspiel“ hat tatsächlich eher Elemente von Spielhandeln, wie man es von Kleinkindern kennt (und jetzt bitte nicht schon wieder alle schreien, dass Kriegsklinge Rollenspieler mit dummen Kindern vergleicht, ich meine das höchst wertschätzend), nur dass die Bausteine und Raumelemente eben ins Imaginäre verlagert sind. Führt jetzt aber vielleicht zu weit. Was ich aber wirklich meine ist, dass „schlecht designte“ Regeln und „Mainstreamrollenspiel“ in Begriffen von
Spiel und
spielen nicht gut zu verstehen sind, so lange wir dabei an Brettspiele oder so was denken. Der Vergleich mit Puppen- und Bauklotzspielen erscheint mir hilfreicher.
OSR und Forge haben aus dieser Form der gemeinsamen, sozial vermittelten Interaktion mit dem Imaginären Spiele gemacht (oder man kann auch sagen; sie farauf verengt), das geht aber für viele, wenn nicht die meisten Menschen, am Kern der Sache vorbei. Viele Rollenspieler haben ja auch genau so reagiert wie eine Gruppe Dreijähriger, zu denen der Erzieher kommt und sagt: Ihr rennt ja immer nur quer durch die Turnhalle, wir müssen jetzt mal richtig "Feuer, Wasser, Sturm" spielen. Und wie dort hatten auch im Knall zwischen Forge und Restrollenspielern beide irgendwie recht, nur dass sie völlig aneinander vorbei geredet haben. Spontane Kreativität und unausgesprochene Regelverhandlungen wie im -- ich sag´s jetzt mal analog zum bösen Wort "Barbiespiel" -- "Kinderspiel" Rollenspiel haben halt sowohl unglaublich coole als auch unsagbar nervige Facetten.
Solche Menschen, für die die Forge-Sache eben am Kern ihrer Sache vorbei geht, wollen keine Spielregeln. Sie wollen Regeln, die ihnen Anlässe zur Beschäftigung mit dem Imaginären geben, und das sind keine Spielregeln, sondern „Regeln“, die aus Sicht von Spieldesign geradezu absurd wirken können, aber unter dem Gesichtspunkt der Berührungsorganisation mit dem imaginären Material sehr viel Sinn ergeben . Beispiel Charaktererschaffungsregeln DSA4 mit den vielen scheinbar sinnlosen Optionen und komplizierten Kaufvorgängen, die als Spielregeln kaum Sinn ergeben, aber fortgesetzten Kontakt mit dem Material herstellen und Gruppenaustausch anregen. Wahrscheinlich kommt man auf ähnliche Funktionen bei anderen Regeln solcher Systeme, die als Spielregeln kaum Sinn ergeben.
Edit: Moment, das hatten wir doch auch alles 2006 schon mal mit der Unterscheidung zwischen "Spiel" und "Spielzeug", oder? Mensch, wenn man mit Leuten diskutiert, die damals noch ausgewürfelt haben, ob sie in die Windel gekackt haben oder nicht, sabbert man immer das gleich vor sich hin, wie so ein alter Greis
.