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Macht mir Ars Magica schmackhaft
Slayn:
--- Zitat von: Turning Wheel am 4.11.2014 | 00:47 ---Stimmt, das mit der Sandbox muss man dazu sagen.
Man muss es nicht unbedingt so hart spielen.
--- Ende Zitat ---
Ach, iwo. Man kommt ja eh zwangsläufig zu einem seltsamen Zwitterding: Sandbox trifft auf Storytelling.
Auf der einen Seite hat man sehr viel Alltag dabei, einem massiv SIM-Ansatz: Wie komme ich mit meinem Buch voran? Passt die Ernte? ist die Kuh Betsy trächtig? Was macht die benachbarte Stadt so?
Auf der anderen Seite zieht man immer wieder aus um Abenteuer zu erleben, mit einem hohen Drama-Faktor dabei: Das ist Jean-Luc, der alternde Lieutnant der Wache, er hat ein Dunkles Geheimnis. Das ist Jean - eigentlich Jeanne - sein "Sohn" der seine Nachfolge antreten soll ...
[Nachtrag] Damit man sich das mal etwas besser vorstellen kann:
Geht mal auf: http://www.atlas-games.com/arm5/index.php
... Scrollt ganz runter und schaut euch dort mal den Beispiel-Covenant "Semita Errabunda" mit seinen Charakteren an.
Chiarina:
Ich liebe dieses System sehr, aber das hier...:
--- Zitat von: Slayn ---Das Setting ist sehr gut durchdacht, gut recherchiert und ausgiebig ausgebaut. Der Einstieg kann hier erst mal sehr schwer sein.
--- Ende Zitat ---
...das stimmt leider. Einen Ars Magica OneShot zu machen ist zwar denkbar, dabei aber auch nur einen Hauch der Möglichkeiten kennenzulernen, die das System bietet, ist fast unmöglich. Dazu kommt, dass Ars Magica in seinen Regeln ein ziemlich komplexes Englisch verwendet, was viele Informationen konzentriert auf engem Raunm liefert. Lesen ist manchmal Arbeit!
Eigentlich braucht es Spieler, die Geduld haben (ständig Action ist einfach nicht), zumindest die Mehrzahl von ihnen sollte bereit sein, sich wenigstens ein Stück weit in die Regeln einzuarbeiten. Runden, in denen der Spielleiter sagt: "Erzählt einfach, was ihr machen wollt, ich regle das dann schon", die sind kaum vorstellbar. Die Spieler müssen auch regeltechnisch mitdenken, sonst endet das Spiel entweder bei einem gnadenlos überforderten Spielleiter oder bei absolut beliebiger und willkürlicher Handwedelei.
--- Zitat von: Eulenspiegel ---Ars Magica ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Realismus (für nichtmagische Sachen) und Regelarmut sich nicht ausschließen müssen. Was nicht-magische Sachen angeht, ist Ars Magica extrem realistisch und hat gleichzeitig extrem wenig Regeln.
--- Ende Zitat ---
Achtung! Ars Magica ist nur in einem einzigen Bereich wirklich regelarm, und das ist Kampf. Ars Magica ist zwar in seiner Entwicklung eine Zeitlang relativ eng mit den Storyteller-Systemen verwandt gewesen, das ist aber nicht mehr so (die 5. Edition ist davon so weit weg, wie nie zuvor). Und diese wenigen Kampfregeln sind auch nicht deshalb so mager, weil es ja viel schöner ist, wenn man sich Kämpfe erzählt, da sollte man sich keine Illusionen machen. Die Kampfregeln sind deshalb so mager, weil Kämpfe einfach ziemlich unwichtig sind. Wenn ich theoretisch sogar als frischgebackener Magus jeden dahergelaufenen Ritter mit einem lächerlichen Anfängerzauber vom Pferd hebeln kann, dann brauche ich keine allzu komplexen Kampfregeln.
--- Zitat ---Abenteuer zu erschaffen ist so gut wie sinnlos. Als SL braucht man hier dringend Improvisationstalent.l
--- Ende Zitat ---
Tja. Ist das so? Zum Teil. Der Eindruck entsteht, weil es durchaus öfter die Möglichkeit gibt, dass ein Spieler mit einem besonders durchdacht entwickelten Zauberspruch oder einem geschickt angewandten Beispiel spontaner Magie die ein oder andere Plotabsicht unterlaufen kann. Trotzdem ist die Gefahr nicht ganz so groß, wie es vielleicht aussieht. Die spontanen Zauber sind in ihrer Wirkung begrenzt, Neuentwicklungen kosten mehr Zeit, als man in einem Abenteuer gemeinhin hat. Auf alles andere kann man sich als Spielleiter vorbereiten. Man sollte nur eins im Hinterkopf behalten: Die Jungs mit der magischen Widerstandskraft sind die Global Players. Auf irgendeinem dahergelaufenen Krieger sollte man keine Kampagne aufbauen, denn der kann einem wirklich um die Ohren fliegen. Im übrigen habe ich durch Ars Magica erfahren, dass es auch ganz schön sein kann, wenn in einem Abenteuer jemand plötzlich mal eine "Ablkürzung" findet.
Warum spiele ich es nun immerhin schon seit 20 Jahren trotzdem Ars Magica?
1. Ars Magica ist das Regelwunder: Ich lese eine Regel und verstehe sie nicht. Nicht so schlimm, das Gesamtsystem ist meistens nicht gleich kaputt, wenn man ein Detail nicht verstanden hat. Aber irgenwann knöpfe ich mir die Passage wieder vor und will es wissen. Ich beiße mich durch und siehe da: Regeln voller Sinn und Schönheit, die sich harmonisch in das Gesamtbild einfügen (im Ernst. Ich hatte nie bei einem Rollenspiel soviele Aha-Erlebnisse wie bei Ars Magica).
2. Ob Ars Magica das beste Magiesystem hat, weiß ich nicht. Das muss ja auch jeder für sich selbst beantworten. Eines ist aber so sicher wie das Amen in der Kirche: Es hat das facettenreichste Magiesystem, was man sich denken kann Wenn du bei einem anderen System ein Quellenbuch kaufst, wo es um andere Formen der Magie geht, dann ist es in aller Regel so, dass in dem Quellenbuch die Regeln aus dem Grundregelwerk für die neue Art der Magie irgendwie modifiziert werden. Damit gibt sich Ars Magica nicht zufrieden. Für jede neue Art der Magie gibt es auch ein komplett neues Magiesystem. Inzwischen sind von diesen Magiesystemen über die ganzen Quellenbücher sicherlich so etwa 15 - 20 veröffentlicht. Von heiliger Magie über Dämonenbeschwörungen, skandinavischer Runenmagie, einfachen Hexen aus dem Volk, an Universitäten angegliederte magische Geheimgesellschaften bis zu muslimischen Dschinni-Beschwörern. Ich kann im Moment nach relativ kurzer Auffrischungsphase ungefähr die Hälfte dieser Magiearten als Spielleiter einsetzen. Das fordert mich vollkommen und ich habe das Gefühl, der Horizont ist trotzdem noch nahezu unbegrenzt erweiterbar.
3. Ars Magica ist kein primär narratives System, es legt aber trotzdem Wert auf Charakterausgestaltung. Die Charaktererschaffung eines Magus ist - wer hätte es gedacht - eine höchst komplexe Angelegenheit. Wenn ich mit einem Neueinsteiger einen Magus erschaffe, brauchen wir zusammen etwa 4 Stunden - und auch nur, wenn er nicht auf dumme Gedanken kommt und irgendeine Spezialoption aus einem Quellenbuch nuzen möchte. Dann kann es auch schonmal Tage dauern. Das ist extrem sperrig. Was trotzdem toll ist: Wenn du das hinter dir hast, dann hast du aufgrund der Vor- und Nachteile, der personality traits und noch ein paar anderer Kleinigkeiten einen Charakter, der so farbig, vielseitig und plastisch ist, wie ich es in keinem anderen System bisher erlebt habe. Charaktereschaffung mit Neueinsteigern bei Ars Magica ist "per aspera ad astra."
4. Eng damit verbunden: Ars Magica ist ein Frickler-System. Man kann an Charakteren, Zaubern und Artefakten basteln bis zum jüngsten Tag. Ars Magica ist nicht frei von der Gefahr (?) des Powergamings. Spieler, die es darauf anlegen, können das System bis an seine Grenzen bringen und ganze Kampagnen in sich zusammensacken lassen. Ich habe allerdings den Eindruck: Der Lernaufwand ist so groß, dass reine Powergamer mit anderen Systemen schneller ans Ziel ihrer Träume kommen. Trotzdem gibt es hin und wieder Klärungsbedarf, was geht und was nicht geht. Ars Magica als Frickler-System ist aber irgendwie auch das Spiel für die, die gerne Hausaufgaben machen. Ich habe relativ oft Spieler, die zur nächsten Sitzung mit der Worten erscheinen: Also, ich habe mir da mal was überlegt...".
5. Das historische Setting mag ich sehr. Ich brauche mir als Spielleiter keinen König aus den Fingern zu saugen. Ich schaue einfach in Wikipedia nach, wie denn Friedrich II. eigentlich so drauf war. Dann noch eine historische Karte von Mainz, und da ist mein Quellenmaterial. Einigen meiner Spieler ist der historische Hintergrund schnuppe, einige freuen sich drüber. So soll es sein.
6. Das Troupe-Spiel ist aus zwei Gründen toll. Zum einen liefert es eine zusätzliche Motivation für die Charaktere, an einem Strang zu ziehen. Sie leben eben alle gemeinsam auf diesem Bund (Konvent, o. ä.). Den Bund voranzubringen und zu beschützen ist also gemeinsames Ziel (Stichwort: Der Bund als Metacharakter). Zum anderen sind die einfacheren Charaktere, die sich die Spieler aus einem Pool fischen (die sogenannten Grogs) entbehrlich. Das hießt: Unter diesen Charakteren kann es auch öfter mal Tote geben, ohne dass gleich die ganze Aufbauarbeit, die ein Spieler über ein paar Jahre hinweg in einen Charakter gesteckt hat, futsch ist. Im Spiel fand ich das erfrischend, denn es bewirkt vor allem eines: Drama ("...um dich herum deine Schildwachen: zwei liegen tot am Boden. Es wird Zeit, den Kampf zu entschieden. Du sprichst einen "Ball of abysmal fire" und die Soldaten des Königs suchen schreiend das Weite. Für diese magische Einmischung in die weltlichen Angelegenheiten wirst du dich wohl auf dem nächsten Tribunal verantworten müssen.")
7. Das Spiel mit den Seasons (Quartalen) und die Möglichkeit, relativ große Zeitabstände abzuhandeln, ist wahre Epik! Meine langlebigste Runde befindet sich jetzt in ihrem 42sten Spieljahr. Wir haben den gesamten Albigenserkreuzzug miterlebt. Könige kamen und gingen. Das werde ich nie vergessen.
--- Zitat von: Slayn --- Gerade die 4te Edition hatten einige tolle Kauf-ABs
--- Ende Zitat ---
Der Stromrider war in meinen Augen eine sehr railroading-lastige Angelegenheit, Festival of the damned war aber großartig. Für die 5. Edition gibt es inzwischen 3 Abenteuerbände (mit jeweils 5 - 9 Abenteuern). Davon ist "Tales of Mythic Europe" absolut großartig. 9 Abenteuer, die man auch mit Startcharakteren spielen kann. In meinen Augen sind die Abenteuer vorbildlich, weil flexibel. Meistens ist noch nicht mal die Seite vorgegeben, auf der sich die Spieler in das Geschehen einmischen. "Tales of Power" ist das Äquivalent für die mächtigeren Charaktere. ("Hooks" mag ich am wenigsten. Es ist nur wirklich zu empfehlen, wenn man mit einem der dort zu findenden Abenteuer in die Dimensionen eines Quellenbandes vorstoßen möchte.)
Wenn du dir nur das Grundregelwerk anschaffen willst, weil du einfach gerne gute Grundregelwerke im Schrank stehen hast... tja, auch dann kann ich Ars Magica empfehlen. Das Grundregelwerk ist ein Wunder an Ökonomie und beinhaltet auf ca. 220 Seiten alles, was du zum Spielen brauchst. Du hast dann keine Ahnung, wie die Magie irgendwelcher exotischen Zauberwirker wie z. B. der irischen Ollamhain funktioniert, aber alle Grundregeln sind drin. Du kannst damit Charaktere erschaffen, Zaubern, Labortätigkeiten durchführen, kannst Kämpfe und andere Widrigkeiten abhandeln, Altern und Lernen regeln, bekommst einen ersten Eindruck in das Setting und in Mysterienkulte, hast ein paar Beispiele für NSC´s, bekommst Auren und regios erklärt und am Ende noch ein paar Spielleitertipps.
Chiarina.
Slayn:
--- Zitat von: Chiarina am 4.11.2014 | 02:00 ---Tja. Ist das so? Zum Teil. Der Eindruck entsteht, weil es durchaus öfter die Möglichkeit gibt, dass ein Spieler mit einem besonders durchdacht entwickelten Zauberspruch oder einem geschickt angewandten Beispiel spontaner Magie die ein oder andere Plotabsicht unterlaufen kann. Trotzdem ist die Gefahr nicht gasnz so groß, wie es vielleicht aussieht. Die spontanen Zauber, sind in ihrer Wirkung begrenzt, Neuentwicklungen kosten mehr Zeit, als man in einem Abenteuer gemeinhin hat. Auf alles andere kann man sich als Spielleiter vorbereiten. Man sollte nur eins im Hinterkopf behalten: Die Jungs mit der magischen Widerstandskraft sind die Global Players. Auf irgendeinem dahergelaufenen Krieger sollte man keine Kampagne aufbauen, denn der kann einem wirklich um die Ohren fliegen. Im übrigen habe ich durch Ars Magica erfahren, dass es auch ganz schön sein kann, wenn in einem Abenteuer jemand plötzlich mal eine "Ablkürzung" findet.
--- Ende Zitat ---
Ach, Magie ist dabei gar nicht mal das Thema das ich dabei meinte. Man gewöhnt sich als SL recht schnell daran mit einem richtig hohen Machtniveau konfrontiert zu werden.
Nö, es ist eher so das, wenn man für eine Season ein paar Plot Hooks auswirft, man nie wissen kann welche Charaktere jetzt genau darauf anbeißen werden, also ob oder ob nicht Magi und Maga auftauchen werden, welche Companions oder Grogs dabei sein werden. Sofern man den Hook nicht extra auf einen zugeschneidert hat.
Das ist ein Unterschied zu, sagen wir mal, Sandboxing mit D&D oder generell Spiel mit Fate, da kann man sich auf eine kleine handvoll Charaktere einstellen.
--- Zitat von: Chiarina am 4.11.2014 | 02:00 ---Der Stromrider war in meinen Augen eine sehr railroading-lastige Angelegenheit, Festival of the damned war aber großartig. Für die 5. Edition gibt es inzwischen 3 Abenteuerbände (mit jeweils 5 - 9 Abenteuern). Davon ist "Tales of Mythic Europe" absolut großartig. 9 Abenteuer, die man auch mit Startcharakteren spielen kann. In meinen Augen sind die Abenteuer vorbildlich, weil flexibel. Meistens ist noch nicht mal die Seite vorgegeben, auf der sich die Spieler in das Geschehen einmischen. "Tales of Power" ist das Äquivalent für die mächtigeren Charaktere. ("Hooks" mag ich am wenigsten. Es ist nur wirklich zu empfehlen, wenn man mit einem der dort zu findenden Abenteuer in die Dimensionen eines Quellenbandes mit vorstoßen möchte.)
--- Ende Zitat ---
Klar, Stormrider ist sehr geradelinig und recht einfach gestrickt. Es schafft es aber durchaus schnell einiges an Infos über das Setting zu transportieren, gerade wie Mystik funktioniert und was es mit den Realms of Power so auf sich hat, dazu die Handhabung von Magiern, Companions und Grogs, deswegen halte ich es immer wieder für einen guten bis sehr guten Einstieg in sowohl diese Art zu spielen als auch das Setting.
fivebucks:
Im Spiel wird über mehrere Jahrzehnte das Leben und die Entwicklung der Magier dargestellt.
Dabei beschäftigen sie sich mit Dingen wie:
Verbessserung ihrer eigenen Zauberkünste
Jagd nach magischen Ressourcen
Entwicklung neuer Zaubersprüche
Improvisierter Zauberei
Erschaffen von Artefakten
Verfassung magischer Schriften
Ausbildung von Lehrlingen
Magischen Duellen
Politik im Orden des Hermes
Et Cetera
Wenn man also an so etwas Freude hat dann ist Ars Magica eine gelungene Umsetzung.
Chiarina:
--- Zitat von: Slayn ---[...]es ist eher so das, wenn man für eine Season ein paar Plot Hooks auswirft, man nie wissen kann welche Charaktere jetzt genau darauf anbeißen werden, also ob oder ob nicht Magi und Maga auftauchen werden, welche Companions oder Grogs dabei sein werden.
--- Ende Zitat ---
Das stimmt zwar, aber deshalb ist doch "Abenteuer schreiben" nicht komplett sinnlos! In meinen Gruppen ist meistens wenigstens ein Magus dabei (das verlangt schon das Sicherheitsdenken meiner Spieler). Der beherrscht dann zumindest so eine Art magische Grundausstattung, mit der schon relativ viel geht.
Wenn ich ganz bestimmte Charaktere dabei haben möchte, dann muss ich eben Hooks auf sie zuschneiden.
Es kommt bei mir hin und wieder mal vor, dass ein Magus auf ein Abenteuer auszieht und gegen Ende stellt sich heraus: Für den Showdown ist er nicht der richtige. Na und? Er schnappt sich von dem Ort eine arkane Verbindung, spricht "Leap of Homecoming", springt nach Hause und erzählt dem geeigneteren Bundgenossen was los ist. Der versetzt sich mit der arkanen Verbindung an Ort und Stelle und bringt das Abenteuer zuende.
Zweimal hat das (aus ganz unterschiedlichen Gründen) nicht funktioniert. Ich wusste von vornherein, dass die Abenteuer zum Scheitern verurteilt waren. Ich habe überlegt, was ich tue und beschlossen, die Szenarien mit dem Ziel "Scheitern in Schönheit" durchzuziehen. Es waren in beiden Fällen Erlebnisse, über die noch heute gesprochen wird.
Chiarina.
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