Autor Thema: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?  (Gelesen 35552 mal)

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Offline Lysander

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #100 am: 14.06.2015 | 21:29 »
Ja, freies Spiel ist der lebendige Dialog. Aber die Talente und Fertigkeiten simulieren den Charakter und seine Entwicklung. Auf großes Steigern lege ich weniger Wert, Punktesammeln/Raffen.... Realistische Figuren entwickeln sich auch nicht so quantitativ weiter.
Aber Talente und Fertigkeiten illustrieren eben schon einen teil fremden Charakter in einer fremden Welt. Und wenn es nur darum geht die ganzen Details im Kopf zu behalten ( wer merkt sich das alles sofort ? ) und dan darzustellen. Das macht eben diese fremde Welt lebendig. Fortgeschrittene haben nach Jahren vielleicht geausoviel im Kopf.
Ja und auf Kaempfe und Proben moechte ich auch nicht verzichten, das simuliert realistische Reibung mit dem Geschehen.

Offline blut_und_glas

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #101 am: 14.06.2015 | 21:34 »
idiologisch

I see what you did there.

So oder so wird die Sache als Diskussionsthema aber ein wenig ad absurdum geführt, wenn wir eingespielte Runden betrachten, die sich ihr Spiel bereits entsprechend zu eigen gemacht haben. Wir können dann ein bisschen Erfahrungsaustausch betreiben, wer von uns in welcher geschlossenen Gruppe jetzt wie viele oder wenige Mechanismen verwendet (und welche), aber ich bin mir nicht sicher, wo darin der Gewinn liegt (wobei, angenehmer als die "viele Mechanismen!" "wenige Mechanismen!" "Rollenspiel!" "kein Rollenspiel!" "Hasensaison!" "Entensaison!"-Wettbewerbe ist das vielleicht schon zu lesen, wenn sich jeder auf die Schilderung seines eigenen kleinen behaglichen Heims beschränkt, ohne dabei die der anderen zu verunglimpfen...).

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Offline Bad Horse

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #102 am: 14.06.2015 | 21:40 »
Was sollen wir denn anderes benutzen als die Erfahrungen, die wir mit unseren Runden gesammelt haben?  wtf?

Wenn hier jemand sagt "Wir brauchen auf jeden Fall diesen Mechanismus", dann kann ich nur aus eigener Erfahrung "Nicht unbedingt" sagen. Eine wissenschaftliche Studie dafür habe ich nicht zur Hand.

Ich halte einen Erfahrungsaustausch hier für durchaus angebracht. Der Gewinn liegt darin, andere Standpunkte kennenzulernen und zu versuchen, sie nachzuvollziehen.
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Online Maarzan

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #103 am: 14.06.2015 | 21:45 »
Was sollen wir denn anderes benutzen als die Erfahrungen, die wir mit unseren Runden gesammelt haben?  wtf?
...

Das müßten dann aber die Ersterfahrungen dieser Runden sein. Eigentlich müßten es rein theoretisch sogar die Ersterfahrungen aller Beteiligten sein, denn wer schon Erfahrungen mit Mechanismen hat, wird diese dann auch in ein Spiel, welchem solche fehlen mit einbringen.

Oder man schaut sich das gesamte Verhalten an und schaut, wo es da Strukturen gibt, auch abseits des hier explizit ausgemachten.
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Offline blut_und_glas

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #104 am: 14.06.2015 | 21:49 »
Was sollen wir denn anderes benutzen als die Erfahrungen, die wir mit unseren Runden gesammelt haben?  wtf?

Der entscheidende Zusatz ist für mich die "geschlossene Runde" gewesen. :)

Denn ja, wenn ich nur von homogenen Runden berichte (die sich bereits eingerichtet haben - also nicht noch in einer Findungs- und/oder (Um-)Bauphase sind) und nicht von solchen mit Leuten, die teils divergierende Ansichten haben, dann ist eben von vornherein klar, dass egal was diese einzelne Runde so macht für diese Runde (perfekt) funktioniert.

Da ist der Trick dann aber eben die Rundenzusammenstellung/Spielerselektion/Absprache. Und nicht wirklich der Mechanismus. Ich habe ja zum Beispiel auch Leute, mit denen ich Over the Bench spielen kann.

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Offline Chruschtschow

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #105 am: 14.06.2015 | 22:01 »
@Bad Horse:
Die Krux ist halt, dass Leute daher kommen und sagen, dass sie völlig ohne Regeln spielen. Und das ist nun ein Mal falsch. Da kann man hüpfen und sich im Kreis drehen und es wird nicht besser. Wissenschaftliche Hintergründe gibt es dafür genug. Wenn hier jemand ein bisschen Entwicklungspsychologie gelernt und sich da mit Spiel befasst hat, dann wird er gerne bestätigen, dass jedes Spiel Regeln hat.  (Wobei ich da beileibe auch nicht wirklich in der Materie drin bin.) Muss man sich dieser Regeln in der Runde bewusst sein? Nein, wenn es rund läuft.

Aber leider können unterschiedliche Erwartungshaltungen zu mehreren verschiedenen Sätzen an impliziten Regeln am Spieltisch führen. Und dann kracht es. Und tatsächlich helfen da Schwerter mit 1W6+4 Schaden, Fertigkeitswürfe mit D20+Fertigkeit+Modifikator gegen Probenwert aus einer Tabelle oder was auch immer weiter. Sie schränken durch zahlreiche Parameter den Interpretationsspielraum dessen ein, was eine Aktion innerhalb des Spiels bewirken kann und liefern damit natürlich auch nur einen kleineren Spielraum, was an Vorstellungen divergieren kann. Darum ist es beispielsweise bei Fate so extrem wichtig vor dem Spiel zu klären, was man da überhaupt spielen will. Sehr flexible Regeln, die jeweils ad hoc auf die Situation hin angepasst werden sollen, erfordern eben einen Konsens, sonst knirscht es.

Übrigens ist Konsens am Tisch nicht die einzige Funktion von Regeln. Simulation gehört auch dazu, manche möchten die Regeln, damit es sich eben echt anfühlt. Andere möchten möglichst wenige Regeln, weil jede Simulation zwangsläufig eingeschränkt ist (-> Laplacescher Dämon) und die offene Interpretation dank unserer doch recht leistungsfähigen Hirne da die Lücken vielleicht besser füllt. Wargaming ist auch etwas, das manche Leute tatsächlich mögen. Und das hat auch seinen Stellenwert im Rollenspiel, nicht nur historisch, sondern weil es schlicht auch zusammen passt, dass man die Personen mit den Maschinenpistolen nicht nur auf die Maschinenpistole beschränkt, sondern auch das Drumherum darstellt.

Außerdem ist es für das Klima am Tisch oft verträglicher auf die Regeln zu schimpfen als auf die Mitspieler. Und zufallsabhängige Mechanismen haben noch den schönen Effekt, dass niemand entscheiden muss, dass du gerade versagst, dafür sorgt dein W20. Das nimmt reichlich Konfliktpotential aus der Runde.
« Letzte Änderung: 14.06.2015 | 22:11 von Chruschtschow »
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Offline Bad Horse

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #106 am: 14.06.2015 | 22:33 »
Hey, ich spiele normalerweise auch so, und ich mache das gerne. Aus einigen der von dir genannten Gründe. :)

Ich denke nur nicht, dass man solche Mechanismen (nicht Regeln. Mechanismen.) unbedingt braucht. Dass sie nützlich sind, wenn man mit Leuten spielt, die man nicht kennt oder mit denen man nicht so richtig auf einer Welltenlänge liegt, steht außer Frage. Dass sie als Creative Constraint oder als Herausforderung dienen können und dass das Spaß macht - auch klar.

Aber welche und wie viele Mechanismen man da nun braucht, hängt dann halt (wieder mal) ganz von der Gruppe ab. Das macht eine Analyse der Fragestellung einigermaßen schwierig.
Und hier ist es dann doch wieder ganz interessant, das zu machen, was der Threadstarter schon versucht hat: Diese Mechanismen aufzulisten bzw. auf das Wesentliche zu reduzieren. "Wir machen eine Probe, die geht so: Der Probenwert (wird aus den numerischen Spielwerten des Charakters berechnet; das können Fertigkeiten sein, Fertigkeiten + Attribut etc.) wird durch einen Probenmechanismus (es wird gewürfelt, es wird verglichen etc.) gejagt, damit ein aussagekräftiges Ergebnis entsteht."

Es gibt aber auch noch andere Mechanismen als die Probe. Heilung funktioniert z.B. normalerweise anders. Oder auch Schaden - der kann direkt an eine Probe gekoppelt sein, wie bei Fate, oder auch nicht, wie bei D&D-Zaubern.

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #107 am: 14.06.2015 | 22:53 »
Da ist er dahin, der Vorsatz nicht mehr zu posten ...

Meiner Meinung nach lässt sich das klassische Rollenspiel als eine Form des Resourcen-Managements beschreiben:

es gibt endliche und unendliche Resourcen, wobei sich die endlichen zudem in ihrer Regenerierbarkeit unterscheiden lassen: in einfach und komplex.

Stößt mann auf ein Problem, so werden Resourcen verwendet um dieses Problem zu lösen ; bevorzugt werden hierfür die unendlichen Resourcen verwendet. Reichen diese nicht aus, so müssen endliche genutzt werden, wobei - je nach Situation natürlich variabel - in der Regel die leicht regenerativen vor den komplex regenerativen genutzt werden. Hat man am Ende eines Problems/Konfliktes keine Resourcen mehr, so tritt ein Dilemma ein. Reichen die Resourcen jedoch für die Geschichte, so kann man von einem Erfolg sprechen, wobei einzelne Dilemmata natürlich durchaus die Geschichte mehr berreichern können, als ein problemloses und erfolgreiches Ende.

Am konkreten Beispiel (Kampf/D&D): meine unendlichen Resourcen sind zum Beispiel mein Angriffswert und meine Rüstungsklasse, meine endlichen meine Trefferpunkte und eventuell Zaubersprüche, sowie verbrauchbare Güter wie verbrauchbare Gegenstände (Heiltränke oder Pfeile). TP und Zauber sind einfach regenerierbar, Gegenstände eher komplex.

Hierfür werden nun - mehr oder weniger komplexe - Regelmechanismen genutzt, die dem persönlichen Verlangen der beteiligten Spieler entsprechen (bei Personen mit einer gewissen Spielerfahrung, im Sinne von: sie haben mehr als 1W3 ;) Spiele kennen gelernt).

Letztlich verwenden jedoch alle Spiele jenseits des Erzählens (also Erzählen ohne Spiel zu sein) immer wieder Variationen des Resourcenmanagements, auch wenn die Art der Resourcen durchaus Unterschiede im Abstraktionsniveau aufweisen und deshalb sehr abstrakt oder sehr spezifisch sein können. Was nun einen Mehrwert darstellt bleibt ganz im Auge des Betrachters.

Wieviele Mechanismen braucht also ein RPG? Nun ja: zumindest einen, sonst ist es kein klassisches Spiel mehr. Alles weitere ist durchaus individuell unterschiedlich wahrzunehmen und sicher zudem auch noch Situations- und/oder tagesformabhängig.

Wie gesagt: nur meine bescheidene Meinung zur Problematik. Falls nicht hilfreich: bitte nicht beachten.
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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #108 am: 14.06.2015 | 22:56 »
Finde ich recht hilfreich. "Ressource ausgeben" ist tatsächlich ein anderer Mechanismus als "Probe ablegen" - kann verbunden sein, muss aber nicht.
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Offline Tyloniakles

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #109 am: 14.06.2015 | 23:18 »
Erinnert mich an Gumshoe, Hillfolk, Fate, klassische Lebenspunktsysteme ...

Offline Chruschtschow

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #110 am: 14.06.2015 | 23:36 »
@Archoangel:
Oha, völlig übersehen! Das ist eine eigene Gruppe von Mechaniken. Also jetzt drei plus Mischformen, weil die natürlich ineinander greifen (Fatepunkte als Modifikator für Zufallsmechanik oder für erzählerisches Recht, ein mit Zufallsmechanik geregelter Angriff kostet Resourcen, wahlweise im Angriff (z.B. einen Zauberslot) oder nach dem Treffer (Hitpoints) und so weiter).

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #111 am: 15.06.2015 | 06:46 »
Haben wir gerade Drama, Karma und Fortune wieder neu erfunden? Dann erhöhe ich um Skill: Man kann auch vom Jenga-Turm ziehen.

Offline Oberkampf

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #112 am: 15.06.2015 | 07:52 »
Rollenspiel braucht Regeln. Immer. Jedes Rollenspiel. Wenn Kinder "Räuber und Gendarm" gewinnen, dann gibt es auch Regeln zur Konfliktresolution. Anna brüllt: "Peng, du bist tot." Thomas ist dann auch tot, weil ihm andernfalls die einen halben Kopf größere Anna auf andere Weise den Konflikt beilegt. Oder vielleicht verwendet sie auch nur Regel 0, die auch wir Rollenspieler kennen: "Spiele nicht mit Idioten."

Jetzt möchten wir natürlich am Spieltisch nicht nur simple Doch-Nein-Doch-Nein-Doch-Nein-Duelle erleben, so unterhaltsam sie beim ersten Anschauen sein mögen, wenn sich zwei Personen gesetzteren Alters (als Enddreißiger habe ich solche inklusive meiner eigenen Person in den Spielrunden) so etwas geben. Aber auf Dauer ist der Schritt von der impliziten zur expliziten Regel zur Konfliktresolution dann doch mal sinnvoll.
[...]
Darum machen Regeln also nicht nur als historisches Anhängsel Sinn. Sie sind grundlegender Baustein für funktionierendes Rollenspiel. Andernfalls gewinnt Anna, die auch weiterhin immer einen Kopf größer war als alle anderen und später mal im Mittelgewichtsboxen reichlich Preise einheimste, jeden Konflikt im Spiel... :d


Du hast recht, ich hätte eher Huntress von der Seite davor zitieren sollen, der Sonja im Beitrag drauf zustimmt.

Wenn sich das auf meinen Beitrag bezieht: Ja, ich bin schlampig mit dem Begriff Regeln und Mechanismen umgegangen. Allerdings muss man auch sehen, dass eine radikale Ausweitung des Begriffs Regeln für Rollenspiel den Begriff auch sehr aufweicht.

Gemeint waren bei mir mit Mechanismen erstmal alle brettspieligen Mechanismen, keine "Metaregeln". Selbst dann, wenn solche Mechanismen zur Verteilung von Erzählrechten genutzt werden, wenn z.B. ausgewürfelt oder per Karte entschieden wird, wer den Ausgang einer Szene erzählen darf und elcher Charakter seine Interessen in der Szene durchsetzt (vgl. primetime adventures, eins der erzählerischsten SPIELE die ich jemals GESPIELT habe - Großschreibung um den Spielcharakter zu betonen).

Darüber hinausgehende Absprachen, die ohne klassische Brettspieltechniken (Zufallsgenerator, Punktvergleich) funktionieren, kann man Regeln nennen. Beispielsweise die Absprache: Verlauf und Ausgang einer Szene werden rein nach Gesichtspunkten der Dramaturgie abgehandelt. Es gibt einen Spielleiter, der bei Uneinigkeit im Sinne der Dramaturgie entscheidet.*

Es stimmt schon, das jedes Rollenspiel solche Regeln braucht, und das sie grundsätzlich völlig unterschiedlich ausfallen können. Statt einem SL kann die Gruppe im Konsens entscheiden, oder der betroffene Spieler usw. Welche "Farbe" die Dramaturgie hat ist ebenfalls abhängig vom Genre und Gruppenempfinden etc. Meine These ist - zugegeben empirisch schwach unterfüttert - dass im Alltag meistens eine Person in der SL-Rolle diese Entscheidungen trifft, indem er üblicherweise mit ein, zwei lautstarken Spielern Kompromisse eingehen muss.

* Das ist übrigens das, was ich mit der "Tradition" meine: Spielleiterzentrierte dramaturgische Entscheidungen ohne - anstatt! - brettspieliger Einflüsse.
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Offline Nørdmännchen

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #113 am: 15.06.2015 | 10:58 »
Die meisten Themen werden hier ja reichlich vielseitig und ausgiebig erörtert. Ich möchte dennoch eine Facette zum "Erzählen & Spielen" betonen, die mir selbst sehr am Herzen liegt. Es geht mir darum, dass die Vielzahl und Wahlmöglichkeit verschiedenster Regelsysteme - und dabei insbesondere der Mechanismen - für mich persönliche eine enorme Bereicherung meiner gemeinsam erlebten Erzählungen darstellen.

Meine Erfahrungen decken sich da mit den Theorien von G. H. Mead - auch wenn ich mich an der Radikalität seiner Ableitungen stoße.
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Will sagen: das mechanische System gibt mir einen Bezugsrahmen vor, der die besondere Funktion aller Mitspieler in Relation setzt. In diesem Rahmen kann ich meine Handlungen ganz eigen bewerten und ausrichten. Wobei Handlungen im Rollenspiel für mich zunächst Gesprächsbeiträge sind.
Ich verhalte mich ganz anders - und erlebe und erzähle damit auch andere Inhalte. Je nachdem ob ich eine Runde Freeform (meinetwegen Daidalos), King Arthur Pendragon, Fiasco, Itras By, Forsooth!, Apocalypse World, FAE, Kingdom of Nothing, Moldvay D&D, Improtheater oder was-weiß-ich spiele. Wobei ich zugestehen muss, dass die Erfahrungen bei "klassischen" Systemen (Savage Worlds, DSA, GURPS, oWoD) sehr viel näher zusammen rücken.
Das Spannende ist: das gesamte Regelsystem greift in die Erzählung am Tisch ein und beeinflusst unser Verhalten. Damit steht mir eine viel größere Palette kreativer Erlebnisse zur Verfügung. Vincent Baker, Luke Crane uva. nennen dies die "Mind Control" des Spiel-Entwicklers. Deswegen möchte ich auch nicht nur das eine SystemTM, sondern ich will sie alle - lang, breit und schmutzig! OK; manche passen einfach nicht. Aber das liegt nicht an ihnen, es liegt an mir ;).

Auch improvisiertes Theater hat, meiner Erfahrung nach, ganz eigene Probleme mit dem Erzeugen von Erzählung. Grade wenn es sehr "offen" sein soll. Nicht umsonst gibt es im Theatersport nach Keith Johnstone Unmengen von Spielen, die teilweise sehr starke Mechaniken einbinden (weit abseits des überstrapazierten Ja-Sagens...  ::))

Alle diese Regeln brechen die Erwartungshaltung auf, zwingen mich in andere Denk-, Kreativ- und Verhaltensmuster; und bereichern so letztendlich mein Spiel und Ausdrucksspektrum. Ich würde sogar soweit gehen, dass sie in kleinen Schritten meine Persönlichkeit erweitern. (Wer weiß, was ich damit auslöse...)
Kreativität ist nach meinem Dafürhalten eben keine Fähigkeit, die dem menschlichen Geist a priori gegeben ist. Sie ist Ausdruck des menschlichen Vermögens Strukturen zu erkennen und zu schaffen - gepaart mit der Fähigkeit unbekannte Probleme zu lösen. Und eben diese Probleme, das Creative (oder Narrative) Constraint, entstehen u.a. maßgeblich aus dem verwendeten Rollenspielsystem.
Dazu gehört dann, sich voll und ganz auf das Spielsystem einzulassen. Die Regeln zu befolgen, um zu erleben wohin sie uns am Tisch bringen.
« Letzte Änderung: 15.06.2015 | 23:23 von Nørdmännchen »
»Gute Geschichten sind so gut aufgebaut, daß Lehrer natürlich denken, sie seien vorher geplant,
aber jede Geschichte hätte auch in eine Million andere Richtungen gehen können.«

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Offline Abaton23

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #114 am: 15.06.2015 | 14:51 »
Rollenspiel-veteranen mag manchmal die Erkenntnis fehlen, dass sie es gewohnt sind, mit ENORM umfangreichen Regelwerken zu arbeiten. Manche merken einfach nicht, dass "normale" Gesellschaftsspieler erstmal völlig überfordert sind, wenn sie das erste Mal auf RPGs treffen.

Nun, der Freiheitsgrad der Spielmöglichkeiten von RPGs benötigt eben von Natur aus eine große Bandbreite von Mechanismen. Im Allgemeinen benötigt ein Mainstream-RPG eine Anzahl spezifizierter Handlungen. (ACHTUNG, ich spreche vom Mainstream, damit nicht jeder Schlauberger gleich wieder sein "Aber der Exot X-Y funktioniert anders" postet) Diese erfordern jetzt irgendeinen Proben-Mechanismus. Der Individualität geschuldet, mag man spezielle Aspekte für Abenteurergruppen spendieren. Dann braucht es meist ein Recourcensystem. (Nennt es wahlweise Lebens-Treffer-Ausdauer- Astral- Erfahrungspunkte) Dann benötigt es meist ein Schadensmodell (Was richten Schäden an, was sind erlittene Konsequenzen etc.) Dazu kommt noch ein Steigerungs- bzw. Lernsystem. Und wenn der Neuling das endlich gepackt hat, dann erschlägt der SL ihn mit dem Setting! Hurraa, jetzt haben wir den Neuen entgültig geflasht...

Ich meine, das ist ne ganze Menge. Warum jetzt noch einige Regelautoren den Kunden mit verquirlten Subsystemen auf blanker Modifikatorenebene von oben und unten penetrieren wollen, bleibt mir bei so manchem Regelwerk schleierhaft. Außer, er hat noch ein paar Seiten in seinem Buch frei. Ob solche Subsysteme dann zusätzliches Flair verleihen? Das gehört wohl in den Bereich "Geschmacksache". Ich hole mir das Flair lieber aus einer schönen Settingbeschreibung. Wegen solcher Gedanken hab ich das Thema aufgeworfen.
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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #115 am: 15.06.2015 | 16:15 »
Will sagen: das mechanische System gibt mir einen Bezugsrahmen vor, der die besondere Funktion aller Mitspieler in Relation setzt. In diesem Rahme kann ich meine Handlungen ganz eigen bewerten und ausrichten. Wobei Handlungen im Rollenspiel für mich zunächst Gesprächsbeiträge sind.
Hi Nordmännchen, echt guter Post! :D Schade, dass er hier etwas auf der fünften Seite des Threads versauert. Den sollte nämlich jeder gelesen haben. Eigentlich eine schöne Beschreibung von "System matters". Denn auch wenn das nach fast 15 Jahren Diskussion eigentlich Allgemeingut sein sollte, zeigt der Thread: ist es eben noch lange nicht. ;)
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- Don't try to make me feel like I live there, make me care about it. -

Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

Offline Chruschtschow

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #116 am: 15.06.2015 | 16:22 »
@1of3:
Es hätte mich auch gewundert, wenn wir hier was völlig neues entdeckt hätten. Danke für die Stichworte. Das erleichtert die Suche.

@Abaton:
Wenn dich Resolutionssysteme interessieren, dann gibt es hier einen Link, der die drei hier genannten mal kurz darstellt. Dein Thema wäre die Fortune Resolution.

Ansonsten: Hört auf Nørdmännchen!
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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #117 am: 15.06.2015 | 16:27 »
Rollenspiel-veteranen mag manchmal die Erkenntnis fehlen, dass sie es gewohnt sind, mit ENORM umfangreichen Regelwerken zu arbeiten. Manche merken einfach nicht, dass "normale" Gesellschaftsspieler erstmal völlig überfordert sind, wenn sie das erste Mal auf RPGs treffen.

Nun, der Freiheitsgrad der Spielmöglichkeiten von RPGs benötigt eben von Natur aus eine große Bandbreite von Mechanismen. Im Allgemeinen benötigt ein Mainstream-RPG eine Anzahl spezifizierter Handlungen. (ACHTUNG, ich spreche vom Mainstream, damit nicht jeder Schlauberger gleich wieder sein "Aber der Exot X-Y funktioniert anders" postet) Diese erfordern jetzt irgendeinen Proben-Mechanismus. Der Individualität geschuldet, mag man spezielle Aspekte für Abenteurergruppen spendieren. Dann braucht es meist ein Recourcensystem. (Nennt es wahlweise Lebens-Treffer-Ausdauer- Astral- Erfahrungspunkte) Dann benötigt es meist ein Schadensmodell (Was richten Schäden an, was sind erlittene Konsequenzen etc.) Dazu kommt noch ein Steigerungs- bzw. Lernsystem. Und wenn der Neuling das endlich gepackt hat, dann erschlägt der SL ihn mit dem Setting! Hurraa, jetzt haben wir den Neuen entgültig geflasht...

Ich meine, das ist ne ganze Menge. Warum jetzt noch einige Regelautoren den Kunden mit verquirlten Subsystemen auf blanker Modifikatorenebene von oben und unten penetrieren wollen, bleibt mir bei so manchem Regelwerk schleierhaft. Außer, er hat noch ein paar Seiten in seinem Buch frei. Ob solche Subsysteme dann zusätzliches Flair verleihen? Das gehört wohl in den Bereich "Geschmacksache". Ich hole mir das Flair lieber aus einer schönen Settingbeschreibung. Wegen solcher Gedanken hab ich das Thema aufgeworfen.

Schöne Settingbechreibung? Ich kotze im Strahl. Ich will beim Rollenspiel fiktive Inhalte produzieren. Dafür brauch ich kein schönes Setting, sondern Mechanismen, deren Anwendung schöne Inhalte entstehen lässst.

Aber dein Argument funktioniert schon so nicht. Du zählst zunächst auf, dass Rollenspiel diese und jene Regeln hat. Verbietest dir, dass man an diesen Regeln etwas ändere, denn Exoten sind ja unerwünscht. Und forderst dann, dass man gewisse Regeln, die dir nicht gefallen ("verquirlte Subsysteme auf blanker Modifikatorenebene"), nicht einsetzt, weil Setting viel interessanter sei.

Das ist eine ganz clevere Strategie. Man schließt Modifikationen an einem frei gewählten Kern durch ein Essentialismus-Argument aus und wählt dann eine falsche Gegenüberstellung, so dass nur die gewünschte Handlungsweise übrig bleibt. Sehr clever. Ich gratuliere.



Ansonsten möchte ich dem nordischen Paarhufer in seiner Wertschätzung nördischer Äußerung beipflichten.

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #118 am: 15.06.2015 | 16:30 »
Das ist eine ganz clevere Strategie. Man schließt Modifikationen an einem frei gewählten Kern durch ein Essentialismus-Argument aus und wählt dann eine falsche Gegenüberstellung, so dass nur die gewünschte Handlungsweise übrig bleibt. Sehr clever. Ich gratuliere.

Eigentlich hat er doch nur geschrieben: "Es gibt Mainstream-Systeme, die ich nicht für anfänger-geeignet halte."

Dem stimme ich zu.

Offline blut_und_glas

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #119 am: 15.06.2015 | 16:35 »
Ich will beim Rollenspiel fiktive Inhalte produzieren. Dafür brauch ich kein schönes Setting

Was ist mit schönen Settings als Assoziationsgrundlage (und Begrenzung) für fiktive Inhalte?

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #120 am: 15.06.2015 | 17:00 »
Schöne Settings sind filigrane Gebilde mit ihrer ganz neuen Formensprache. Da muss man dann erst mal mit dem Vorschlaghammer durch, um die Scherben für Bauklötze zu haben. Ich erinnere mich an ein Gespräch, wo jemand seine Forgotten-Realms-Kampagne damit beginnen wollte, dass Elminster gekreuzigt am Wegesrand hängt. Wie anstrengend!

Ein gutes Setting ist gar nicht erst da, bevor man es herstellt. Es ist die einzige Fantasy World Map You'll Ever Need, der Kartensatz in Durance, die Orakel in A Wicked Age.

Es macht wirklich keinen Sinn verquirlte Settings auf blanker Historienebene zu produzieren.

Offline Abaton23

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #121 am: 15.06.2015 | 17:22 »
Schöne Settingbechreibung? Ich kotze im Strahl. Ich will beim Rollenspiel fiktive Inhalte produzieren. Dafür brauch ich kein schönes Setting, sondern Mechanismen, deren Anwendung schöne Inhalte entstehen lässst.
Na, das ist ja dann Dein ganz persönliches Ziel. Deshalb brauchst Du nicht kotzen, weil andere Spieler gerne ein Setting lesen. Welche Mechanismen in der Anwendung schöne Inhalte entstehen lassen, steht eh auf einem ganz anderen Papier.

Aber dein Argument funktioniert schon so nicht. Du zählst zunächst auf, dass Rollenspiel diese und jene Regeln hat. Verbietest dir, dass man an diesen Regeln etwas ändere, denn Exoten sind ja unerwünscht. Und forderst dann, dass man gewisse Regeln, die dir nicht gefallen ("verquirlte Subsysteme auf blanker Modifikatorenebene"), nicht einsetzt, weil Setting viel interessanter sei.
Ich habe lediglich geschrieben, dass man nicht gleich Haarspalterei betreiben muss, wenn meine allgemeine Beschreibung von Regelwerken nicht auf jeden Exoten zutrifft. Verboten hat hier überhaupt keiner was. Und ich äußere meine persönliche Meinung mit der gleichen Freiheit wie Du.

Du hast ne andere Meinung? Ist ok. Drum muss keiner agressiv werden.
Hie_ gibts einz_lne Buchst_ben zu ve_kauf_n

Offline Thandbar

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #122 am: 15.06.2015 | 18:02 »
  Wo immer man die Battlemat ausrollt, fällt man hingegen in die alte Zeit zurück. Während das Sprechrollenspiel jung ist wie am ersten Tag, hat sich das Wargaming am Spieltisch aufgrund der erweiterten Möglichkeiten aber mittlerweile völlig überholt und nervt durch seine Steinzeitlichkeit. 

Außer, man hat halt Spaß dran. *shrugs*
"Du wirst direkt in diesem Moment von einer Zilliarde grünkarierter Kakerlakeneinhörner in Tweedanzügen umzingelt, die mit Fallschirmen aus gebeiztem Vanillepudding aus der nächstgelegenen Dattelpalme springen und dich zu ihrer Avonberaterin krönen - und die Krone ist aus Dr. Frankensteins bösartig mutiertem Killernougat! Streich dir 78000 Hirnschadenspunkte ab und mach sofort eine Jodelimprovisation!"

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #123 am: 15.06.2015 | 18:12 »
Die ganzen Mechanismen sind ja nicht aus Boshaftigkeit erfunden worden - da steckte dann ja ein entsprechender Wunsch dahinter nach etwas, was die Vorgängerversion nicht zu leisten im Stande war. Dass man sich bei solchen Entwicklungen ggf auch verrennt liegt in der Natur der Sache, aber ob sie was taugt oder nicht läßt sich nur unter Annahme dieses Bedürfnisses beurteilen, denn die Entscheidung über das Bedürfnis selbst und damit die "Berechtigung" seiner Erfüllung ist eine Geschmackssache - außer natürlich die Verfechter nehmen Allgemeingültigkeit in Anspruch.

Anmsonsten bleibt zu einer Mechanik nur zu sagen: Entweder ist man nicht Zielgruppe, hat man eine spezifisch zu benennende bessere Lösung oder ist vielleichgt auch einfach nur jemand dem die Mechanik zu hoch ist und nun als Fuchs vor den Trauben steht.

Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #124 am: 15.06.2015 | 18:16 »
Es macht wirklich keinen Sinn

Da sind wir dann wieder bei den Extremaussagen im Stile diverser Vorredner - "es macht wirklich keinen Sinn, Regeln im Rollenspiel haben zu wollen".

mfG
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