Grüße euch,
TeichDragon hat mich vor ein paar Tagen mal gebeten ein paar Worte über den DSA Hintergrund im LARP zu verlieren. Um das alte Thema nicht total auf Abwege zu führen gibt es hier einfach mal einen eigenen Thread. Vorweg möchte ich erwähnen, dass dieser Beitrag meine subjektive Ansicht zu dem Thema ist und gerade im Bereich LARP gibt es mitunter einige Unterschiede in der lokalen Spielkultur. Ich selber bin übrigens seit knapp 10 Jahren LARPer, auch wenn ich wegen meines Studiums die letzten Jahre etwas kürzer getreten bin.
Grundsätzlich ist DSA bei LARPern sehr beliebt und der Grund ist einfach, jeder kennt es. Die LARP-Szene besitzt einen gigantischen Flickenteppich aus verschiedenen Hintergründen, die auch alle miteinander interagieren bzw. kompatibel sind. Man kann also meistens ohne große Probleme mit seinem Charakter nach Lust und Laune durch die Hintergründe und Spielwelten hoppen. Die wenigsten Veranstaltungen haben hier eine Klausel die fordert, dass der Charakter aus der entsprechenden Welt stammen muss.
Viele LARP-Vereine haben zu dem ihr eigenes Land oder sogar ihren eigenen Kontinent entworfen inklusive allem was dazu gehört (Götter, Geschichte, Feinde usw.). Und diese Länder werden auch bespielt, es gibt also Events die in diesem Land angesiedelt sind und es gibt Spieler aus diesen Ländern, die an anderen Veranstaltungen teilnehmen. Um das Problem mal zu verdeutlichen, hier gibt es eine nicht vollständige Liste einiger LARP-Länder und die Menge der nicht erfassten Länder ist vermutlich groß
http://www.larpwiki.de/LarpL%C3%A4nder. Einige dieser Länder haben tatsächlich über die Jahre diplomatische Beziehungen zu anderen aufgebaut, andere wiederum existieren in einer Blase und die gesamte Landesgeschichte läuft ohne nennenswerte Außenpolitik mit anderen Vereinen. Die meisten Vereine dürften übrigens deutlich unter 100 Mitgliedern liegen. Zahlen zwischen 30 und 60 halte ich für recht realistisch.
Diese Ländermasse führt zu ein paar Problemen:
1)Die Chancen das mein Land jemand kennt, ist enorm gering, sobald ich mal OT über 100km weit gefahren bin. Das bedeutet niemand kennt die Cliches und Stereotypen über meinen Charakter oder mein Land. Im LARP kann man sich eben nicht OT kurz vorstellen und den Leuten erläutern, das man eigentlich der totale Abschaum ist, da wo man herkommt o.Ä. . Das heißt die Umwelt reagiert einfach nicht konsistent auf einen, wenn man seinen Stand nicht direkt an der Gewandung kenntlich machen kann. Oft ist das nicht wirklich ein Problem, weil man sich einfach eine passende Klamotte anzieht und dann als Adel erkannt wird, aber es gibt auch zahllose Gegenbeispiele wo der Hintergrund einem da im Weg steht.
2)Ich treffe so gut wie nie Landsleute und wenn sind es die gleichen 20 Hanseln aus meiner Spielgruppe. Fiktiv ist mein Land mit einer Bevölkerung von x Millionen Menschen gesegnet. Aber ich sehe immer nur die gleichen 20 Gesichter.
3)Niemand ist über die wichtigen geschichtlichen Ereignisse aus meinem Land informiert, wenn es sie denn gibt. Auf der Ebene der Politik verhält es sich ähnlich.
4)Es gibt viele Länder die vom Worldbuilding her einfach nicht gelungen sind, aber da man schon 20 Veranstaltungen auf dem Hintergrund gemacht hat ist man da jetzt dran gebunden und kann das nicht so leicht handwedeln.
usw.
Die Nachteile und Ähnliche nimmt man als Spieler in kauf, wenn man aus einem solchen kleinst Land kommt. Und es ist auch nichts verkehrtes daran, man weiß auf was man sich eingelassen hat und wenn man relativ regional Larpt spürt man diese Nachteile auch nicht so enorm, weil man so im Umkreis von 150km früher oder später auch als kleines Land bekannt wird, weil man eben die Veranstaltungen anderer Vereine (und damit anderer Länder) regelmäßig besucht und man wird wiedererkannt. Außerdem bietet es umgekehrt natürlich auch Vorteile.
Nun gibt es aber auch die großen Hintergründe die sehr verbreitet sind. Namentlich sind da zu nennen DSA, Warhammer, Mythodea (LARP-Veranstaltung/Land mit ca. 8000 Besuchern). Aber auch etwas unbekanntere Sachen erfreuen sich immer mal wieder einiger Beliebtheit wie z.B. The Witcher, wobei das sind wirklich vernachlässigbare Strömungen. Aus dieser Serie ist DSA vermutlich der verbreitetste Hintergrund. Was auch dazu führt, dass er sich noch weiter verbreitet. Ich muss kein einziges Buch zu DSA gelesen haben um über den DSA-Hintergrund informiert zu sein, denn mittlerweile gibt es einfach genug DSA-Spieler, dass ich auf den Cons selber im Spiel das wichtigste über DSA lernen kann.
Die Vorteile bei DSA und Co. sind natürlich das solche Sachen von unglaublich vielen Köpfen in unglaublich vielen Arbeitsstunden konzipiert und verbessert wurden und das am besten noch in mehreren Editionen. Jeder der will kann sich Zugang zu umfassendem Hintergrundmaterial verschaffen und sich beliebig tief einarbeiten(bei Mythodea saß ich schon in Bibliotheken und habe Stundenlang Schrifftrollen kopiert weil es das jeweilige Material sonst nicht zu bekommen gibt). Zusätzlich entwickelt sich die Storyline permanent weiter und durch z.B. den Aventurischen Boten hat man sogar eine IT taugliche Quelle für die neuesten Ereignisse aus aller Welt.
Das in meinen Augen wichtigste ist aber, man wird wieder erkannt und die Leute wissen einen direkt einzuordnen, spätestens nach der Vorstellung. DSA macht das wunderbar, denn es hat hervorragende Stereotypen etabliert die alle auf ihre Art und Weise ins Auge stechen. Thorwaler tragen blöde Streifenhosen, Geweihte sind in ihren farbigen Roben einfach zu erkennen und Magier tragen ihr Gildenabzeichen auf der Hand. Leute tragen Landeswappen und passende Uniformen, wenn sie denn irgendwo im DSA-Hintergrund mal aufgetaucht sind. Wenn eine Tsa-Geweihte auf einer Veranstaltung rumläuft kann es eventuell sein, dass jemand uninformiertes die Waffe gegen Sie erhebt, aber der wird dann sehr schnell von seinen besser informierten Kameraden eingenordet.
Kurzum, in diesem Hobby wo man nicht OT mal grade die Leute informieren kann/darf wem oder was sie gegen über stehen, ist es ungemein angenehm, dass die Leute erkennen und zuordnen können was man ist. Zusätzlich hat DSA den Vorteil, dass es ein ungemein gelungenes Glaubenssystem hat, gemessen an dem was sonst so rumläuft. Das führt einfach dazu, dass es vermutlich die zweit größte LARP-Religion ist (direkt nach der breiten Masse an Naturreligionen). Der Zwölf Götterglaube (oder besser der x aus 12 Götterglaube. was einem eben gefällt) ist auch bei nicht Aventurieren recht gut verbreitet oder wenigstens bekannt. Auf Mythodea (also der Veranstaltung) gibt es z.B. tägliche Gottesdienste der 12 Götterkirche.
Um das mal kurz ins Verhältnis zu setzten, ich tippe einfach mal das je nach Veranstaltung, der Anteil der DSA-Charaktere zwischen 5 und 10% liegt, jedenfalls ist das der Eindruck den ich so bekommen habe. Die Zahl derer die Elemente aus DSA verwenden dürfte zwischen 30 und 40% liegen, aber beides sind nur Schätzungen. In meinem näheren Umfeld erhöht sich die Zahl der DSA-Charaktere allerdings überdurchschnittlich stark, was auch an einer Unzufriedenheit mit dem eigenen Landeshintergrund liegen kann.
Die meisten Cons spielen nicht auf einem DSA-Hintergrund, aber es gibt auch einige wenige Cons die innerhalb Aventuriens spielen.
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Die LARP-Welt ist wie so ziemlich alles Strömungen und Einflüssen unterworfen. z.B. kann man anhand des Kinoprogramms gut abschätzen, was demnächst häufiger auf Cons anzutreffen ist (nach Fluch der Karibik gab es eine Piratenschwemme, nach dem Herrn der Ringe waren Elben und Hobbits hip usw.). Diese Strömungen können übrigens Regional unterschiedlich ausfallen, von daher muss das hier (wie alles in diesem Post) als stark subjektive Meinung aufgefasst werden.
Editionswechsel und harte Änderungen am Fluff sind hierbei eine spannende Sache. In meiner Zeit als LARPer hat es das eigentlich nur ein mal gegeben und das war der Warhammer Hintergrund. Dieser hat wohl vor einiger Zeit die Apokalypse ausgerufen und alles ging mehr oder minder zu Ende. Die geschlossene Meinung der LARPer war nun, dass wird ignoriert.
Je nach dem was die DSA-Redaktion jetzt in der fünften Edition am Hintergrund ändert (insbesondere der Geweihtenschaft) kann es sein, dass auch diese Änderung ignoriert wird oder sich langsam erst einschleicht. Einen plötzlichen Wechsel würde ich eher ausschließen, denn auch hier gilt, dass sich Charaktere auf dem alten Hintergrund etabliert haben, die erst langsam von der Bildfläsche verschwinden und die haben nun seit Jahren diesen Hintergrund bespielt und damit natürlich auch ihr Umfeld geprägt.
Eventuell, wenn sich DSA jetzt dank der schlankeren Regeln enorm verbreitet wird man auch in den nächsten Jahren einen Zulauf an DSA-Charakteren bemerken können, aber das bleibt abzuwarten.