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Cthulhu - Smalltalk

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seanchui:

--- Zitat von: Rumpel am 12.11.2015 | 09:09 ---
...Und letztendlich hat die Frage, ob ein Regelsystem zur Vermittlung von "kosmischem Grauen" beiträgt, ohnehin kaum was mit der Tödlichkeit bzw. der Fähigkeit/Unfähigkeit der SC zu tun, weil ein besonders schlechter Fertigkeitswert im Fahrradfahren, mit dem man sich dauernd langlegt (um im Beispiel zu bleiben) vielleicht zur allgemeinen Genervtheit beiträgt, sicher aber nicht zu dem Empfinden, dass im Universum kalte, unpersönliche Kräfte walten, vor deren Hintergrund jedes menschliche Streben sinnlos erscheinen muss.
(Okay, andererseits: wenn ich mich täglich dreimal mit dem Fahrrad langlegen würde, dann würde ich das vielleicht schon irgendwann glauben ...)

--- Ende Zitat ---

Ich weiß nicht so recht, aber ich finde schon, dass das Regelwerk in der neuen Version mit einigen Grundfesten, die eben das "kosmische Grauen" für mich mittransportiert haben, bricht. Dabei geht es in keinster Weise um den Kompetenzgrad der Charaktere - denn der war schon in der alten Version durchaus hochzuschrauben, wenn man gewollt hatte.

Da das alte Regelwerk aber einfach ein "altes" war - immerhin über 25 Jahre auf dem Buckel - gab es einige Dinge darin, die in vielen modernen Rollenspielen längst über den Haufen geworden wurden. Inzwischen ist es modern, dem Spieler Erzählrechte, Bonuspunkte und anderen chi-chi mit auf den Weg zu geben. Gerade das beißt sich aber mit dem, was Cthulhu in den letzten 25 Jahren so gemacht hat.

In Lovecrafts Geschichten - egal, ob sie tolle Rollenspielabenteuer wären oder nicht - geht es nunmal sehr oft darum, dass die Protagonisten vor vollendete Tatsachen gestellt werden und daran irgendwie zerbrechen. In diesem "Geiste" haben sich - gerade im deutschsprachigen Raum - viele Abenteuer bewegt. Wenn aber nun die "Investigatoren" bald deutlich mehr mitreden dürfen, dann entstehen natürlich spannende, abwechslungsreiche und tolle Geschichten, gar keine Frage. Der cthuloide Faktor ist in meinen Augen aber schon heruntergefahren, denn der definiert sich m. E. nunmal nicht durch den Monsterkatalog...

Achamanian:

--- Zitat von: seanchui am 12.11.2015 | 11:30 ---
Da das alte Regelwerk aber einfach ein "altes" war - immerhin über 25 Jahre auf dem Buckel - gab es einige Dinge darin, die in vielen modernen Rollenspielen längst über den Haufen geworden wurden. Inzwischen ist es modern, dem Spieler Erzählrechte, Bonuspunkte und anderen chi-chi mit auf den Weg zu geben. Gerade das beißt sich aber mit dem, was Cthulhu in den letzten 25 Jahren so gemacht hat.

In Lovecrafts Geschichten - egal, ob sie tolle Rollenspielabenteuer wären oder nicht - geht es nunmal sehr oft darum, dass die Protagonisten vor vollendete Tatsachen gestellt werden und daran irgendwie zerbrechen. In diesem "Geiste" haben sich - gerade im deutschsprachigen Raum - viele Abenteuer bewegt. Wenn aber nun die "Investigatoren" bald deutlich mehr mitreden dürfen, dann entstehen natürlich spannende, abwechslungsreiche und tolle Geschichten, gar keine Frage. Der cthuloide Faktor ist in meinen Augen aber schon heruntergefahren, denn der definiert sich m. E. nunmal nicht durch den Monsterkatalog...

--- Ende Zitat ---

ich weiß nicht, vielleicht habe ich das deutsche Cthulhu auch nie ganz verstanden ... gerade die Mitgestaltung durch Spieler, die auf der gleichen Wellenlänge mitmachen, ist für mich immer der beste Garant für Atmosphäre. Und wenn die Regeln da noch ein kleines bisschen Unterstützung geben (was bei CoC7 jetzt gar nicht so groß der Fall ist), kann das zu JEDER gewünschten Atmosphäre eigentlich nur beitragen. Auch und gerade zu einer der Hilflosigkeit, denn auch die müssen die Spieler ja aktiv (und möglichst mit Spaß daran) mit erzeugen. Wenn die Hilflosigkeit der Charaktere wirklich nur die Nebenwirkung der Frustration der Spieler ist und nicht aus der Entscheidung der Spieler zum cthulhoiden Horror-Spiel resultiert ... tja, wer will das dann bitte spielen? Eigentlich nur eine profilneurotische SL, die es toll findet, ihre Egonummer abziehen zu können und dafür noch die Weihen zu erhalten, das bestmögliche aller Rollenspiele zu betreiben.

Irgendwie scheinen Teile der Cthulhu-Spielleiterschaft Angst davor zu haben, dass Spieler, denen man Gestaltungsmittel für's dramaturgische Pacing an die Hand gibt (etwa durch Forcierung, Einsatz schwindender Ressourcen wie Glückspunkte), sofort jede Atmosphäre bombardieren, indem sie rein erfolgsorientiert spielen und nur noch auf Kampfmaschine machen. Wobei man sich dann fragen muss: Warum sollten diese Spieler Ctulhu spielen, wo klar ist, dass sie keine großen Kampferfolge einfahren werden, egal, wieviele Glückspunkte sie ausgeben und wie oft sie forcieren?

Sorry, wenn das etwas polemisch ist. Ich bin allerdings auch echt gebrannt von gewissen forenaktiven Teilen der deutschen Cthulhu-Spielerschaft, die mir Setting und System echt verleidet haben.

Ucalegon:

--- Zitat von: Rumpel am 12.11.2015 | 11:49 ---Irgendwie scheinen Teile der Cthulhu-Spielleiterschaft Angst davor zu haben, dass Spieler, denen man Gestaltungsmittel für's dramaturgische Pacing an die Hand gibt (etwa durch Forcierung, Einsatz schwindender Ressourcen wie Glückspunkte), sofort jede Atmosphäre bombardieren, indem sie rein erfolgsorientiert spielen und nur noch auf Kampfmaschine machen. Wobei man sich dann fragen muss: Warum sollten diese Spieler Ctulhu spielen, wo klar ist, dass sie keine großen Kampferfolge einfahren werden, egal, wieviele Glückspunkte sie ausgeben und wie oft sie forcieren?

--- Ende Zitat ---

Die Frage ist für mich schon, was diese "Gestaltungsmittel" konkret sollen. Wenn es nur darum geht, das Pacing zu verbessen, geht das auch ohne Erzählrechte/Probenwiederholung/Probenerleichterung durch Glück  - das sind doch die kontroversen Teile, oder? Anders formuliert: Wenn ich als Spieler mehr Einfluss kriege, dann will ich auch wissen, warum.

Achamanian:

--- Zitat von: Ucalegon am 12.11.2015 | 12:05 ---Die Frage ist für mich schon, was diese "Gestaltungsmittel" konkret sollen. Wenn es nur darum geht, das Pacing zu verbessen, geht das auch ohne Erzählrechte/Probenwiederholung/Probenerleichterung durch Glück  - das sind doch die kontroversen Teile, oder? Anders formuliert: Wenn ich als Spieler mehr Einfluss kriege, dann will ich auch wissen, warum.

--- Ende Zitat ---

Glückspunkte sind eben ein ziemlich simpler Mechanismus, weil sie es den Spielern bei gleichbleibend relativ niedrig angesetzten Werten ermöglichen, zu entscheiden, wann sie etwas dringend schaffen wollen. Und ein steter Wechsel von Erfolg und Misserfolg, der dadurch begünstigt wird, gibt meistens ein gutes Pacing.
Der "Erfolg" heißt bei Cthulhu aber ja in der Regel nicht, dass man einen Großen Alten oder ein Dutzend Tiefer Wesen umballert; das ist nach wie vor tendenziell einfach nicht drin, weil Glückspunkte ja auch nur Wahrscheinlichkeiten verschieben können und nicht absoluten Schaden erhöhen oder etwas in der Art. Die Erfolge bleiben also von der gleichen Art wie bisher auch: Gerade so mit dem Leben davonkommen, einen kleinen Sieg davontragen, der aber letztendlich bedeutungslos bleibt ...
Schön ist auch, dass Glückspunkte eine schwindende Ressource sind, was wiederum sehr gut zur letztendlichen Hoffnungslosigkeit passt - irgendwann sind die alle, und dann sieht es für die SC sogar noch deutlich schlechter aus als aus den bisherigen Editionen gewöhnt, weil sie dann halt auch eventuelle Glückswürfe nicht mehr schaffen.

Mit Forcierung ist es ähnlich (wobei es jetzt nicht beides gebraucht hätte): Auch hier können die SC ja nicht plötzlich leisten, was ihnen vorher unmöglich gewesen waren, sie steigern nur ihre Chancen ein bisschen - und in dem Fall noch dazu um einen Preis, der das Horror-Element noch betont: Ein Fehlschlag ist nicht nur ein "nicht geklappt", sondern wird auf jeden Fall schlimme Konsequenzen haben!

Ich sehe tatsächlich beim besten Willen nicht, wo diese beiden Anpassungen irgendetwas an der Atmosphäre des kosmischen Grauens ändern sollen; und wenn ich mir eine Geschichte wie Shadow over Innsmouth ansehe, kann ich mir tatsächlich vorstellen, dass die nach den neuen Regeln eher zustande käme als nach den alten (den ersten rettenden Sprung schafft der Protagonist schon mal - mit Glück oder Forcierung? - obwohl es keinen Grund gibt, anzunehmen, dass er einen guten Springen-Wert hätte, im Gegenteil; und am Ende überwältigt ihn dann doch der Stabi-Verlust ...).

In meinen Augen wird mit solchen Mechanismen eher behutsam dem unfreiwillig komischen Cthulhu-Slapstick der Vorgängereditionen abgeholfen ...

Ucalegon:
Aber warum ist es wichtig, dass die Spieler(innen) auf einmal entscheiden sollen, wann sie einen Wurf schaffen oder nicht (bzw. ihre Chancen modulieren) und was sollen Erzählrechte? Ob nachher ein Erfolg oder Misserfolg rauskommt ist, wie du sagst, ohnehin relativ egal.

Kann man Glück eigentlich nach den neuen Regeln irgendwie wiederbekommen?


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