Ich habe gerade so 3 Punkte vergeben (2,5). Im Grunde schade, aber für mehr reicht es in meinen Augen nicht.
Die Handlung im Überblick:
- So eine kirre Feenkönigin will die Holzfällersiedlung auslöschen und schickt dazu einen gefürchteten Diener, den Frostreiter, der die Bevölkerung massakrieren soll. Der borgt sich Hilfe von einer nackten Nymphe, die im Wald neben der Siedlung haust und auch einen mächtigen Groll auf die Holzfäller hat. (In der Tat schicken die sich an, Maschinen zu bauen, die ihren Wald in Null Komma Nichts brikettieren könnte.) Die Nymphe stimmt in einem schwachen Moment dem Vorhaben des Frostreiters zu, ihr Gefolge die Drecksarbeit erledigen zu lassen. Sie bereut das aber zu Beginn der Abenteuerhandlung bereits, weil sie eben doch eine Gute ist.
- Ein Jahrmarkt ist in der Stadt, die letzte Attraktion, bevor der Winter wirklich kein Auge mehr zudrückt und Spaß an der frischen Luft nur zum Preis von schwarzgefrorenen Zehen möglich sein wird. Cheffe des Jahrmarkts ist ein elegant-düsterer Trauermöppel von Ex-Abenteurer. Dessen Lebensgefährtin wurde zu gemeinsamen Abenteurerzeiten ins Reich der kirren Königin entführt und kann als tot gelten.
- Warum jemanden massakrieren, der etwas dagegen hat, wenn das Massakrieren doch viel leichter mit dessen Zustimmung von der Hand ginge? Das fragt sich auch der Frostreiter. Also macht er zweierlei: 1. Er macht dem Trauermöppel klar, dass er die Seele seiner Lebensgefährtin hat (+) und freigibt, falls Trauermöppel seine berüchtigten Klingen stecken lässt und passiv bleibt, während die Bevölkerung massakriert wird (-). 2. Er fährt ein Artefakt auf, das die Massen derart in Verzückung versetzen kann, dass sie selbst im Moment der eigenen Verhackstückung nicht blicken, dass gerade ihr letztes Momentlein angebrochen ist.
- Unsere Boys are back in town und wollen es mal so richtig auf dem Jahrmarkt krachen lassen. Was sie nicht wissen: 1. Das durch den Frostreiter pervertierte Nymphengefolge ist gerade im Begriff, die letzten Vorbereitungen für das Schlachtfest abzuschließen. 2. Das nicht pervertierte Gefolge der mittlerweile ob ihrer Torheit verzweifelten Nymphe hält vor Ort Ausschau nach einigen Reckinnen und Recken, die tugendhaft genug sein mögen, um das Schlimmste doch noch zu verhindern. Tatsächlich kann man auf dem Jahrmarkt seine Tugend mehrfach unter Beweis stellen, indem man Kinder aus Maschinen rettet, zu garstige Zuhälter vermoppt, einen verfrostreiterten Minotauren unschädlich macht, eine Gruppe von Feen schon Gefangenen befreit etc, etc, etc.
- War man tugendhaft genug, dann bittet die Nymphe zur Audienz und um Hilfe gegen den Frostreiter. Als Hilfe gibt es a) den Power Punsch, der einen immun gegen das Artefakt werden lässt; b) die Info, dass man den im Hintergrund agierenden Frostreiter erst ausreichend reizen muss, damit er den Jähzorn bekommt und die lästigen Pathfinder eigenhändig vermoppen will – ein grober Fehler für einen jeden Bösewicht; c) die Info, dass Trauermöppels besserer Hälfte Seele in einem anderen Artefakt gefangen ist, ebenfalls im Besitz des Frostreiters. Währenddessen beginnen die Schlachtarbeiten auf dem Jahrmarkt. Die Bürger peilen es ja nicht und lassen sich munter durch die todbringenden Attraktionen bespaßen. (Feen haben es gern verspielt, daher stellen sie das ganze Töten in einen passenden Rahmen.)
- Unsere Pathfinder legen nun eine Gegenschlachtung, um das eigtle Schlachten an weiterer Ausbreitung zu verhindern. Sobald dabei ein gewisser Erfolg erzielt worden ist, bekommt der Frostreiter kalte Füße und schickt seinen völlig unzuverlässigen Spion, um personenbezogene Daten der Pathfinder einzuholen. Der Spion hat freilich trotz Verbots das Seelenartefakt bei sich, was ihn wahrscheinlich zum neuen Primärziel unserer Pathfinder macht. Schließlich lässt sich darüber ein Ex-Pathfinder auf die eigene Seite ziehen.
- So oder so kriegt der Frostreiter schließlich die Krätze, falls die Pathfinder mit ihrer liederlichen Sabotage erfolgreich genug sein sollten. Er will sie vermoppen und bekommt sicherlich so ordentlich Kloppe, dass er sein unheiliges Leben aushaucht und der Spuk ein Ende nimmt.
Ich muss korknadel warnen, dass ihn beim Lesen des Abenteuers Übelkeit überkommen könnte: Er muss ja schon
Hexenreigen immer wieder entkräftet aus den Händen gleiten lassen, dabei finde ich die sprachlichen, stylistischen Mängel in Jahrmarkt der Tränen deutlich ausgeprägter, das beginnt bei der Kommasetzung und endet bei mE verqueren Bildern und Ausdrucksweisen (und sei es bloß in wörtlicher Rede). Hinzu kommt, dass ich lange benötigt habe, um das Abenteuer zu verstehen. Denn es werden an diversen Stellen Infoschnipsel versteckt, die erst einen Sinn ergeben, wenn man wirklich den gesamten Text durchgelesen hat. Tja, und wo würde man eine hinreichende Übersicht zu Vorgeschichte und Abenteuerverlauf erwarten? In den Kapiteln Vorgeschichte und Abenteuerüberblick natürlich! Aber entweder habe ich wirklich Tomaten auf den Augen und muss einen Kurs für angeleitetes Lesen für Senioren besuchen, oder aber diese beiden wirklich essentiellen Kapitel sparen wichtige Information absichtlich (Spannung beim Lesen!) oder unabsichtlich (Vergurken beim Schreiben!) aus. Und ehrlich gesagt habe ich bis heute nicht verstanden, wofür der Frostreiter und die ulkige Feenkönigin im Hintergrund Rache an der verderbten Holzfällerstadt nehmen wollen. Mag sein, dass derlei in irgendeinem Setting-Band steht, im Abenteuer steht es nicht. (Aber wie gesagt: Ich weiß zur Not, wo ich meinen Kurs besuchen muss.)
Das liest sich nun alles gar nicht gut. Und ich habe zusätzlich Kritik an der Umsetzung von Punkt 4 (Sammeln von Tugendpunkten). Das Abenteuer generiert einige Situationen, in denen die Pathfinder tugendhaft glänzen können, und vergibt dafür jeweils max 5 Tugendpunkte. Wenn die Gruppe vor dem Einsatz des Verzückungsartefakt auf mindestens 11 Punkte kommt, lädt die Nymphe zur Audienz. Joa, gut, dass eine abstrakte Punktewertung angewandt wird, damit kann ich eigtl gut leben. Aber da die Pathfinderlein ja unbedingt Gelegenheiten bekommen müssen, sich gerecht und hilfsbereit zu zeigen, wirken die dazu hergestellten Gelegenheiten doch etwas sehr gezwungen. Jede Gelegenheit wartet darauf (ausgenommen die mit dem Minotaurus), genau dann zu zünden, wenn die „Helden“ anwesend sind. Das ist eine dramaturgische Entscheidung – hoffentlich überstrapaziere ich den Dramaturgie-Begriff nicht – und dagegen habe ich grundsätzlich gar nichts, wenn maßvoll eingesetzt. Hier aber ist mir da zu viel des Guten und daher deutlich unelegant gelöst. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, die Tugendhaftigkeit auf eine andere Weise zu prüfen. Etwa: Nicht die nackte Nymphe lädt sorgsam und allzu lang geprüfte Abenteurer schüchtern zu ihrer Audienz, sondern die Abenteurer können Wind von gewissen Überwerfungen auf Feenseite bekommen und daraufhin optional versuchen, die schuldige Nymphe zu einem Entgegenkommen zu überreden oder sie dazu zu zwingen. Dass daran weitere Änderungen hängen, ist klar.
Der Body Count unter den Bürgern ist übrigens enorm. Der Zähler schnellt hier so schnell hoch, als würde jemand beim türkischen Glücksrad ein „ü“ nehmen: Ding-ding-ding-ding-ding-ding … Wie viele Leben an welcher der Attraktionen in welcher Zeit über die Klinge springen, ist mit System festgelegt. Die Abenteurer können dieses System natürlich negativ beeinträchtigen, dafür sind sie ja da. Das ist etwas makaber, stellt aber eine gute Mechanik dar. Denn es macht für den Nachklang des Abenteuers einen Unterschied, wie viele Personen sterben werden. Wenn die Spieler also den Schlendrian walten lassen bei ihren Versuchen, den Plan des Frostreiters zu vereiteln, dann wurden zwar immerhin doch etliche Leben geschont, aber bspw wird die Siedlung dennoch dem Untergang anheimfallen.
Grundsätzlich kann ich mir dieses Szenario gut, naja, einigermaßen gut für Splittermond vorstellen, dort angesiedelt in Tir Durghachan, das ebenfalls in der nördlichen Hemisphäre liegt und einen den Alltag durchdringenden Feenreichbezug hat. (Die Schöne Familie als latente Gefahr für die Lebenden.) Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail. So finde ich – und ich glaube, das ist mein grundsätzliches Problem mit Pathfinder – das Setting in sich unstimmig. Oder anders formuliert: Wo das amerikanische Numenera-System den Hintergrund mit Methode mit zueinander unpassenden Details vollstellt, da wirkt Pathfinder einfach nur amerikanisch: Ein buntes Potpourri, alles steht irgendwie nebeneinander, ob es sinnvoll ist oder nicht. Im konkreten Fall bezweifle ich erstens, dass der Fortschrittlichkeitsgrad einiger Jahrmarktsattraktionen zum Rest des Dargestellten passt, zum anderen weiß ich, dass jener Grad für eine offizielle Splittermond-Publikation zu hoch wäre (Stichwort: lorakische Stimmigkeit). Einmal ganz abgesehen davon, dass ich manche organisatorische Herangehensweise des Jahrmarkts für etwas zu modern halte. Wenn ich aber erst einmal daran gehe, solche Details wie einzelne Attraktionen an den anderen Hintergrund anzupassen, dann wird der Migrationsaufwand schnell so hoch, dass ich mir lieber gleich ein eigenes Szenario der Marke „Jahrmarkt wird von Schöner Familie bedroht“ ausdenke.