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Fear Itself 2nd Edition
Chiarina:
Heute abend gab´s unsere zweite Fear Itself Runde. Wir sind mit dem Demo-Oneshot immer noch nicht durch, der Spielbericht folgt daher später. Hier ein paar Facetten:
Gegen Ende der Sitzung wurde ein Psychiater besucht und befragt. Während der Unterhaltung wurde einer der Charaktere von einem übernatürlichen Wesen besessen und wollte den Psychiater umbringen. Dabei gab es folgendes Problem: Die außerdem noch anwesenden zwei Charaktere haben natürlich versucht, den besessenen Charakter von seinem Tun abzuhalten. Dabei haben sie abwechselnd versucht, den Besessenen festzusetzen und - als das nicht sofort den erwünschten Erfolg brachte - auf ihn eingeschlagen. Für das Festsetzen habe ich erstmal einen Athletics Contest verlangt. Das bedeutet: Abwechselnde Erfolgswürfe, der erste, dem der Wurf misslingt, verliert. Das Problem war nur: Nach zwei Erfolgen auf beiden Seiten merkten die Spieler, dass das ziemlich viele Poolpunkte kostet. Daraufhin wollten sie es anders versuchen: Mit Schlägen gegen den Besessenen. Der Contest war zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht entschieden. Sollte ich ihn nun abbrechen und in einen Nahkampf übergehen? Ich habe mich dafür entschieden. Dann kam der Angriff und die Spieler realisierten, dass es keine aktive Verteidigungsoption gibt. Das tat weh, insbesondere, weil man hier auf einen Mitkumpanen einhieb. Also wieder zurück zum Festsetzen. Ächz... dieses Aktionenhopping fand ich nicht einfach... und ich glaube, es liegt daran, weil der Contest eine Entscheidung bringt (kann ich den Gegner so festhalten, dass er nicht mehr handeln kann?), aber potentiell viele Würfe benötigt. Wenn sich diese Mechanik dann mit dem flotten Kampfsystem abwechselt, rumpelt es ziemlich, so war zumindest mein Eindruck.
Ansonsten liebe ich das System für seine Ausrichtung auf dramatische Momente. In der obigen Situation war es beispielsweise wichtig zu wissen, wann die Besessenheit endet. Im Beispielabenteuer heißt es zu dieser Frage: "Teller [der Verstorbene, dessen Geist den Charakter in der Szene übernimmt] provides temporary Athletics, Scuffling, and Weapons pools of 6 points each to his host; the possession ends when any of those pools is depleted, or when the GM thinks the scene has been milked for all its horrific potential." Das Problem hierbei war, dass die Spielerin des Besessenen begriffen hat, dass das Ausgeben von Punkten ihre Angriffsfertigkeiten verbessern - diese richten sich allerdings während der Besessenheit gegen ihre Verbündeten. Sie hat deshalb fast gar keine Punkte ausgegeben... wie soll dann aber ihre Besessenheit enden? Ich war in diesem Moment froh über den Zusatz "[...] when the GM thinks the scene has milked for all its horrific potential." Nach einem Schlag mit einem schweren Buch auf den Schädel rutschte die Health des Charakters unter 0 und ich entschied, dass damit auch die Bessenheit endete.
Meine Spieler fanden die Runde heute nicht schlecht. Woran könnte das liegen? Die Charaktere des Beispielabenteuers sind in Sachen Kampf ziemlich defizitär ausgestattet. Es gibt eigentlich nur einen richtigen Kämpfer. Dadurch fällt ein relativ großer Anteil des Spiels auf den investigativen Bereich... was meine Spieler offensichtlich mögen. Auch das Gefühl, relativ schnell vorwärts zu kommen, stellte sich ziemlich schnell ein. Interessant fand ich auch, was meine Spieler ohne große Probleme geschluckt haben: da wären besonders die Refresh-Zeiten und der Schaden im Kampf zu nennen. Nach zwei Sitzungen finden meine Spieler das System einfach nur "interessant". Das hatte ich auch schon ´mal schwieriger.
Scimi:
Kenne jetzt weder das Abenteuer, noch Fear Itself. Aber habe ich das richtig verstanden, dass der Spieler des Besessenen selbst entscheidet, wie und ob er seine Poolpunkte ausgibt?
Und wenn der Geist den NSC umbringen will, dann würde ich in einem Horrorspiel erwarten, dass er das mit allen Mitteln versucht und ohne Rücksicht auf den Wirtskörper Kugeln fängt und Hiebe einsteckt, während er nicht von seinem Opfer ablässt. In dem Fall kann man seinen Kollegen tatsächlich nur krankenhausreif schlagen (Stability Check!).
Das Überwältigen ist definitiv die nettere Methode, da ist es ok, wenn das Punkte kostet. Dafür sollte es aber auch relativ flott gehen, denn der Besessene kann sich ja nur für 2 Runden sichere Erfolge kaufen, weil danach sein Pool von 6 erschöpft wäre.
Chiarina:
--- Zitat von: Scimi ---Aber habe ich das richtig verstanden, dass der Spieler des Besessenen selbst entscheidet, wie und ob er seine Poolpunkte ausgibt?
--- Ende Zitat ---
Ja, das stimmt. Es gibt nur eine vorgegebene Motivation: Der besessene Charakter will den Psychiater verletzen bzw. töten (im Abenteuer heißt es etwas konkreter, dass der Charakter ein Glas zerbricht und versucht mit den Scherben dem Psychiater das Gesicht zu zerschlitzen. Wie das geschieht, insbesondere wann er dafür wie viele Punkte ausgibt, bleibt dem Spieler überlassen).
Und es ist völlig richtig: Das, was da geschehen ist, war nicht unbedingt "mit allen Mitteln" und als Spielleiter hätte ich insistieren können. Nur: Wenn der Spieler schon einen Rest an Entscheidungsfreiheit besitzt, dann widerstrebt es mir, ihm im Folgenden zu sagen: "Nein, du gibst jetzt aber doch alle Poolpunkte schon in den ersten Wurf" (o. ä.).
Das "flotte Überwältigen" ist eben leider auch ein bisschen Interpretationssache. Siehe "Contest": wie lange dauert es, bis so ein Contest entschieden ist? Wir haben einfach nach jedem Wurf erzählt... und dann reichten die beschriebenen Aktionen schon dafür, eine gewisse Dauer anzunehmen. In meinen Augen war´s dann auch sinnvoll, zwischendurch ´mal ´was anderes auszuprobieren (Stability Check haben wir übrigens gemacht).
Wie wir´s gespielt haben, ist noch nicht ganz ausgereift, denke ich. Ich nehme ´mal an, da stellt sich irgendwann eine bewährte Vorgehensweise ein. Das war unser allererster Kampf mit Fear Itself, einfach ´mal abwarten.
Scimi:
Ich habe Spieler, die sehr gern mal NSCs übernehmen und sich dann überhaupt nicht zurücknehmen oder die Interessen ihres Charakters und der Gruppe beachten. Ich hätte in dem Fall wahrscheinlich den Spieler nicht informiert, dass die Besessenheit endet, wenn die zusätzlichen Punkte verbraucht sind - ich vermute, das Ergebnis wäre sehr kurz, aber spektakulär verlaufen...
Bei einem Contest ist auch die Frage, ob in der Situation alle Spieler würfeln sollten, oder ob sich die Spielergruppe eher über die "Cooperation"-Regeln koordinieren sollte - dann hat man einerseits den Vorteil der Überzahl, andererseits ist das mit dem Würfeln übersichtlicher. Bzw. lasse ich gar nicht würfeln, wenn der Spend zu 100% ausreicht, die Schwierigkeit zu schlagen.
Der Besessene würde in der 1. Runde vielleicht 3 Punkte investieren, um 100%ig im Spiel zu bleiben. Aber bei der zweiten Probe müsste er 1 Punkt zurückhalten, um besessen zu bleiben, damit hätte er 2 Punkte zu geben und damit 83% Chance, die zweite Runde zu überstehen. Seine Chance für 3 Runden liegt bei 41%, für 4 bei 21%, für 5 bei 10%, dann 5% usw., das heißt, seine Aussichten schmelzen doch recht schnell zusammen. Wenn die SCs lange genug die Punkte aufbringen können und wollen, ist ein Sieg praktisch garantiert.
Natürlich ist es GUMSHOE und die Spieler müssen sich überlegen, ob sie ihren Charakter in der Situation wirklich alles geben lassen oder doch irgendwann die Würfel entscheiden lassen und vielleicht scheitern - das schön hinzukriegen ist ja ein bisschen die Kunst daran...
Kämpfe haben meine Spieler bei Trail of Cthulhu inzwischen hassen gelernt - es ist einfach zu unvorhersehbar, was passiert, selbst wenn man konsistent Treffer landet, ist kein Schaden garantiert, während er manchmal viel zu hoch ausfällt und es gibt auf Verteidigerseite keine Chance, ihn zu vermeiden. Selbst relativ sichere Situationen (Gegner mit gezogener Waffe bedrohen -> 3facher Schaden) sind durch den Schadenswürfel sehr unvorhersehbar. Wenn der selbstmörderische Kultist auf mich losgeht, könnte ich ihm einerseits mit 18 Punkten Schaden den Kopf wegblasen (Stabily Test!) oder ihn mit 3 Punkten Schaden nur streifen, bevor er mir an die Gurgel geht (Stability Test!). Und beides ist nicht, was ich will, wenn ich den Kerl eigentlich "festnehmen" und verhören will...
Für ein Horrorspiel finde ich das optimal, weil Kampf damit praktisch als verlässliches Werkzeug zur Problemlösung wegfällt und Kämpfe als unkontrollierbare Gefahrensituation, in der alles passieren kann und der Würfel entscheidet, nach Möglichkeit gemieden werden.
Chiarina:
--- Zitat von: Scimi ---Ich hätte in dem Fall wahrscheinlich den Spieler nicht informiert, dass die Besessenheit endet, wenn die zusätzlichen Punkte verbraucht sind.
--- Ende Zitat ---
Das habe ich übrigens auch nicht getan. Die Spielerin des Besessenen hatte ja ein Interesse daran, dass ihr Charakter möglichst nicht so schrecklich viel Unheil anrichtet. Daher gab sie fast gar keine Punkte aus... und blieb als Konsequenz ziemlich lang besessen.
--- Zitat von: Scimi ---Bei einem Contest ist auch die Frage, ob in der Situation alle Spieler würfeln sollten, oder ob sich die Spielergruppe eher über die "Cooperation"-Regeln koordinieren sollte.
--- Ende Zitat ---
Ich habe gerade mein Fear Itself Regelwerk nicht zur Hand, bin aber unsicher, ob es die Cooperation-Regel dort überhaupt gibt. Aber nehmen wir mal an, es verhielte sich wie in Night´s Black Agents. Auch dann bin ich nicht sicher, ob ich auf cooperation zurückgegriffen hätte. Das liegt an der konkreten Situation, die ich vielleicht doch noch ein bisschen genauer schildern muss:
Anwesend waren der besagte Psychiater (NSC) und drei Charaktere. Einer von ihnen ist der Besessene (ein Student). Die beiden anderen sind ein Kriegsveteran (der einzige richtige Kämpfer der Gruppe) und eine Journalistin. Die Journalistin ist ständig auf der Suche nach der nächsten dicken Story - und die Spielerin hat das bisher auch ziemlich konsequent ausgespielt. Als plötzlich ein dunkler Schatten sichtbar wurde, der um den Studenten herumwaberte, dieser dann sein Wasserglas am Tisch zerbrach und auf den Psychologen losging, reagierten die beiden anderen anwesenden Charaktere unterschiedlich. Der Veteran ging in den Nahkampf und versuchte den Besessenen von seinen Angriffen gegen den Psychiater abzuhalten, die Journalistin machte aber erstmal ein paar spektakuläre Fotos von dem Geschehen. Erst später mischte sie sich in den Kampf ein, indem sie ein schweres Buch aus dem Regal nahm und dem Besessenen zweifach über den Schädel zog. Zu diesem Zeitpunkt wäre cooperation vielleicht denkbar gewesen, da es bei dem Angriff mit dem Buch aber eigentlich nicht darum ging, den Besessenen bewegungsunfähig zu machen, habe ich das nicht in Betracht gezogen.
--- Zitat von: Scimi ---Kämpfe haben meine Spieler bei Trail of Cthulhu inzwischen hassen gelernt (...)
--- Ende Zitat ---
Für Fear Itself und Trail of Cthulhu ist das sicherlich richtig, was du da schreibst. Bei Night´s Black Agents sieht´s vielleicht ein wenig anders aus. Ziemlich spannend, wie mit demselben Regelkern beide Möglichkeiten angesteuert werden. Und ich vermute mal, so richtig überzeugend wird das bei Night´s Black Agents auch erst, wenn man die Sondermöglichkeiten des Systems relativ gut kennt... ich arbeite daran!
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