Das Tanelorn spielt > Albtraum in Norwegen
DIE GESCHICHTE BISHER
Der Läuterer:
WITIKO f. (Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Die Gruppe Wölfe läuft auf Matilde zu, an ihr vorbei und stürzt sich dann auf das verletzte Pferd, während der schwarze Wolf in die andere Richtung läuft.
Der Weg des Tieres ist erstaunlich gradlinig. Immer in Richtung Osten. Der Marsch durch den hohen Neuschnee ist beschwerlich und ein langwieriger Kampf gegen Eis, Schnee, Wind und Kälte. Schliesslich setzt eine Dunkelheit ein, die nichts aussergewöhnliches an sich zu haben scheint. Es wird eine sehr kalte, klare Nacht werden...
Matilde: Sobald die Dunkelheit eintritt werde ich nervös. Sehr nervös. Denn ich kann nichts mehr sehen. Ich laufe dem Wolf hinterher, solange ich ihn noch sehen kann. Ich muss doch einen Platz finden, wo ich rasten kann... obwohl, die Lodge sollte in dieser Richtung liegen.
Ich schaue hektisch immer nach links und rechts, halte John im Anschlag und konzentriere mich auf mein Gehör.
Der Wolf verringert den Abstand zum Menschen, damit Matilde ihm besser folgen kann. An einer grossen, ausladenden Tanne bleibt der Wolf stehen. Die tiefhängenden Äste sind verschneit und von Schneewehen umgeben. Der Wolf beginnt zu scharren. Nach einigen Minuten ist ein Loch in die Schneewehe gegraben... Der Wolf schubst Matilde an und beginnt zu fiepen.
Matilde: Ich schaue ihn etwas verdutzt an. Dann schaue ich auf das Loch. Und dann wieder ihn an. "Soll ich... da rein? Willst Du... hier Rast machen?" Ich beuge mich langsam vor und versuche mich so hinzusetzen, wie es am bequemsten für mich ist. Noch einmal schaue ihn an.
"Ich sollte zurück zur Lodge gehen..." flüstere ich noch. Heute ist doch die längste Nacht des Jahres. "Was meinst Du?" Ich streichele ihm den Kopf.
Ein Blick in das Loch hinein bringt nur Dunkelheit mit sich, verspricht aber auch eine gewisse Behaglichkeit. Die Schneewehen enden ca. zwei Meter vor dem Stamm. Der Boden federt, denn er ist dick mit Tannennadeln bedeckt und absolut trocken. Sie schützen vor der Kälte des Bodens. Die weit ausladenden Äste bilden ein natürliches Zeltdach und schützen vor dem schneidenden Wind. Der Unterschlupf ist eine natürliche Mischung aus Zelt und Iglu. Erneut zieht ein Sturm auf. Und er bringt klirrende Kälte mit. Ein Wetter, bei dem man gerne einen behaglich knisternden Kamin sein Eigen nennen möchte.
Matilde "Na gut..." sage ich perplex. Aber was kann ich auch sonst machen. Es ist stockdunkel und ich kenne den Weg zurück nicht. Ich ziehe die Decken aus dem Rucksack und lege das Gewehr auf den Boden. "Lass mal sehen, was mit Deiner Wunde ist." Mit diesen Worten nähere ich mich ihm. Ich nehme das Fleisch aus dem Rucksack und halte es ihm hin.
Der Wolf schnüffelt und stubst das Fleisch mit der Nase an, frisst es aber nicht. Dann schnüffelt er an Matildes Hand und beginnt nach einigen Minuten ihre Hand zu lecken. Dann legt er sich auf die linke Seite und schnauft.
Matilde: Ich nehme das Feuerzeug und mache mir Licht. Dann schaue ich mir die Wunde an. Es ist tief aber die Kugel scheint nicht steckengeblieben zu sein. Ein glatter Durchschuss. Die Blutung hat inzwischen fast aufgehört. Ich seufze. "Ich versuche eine Bandage zu machen. Va bene!" [Meinetwegen.] sage ich mit ruhiger Stimme.
Ich ziehe meinen rechten Arm aus dem Wintermantel und nehme das Messer... nein den seltsamen Dolch, der Hans gehört hatte. Damit schneide ich einen Teil meines Pullis ab. Dann ziehe ich mich wieder an. Ich lasse ein bisschen Speichel auf das Stoffstück tropfen, um die Wunde zu desinfizieren und versuche daraus eine Bandage zu machen, um die Blutung endgültig zu stoppen. Der Wolt fiept und das tut mir zum ersten Mal fast körperlich weh. Normalerweiser würde ich als Jäger dieses Geräusch sogar mögen. Verdammt. Was mache ich gerade? denke ich, während ich ihn weiter untersuche. Sein Ohr blutet auch. Ist ja nicht schlimm, aber sicherlich schmerzhaft. Ich nehme Luni's Kopf vorichtig in meine Hände und schaue ihm in die Augen. "Mi dispiace, Luni" [Es tut mir leid] sage ich traurig.
Verdammt, du entschuldigest nicht bei einem Wolf? Bei einer Beute? denke ich. Warum nicht? Das habe ich auch bei Hans gemacht. sagt mir mein Gewissen plötzlich. Mein Magen verkrampft sich.
Ich lasse noch etwas Speichel in die Hand tropfen und reibe damit die Wunde am Ohr ein.
Dann nehme ich die Decken, lege mich nah neben ihm hin und decke uns beide zu.
Ich kuschele mich unter den Decken an Luni und weine. Ich schluchze laut. Heule mit dem Wind und lasse alles raus. Zum ersten Mal... ndlich. Niemand kann mich hier hören, denn der Schneesturm deckt mein Leid zu. Vielleicht begleitet er mich sogar in meinem Schmerz.
Der Wind heult fauchend um das Iglu herum und bringt die Tanne zum Beben. Sie schwankt hin und her. Die Äste rauschen und reiben aneinander.
Der schwarze Wolf liegt entspannt auf den Tannennadeln. Seine Augen sind geschlossen, doch seine Ohren sind ständig in Bewegung und aufmerksam.
Matilde liegt mit ihrem Kopf auf dem atmenden Wolfspelz und heult schluchzend ihren Schmerz heraus. Dann hebt das Tier seinen Kopf und stösst ein kurzes, leises Heulen aus, als wolle es einen Pakt besiegeln oder seine Zugehörigkeit unterstreichen. Im Wald bricht derweil die Hölle los. Der eisige Wind peitscht die Bäume, zerrt an den Ästen, wirbelt Schnee auf und Äste umher.
Binnen kürzester Zeit ist das Eingangsloch des Unterschlupfs geschlossen und von aussen für alle Augen unsichtbar. Das Dach aus Schnee und Zweigen ist dicht, aber luftig und die Temperatur im Inneren ist, duch die Wärme der beiden Körper bald auf knapp über Null Grad angestiegen. Fast könnte man meinen, dass all die Gefahr und das Grauen verschwunden sind. In dieser heimeligen Atmosphäre im Unterschlupf.
Matilde: Ich streichele Lunis Fell, um mich zu beruhigen. Dann schaue ich die Uhr, die Taschenuhr von Hans, die ich noch aus dem Zug habe. Der Tiger ist tot. Nehmen sie sich alles. 15.50. Immer noch. Die Zeit dehnt sich fast unendlich.
Ich stehe auf und nehme ein bisschen frischen Schnee und esse ihn. Immerhin, das ist wie trinken, aber meine Platzwunde am Mund brennt dabei leicht. Dann esse ich ein wenig Brot und Käse, aber nicht alles. Nur etwa die Hälfte. Heute ist Thomasnacht. Heute Nacht fängt die Wilde Jagd an? Oder doch noch nicht? Ich bin aber sicher, dass dies die erste Nacht aud dem Zettel war.
Wird jemand merken, dass ich noch nicht zurück bin? Ich weiss, dass Rick und die andere in die Stadt gefahren sind und wahrscheinlich erst gerade zurück kommen. Wird mich überhaupt jemand vermissen oder mich suchen? Heute ganz bestimmt nicht mehr.[/i]
Ich habe noch drei Patronen für John und die Pistole ist noch voll geladen und die Ersatztrommel habe ich auch noch. Holz habe ich, auch wenn ich es nicht benutzen werde. Zumindest noch nicht. Nachdem ich alles kontrolliert habe, nehme ich die zweite Decke und rolle sie zu einem Kissen zusammen. Dann lege ich mich wieder neben Luni. Ich schaue das Tier bewundernd an und streichele ihm über den Kopf.
"Du bist ein schönes Tier" sage ich. "Schön, Dich bei mir zu haben."
Der Wolf hebt kurz den Kopf, leckt einige Male Matildes Hand und liegt dann wieder, ruhig atmend, neben ihr. Ein kurzes Schnauben, dann hört man nur noch das Wüten des Windes. Draussen. Entfernt. Ganz weit weg. In einer anderen Welt. Zu einer anderen Zeit. Völlig der Realität entrückt.
Matilde: Ich konzentriere mich auf den Sturm draussen, höre seinem Wüten zu und versuche so ruhig zu bleiben wie es geht.
Der Sturm wirbelt ohne Unterlass. Odin, der Herr der Toten und Stürme zieht über das Land und am Himmel entlang. Es sind fürchterliche Geräusche zu vernehmen, als würde ein Heer der Toten über das Land ziehen. Eine Kakophonie aus Fauchen, Schreien, Johlen, Heulen, Jammern, Ächzen und Stöhnen.
Der Wolf rollt sich auf den Bauch, hebt leicht den Kopf an und beginnt, ein tiefes Knurren von sich zu geben.
Matilde: Ich bekomme eine Gänsehaut. Ich hebe auch den Kopf an und greife nach John.
Mit meiner anderen Hand greife ich nach diesem Odin-Medallion, das mir Olaf geschenkt hatte. Ich kann es nicht anschauen, weil es zu dunkel ist, aber das macht nichts. Ich halte es in meiner geschlossenen Hand eine zeitlang ganz fest. fest, Dann starre ich in die Dunkelheit hinein.
"Tranquillo, Luni. Shhhhh!" [Ruhig.] flüstere ich so leise wie ich nur kann. Ich versuche mich zu beruhigen und meine Angst zu kontrollieren. Ich konzentriere mich voll und ganz auf meinen Hörsinn. Bei all der Anspannung stockt mir der Atem.
Geraume Zeit ist vergangen, seitdem Matilde sich zuletzt bewegt hat. Wie erstarrt lauscht sie den namenlosen Schrecken, die an ihr vorüberzogen, ohne dass sie diese zu Gesicht bekommen hätte. Sie muss schliesslich wohl eingeschlafen sein.
Der Wolf knurrt. Ein tiefes, kehliges Grollen, dass den Körper des Tieres erzittern lässt, aber recht leise ist. Jemand oder etwas gräbt an der Aussenseite des Unterschlupfes. Nicht direkt am Eingang, sondern seitlich davon und weiter oben. Langsam und sehr beharrlich. Gurgelnde Laute, eine Art fremdartige Sprache, sind zu hören. Der Sturm hat anscheinend nachgelassen. Das Brausen ist verstummt. Noch immer ist es stockfinstere Nacht und die Kälte hat seit kurzem noch erheblich zugenommen.
Matilde: Ich nehme John in die Hände und schreie "HVEM ER DET?" [Wer ist da?] Verdammt, das kann doch niemand wissen, dass ich hier bin. denke ich, während mein Herz schneller schlägt.
Eine bekannte Stimme ist zu hören "Andra tutto bene, amore mio!" [Alles wird gut, mein Liebling.] Dann ist das Loch gross genug. Im fahlen Mondlicht kann Matilde Hans' Gesicht sehen. Er hat sein freches, beleidigendes Grinsen im Gesicht. Er reicht Matilde die Hand. Eine eisige Kälte geht von ihm aus und weht in den Unterschlupf hinein. Der Wolf fängt laut zu knurren an. Sein Fell ist gesträubt, die Ohren angelegt und die Zähne gefletscht. Hans "Andra tutto bene, animo mio." [Alles wird gut, meine Seele.]
Matilde: Ich starre Hans einen Moment voller Entsetzen an. Das kann nicht sein. Der Tiger ist tot. "Du bist tot..." hauche ich. Dann nehme ich John und ziele auf den verschneiten Eingang. Und ich schiesse. Eine weisse Explosion folgt und frischer, eisiger Schnee sprizt überall herum.
"LAAAUF!" schreie ich verzweifelt dem Wolf zu. Verzweifelt und kopflos, ohne mich umzudrehen, renne ich raus. Ohne Ziel. Nur weg von hier.
Matilde läuft und läuft. Überall sind Menschen. Tote Menschen. Es ist kein Herde. Mehr einzelne, einsame Gestalten, die verschneit, mit leerem Blick, in ein und dieselbe Richtung ziehen. Immer Richtung Osten. Eine dieser Gestalten ist Olaf... Sie alle schlurfen und pflügen durch den Schnee. In Abständen von zehn bis zwanzig Metern zueinander. Langsam. Schleppend. Ruhelos. Doch sie nehmen keine Notiz von Matilde.
Der untote Hans kommt Matilde entgegen. Er ist nackt. Nein. Er ist nicht nackt. Er trägt die Haut eines Menschen wie einen Mantel. Das Blut daran ist noch frisch und müsste gefroren sein, aber es tropft in dickflüssigen Rinnsalen an ihm herunter. Nein. Das Blut fliesst in Strömen an ihm herab. Und aus ihm heraus. "Du hast mich umgebracht. Du hast mich getötet. Du HASST mich!"
Sein Gesicht zeigt immer noch das freche, beleidigende Grinsen. Doch er grinst nicht. Ihm fehlen die Lippen und Teile der rechten Wange. Der Rest der Haut ist ausgefranst und scheint zum Teil abgefressen zu sein.
Und wie ein interessierter Beobachter schwebt der fahle Mond über der Szenerie.
Hinter Hans nähert sich eine grosse Kreatur. Vielleicht sechs Meter gross. Vielleicht auch grösser. Zwischen den Bäumen und in dem Schneetreiben ist sie kaum zu sehen. Schemenhaft. Und dennoch ist sie da. Man kann ihre blanke Präsenz fast körperlich greifen. Eine sich manifestierende Dunkelheit in finsterster Nacht.
Matilde: Ich lade hektisch John nach. Das sind die letzten zwei Patronen. "Zittere nicht so stark, Matilde, sonst wirst du nie eine gute Jägerin sein." Ich ziele erst auf Hans, dann auf die schemenhafte Kreatur hinter ihm. Dann wieder auf ihn. "Verdammt..." Hans ist tot... soll ich auf einen Toten schiessen? Was soll das bringen? Ich ziele wieder auf die schemenhafte Kreatur. Dann drücke ich ab.
Dann zeichnet sich die Kreatur deutlicher und immer deutlicher ab, bis sie klar und deutlich zu erkennen ist.
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Matilde: Als ich diese Kreatur sehe, schreie ich vor Entsetzen laut auf und schrecke zurück. Dann drehe ich mich um und laufe davon. Einfach nur davon. Ich werde sterben. Ich sterbe. Vielleicht bin ich sogar schon längst tot. denke ich. 'Ist das nicht was du wolltest?' sagt eine freche Stimme, in meinem Kopf. "Nicht so. Nicht als Beute." sage ich leise zu mir selbst, während ich renne und den Schnee durchpflüge. "NON COSÌ!" [So nicht!] wiederhole ich laut, um mich selbst irgendwie davon zu überzeugen, dass das nicht das Ende sein wird.
Die grosse, widerliche Kreatur ist langsam, aber ihre Schritte greifen weit. Im Nu hat sie Matilde überholt und steht nun vor ihr. Matilde sieht Ragnar, der ihr langsam entgegen schlurft. Sein Schädel ist eingeschlagen, so dass man sein Gehirn sehen kann. Er ist blutverkrustet. Ein Auge hängt heraus und das schaut mit leerem Blick geistlos durch Matilde hindurch. Aus Ragnar's Brust ragt ein dicker, abgebrochener Ast einer Tanne heraus.
Matilde: Ich bleibe atemlos stehen. Dann hebe ich John und schiesse meine letzte Patrone auf die Kreatur ab. Dann lasse ich John in den Schnee fallen, ohne darauf zu achten, ob und wo ich getroffen haben könnte und hole die Pistole heraus. Ich ziele auf Ragnar. Meine Hand zittert.
Die Kreatur nähert sich. Langsam. Höhnisch. Erwartungsvoll. Gierig. Hungrig. Kaltes Feuer lodert in ihren Augen. Bösartig. Unmenschlich. Mordlustig. Das Ding streckt die Zunge aus und deren Spitze berührt Matilde an der Wange. Eisige Kälte geht von dieser Berührung aus und lässt Matilde erschaudern.
Matilde: Ich kneife die Augen zusammen und schiesse auf das Ding, bis alle 32 Patronen aus der Trommel abgefeuert sind. Doch ich weiss ganz genau, dass das nichts bringen wird. Und so hole ich, mit der letzten Kraft, die mir aus einer Mischung aus Todesangst und Verzweiflung erwächst, den Dolch heraus.
Der schwarze Wolf fiept, als die ekelhafte Zunge der Kreatur eiskalt über Matilde's Gesicht gleitet. Das Ding riecht nach verwesendem, fauligem Fleisch und das Ding verändert seine Form. Es verliert an Substanz. Es wird schemenhaft. Durchsichtig wie das Eis. Und weiss, wie der Schnee.
Matilde: Ich gehe zwei Schritte zurück und schaue mich um. Ich versuche vor allem das Ding und die Toten im Auge zu behalten. Ragnak, Olaf und Hans... Und ich halte den Dolch so fest wie ich nur kann und mache mich bereit...
Der Läuterer:
WITIKO ff. (Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Wieder ist das Fiepen des Wolfes zu hören. Die, über Matilde's Gesicht leckende, Zunge ist nun warm und weich. Fürsorglich und freundlich.
Matilde: Ich berühre entsetzt meine Wange und weiche zurück. Dann drehe ich mich um und renne so schnell ich kann, ohne mich umzudrehen. Tränen der Panik fliessen. "Das ist ein Alptraum, weiter nichts."
Matildes Beine bewegen sich. Sie bewegen sich, als wären sie aus Blei. Langsam. Sehr langsam. Wie in Zeitlupe. Ihre Füsse scheinen am Boden festgefroren zu sein. Wieder und wieder leckt die lange Zunge über Matildes Gesicht. Immer wieder. Das Fiepen des Wolfes ist jetzt noch lauter.
Matilde strampelt mit den Füssen. Ihre Arme fuchteln in der Luft herum und schlagen Luftlöcher. Dann treffen die Fäuste auf Widerstand. Weich. Warm. Lebendig. Langes, zottiges Fell.
Der Wolf fiept erschreckt auf. Die Zunge hat aufgehört zu lecken. Und die Kreatur ist verschwunden.
Matilde: Ich atme schwer und schaue mich um, Schweissgebadet. "Was?... Wo?... Wer?..." flüstere ich. Mir ist schwindelig und übel.
Matilde: Dann merke ich wo ich bin. "Ver...dammt. Es war nur ein verfluchter, schlimmer Traum... ein Albtraum." seufze ich. Dann sehe ich Luni an. Also er hatte mir das Gesicht geleckt und nicht dieses... DING. Dieses Ding hast du aber trotzdem gesehen... es hat die Jäger ermordet. Sowie Olaf und Ragnar. erklingt es in meinem Kopf. "Nein!" sage ich etwas lauter als gewollt. Und Luni schaut mich an. "Oh Gott... ich.. tut mir Leid." sage ich verdutzt und umarme ihn fest.
Dann taste ich nach John. Zum Glück ist er auch da. Ich entspanne mich ein wenig. Aber nur ein wenig. Die Nacht hat gerade erst angefangen.
Matilde: Ich stehe auf und bohre, mit Hilfe des Gewehrs, ein Loch in das Schneedach. Nur so viel, dass ich den Mond sehen kann. "So ist gut." sage ich zu mir selbst. Dann kontrolliere ich Lunis Wunde. "Das wird schon, mein Kleiner." Ich streichele ihn und bleibe wach. Nach diesem Traum ist einschlafen etwas, was ich mir nicht wünsche.
Ich denke an Hans in seinem eisigen Grab. Dann denke ich an das Ding. "Witiko..." hauche ich leise.
Wer weiss, ob bei den anderen alles in Ordnung ist. Und ob sie schon zurück sind? Oder ob sie doch in Lom geblieben sind. Die Wilde Jagd ist real.
Der Läuterer:
WITIKO ff. (Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Irgendwann umnebelt die Müdigkeit Matildes Verstand. Der Wille erliegt der Monotonie von Dunkelheit und Ruhe. Sie schläft ein und erwacht erst wieder, als das schwache Licht des neuen Tages durch den Schnee dringt und sie weckt. Der Wolf ist fort. Matilde ist allein im Unterschlupf. Ein Loch im Schnee zeigt den Weg, den das Tier genommen hat, um zurück in die Wildnis zu gelangen.
Matilde: Ich bleibe noch ein paar Minuten liegen. Ich atme ruhig durch. Und ich geniesse das Licht des neuen Tages. Ich habe es geschafft. denke ich erleichert. Hans ruht und die Stimmen in meinem Kopf auch.
Dann stehe ich auf und krieche raus. Ich nehme das Holz, das ich dabei hatte und mache ein Feuer. Dann setze ich mich daneben und esse das restliches Brot mit den Käse.
Un caffé, das wäre schön. denke ich. Dann brechen die Bilder der letzten Nacht über mich herein. Olaf und Ragnar sind gestorben. Nein, sie sind verschwunden. Nein, sie sind, wie die andere zwei Jäger, Opfer dieses Dings geworden. Ich muss trotzem zurück ins Hotel und... sagen, dass ein Monster die Leute umgebracht hat? Ich seufze und nehme meinen Kopf zwischen die Hände. Würden sie mir glauben? Würde ICH mir glauben?
Matilde kaut lange auf dem Brot herum. Ihr Blick ist der Welt entrückt. Sie starrt in die Flammen, um ihre Gedanken zu ordnen. Das lebendige Flackern. Das Züngeln und Zucken. Das Knistern des Holzes. Das Glimmen der Glut. Immer noch in ihren Gedaken verloren, schaut sie aus dem Feuer auf.
Matilde: Ich stehe langsam auf und kneife die Augen zusammen. Dann schaue ich mich um. Zur Sicherheit nehme ich John in den Hände. "Ma che diavolo?" [Was zum Teufel?] flüstere ich. Die Nacht ist doch vorbei. Und auch die Wilde Jagd. Oder bin ich doch in dieser Nacht gestorben? Und das ist jetzt eine andere Welt? Ich bleibe stehen. Fasziniert beobachte ich dieses blaues Licht, dieses Polarlicht, absolut unfähig mich auch nur zu bewegen.
Eine Hand aus Fell legt sich auf Matildes Stirn. "Sakte, sakte. Ta det rolig, Madame."
Matilde: Ich drehe mich erschreckt um. "HVEM?" [Wer?] schreie ich.
Eine kalte Hand auf ihrer Stirn drückt Matildes Kopf nach unten. Sachte aber kraftvoll. "Beruhigen Sie sich, Madame Visconti. Nur die Ruhe. Sie sind in Sicherheit."
Matilde: Ich bleibe zwar liegen, aber ich schaue mich um, besonders wer gerade mit mir spricht.
"Wer sind sie? Wo bin ich? Ist die Jagd vorbei? Oder sind Sie auch tot?"
"Tot? Nein, Sie leben. Sie sind in Sicherheit. Ich bin es, Ragnar. Olaf und ich, wir haben sie aus der Höhle geholt. Sie haben laut geschrien."
Matilde: Ich schaue beide an. "Alles... alles klar. Ich werde Euch jetzt was erzählen... und ihr hört bitte zu, bis ich fertig bin, einverstenden?"
Dann setze ich mich und fange an alles zu erzählen was ich in dieser Vision oder diesem Traum geshen habe und alles, was geschehen ist. Ich erzähle von den Jägern, von Witiko und wie er sie umgebracht hat. Wie die Pferde geflohen sind und wir mitgeschleppt worden sind. Wie Olaf gestorben ist. Wie Ragnar gestorben ist. Wie ich auf die Wölfe traf, wie die Nacht kam, wie ich die Toten sah, darunter auch Ragnar, Olaf und Hans. Was Hans angehabt hat. Ich erzähle von Witiko, jede Einzelheit, an die ich mich erinnern kann. Was ich gemacht habe, war das Ding gemacht hat, dass das ein Traum im Traum gewesen ist. Diese blaue Sonne. ALLES. Ohne sie dabei anzuschauen. Das letze was ich sage ist... "Ich bin nicht verrückt." Dann bleibe ich still und beobachte ihre Reaktion.
Ragnar und Olaf schauen sich an. Olaf verzieht sein Gesicht und hebt die Augenbrauen. Ragnar legt den Kopf schief. Sein Gesicht ist Matilde abgewandt. Dann dreht sich Ragnar Matilde zu "Sie sind nicht verrückt, Madame. Aber sicherlich abgespannt und übermüdet. Das war alles zu viel für Sie." Nachdem er kurz Olaf's Reaktion abgewartet hat. "Wir hätten Ihren Auftrag nicht annehmen dürfen, Madame. Wir hätten es besser wissen müssen, nach allem, was geschehen ist. Das alles hat sie überanstrengt und seelisch stark angegriffen."
Matilde: Ich senke den Kopf. Und sage darüber kein Wort mehr. Ich schaue auf die Uhr. "Ist gut... Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Ihr Recht habt." Dann schüttele ich den Kopf und schaue nochmal dort hin, wo Hans jetzt ruht. Dann steige ich auf den Schlitten und nehme John zu mir.
"Wir können gerne gehen, meine Herren." Vielleicht ist es ja auch besser so. Wenn einem das nicht geglaubt wird. Wenn ich tatsächlich verrückt geworden bin, braucht ja niemand daran zu glauben.
Ragnar "Madame? Sie haben eine sehr lange Zeit allein in der Höhle verbracht, nachdem Sie uns hinausgeschickt hatten. Vermutlich mehr als eine halbe Stunde."
Matilde: Ich schüttele den Kopf. Ich kann mir nicht erklären was er da sagt. Ich habe etwas anderes erlebt. Vielleicht bin ich wirklich wahsinnig geworden. "Ich erinnere mich nicht daran. Ich... war nur fünf Minuten... und dann... ich meine, ich habe es ja schon erzählt." Ich schaue an mir herunter, ob ich noch alle Sachen mit mir trage und nichts verloren ging. "Ich weiss nicht, was da drin passiert ist." wiederhole ich.
"Als wir Sie fanden, Madame, lagen Sie auf dem Boden. Neben dem Findling, auf dem der Tote ruht. Sie hatten Ihren Dolch in der Hand. Was dort genau geschah, das wissen dann wohl nur die Götter, wenn Sie sich selbst an nichts erinnern können."
Matilde "Ich... ich habe keine Ahnung." sage ich total verwirrt. Und das ist die Wahrheit. "Können wir bitte gehen?" Ich bin bestimmt nicht mehr bei Sinnen. Was ist mit mir da drin geschehen? denke ich verzweifelt. Ich schaue zum Gletscher hinauf. "Bringen Sie mich bitte zurück." sage ich. "Ich flehe sie an. Bitte." Ich verliere den Verstand. Hans, was hast du mir angetan?
Ragnar "Dann lassen Sie uns aufbrechen, Madame Visconti. Wir werden Sie sicher zur Juvasshytta zurück bringen. Machen Sie sich keine Sorgen. Das Wetter ist gut und es sind noch über zwei Stunden bis zur Dämmerung."
Matilde: Ich sitze auf dem Schlitten, mit John in der Hand. Ich sage kein Wort mehr.
Ragnar sitzt auf dem Bock, während Olaf die zwei Pferde führt. Der Schlitten ist schon geraume Zeit unterwegs. Nur die Glöckchen am Geschirr und das Schnauben der Pferde ist zu vernehmen. Keiner von den dreien spricht ein Wort. Dann dreht sich Ragnar unvermittelt zu Matilde um. "Madame, wenn ich Ihnen von diesem Erlebnis erzählen würde, was würden Sie von mir denken?"
Matilde: Ich schaue ihm in die Augen. "Was ich denken würde? Schwierig. Vor ein paar Tagen, hätte ich sicher gedacht, Sie seien verrückt." Ich mache eine kurze Pause und schaue zu Olaf hinüber. Dann wende ich mich wieder zu Ragnar. "Aber jetzt würde ich denken, Sie haben eine Vision erlebt. Ich weiss nicht viel über Eure Mythologie. Bei uns sind Wahrsager in fast jeder guten Geschichte oder Legende dabei." Ich lächele. "Bitte verzeihen sie mir." sage ich plötzlich.
"Natürlich würde ich diese Geschichte nicht glauben."
Einige Zeit später sind aus dem Waldgebiet, das vor Dir liegt, Schüsse zu hören. Zuerst zwei Schüsse, gefolgt von Hundegebell. Dann wieder ein Schuss. Und noch einer. Die genaue Richtung, aus der die Schüsse kamen, ist nicht auszumachen.
Olaf bringt den Schlitten zum Stehen, während Ragnar sich erschreckt zu Matilde umdreht "DIE WOLFSHATZ !!! Genau wie in Ihrer Geschichte... WIE sagten Sie doch gleich, ging Ihre Geschichte weiter? Denken Sie nach, Madame, denken Sie schnell nach. Und noch eins. Ich GLAUBE Ihnen."
Matilde: Ich stehe auf, nehme John und ziel ins Nichts, wo bald erst die Hunde, dann die Jäger kommen werden. "Tun sie jetzt genau was ich Ihnen sage. Machen Sie sich zur Flucht bereit."
Ich ziele leich nach oben und schiesse. Das sollte die Wölfe und die Hunde verschrecken und fern halten. Ich drehe mich zu Ragnar. "WEG HIER! JETZT! LOS!" Ich setze mich wieder hin und halte mich am Schlitten mit einer Hand fest. Ich denke an Luni. Hoffentlich wird diese Änderung reichen, um ihm die Kugel zu ersparen.
Olaf streift seine Schneeschuhe ab und springt auf den Schlitten "Hurtig, Ragnar. Vekk her. Ga hesten los. Forte seg. Pa venstre. Forte seg!!!"
Ragnar treibt die beiden Pferde an. Links um die Jagd herum. Immer noch Richtung Osten.
Die Tiere traben durch den Schnee. Schnell, aber ohne Hektik. Rechts von ihnen nimmt die Dunkelheit zu. Breitet sich aus. Und verdichtet sich. Schreie sind zu hören. Menschliche Schreie. Todesschreie. Und unmenschliche Laute. Verstörende Geräusche. Hundegebell und das Heulen von Wölfen. Gemischt mit dem Heulen des Windes. Ein Sturm zieht auf. Dicke Schneeflocken fallen und werden durch die Luft gewirbelt.
Matilde: Witiko! denke ich erschreckt und denke dabei an diese Jagd, bei der ich die Beute war und als alles so nutzlos war, was ich tat. Und an das Monster und wie es meine Angst genossen und geschmeckt hatte. "Weg! Schnell weg hier! Es kommt! Er! Witiko! Er wird uns alle töten!" Ich drehe mich um und versuche etwas zu erkennen. Versuche zu erkennen, ob uns etwas verfolgt.
Aus der Dunkelheit sind nur noch Schreie zu hören. Bestialische Schreie. Heulende Schreie voll Wut und Enttäuschung. Fauchender, brennender Hunger schwingt im Wüten des Windes mit. Ein Toben. Ein Peitschen. Ein Knacken und Brechen von Ästen und Bäumen. Und das Aufwirbeln von riesigen Schneemassen.
Matilde: "Oh Gott, er wird uns erwischen! Er holt uns ein! Los schnell!" schreie ich.
Der Schlitten gleitet zwischen den Bäumen hindurch. Er springt über Schneewehen hinweg, durch Mulden und über Baumstümpfe. Geradewegs auf eine Lichtung zu. Es ist ein zugefrorener See oder eine Art freie Weidefläche. Als der Schlitten die Mitte der Lichtung erreicht hat, bricht ein Rudel Wölfe hinter Euch aus dem Nadelwald und hetzt hinter dem Schlitten her.
Matilde: Ich drehe mich um und sehe die Wölfe hinter uns. "Sie wollen die Pferde!" schreie ich Ragnar zu. "Ich werde einen von ihnen erschiessen und hoffe, dass die andere aufgeben und vertrieben werden!" Ich ziele auf einen Wolf, einen grauen und schiesse.
Die Fahrt ist unruhig. Der Boden uneben. Die Jägerin ist das Schiessen von einem sich bewegenden Objekt nicht gewöhnt. So geht der Schuss fehl. Und die Pferde sind den Lärm einer .450er Nitro Express nicht gewöhnt und gehen durch.
Matilde Verdammt... denke ich. Ich drehe mich um und halte mich so gut ich kann am Schlitten fest. Und ducke mich dabei. Ich greife dann in die Tasche. Ich nehme die Pistole. "Olaf, halt Dich fest!" sage ich. Aber es ist ok, denke ich und ich versuche mich etwas zu beruhigen. Diesmal bin ich nicht allein und sie sind ebenfalls bewaffnet. Und Witiko ist nicht mehr zu sehen.
Die Wölfe hetzen dem Schlitten hinterher. Ragnar kann die durchgehenden Pferde kaum halten. Der Schlitten nimmt immer mehr an Fahrt auf und lässt das Rudel schliesslich hinter sich. "Wir sind die Meute noch nicht los. Sie haben noch nicht aufgegeben. Sie lassen sich zurückfallen und werden uns im Wald wieder einholen. Denken Sie an meine Worte, Madame Visconti."
Matilde: Ich schau Ragnar entschlossen an. "Dann müssen wir bereit sein, auf sie zu reagieren." Ich lade John nach. Was ist in der Höhle wirklich passiert? Und haben wir zumindest das Ding hinter uns gelassen? "Machen Sie sich, sobald wir ein bisschen Geschwindigkeit reduziert haben, bereit!" Die Situation scheint nicht einfach zu sein. Doch alles ist besser, als das, was sich im Traum abgespielt hat. Der ist nämlich so unheimlich zum Ende gegangen, dass ich meine Gänsehaut wieder spüre. Im Traum waren die Wölfe auf meiner Seite. Ja. Und die beiden Männer waren tot. Spinnst du Matilde? Du hast das richtiges getan. sagt mir meine innere Stimme. "Ja, ich habe das Richtige getan." hauche ich. Die Kälte sticht meine Wangen, wie ein eisiges Messer und erinnert mich an die ekelhafte Berührung der Monsterzunge. "Wir werden es schaffen." sage ich.
Langsam bringt Ragnar die Pferde wieder unter Kontrolle und lenkt den Schlitten sicher zwischen den Bäumen hindurch. Von den Wölfen ist keine Spur mehr zu sehen. Kurz nach 1500, die Dämmerung ist bereits fast vollendet, hört Ihr das Heulen eines einzigen Wolfes. Ragnar verlangsamt die Fahrt und bringt den Schlitten zum Stehen. Olaf lauscht, steigt dann ab und nimmt seine Flinte vom Schlitten. Er schaut sich um. Auf einem Felsvorsprung sitzt ein grosser, schwarzer Wolf im Zwielicht und heult den Mond an.
Olaf hebt sein Gewehr und zielt. "Sitte stille, barn dens mane. Sitte stille, liten ulv. Dine pels tilhore meg."
Matilde "NEI!" schreie ich und schlage Olaf's Gewehr nach oben. "Den nicht" sage ich energisch.
Das könnte Luni sein. Oder auch nicht. Ich weiss es nicht. Ich muss es aber wissen. Um das zu wissen, sollte ich Hans vertrauen. Noch einmal. - Er ist ein Geschenk. - hatte er gesagt. Es könnte aber auch mein Tod sein. "Zielen Sie nicht auf ihn. Bitte. Ich habe Euch davon erzählt. Ich hatte einen schwarzen Wolf bei mir, der so aussah. Bitte nicht schiessen." Ich mache zwei Schritte auf ihn zu. John habe ich bei mir, doch ich hebe ihn nicht. "Bist Du das?" frage ich mit ruhiger Stimme. "Luni? ..." Ich schaue ihm in die Augen und hoffen auf den Moment des Wiedererkennens.
Der Felsvorsprung ist zwei Meter erhöht. Als sich Matilde nähert, erhebt sich der Wolf. Das Tier schaut Dich mit seinen Eis-blauen Augen an. Ein hungriges Feuer lodert hinter den Augen. Es liegt keinerlei Wiedererkennen darin. Warum auch. Die Ohren des Tieres sind unruhig. Die Lefzen sind gebleckt. Das Tier knurrt. Ein tiefes grollendes Knurren.
"Forsiktighet, Madame!" ruft Olaf. Ein Schuss fällt. Gestein splittert. Das Tier bleibt unverletzt, springt hinweg und sucht sein Heil in der Flucht.
Matilde: Als der Schuss fällt, zucke ich zusammen. Dann beobachte ich, wie der Wolf die Flucht ergreift. Meine Augen verfolgen das Tier solange, bis er verschwunden ist. "Was ist nur ein Traum gewesen? Und was war real?" flüstere ich traurig. "Mach's gut, Luni" Ich drehe mich um. "Wir sollten bald da sein, oder?" frage ich etwas nervös. Es ist bereits finstere Nacht.
"Sie haben ein gutes Gefühl für Entfernungen, Madame." ruft Die Ragnar zu "In etwa einer Viertelstunde sollten wir zurück sein. Dann sind Sie wieder in Sicherheit." Der Schlitten fährt wieder langsam an. Die Pferde schnauben. Die Glöckchen klingeln. Die Kufen knirschen im Schnee. Feine, kleine Schneeflocken fallen. Es ist nahezu windstill. "Heisser Gewürzwein und gegrilltes Rentier-Fleisch." murmelt Ragnar "Ich kann es fast schon auf meiner Zunge schmecken." Irgendwo in der Nähe heult ein einsamer Wolf den Mond an. "Was für ein Tag! Was für ein verrückter Tag!" Dann treibt Ragnar die Pferde weiter an.
Als Matilde tief durchatmet und in den Himmel schaut, glaubt sie, in den dahin treinenden Wolken, ein Gesicht zu erkennen. Eine Fratze mit ausladendem Elch-Geweih. Mit zwei leuchtenden, glühenden, weissen Sternen in der Mitte, welche gierig und hungrig vom Himmel herab funkeln. Dann treibt ein Windstoss die Wolken wieder auseinander.
Die Pferde-Glöckchen klingen. "Alles ist gut!" ruft Ragnar. Dann lacht er. Ein tiefes, höhnisches Lachen, das so gar nicht zu diesem freundlichen Norweger zu passen scheint.
Matilde: Ich schaue noch den Wolken hinterher. War das alles nur Einbildung? Ich hoffe es sehr. Dann drehe ich mich zu Ragnar um, denn ich habe erst jetzt sein komisches Lachen registriert. "Ist alles in Ordnung?" frage ich besorgt.
Ragnar hat ein freches, unverschämtes Grinsen im Gesicht "Alles ist in schönster Ordnung, Madame. Es könnte nicht besser sein. Bald ist die Heilige Nacht. Da kommt dann das Christkind. Hahaha. Und ein jeder bekommt etwas. Ein jeder bekommt, was er verdient, Madame. Das ist die Zeit, in der alle Wünsche in Erfüllung gehen." Ragnar berührt kurz Matildes Handgelenk, oberhalb der Handschuhe. Seine Finger sind so eisig, wie die eines Toten. Ein kalter Schauer läuft Matilde den Rücken hinab. "Was wünschen SIE sich, Madame?"
Matilde: Ich ziehe meine Hand schnell zurück und schaue entsetzt und fragend zu Olaf rüber. Dann wende ich mich wieder Ragnar zu. "Was...? Was ich mir wünsche ist Mut." sage ich und hole den Dolch heraus. "Und was wünschen Sie sich?" frage dann sarkastisch.
"Mut, Madame?" fragt Ragnar, der dem Dolch keinerlei Beachtung schenkt. "Davon haben Sie doch nun wahrlich genug. Sie haben viel auf sich genommen und Sie haben viel vollbracht. Und das an nur einem Tag. Sie können stolz auf sich sein, Madame."
"In der Heiligen Nacht kommt der Herr der Herrlichkeit auf die Erde. Der König der Könige.
Wünschen Sie sich etwas, Madame. Wünschen Sie sich etwas reales."
Währenddessen läuft ein schwarzer Wolf zwanzig Meter vom Schlitten entfernt neben diesem her. Seine blauen Augen leuchten im Mondlicht.
Matilde: Stille. "Ich wünsche mir, so sein zu dürfen, wie der Mann, den wir gerade beerdigt haben." Ich schaue ihm dabei in den Augen. Dann beobachte ich den Wolf. Ich wünsche mir irgendwie... Macht.
Ragnar "Schauen Sie, Madame Visconti, da vorne sind die Lichter der Lodge. Wir sind da... Dann gibt es jetzt gleich heisse Getränke und ein prasselndes Feuer, an dem Sie sich wärmen können. Sie legen sich am Besten hin und schlafen etwas. Es war heute sehr anstrengend und aufwühlend für Sie."
Matilde: Ich bin leicht verdutzt, als er wieder so normal spricht. Aber eigentlich ist es nur ein weiterer Beweis, dass ich gerade durchdrehe. Ich stecke den Dolch wieder weg und sage zu Ragnar. "Ja, ich... Sie haben Recht. Es war sehr... anstrengend." Ich warte bis den Schlitten steht, dann springe ich runter. "Vielen Dank, meine Herren. Für alles. Passen Sie auf sich auf und bleiben Sie am besten heute Abend auch hier."
"Sie sagten, Sie hätten Familie. Bitte kaufen Sie für Ihre Familie einen grossen Kuchen und sagen Sie Ihnen, er käme aus Italien und von Herzen." Ich gebe beiden Männern etwas Geld und lächele dabei, aber ohne sie anzuschauen. "Ich wünsche Ihnen ein frohes Fest." Ich drücke beiden die Hand und verabschiede mich. Ich laufe zur Lodge, mit gesenktem Kopf. "Ich wünsche mir so zu sein wie er." sagte ich. Und ich meine damit den Menschen, der er war. Aber Hans ist tot. Wer war Hartmut Stürmer wirklich? Hiess er wirklich so? Hätte ich mich in ihn verliebt, wenn er noch leben würde? Nein, er wollte mich verlassen. Ich hätte ihn nie wieder gesehen. "Das hätte er nicht geschafft." sage ich leise zu mir. Mich zu verlassen? Ich hätte ihn gehen lassen. Doch er hätte irgendwann vor meiner Tür in Paris gestanden. Ein bitteres Lächeln zeichnet sich auf meinem Gesicht ab, während ich die Tür meines Zimmers aufmache.
Ermattet fällt Matilde in ihr Bett. Sie wird wach, als an ihre Tür geklopft wird. In der Nähe heult ein einsamer Wolf. Eine Frauenstimme "Hallo? Madame? Sind Sie wach? Ich bin es, Helgard, das Hausmädchen. Es gibt ein grosses Nachtmahl, Madame. Kommen Sie zu den anderen Herrschaften herunter, oder soll ich Ihnen Ihr Essen aufs Zimmer bringen?"
Der Läuterer:
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Der Läuterer:
Matilde bringt den Leichnam von Hans zum Styggebreen Gletscher, um ihn dort zu bestatten und begegnet, auf ihrer Rückreise zur Lodge, dem Witiko.
STYGGEBREEN (Klicke zum Anzeigen/Verstecken) Am Treppen-Abgang zum Eingangsbereiches der Lodge kommen die zwei Norweger, Olaf und Ragnar, auf Matilde zu und Ragnar wendet sich ihr flüsternd zu. "Ihr Mann, Madame Visconti, wurde im Generator-Schuppen der Lodge untergebracht. Dort ist es zwar kalt, aber nicht unter 0 Grad. Wir haben niemandem davon berichtet, was wir auf dem Schlitten transportiert haben, sondern nur, dass wir etwas zu lagern haben. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann wollen Sie eine Eis-Bestattung im Gletschers durchführen. Oder?"
Während Olaf schon zum Schuppen vor geht, redet Ragnar mit Matilde. "Der Styggebreen-Gletscher liegt nicht weit von der Lodge. Der Gletscherbach hat tiefe Höhlen ins Eis geschnitten. Dort gibt es grosse, Altar-artige Felsbrocken, auf denen wir den Leichnam betten könnten. Wenn Sie das machen wollen, brauchen wir ein grosses Leintuch und ein Schwert. Früher wurde der Krieger immer, mit seinen gefalteten Händen auf seinem Schwert, das ihm auf seine Brust gelegt wurde, beigesetzt. Der Körper des Kriegers wurde dazu nackt in ein Leintuch gewickelt und dort zurück gelassen. Mit der Zeit schloss das Eis den Wikinger immer mehr ein. Eine dicke Decke aus Eis. Wie eine gläserne Rüstung. Ein Sarg aus Eis."
"Wir bräuchten noch ein Schwert. Jeder wahre Krieger führt eines mit sich. Beim Eintritt nach Walhalla, trennt die Klinge das Gute vom Bösen der Seele ab und nur das Gute darf die Tore der Helden durchschreiten."
Matilde "Ja warten sie hier. Ich glaube, ich weiss, wo ich eines finden kann."
Sie kommt zurück. "Ich weiss gar nicht, wie ich mich bei Ihnen bedanken soll... Glauben Sie, dass das Wetter schlechter wird? Und wie lange werden wir brauchen, um dorthin zu kommen?"
Olaf "Med truge og akebrett? Att og fram? Tre stund! Stormvaer lengre."
Ragnar "Er fragt, ob mit Schneeschuhen und Schlitten? Und er nimmt an, dass es drei Stunden dauern wird, bis wir zurück sein werden. Solange das Wetter nicht schlechter wird."
Olaf "En isbre hule. En viking begravelse. Det er kul. Kul, Madame Visconti. Veldig, meget kul."
Matilde: Ich lächele ein bisschen, dann steige ich auf den Schlitten. "Jeg er trist." sage ich und schaue dabei die Leiche an. "Jeg ser ham ikke. Drei Stunden also. Hoffen wir, es wird alles gut gehen."
Olaf "Veidefolk, hm? Haha. Wer jage dem? Ulv, bjorn, elg? Alt som nedlegge?"
Matilde: Ich schaue ihn ernst an. "Ich jage... also... hier habe ich... nein, keine Wölfe, oder Bären".
Ich schaue in die Ferne und ziehe die Pelzmütze tiefer ins Gesicht.
Olaf "En godt rad, Madame Visconti. Ikke gar i bakke Trollsteinhoin. Ikke gar der. Ikke i Aaskereia. Ikke innfodt gar der. Aldri noensinne."
Matilde "Ich habe Sie nicht so ganz verstanden, aber ich nehme an... ich soll der Höhle der Trolle fern bleiben?" Ich bin sehr nervös. "Das werde ich auch..." Ich lächele, aber mein Magen verkrampf sich.
Ragnar "Sie verstehen norwegisch schon recht gut, Madame Visconti. Nein, Sie müssen gar nichts. Olaf gab Ihnen nur einen wohlmeinenden Rat. Es ist vor allem JETZT eine überaus schlechte Zeit. Die Gegend wird gemieden. Weiträumig gemieden. Und... zu dieser... Jahreszeit, in diesen Nächten, verirrt sich kein Einheimischer dort hin. Denn wer sich dort verirrt, bleibt auch verschwunden, glauben Sie mir. Fahren Sie Ski, gehen Sie in die Sauna, Schlittschuhlaufen, Eisangeln. Aber meiden Sie diesen Berg."
Ragnar "Der Name des Berges Trollsteinhoin setzt sich zusammen aus Troll = Berggeist oder Stein und Hoin. Hoin bezeichnet etwas, das abrupt auszubrechen vermag. Ein Schläfer, der sofort in Rage gerät, sobald er erwacht. Und zur Zeit der Aaskereia oder Odinsjakt werden sie hell wach sein, die Trolle. Das Dorf Raubergstulen und die Juvasshytta liegen dem Berg am nächsten. Lassen Sie Vorsicht walten, Madame Visconti. Es geschehen hier seltsame Dinge in der Zeit um Neujahr."
Matilde "Ich werde versuchen aufzupassen. Allerdings finde ich, dass schon genug seltsame Dinge passiert sind. Im Zug zum Beispiel. Und ich würde schon gerne mehr davon verstehen."
Dann schaue ich zum Berg hinüber. Aber Hans' Ziel war nicht diese Gegend hier; nicht die Lodge. Vielleicht hatte sein Ziel gar nichts mit der Sachen hier zu tun und er wollte mich nur davor warnen? "Ich werde die Gegend meiden, meine Herren." sage ich ernst, aber so richtig überzeugt bin ich selbst nicht. Erzählen sie mir von dieser Jakt. Ich liebe solche Geschichten."
Ragnar "Weihnachten nennt man hier Jule. Und die Geschenke bringt ein kleiner Troll, der durch Öffnungen ins Haus eindringt. Diesen nennen wir Julenissen. Das ist die Geschichte, die den Kindern überall in Norwegen erzählt wird." Dann schweigt er und blickt in den Wald hinein, als könnten seine Augen das Holz durchdringen... "Die Wilde Jagd, so erzählt es zumindest die Legende, zieht besonders in der Zeit vor und nach Neujahr über das Land, vor allem aber durch die Lüfte. Dies ist die Zeit der heidnischen Rauhnächte. Vieles vom alten Glauben und dessen Brauchtum wurde durch das Christentum überlagert und verdrängt."
Matilde: Ich höre zu und schweige. Dann schaue ich Hans' Leichnam an und blicke schliesslich auch in den Wald. "Ragnar, Sie kennen sich in Runenkunde aus. Was habes Sie gedacht, als Sie die Runen auf Hans' Rücken gesehen haben? Haben Sie eine Idee, wer ihn tätowiert haben könnte? Glauben Sie, Hans war Norweger? Sprechen Sie offen, bitte."
Ragnar "Madame Visconti, vergessen Sie die Runen. Bitte. Die Wunden werden tief in die Haut geschnitten. Dann reibt man Rentier-Butter in das Fleisch, damit sich das Gewebe entzündet und sich die Narben ausbilden. Das Ganze ist überaus blutig und extrem schmerzhaft. Dazu gehören Rituale, Kräutertränke, Salben, magische Sprüche und Eingeweihte, die das alles begleiten. Der Mensch wird an Körper und Geist geprüft. Askese ist eine dieser Prüfungen. Auch wird der Körper abwechsend Hitze und Kälte ausgesetzt. Feuer-Reinigungen und Eistauchen. Das alles dauert über Wochen, bis das Ritual abgeschlossen ist. Und man sagt, der Träger könne danach seine Seele von seinem Körper trennen... Fragen Sie mich nicht, ich weiss gar nichts!"
Ragnar "Aber Sie haben mich nach der Odinsjakt gefragt, Madame Visconti. Odin reitet auf seinem Pferd, Sleipnir, immer der Wilden Jagd voran. Seine Raben entfachen mit ihren schwarzenq Schwingen einen überaus eisigen Schneesturm und seine schwarzen Wölfe stimmen ein unheimliches Geheule an, dass sich mit dem Heulen des Windes mischt. Von diesem Sturm werden die gemarterten Geister der Toten mitgerissen und deren Schreie, ihr Heulen, ihr Ächzen und Stöhnen begleitet die Wilde Jagd. In dieser Nächten reitet die Odinsjakt durch die Lüfte und über das Land. Kein Mensch, der bei klarem Verstand ist, setzt in diesen Nächten einen Fuss vor die Tür. Fenster und Türen werden nach Einbruch der Dunkelheit verbarrikadiert. Und niemand wird auf ein Klopfen an der Tür antworten und niemand wird es wagen, die Tür auch nur einen Spalt zu öffnen. Denn niemand weiss, wer dort vielleicht klopfen könnte."
Matilde: Ich schweige. Magische Sprüche? Rituale? Vielleicht ist es auch egal, wenn mir 'La Main Droite' irgendwann auf die Spur kommen wird, werde ich tot sein, bevor ich es überhaupt realisieren kann. Der Gedanke malt mir ein unheimliches Lächeln auf das Gesicht. Dann ist alles egal, Hans. Wie ironisch, Nordgren hatte Recht. Ich schaue Ragnar scharf an und sage dann leise, ohne Sarkasmus... "Für jemanden der nichts weiss, erzählen Sie schon eine ganze Menge und auch sehr präzise, finde ich... Aber Sie haben vermutlich Recht, ich werde das alles hier lassen, es sind ja nur Legenden...". Ich seufze. Ich streichele dabei meine Flinte und versuche zu verstehen, wo wir uns gerade ungefähr befinden. Ich versuche mich zu orientieren.
Ragnar "Ich weiss nichts genaues. Ich habe viel gelesen. Es ist mein Beruf etwas zu wissen und dieses Wissen dann an andere weiterzugeben. Ich arbeite in Lom als Lehrer. Die Ureinwohner Norwegens, die Lappen, die noch weiter im Norden leben, nennen das Wesen, das im Inneren der Schneestürme lebt, Witiko. Das Wort bedeutet 'Er, der einsam schreitet'. Dieser Geist des Windes soll ein Mischwesen sein; halb Mensch, halb Hirsch. Er soll sich von gefrorenem Menschenfleisch ernähren. Und dann wird wieder eine arme Seele, die vor ihrer Zeit gestorben ist, von dem Sturm mitgerissen. All jene, die ihm freiwillig folgen, sollen immun gegen jegliche Kälte sein. Eine Eigenschaft, die wir hier wohl alle sehr gut gebrauchen könnten. Hahaha. Meinen Sie nicht, Madame Visconti?"
Ich schweige weiter. Ich schaffe es nicht etwas zu sagen, denn alles was Ragnar sagt, macht überhaupt keinen Sinn. Und doch erkenne ich ganz viel wieder. All das, was mir Hans in nur drei Stunden von sich erzählt hatte. Auch er konnte nackt in der Kälte stehen, ohne etwas davon zu spüren. Und auch er ist vor seiner Zeit gestorben. Und vielleicht wird sich dieser Witiko nun auch von ihm ernähren. "Blöde Zufälle... weiter nichts." flüstere ich dann vor mich hin und drehe mich dann zu Olaf um. "Seit Hans tot ist, höre ich seine Stimme in meinem Kopf. Sein Geist ist unruhig. Oder, und das ist wahrscheinlicher, ich stehe einfach noch unter Schock, nachdem was uns passiert ist. Denn ich habe schon seine Stimme in meinem Kopf gehört, als er mich gebeten hat, ihn hier auf diese Art zu beerdigen." Dann schaue ich erneut Ragnar an und lächele - ein sanftes Lächeln. "Ich weiss gar nicht, wieso ich Ihnen das überhaupt erzähle. Sie brauchen vor mir keine Angst zu haben. Ich will nur das hier hinter mich bringen."
Olaf "Nei! Det kan hende, Madame!"
Ragnar "Madame? Wir sind da. Das ist die Eishöhle des Gletschers, die Sie suchten."
Matilde: Ich steige vom Schlitten runter, sobald er angehalten hat. "Ich denke, dass das perfekt ist. Könnten Sie ihn schon dahin bringen? Ich komme mit dem Schwert nach." Lächerlich. Das ist so surreal. Vielleicht wache ich gleich im Zug auf und Hans schläft neben mir. Und diesen Nordgren hat es nie gegeben. Ich schaue mir einen der Findlinge an und zeige mit dem Fingen in die Richtung. "Da! Das ist der richtige Platz." schnaufe ich, während ich durch den Schnee dorthin laufe.
Olaf und Ragnar tragen den toten Körper vom Hans in die Eishöhle, unterhalb des Gletschers, hinein. Das Dämmerlicht des kurzen Tag, das von Südwesten in die Höhle hinein scheint, taucht das Innere in ein märchenhaftes Licht, als wäre dieser mystische Ort der schrecklichen Realität entrückt... Als Matilde mit dem Schwert hinzu kommt, liegt Hans Körper bereits auf einem grossen, flachen Findling am östlichen Rand der Höhle. Wie ein Prinz, der auf einem Altar, in einer gotischen Kathedrale, aufgebahrt wird, während die Sonne durch die farbigen Fenster hinein scheint und das Innere beleuchtet.
Matilde: Ich gehe langsam auf Hans zu, aber ich schaue ihn nicht wirklich an. Ich lege das Schwert auf seine Brust und falte seine Hände auf der Brust, über dem Schwert. Dann binde ich das Leintuch über seinem Körper so fest ich kann zusammen. Dann gebe ich ihm noch einen Kuss auf die Stirn. "Addio." flüstere ich ihm zu. Dann zu Olaf gewandt "Walhalla ist nur für Männer bestimmt, richtig? Für Krieger?" Dann drehe ich mich wieder zu Hans um. "Das ist dann wohl ein richtiges Lebewohl." Ich bleibe eine Weile still vor ihm stehen. Aber ich weine nicht.
Die beiden Norweger holen die Pechfackeln vom Schlitten und stecken diese, um den Findling herum, auf dem der Tote liegt, in den Boden, der aus groben Steinen, unterschiedlicher Grösse, besteht... Dann zünden sie die Fackel an... Nach einiger Zeit beginnt Wasser, von der Decke der Höhle herab, auf den Toten zu tropfen.
Ragnar "Das Wasser wird wieder auf dem Körper gefrieren und ihn umschliessen. Es wird zu einem Sarg werden... ein gläserner Sarg... und irgendwann einmal wird der Körper ein Teil des Gletschers sein und nie mehr vergehen."
Dann verlassen die zwei die Höhle und lassen Matilde alleine. Ragnar "Wir werden draussen auf Sie warten, Madame. Lassen Sie sich ruhig etwas Zeit."
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