Autor Thema: Irgendwo in IRLAND  (Gelesen 46527 mal)

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Offline Puklat

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #275 am: 10.10.2016 | 18:23 »
Ove

Nun entgleiten mir die Gesichtszüge vollständig.
Was macht Collins hier? Wie ist er hergekommen, ohne dass die Hunde anschlagen? Was erzählt er hier?

Den letzten Gedanken spreche ich laut aus:
"Sind Sie alle verrückt geworden?!"

Ich überlege kurz, ob ich die Waffe, die ich von Collins erhalten habe, ziehen sollte, doch noch sehe ich keine Aggression in den Gesichtern der Anwesenden. Von Collins aufbrausender Art einmal abgesehen.

"NIEMAND in diesem Raum ist ein oder gar DER Auserwählte. Niemand hier will es sein und wenn hier jemand ein Betrüger oder Scharlatan ist, dann habe ich langsam das Gefühl, dass Sie es sind!

Das was hier als Pakt bezeichnet wird, und da gebe ich Doktor Savage hier vollständig Recht, kann nur als Pakt bezeichnet werden, wenn beide Seiten über seine Bedinungen und seinen Umfang informiert sind. Das werden sicherlich auch die Götter so sehen! Also, gerne können Sie ihre Gaben, die wir weder gefordert, noch gewollt haben, wieder mitnehmen."

Ich schaue die Anwesenden an und mustere ihre Minen. Wie reagieren sie auf das geschehene? Haben Sie doch gefährliche Absichten?
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Mit sehr fester und für mich ungewohnt lauter Stimme fahre ich fort:
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
"Und WENN Sie Recht haben und hier ein oder sogar der Auserwählte wohnt..."
Ich lasse die Worte einen kurzen Augenblick wirken.

"... WAS MACHEN SIE DANN IN DESSEN HEILIGEN RÄUMEN?!"

"Wenn das alles stimmt, was sie gesagt haben, dann ist dieser Ort für sie verbotener Boden! Also egal, WAS hier die Wahrheit ist: Ihre Anwesenheit ist hier nicht erwünscht. Sie sind nicht berechtigt hier zu sein. Entweder klären Sie diese Posse sofort auf und verschwinden dann oder - und das bevorzuge ich - oder Sie verlassen das Anwesen sofort, ohne weitere Erklärungen!"
« Letzte Änderung: 10.10.2016 | 18:26 von Puklat »

Offline Der Läuterer

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #276 am: 15.10.2016 | 18:25 »
William schau bedrückt zu Boden. "Nun gut, Auserwählter. Wenn Ihr so darüber denkt, werde ich mich zurückziehen und Euch nicht länger zur Last fallen. Ich hoffe, dass Ihr auch ohne mich klarkommen werdet und alle Herausforderungen der Zukunft meistern werdet." Damit verbeugt er sich kurz, wendet sich ab und verlässt den Raum.

Die anderen fremden Gäste im Haus beginnen sich miteinander über diese seltsame Situation zu unterhalten. Es scheinen leichte Zweifel unter den Huldigern aufgekommen zu sein.
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Joran

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #277 am: 16.10.2016 | 16:41 »
Clive

Ich begleite Collins vor die Tür und beobachte, wie er über die Straße verschwindet.

Auf dem Weg zurück in den Salon hole ich Luni aus dem Raum, in den ihn Collins gesperrt hat. "Du bist mir ja ein Aufpasser!", sage ich zu Luni und streiche ihm über den Kopf. "Aber was ist das auch für ein verrückter Tag ..."

Ich sehe kurz nach der Hündin und ihren Welpen. Ich zögere kurz und überlege, ob ich meine Lightning holen sollte. Aber die lange Abwesenheit würde auffallen und schließlich ist Collins auch ohne Probleme gegangen. Ich entscheide mich also dagegen und kehre ich in den Salon zurück. Dabei nehme ich Luni allerdings mit mir. Normalerweise vermag alleine die Anwesenheit des Tiers Eindruck auf Fremde zu machen.

Als ich im wieder im Salon bin, sprechen die Fremden noch immer miteinander.

"Nun, ehrlich gesagt glaube ich auch, dass Sie an bei uns nicht richtig sind. Ich hätte gerne festgestellt, was Sie gerade zu uns geführt hat. Aber wenn Sie nun selbst zu dem Ergebnis gelangen, hier am falschen Ort zu sein, will ich Sie nicht aufhalten ..."

Ich reiche den Zwillingen den afrikanischen Stab zurück, der mir ein reines Kunstobjekt ohne weitergehende Bedeutung zu sein scheint. "Sie sollten sich dies für die richtige Person aufsparen. Offensichtlich unterlagen Sie einem Irrtum, als Sie mir dieses Objekt schenken wollten."

Offline Der Läuterer

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #278 am: 18.10.2016 | 22:21 »
Die beiden Zwillinge verneigen sich tief vor Dir, als sie den Stab von Dir in Empfang nehmen und bedanken sich für Deine Gastfreundschaft als sie gehen.

Auch Karim geht auf die Knie und verabschiedet sich von Dir. "Ich danke Ihnen, Doktor. Leben Sie wohl."

Als die drei Dein Haus verlassen haben, zuckt ein Blitz grell am Himmel und sofort grollt der Donner ohrenbetäubend laut über Euren Köpfen. Ein Gewitter steht genau über dem Haus. Die Äthiopierin räkelt sich lasziv auf dem Sessel. "Ein Gewitter, Doktor." Sie beschreibt das Offensichtliche. "Bei so einem Wetter würde man doch keinen Hund vor die Tür jagen, nicht wahr?" Dicke Regentropfen fallen schwer auf das Dach. Das Tropfen wird zu einem Trommeln und dann zu einem Prasseln. Die Dachrinne kann die Wassermassen bald nicht mehr aufnehmen und schwappt über, während das Fallrohr unüberhörbar laute, gurgelnde und schmatzende Geräusche von sich gibt. Wieder ein Blitz und fast gleichzeitig ein Donnergebrüll. "Braver Hund." hörst Du die schwarze Gazelle sagen und bist wieder im hier und jetzt. Du siehst, wie Luni ihr das Gesicht ableckt. "Es wird Zeit ins Bett zu gehen, Doktor. Zeigen Sie mir bitte ihr Schlafgemach."
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Offline Puklat

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #279 am: 19.10.2016 | 09:28 »
Das unerwartete Gefühl der Enttäuschung und die Vermutung gerade einen Fehler gemacht zu haben kommen in mir auf, als Collins diese illustre Runde verlässt. Während ich in seiner Anwesenheit ein Problem sah, das mit bedrängte und einschränkte, so ist seine Abwesenheit nun weniger eine Entlastung als ich es mir gewünscht hätte.

Collins und Clive schienen meinen einzigen Verbündeten in einem Raum voller mir völlig fremder Menschen. Die ganze Situation ist vollständig widersinnig und mit fällt es entsprechend schwer das alles einzuordnen. Von Verstehen kann hier sowieso keine Rede sein.
Ich fühle mich nackt und ausgeliefert als Collins UND Clive gleichzeitig den Raum verlassen, während die anderen Besucher miteinander reden. Ich kann kaum etwas verstehen. Nur Wortfetzen, deren Zusammenhang ich nicht begreifen. Manchmal glaube ich sogar, dass sie gar keine mir bekannte Sprache sprechen. Doch das ist sicher Einbildung.

Ich bin umso erleichterter als Clive sogar mit Luni zurückkehrt. Diese Erleichterung nimmt sogar noch zu, als die Zwillinge zum Aufbruch bereit sind. Für einen Moment bilde ich mir ein, dass alles wieder "normal" werden könnte. Doch als plötzlich das Gewitter einsetzt, weicht diese Einschätzung aus mir.
Ist das ein Zeichen von Azatoth? Missbilligt er unser Verhalten oder das der Huldiger? Oder ist es nur Zufall?
Es ist schon ein sonderbarer Zufall, dass das Gewitter direkt über uns startet und sich kaum zu bewegen scheint.

Die dunkelhäutige Frau ist von all dem völlig ungerührt. Selbst die plötzlichen Donnerschläge, die einem durch Mark und Bein gehen, scheinen sie weder zu überraschen noch zu beeindrucken.

Die Beklemmung in mir nimmt zu. Und als sie schließlich fragt, ob Clive ihr sein Schlafgemach zeigen könne, fällt mir beinahe die Kinnlade hinunter.
Clive steht nicht weit von ihr entfernt, aber sie muss sich zu ihm drehen, um mit ihm zu sprechen. Unwillkürlich versuche ich Clive mit Blicken von törichten Entscheidungen abzuhalten.
Sie will ihn verführen! Das darf nicht passieren. Nicht jetzt! Nicht an diesem Tag, an dem die Sintflut über das Haus hereingebrochen ist, an dem so viele sonderbare Zufälle aufgetreten sind. Das sind alles keine guten Omen.

Meine Hand schließtlich in der Tasche um den Griff des Revolvers, den Collins mir gab und nicht wieder annahm, als er enttäuscht den Raum verließ.
Ich habe mich schon zu sehr in Clives Hausrecht eingemischt. Auch wenn ich diese Frau nun zu gerne vor die Tür jagen würde, darf ich das nicht tun. Ich habe kein Recht das zu tun.

Meine Blicke und Gedanken mühen sich Clive zu beeinflussen. Hilflos. Ratlos. Ohnmächtig mitansehend, was um mich herum im Salon passiert.

Joran

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #280 am: 21.10.2016 | 18:52 »
Clive

Mit zwiespältigen Gefühlen blicke ich Karim nach.

Einerseits bin ich froh, wenn dieser Tag ein Ende nimmt. "Vielleicht kann am Ende dieses Tage alles wieder sein, wie zuvor? Vielleicht war dies nur ein kurzes Aufflackern, eine vorübergehende tektonische Entladung der Spannungen in Zeit und Raum? ... Aber nein, es kann nicht alles wieder werden wie zuvor. Matilde ist fort, das spüre ich. ... Und Braddock erwartet offenbar auch, dass dies nur der Anfang ist."

Andererseits nimmt Karim das Geschenk mit ... und seinen geheimnisvollen Trank. Beide Geheimnisse würde ich gerne entschlüsseln. "Vermutlich werde ich mich schon morgen für meinen mangelnden Mut selbst verfluchen. Welche Möglichkeiten hätte mir dieser Trank geboten? Wieviel zusätzliche Lebenszeit hätte er für mich bedeuten können? Wieviele Menschenleben hätte ich retten können, wenn ich sein Geheimnis entschlüsselt hätte? ... Oder wieviele Seelen hätte ich verdammt? ... Ich werde es nicht mehr erfahren und so wird diese Ungewissheit an mir nagen, wird der Wissensdurst in mir brennen. ... Ebenso wie ich mich ab heute immer fragen werden, ob Karims Geschenk Cainnechs Flöte war. ... Wenn ich sie jezt gehen lasse, werden wieder nur unbeantwortete Fragen zurückbleiben."

Kurz bin ich versucht, Karim zurückzurufen. Die Zwillinge schienen mir nutzlos. Aber Karim ... "Er wirkte nicht bedrohlich ... genaugenommen habe ich ihm vermutlich mein Leben zu verdanken."

Aber gleichzeitig fürchte ich mich vor der Tragweite der Erkenntnis, falls sein Geschenkt tatsächlich Cainnechs Flöte sein sollte.

Da werde ich mir der Tatsache bewusst, dass Ayana nicht den Raum verlassen hat. Ich meine, Ihren Blick in meinem Rücken zu spüren. Da zuckt ein Blitz direkt über dem Manor und der Donner kracht so laut, dass ich sorgenvoll zur Decke blicke. "Ein Blitzeinschlag im Manor ... das fehlte heute noch!"

Ich denke an Mathilde, die irgendwo dort draußen dem Unwetter ausgesetzt ist. "Vielleicht mit Paul. Ich hoffe, er steht ihr bei. Sie scheiden aus meinem Leben, wie sie gekommen sind."

Völlig unbekümmert meldet sich Ayana wieder zu Wort. Die Melodie ihrer samtenen Stimme sendet losgelöst von den gesprochenen Worten eigene Botschaften.

"Ja, sie ist eine Hexe. ... Und gerade das fordert mich heraus! ... Nein, sie wäre kein passendes Gefäß. ... Aber sie ist trotzdem wertvoll. ... Vielleicht könnte ich sie ... anleiten, sie auf den rechten Weg führen? ... Als wüßte ich, welcher das ist." Ich muss plötzlich an Merlin und die Fee denken. "Der weise alte Mann, der hilflos den Verlockungen jenes heidnischen Wesens erliegt ... Nimue, Viviane, Elaine, Niniane, Herrin vom See ... gleichgültig, bei welchem Namen man sie nannte, immer war sie für die Kraft ihrer Verführung bekannt. Merlin wusste das. Und doch konnte er sich ihrer Verführung nicht entziehen. ... Ayana ist kein keltischer Wassergeist. Sie ist eine Katze des alten Reiches. ... " Ich blicke Ayana nachdenklich an, wie sie sich in dem Sessel räkelt. "... Was bringst Du? Freude oder Verderben? Fruchtbarkeit oder Siechtum? Bist Du eine Tochter der Bastet oder der Sachmet?"

Ich betrachte Luni. Der Wolf, der die Katze leckt. Und irgendwie ist es damit entschieden. Matilde ist fort. Ayana wird bleiben.

"Dann sei es so. Es steht Dir frei zu bleiben ... vorerst. Du bist mein Gast und meine ... Dienerin ..." Das letzte Wort kommt mir schwer über die Lippen. Aber es scheint mir ... notwendig. "Du wirst mit mir Dein Wissen teilen. Und Du wirst mir schwören, mich nicht zu hintergehen ... Verstehst Du mich? Ich werde Dich mit all meiner Macht verfluchen, wenn Du es tust! ... Wenn Du Dich entschließt, bei mir zu bleiben und mir zu dienen, dienst Du ab heute niemandem sonst mehr!"

Das Unwetter verleiht meinen Worten Nachdruck und ich selbst bin einen Augenblick versucht zu glauben, dass ich in diesem Moment mit einem Wink über die Naturgewalten gebieten könnte. Dann blicke ich tief in diese dunklen Augen und frage mich, ob ich nur die Maus bin, mit der Ayana spielt, oder ob sie das Kätzchen in meiner Hand ist. Ich könnte nicht sagen, welche Vorstellung mich mehr erschreckt.
« Letzte Änderung: 21.10.2016 | 20:48 von Joran »

Offline Der Läuterer

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #281 am: 22.10.2016 | 00:24 »
Ayana streckt Dir ihre Hand entgegen. Ihr makelloser, dunkler Arm gleitet aus ihrem weiten Ärmel, wie eine süsse Schokolade aus ihrer Verpackung. Eine Versuchung ohne gleichen. "Ich werde Euch auf jegliche Weise so dienen, wie Ihr es verdient, Doktor. Ihr seid mein ehrwürdiger Meister. Ich bin Eure getreue Sklavin und werde Euch auf jede erdenkliche Weise Vergnügen bereiten und Euch eine Hilfe und Stütze sein."

Sie schaut an die Decke des Zimmers, als würde sie dort hindurchsehen können. "Ihr habt Macht über die Elemente. Ihr spült die Schwachen und die Zweifler hinfort und ertränkt sie in Euren Tränen. Ich werde Euch folgen, wohin Ihr auch geht. Ich werde Euch nicht verlassen."
« Letzte Änderung: 22.10.2016 | 00:33 von Der Läuterer »
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Joran

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #282 am: 22.10.2016 | 15:41 »
Clive

Ich nicke kurz. "Sie will mir dienen, wie ich es verdiene? Bleibt die Frage, was ich verdiene.

Mir fällt wieder ein, dass wir nicht alleine sind. Ohne den Blick von Ayana abzuwenden, frage ich Ove, der schweigend die Szenerie beobachtet und sich vermutlich gerade wenig freundliche Gedanken über mich macht.

"Ayana ist nicht eingeladen. Kristine würde sie vermutlich auch nicht gleich ins Herz schließen... Ayanas Anwesenheit widerspräche auch den eigentlichen Zweck des gemeinsamen Essens, nämlich Kristines Fragen zu beantworten, soweit wir das können."

"Ove, ich vermute es wäre gut, wenn Du schon vorgehst ... bis ich Ayana ihr Zimmer gezeigt und hier Klarschiff gemacht habe. Ich komme dann später nach. Bitte richte Kristine meine Entschuldigung wegen der Verspätung aus und wartet nicht auf mich."

Offline Puklat

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #283 am: 22.10.2016 | 16:06 »
Das Gewitter untermalt sehr treffend, was sich hier abspielt.
Ein Wendung wie ein Paukenschlag.

Ich glaube meinen Sinnen nicht trauen zu können.
Was ist nur in Clive gefahren? Wo ist Matilde und was zu Henker passiert hier?

Mir ist völlig unklar, was dieser Schwur soll. So habe ich Clive noch nicht erlebt. Ich habe Clive nie etwas schwören müssen. Ich musste ihm versprechen gut auf Kristine aufzupassen. Aber das ist selbstverständlich für mich.
Aber wie soll ich dieses Versprechen einlösen? Sind wir jetzt nicht in größerer Gefahr als je zuvor? Clive hat eine mysteriöse Fremde ins Haus geholt - im Haus gelassen. Hatte er mich nicht wegen der Fremden geholt? Damit ich ihm Rückendeckung bieten kann?

Wem kann ich denn hier überhaupt noch vertrauen?

Am liebsten würde ich mit Kristine nun sofort abreisen. Aber das wäre nicht angemessen. Ich würde Clives Gefühle und seine Gastfreundschaft verletzen. Und wüsste ich doch auch nicht wohin. Doch zu Kristines Eltern, wie sie es so lange nun schon fordern? Vielleicht wäre das sicherer.

Ich muss zuvor Clive um Erklärungen bitten. Sie einfordern. Etwas was ich von Clive noch nie gewollt habe. Er war mir nie Erklärungen schuldig, ich ihm und Matilde aber zu tiefem Dank verpflichtet.
Ich muss auch wissen, was mit Matilde ist. Warum ist Luni hier, sie aber nicht?

Mir stellen sich die Haare auf den Armen und im Nacken auf.

"Wir... würden uns dennoch sehr freuen, wenn du uns nachher zumindest kurz besuchen könntest, Clive."

"Ich wünsche dann einen guten Abend... und eine gute Nacht."

Meine Gedanken überschlagen sich.

FLUCHT FLUCHT!

Dann verlasse ich vielleicht etwas zu hastig den Raum und gehe sofort zu Harry und Kristine. Sie schauen mich erwartungsvoll an, doch ihre Minen spiegeln schnell Sorgen wider. Ich stehe bleich und rastlos vor ihnen. Mache Anstalten mich zu setzen, gehe dann aber doch im Raum auf und ab.

"Clive... wir haben Gäste... Clive hat Gäste. Collins war auch da. Ich sollte aber in Ruhe anfangen!", fasel ich zuerst. Dann schenke ich mir einen Whiskey ein. Ein Getränk, das mir nicht zusagt. Doch es ist ein Geschenk von Clive, soweit ich mich erinnere. Und ich brauche nun einen Drink.

Dann setze ich mich und sehe nun das erste mal den gedeckten Abendbrottisch. Doch ich habe keinen Appetit.

Ich fasse kurz zusammen, was im Salon passiert ist. Als ich zu der Stelle kommen an der er Ayana einlädt zu bleiben, obwohl alles in mir danach schrie sie sofort aus dem Haus zu werfen, stehe ich auf und verriegel alle Türen und Fenster in unserem Bereich des Hauses. Der Revolver von Collins gibt mir noch Sicherheit.
Ich verriegel auch die Tür zu Clives Teil des Anwesens.

Harry und Kristine versuchen mich zur Mäßigung aufzurufen, doch ich bleibe hektisch. Erst als alles verschlossen und verriegelt ist, komme ich zur Ruhe und berichte den Rest.

Harry kann meine Sorgen offensichtlich nur begrenzt teilen, doch Kristine ist ebenfalls in Unruhe, das merke ich ihr an.

"Ich weiß nicht, was wir tun sollten. Wir sollten aber ... auf alles gefasst sein. Diese Frau versprüht UNHEIL.... alles an ihr versprüht die Aura von Gefahr. Ich lasse nicht zu, dass wir in ihrer Nähe wohnen bleiben werden. Wir müssen hier fort, doch zuvor muss ich wissen was Clive vor hat und ich muss wissen wo Matilde hin ist. Das sind alles zu viele Zufälle für einen Tag."

Ich sacke auf meinem Stuhl zusammen und greife mir einen kleinen Apfel aus dem Obstkorb und beiße hinein. Langsam und nachdenklich kaue ich den säuerlichen Apfel.
Ich muss unwillkürlich an den Sündenfall denken und verschlucke mich fast an dem Apfel. Ich würge ihn hinunter und frage mich, ob dies nun der Punkt ist, an dem wir aus dem Paradies, das uns Clives Anwesen die letzten Jahre wohl bot, fliehen müssen.



Joran

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #284 am: 26.10.2016 | 11:45 »
Clive

Auch nachdem Ove fort ist, ruht mein Blick weiter auf Ayana. Das Bild, das sie bietet, wie sie lasziv im Sessel liegt, ist eine einzige Herausforderung. Die Szenerie ist absurd, berücksichtigt man mein Alter. Nichts an mir ist für eine solche Frau tatsächlich anziehend. Mit Emma war es anders ... Emma war auf der Suche nach Zuneigung und Zärtlichkeit. Ayana sieht etwas anderes in mir und sie will etwas anderes von mir. Ihr lächeln wirkt auf mich fast schon spöttisch, als sich unsere Blicke wieder treffen. Sie scheint sich ihrer Sache gewiss.

Und ich kann nicht leugnen, dass mir ihre Selbstsicherheit imponiert. "Sie ist eine Ahnung dessen, wie Matilde einmal gewesen sein muss ... wie sie wieder hätte werden sollen: stark und unabhängig. Ayana ist bereit alles zu tun, um ihre Ziele zu erreichen. Nur welche Ziele sind dies? Und wird sie bereit sein, von mir zu lernen ... einen neuen Weg zu gehen? Wenn nötig alten Götzen abzuschwören?"

"Wir werden sehen, wie wir miteinander zurechtkommen. ... Dein Dienst für mich wird zunächst einmal darin bestehen, mir von Dir zu erzählen, von Deinem Leben, Deinen Fähigkeiten, Deinen bisherigen Lehrern oder Meistern, was Dich tatsächlich zu mir geführt hat. Ich muss Dich kennen, bevor ich Dir etwas zurückgeben kann.

Du wirst also tatsächlich in einer Beziehung dienen müssen: Du wirst Dich meinen Weisungen und Regeln beugen müssen, wirst akzeptieren müssen, was ich Dir auftrage ...

Wir werden einander Vertrauen müssen. Verstehst Du mich? Noch kann ich Dir nicht vertrauen und eine gemeinsame Nacht könnte daran nichts ändern. Ich bin zu alt, um mich von körperlichen Genüssen noch um den Verstand bringen zu lassen. Und gesund wäre es für mich vermutlich auch nicht. Vor allen bin ich jedoch hoffentlich zu klug, um mich noch wie ein Gockel aufzuführen.

Und ich glaube, Du bist zu klug, um das nicht zu erkennen! Andernfalls wärst Du nutzlos für mich. Also benutze Deinen Kopf, nicht Deinen Körper, um mich zu beeindrucken."

Ich versuche, meine Worte zwar bestimmt, aber nicht zu scharf klingen zu lassen.

Dann zeige ich Ayana ihr Zimmer ... Cainnechs altes Zimmer ... direkt neben meinem. Die wenigen Habseligkeiten von Cainnech sind ohnehin zusammengepackt, so dass ich sie mitnehmen kann. Das Bett ist dennoch bezogen und nur mit einem Leinentuch abgedeckt. Ich zeige Ayana die Waschmöglichkeiten und was sonst im Alltagsleben von Bedeutung ist. Dann lasse ich Sie auf ihrem Zimmer allein und wünsche ihr eine gute Nacht.

Nochmals kontrolliere ich, dass mein Arbeitszimmer gesichert ist. Erst dann verlasse ich das Manor durch den Nebeneingang, durch den Braddock von ein paar Stunden gekommen ist, und begebe mich zu Ove und Kristine. Dort ist alles verriegelt: Die Fensterläden sind geschlossen. Auf mein Klopfen höre ich, wie der Schlüssel herumgedreht wird. Mir kommen Zweifel, ob uns Schloss und Riegel schützen können, aber einen besseren Rat wüßte ich im Augenblick auch nicht.

Offline Puklat

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #285 am: 29.10.2016 | 14:09 »
Ich bin gerade damit fertig geworden Harry und Kristine die drängensten Fragen zu beantworten, die Fensterläden zu schließen und zu verriegeln und Harry zu überzeugen heute hier zu bleiben. Ich vermute, dass er nur hier geblieben ist, weil er sich um unseren Geisteszustand sorgt. Vermutlich noch mehr um meinen als um den von Kristine. Aber das ist mir egal. Ich bin froh noch jemanden im Haus zu wissen, der auf unserer Seite steht. Ich habe keine andere Wahl als Harry zu unterstellen, dass er auf unserer Seite ist. Wenigesten wird er wohl mehr auf unserer Seite stehen, als auf der irgendwelcher wirrer Abgott-Anbeter. Und ob ich Clive noch trauen kann, kann ich gerade nicht beantworten. Zu viele Antworten ist er mir schuldig geblieben.

Ich habe den Revolver von Collins bei mir und ich habe noch eine Hand voll normaler Kugeln dabei. Ich hatte allerdings noch nicht die Zeit und Ruhe diese an Stelle der von Collins geladenen Kugeln auszutauschen. Vielleicht will ich es auch gar nicht, weil mir seine verwirrenden Worte und sein Schutzversprechen vielleicht doch etwas Vertrauen schenkten.

Habe ich die Freiheit an seinen Worten zu zweifeln?

Kann man es sich leisten dem Feuerwehrmann zu misstrauen, der einem versucht klar zu machen, dass man in seiner Wohnung nicht mehr sicher ist, weil es im Stockwerk darüber brennt?!


Ich habe Kristine überzeugen können, dass sie meine Pistole nehmen soll. Die handliche Faustfeuerwaffe, die ich noch aus meiner Zeit bei Kilmister und Stratton habe. Hoffentlich wird sie diese nie brauchen.

Ich bin gerade dabei die Haustür ein zweites mal zu überprüfen, als ich einen Schemen durch unseren Garten gehen sehe. Ich schrecke kurz zusammen. Ich schaue ich durch einen Spalt im Fensterladen und meine Clive zu erkennen, wie er auf die Haustür zuhält. Je näher er kommt, desto deutlicher erkenne ich ihn. Er sieht nicht gut aus.

Als er klopft, warte ich einen Moment. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn hineinlassen sollte. Ich noch immer wütend, aber er schuldet mir zu viele Antworten, als dass ich es mir erlauben könnte ihn nun abzuweisen. Ist er doch der einzige echte Verbündete, der über alles bescheid weiß und mir jetzt gerade geblieben ist. Erneut frage ich mich, wo Matilde nun ist.
Das ist also auch noch seine Frage, auf die Clive mir eine Antwort liefern könnte, wenn nicht gar sollte.

Schließlich drehe ich den Schlüssel im Schloss herum und öffne den zusätzlichen Riegel. Ich fühle unnötiger Weise erneut nach, ob ich Collins Revolver noch immer bei mir habe - ja.
Dann öffne ich die Tür, und bitte Clive mit einer knappen Geste ins Haus.

Er bedankt sich ebenso knapp und wortlos mit einer Geste und tritt ein. Er sieht älter aus, als gestern. Viel älter.

Ich schließe und verriegel die Tür sofort wieder. Ich vermeide es dabei Clive anzusehen.
Dann wende ich mich ihm wieder zu - hinundhergerissen, ob ich ihn anbrüllen sollte, so tun sollte als wäre nichts oder ihn gleich wieder rauswerfen sollte. Oder sollte ich einfach nur nüchtern nach Antworten verlangen?

Ich kann mich nicht entscheiden. Ich bitte Clive zunächst in die Küche. Dort sitzt Harry noch immer vor einer inzwischen erkalteten Tasse Tee. Kristine hat sich im Nebenzimmer auf einen Sessel gesetzt. Sie ist inzwischen in einen unruhigen Schlaf gefallen. Sie zuckt immer wieder zusammen und gibt leise Stöhnlaute von sich. Es ist ein Anblick an den ich mich gewöhnt habe, auch wenn es mir jedes Mal wieder das Herz aus dem Körper zu reißen scheint, wenn ich sie so sehe.
Dieser Tag hat sie erneut sehr angestrengt und ermüdet. Sie sollte vermutlich ins Bett gehen, doch kann ich nur zu gut verstehen, dass sie nicht alleine im Obergeschoss sein mag.

Harry schaut auf und fragt sofort, ob er gehen soll.
"Nein! Bleib bitte hier", sage ich nur knapp.

Dann drehe ich mich zu Clive: "Setz dich!"
Ich sage es nicht im Befehlston und doch fehlt meinen Worten die sonst bei einem guten Freund als Gast gebotene Wärme und Freundlichkeit. Ich klinge als würde ich mit einem Fremden oder gar einem Vertreter reden.

Dann setze ich Tee Wasser auf. Es dauert eine Weile, bis das Wasser kocht. Solange sage ich nichts. Und auch Clive und Harry scheinen die Worte zu fehlen.
Als der Tee vor uns zieht setze ich mich ebenfalls.
Ich falte meine Hände. Ringe mit ihnen und lehne mich dabei im Stuhl zurück.
 
Ich habe mir viele Fragen überlegt. Vieles ist mir durch den Kopf geangen.

Dann lehne ich mich wieder etwas vor, lege meine Hände ruhig auf die Taschplatte, schaue Clive in die Augen und frage:

"Nun?"




Joran

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #286 am: 2.11.2016 | 19:03 »
Clive

Ich spüre den gereizten Unterton in Oves Worten. Seine Verärgerung ist greifbar. Es wird nicht einfach werden, ihn zu beruhigen, denn sein Zorn basiert auf Angst. Angst vor dem Unbekannten und vor allem Angst um Kristine...

Harry Blackberry ist mir weitgehend fremd. Ich kenne ihn nur flüchtig. Es ist mir unangenehm, vor ihm über die Ereignisse zu reden. Ich bin mir unsicher, wie sehr ich ihm vertrauen kann. Es ist nicht zu erwarten, dass er meinen Worten überhaupt glauben schenkt. Vermutlich wird er mich für einen Irren halten und am liebsten einweisen lassen. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass Ove Mr. Blackberry gerade deshalb bittet zu bleiben, um mir die Situation ruhig ein wenig schwerer zu machen. Vielleicht will er mir auch einfach zeigen, dass er Blackberry mehr vertraut als mir.

Ich rufe mir in Erinnerung, wie unterschiedlich mein Lebensweg von dem Oves ist. Vermutlich ist es Ove überhaupt nicht möglich, meine Entscheidungen nachzuvollziehen oder gar zu billigen.

Mir bleibt nur, so viele Karten auf den Tisch zu legen, dass Ove eine Chance hat, meine Verhalten zu verstehen.

Für die Dauer meiner Überlegungen hängt ein unschlüssiges Schweigen im Raum.

Dann beginne ich langsam und stockend:

"Nun, Ove, ... Du bist offensichtlich verärgert über mich. ... Vermutlich weil ich Ayana nicht fortgeschickt habe. ... Ich begreife das. Du willst verstehen, warum ich so entschieden habe. Du hast ein Recht auf eine Erklärung ... und Kristine auch. Aber es ist nicht eben wenig, was Du von mir erwartest! Um mich wirklich verstehen zu können, müsste ich Dir sehr viel aus meiner Vergangenheit erzählen ... und selbst dann wäre es nur ein Bericht, der nur ein schwaches Abbild der Ereignisse darstellen könnte.


Ich könnte an Deine Ehre appelieren und darauf hinweisen, dass Ayana nur eine einzelne Frau ist, vor der ein Mann sich nicht zu fürchten braucht. Ich könnte auf Lunis Instinkte verweisen und darauf, wie zutraulich er zu dieser Frau war. Eine Frau zudem, die in diesem Land für jeden erkennbar fremd ist. Eine schöne Frau, die kein Gentleman bei einem solchen Unwetter und bei Einbruch der Nacht schutzlos ins Freie jagd. ...

Aber wir wissen beide, dass Ayana sehr genau weiß, was sie tut, und wahrscheinlich gefährlicher ist als jeder hiesige Mann, der sich gegen ihren Willen an ihr zu vergreifen versuchen könnte. Solche Kerle würden vermutlich in größerer Gefahr schweben als Ayana.


Ich denke, Du kennst mich auch gut genug, dass ich Ayana nicht aus unmoralischen Motiven heraus bei mir behalten habe. Auch wenn ich einräumen muss, dass sie etwas in mir berührt ...


Was waren also meine Gründe?"

Ich halte eine Weile inne und überlege. Es ist schwer, eine spontane Entscheidung zu erklären, die vor allem auf einem Gefühl basiert, selbst wenn dieses Gefühl seinerseits wieder das Ergebnis einer Fülle von Erlebnissen ist. "Weiß ich selbst überhaupt, warum ich Ayana aufgenommen habe?"


"Ove, ich kannte Dich nur flüchtig und Kristine überhaupt nicht, als ich Euch hier aufgenommen habe. Das wenige, was ich von Euch wusste, reichte mir, Euch hierher einzuladen.

So bin ich mein ganzes Leben zumeist verfahren: Ich habe sehr schnell Menschen eingeschätzt und ich habe mich selten geirrt.

Hat Dir Matilde einmal von Herm erzählt ... wie wir uns kennengelernt haben? Nein? Also, wir waren dort beide im Böcklin Haus, einer Klinik. Wir waren damals beide auf der Flucht ... irgendwie. Matilde vor 'La Main Droit' und ich vor ... etwas, das man schwer in Worte fassen kann und von dem ich glaube, dass es mich seit Jahrzehnten beharrlich sucht.

Ich hatte mir mit dem Böcklin Haus den abgelegendsten Ort gesucht, den ich finden konnte, um zumindest eine Weile, vielleicht sogar für immer von der Bildfläche zu verschwinden. Ein Ort, an dem jeder Neuankömmling sofort auffallen würde. Ein Haus auf einer Insel, nicht viel mehr als ein karger Felsen im Meer. Auch in der Klinik habe ich lange keinen Kontakt zu anderen Gästen aufgenommen. Ich wollte mich frei machen von allen äußeren Einflüssen ... von Farben, dem zunehmenden Lärm der Menschen in den Städten, dem Trubel. Ich hätte auch in ein Kloster gehen können ... aber das schien mir unpassend, drehten sich meine Gedanken doch vor allem um Erkenntnisse über heidnische ... zutiefst unchristliche Lehren, die ich auf meinen Reisen gewonnen hatte.

Auf Herm kam es zu ... Anomalien ... die Realität schien sich irgendwie zu verschieben. Der Klinikleiter, Dr. Livingstone, sprach plötzlich in einer fremdartigen Sprache ... Ich habe schon so manche Sprache gehört, aber keine wie diese! Ich war nicht der Einzige, der das bemerkte. Auch Paul Anderson, ein Patient, den ich wenige Minuten zuvor kennengelernt hatte, nahm dies wahr. Und wir hörten eine Frau schreien. Wie sich später herausstellte, war das Matilde. Paul erkannte ihre Stimme sofort und war sehr besorgt. Paul ... liebte Matilde ... auf eine schmerzhafte, hoffnungslose Weise.

Ich bin Paul gefolgt, lernte Matilde kennen und überstand mit ihnen die nächsten Stunden, in denen fast alle Bewohner der Insel verschwunden waren. Sie waren einfach fort, als hätte sich die Realität wie die Schienen bei einer Weiche aufgespalten und unser Wagon hätte sich losgerissen, um auf dem falschen Gleis weiterzufahren ... Die ganze Insel machte diese Veränderung durch ... die Tiere ... waren tot und lebten doch ... der Wind in den Bäumen wisperte mir zu ... Mehrere Menschen verschanden an diesem Tag ... oder starben. Unter ihnen auch Paul. ..."

Ich werfe einen vorsichtigen Seitenblick auf Harry Blackberry, als ich merke, was ich hier erzähle und mir bewusst wird, wie unglaubhaft das alles klingen muss.

"Aber ich schweife ab. Was ich sagen will: Wir waren in einer Notlage und ich habe Matilde und Paul vom ersten Augenblick vertraut. Es bedurfte keiner Worte dafür. Ich WUSSTE einfach, woran ich mit ihnen war. Das war für mich ganz selbstverständlich. Ich habe keinen Moment gezweifelt. Und ich wusste, wem ich NICHT trauen konnte."

Meine Züge verhärten sich, als das immer noch verschwommene Bild von Amandas Gesicht in meiner Erinnerung erscheint. Gleichzeitig merke ich, wie mich noch heute ein Schauder packt, wenn ich an Amanda ... an Annephis ... denke. Ich wische die Erinnerung mühsam fort.


"Ayana hat einen starken Willen. ... Ein wenig so wie Matilde ... bevor ... nun, bevor sie ..." "... sich aufgab?"

Ich blicke Ove direkt in die Augen. "Matilde ist fort, Ove! ... Ich glaube nicht, dass ich sie wiedersehen werde! Es ist nur ein Gefühl ... aber Paul war ganze sechs Jahre fort, bevor er heute plötzlich im Dorf erschien. Sechs Jahre wie vom Erdboden verschwunden ... ohne irgendeine Spur zu hinterlassen ... ohne dass es für ihn einen Möglichkeit gegeben hätte, die Insel zu verlassen. Da war kein Schiff und kein Flugzeug ... rein garnichts.

Heute haben sich hier merkwürdige Dinge ereignet, die mich an Herm erinnert haben: Die Veränderung der Pflanzen ... die Farben ... das merkwürdige Verhalten der Dorfbewohner. Das waren nicht alles Zufälle! Wie sonst hätte Paul hier plötzlich erscheinen sollen, wenn es keine Verbindung zu den Ereignissen auf Herm gibt? Und wie hätten die Fremden hierher gelangen können ... alle zur gleichen Zeit?

Ich glaube, Paul hat Matilde mit sich genommen. Wo auch immer sie nun ist, ich hoffe es geht ihr dort gut ... besser als hier ... und sie findet sich selbst wieder."

Noch einmal verliere ich mich für einen Moment in der Vorstellung einer gemeinsamen Zukunft mit Matilde auf dem Manor. Ich brauchen einen Augenblick, um den roten Faden in meinen Ausführungen wiederzufinden.

"Matilde ist fort. Und mir bleibt nicht mehr viel Zeit, Ove. Ich bin alt ... und krank. Mein Körper ist ausgelaugt von den Jahren. Ich brauche jemanden, mit dem ich mein Wissen und meine Erlebnisse teilen kann." Ich vermeide es, Ove bei diesen Worten anzusehen. "Ove ist nicht der Mensch, der von den Schrecken hören möchte, um die ich weiß. Er ist nicht der Mensch, der mit dem Wissen umgehen könnte. Wenn er ehrlich zu sich selbst ist, wird er das selbst erkennen. Und doch könnten ihn meine Worte verletzen."

"Und Ayana könnte so ein Mensch sein ... Sie könnte stark genug sein! Ich weiß es nicht. Noch nicht. Aber ich möchte es herausfinden, kannst Du das verstehen?

Möglicherweise verfolgt sie im Moment keine Ziele, die wir als ... 'gut' oder 'nobel' bezeichnenen würden. Und ihr Benehmen ... entspricht nicht unseren hiesigen Vorstellungen von Moral. Sicher! ... Aber, dürfen wir sie überhaupt an diesen christlichen, europäischen Maßstäben messen, Ove? Bedenke woher sie stammt und wer sie ist! Sie verkörpert eine ganz andere Kultur und ich lehne es ab, diese als primitiv abzutun, nur weil der Wissenschatz solcher Kulturen sich von unserem unterscheidet!

Wir können nicht wissen, was Ayana zu dem Menschen gemacht hat, den wir heute hier kennengelernt zu haben glauben. ... Du kannst Dir nicht ausmahlen, wie sehr der schwarze Kontinent einen Menschen formen ... und verändern kann. ..." Wieder strömen Erinnerungen aus Afrika auf mich ein und meine Mimik spiegelt die Anstrengung deutlich wieder.

"Sie hat diese ... Veränderungen ... genutzt, um hier her zu kommen. Vielleicht kann sie mir helfen, die Ereignisse hier und auf Herm zu verstehen. Vielleicht kann sie mir helfen, etwas über Matildes Verbleib herauszufinden.

Ich möchte Ayana einfach kennenlernen. Etwas sagt mir, dass Ayana ANDERS ist als Karim oder Collins oder die deutschen Zwillinge. Sie ist MEHR. Sie befolgt nicht nur Befehle. Auch wenn sie jemand hergeschickt haben mag, handelt sie eigenständig. Sie ist nicht so ... servil ... ja, sklavisch, wie die anderen. Das lässt sie bedrohlicher wirken ... aber es macht sie auch wertvoller!

Urteilen wir nicht vorschnell über diese Frau, so fremd sie Dir auch erscheinen mag. Ich möchte herausfinden ... ob ich sie noch anleiten und auf den rechten Weg führen kann ..." "... oder ob sie mächtiger ist als ich."

"Wir können noch nicht einmal behaupten, Ayana in den wenigen Minuten 'kennengelernt' zu haben. Also bleibt uns nur unser Gefühl. ... Und mein Gefühl sagt mir, dass ich sie nicht fortschicken sollte ... anders als bei Matilde und Paul ... und doch irgendwie ähnlich."


"So ist es mir mit anderen Menschen in meinem Leben oft gegangen. Meine teuersten Freundschaften habe ich in wenigen Augenblicken geschlossen."

Ich denke an Ruairí und an Cainnech und an all die anderen toten Gesichter meiner Vergangenheit.

"Als ich jung war, mein Studium abgeschlossen und eine Erbschaft gemacht hatte, begann ich mit meinen Reisen. Das war Ende des vorigen Jahrhunderts. Ich habe die ganze Welt umsegelt, ferne Länder besucht, die man sonst nur aus Büchern kennt, ... und ich habe auch solche Orte gesehen, die noch auf keiner Landkarte verzeichnet waren oder deren Darstellung alleine auf Vermutungen und Gerüchten basierten ... in Afrika, in Asien und in Südamerika. Ich lernte unter anderem Sir Roger Casement ... oder Ruairí Dáithí Mac Easmainn, wie er tatsächlich hieß ... kennen. Auch diese Freundschaft entstand in Sekunden. Ruairí fragte mich und ich begleite ihn auf seiner berühmten Expedition im Auftrag der britischen Regierung in den Kongo ... Ich war damals noch jung und diese Reise veränderte mein ganzes Leben. ..."

Ich halte einen Augenblick inne und mein Blick schweift durch Oves realen Körper hindurch an weit entfernte Orte in eine lang vergangene Zeit.

"Es ist ... eine Qual, sich an diese Reise zu erinnern und sich den schrecklichen Bildern jener Tage zu stellen ... und doch vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht dorthin zurückkehren würde ...

Du weißt, ich war im Großen Krieg. Zu Beginn des Krieges befand ich mich im Osmanischen Reich. Später war ich in Flandern und habe den ganzen Schrecken des Krieges erlebt ... Es war schlimm. Menschen verwandelten sich in gesichtslose Monstren. Ein Kommandeur, der ... in seinem militärischen Ehrgeiz ... Grenzen überschritt ... Überall Tote und Sterbende ..."
Ich halte kurz inne und mein Mund formt still die Worte: "Mkubwa Mkongwe Moja Mchinjaji"
"Ich konnte vielen nicht helfen, weil meine Kräfte nicht reichten, weil die Versorgung mit Medikamenten und Verbandsmaterial unzureichend war oder weil das Gas keine Chance auf Heilung gewährte.

Aber Flandern war ... nichts ... im Vergleich ... zum Kongo ...

Vielleicht empfinde ich das nur aus dem Grunde so, weil ich in Flandern älter war und schon so viel Leid davor gesehen hatte." Ich fühle mich plötzlich sehr müde und streiche mir über das Gesicht. "Ja, vielleicht ...", versuche ich mich selbst zu überzeugen.

Ich schüttele resigniert den Kopf, als könnte ich damit die Geister der Vergangenheit vertreiben.

"Der Kongo hat mich damals verändert. ... Er hat mich BERÜHRT!" Mich schaudert angesichts der Mehrdeutigkeit dieser Aussage und ich verdränge das Bild der pulsierenden schwarzen Adern aus meinen Gedanken.

"Ayana erinnert mich an eine Begebenheit im Kongo ...
... an eine afrikanische Frau ...
... den TOD einer afrikanischen Frau. ...
... Ich habe noch eine Rechnung offen ... eine Schuld zu begleichen, weil ich dieser Frau nicht helfen konnte ...
... und ich habe das Gefühl, dass Ayana der Schlüssel sein könnte, um diese Fessel zu lösen, die ich seit bald vierzig Jahren mit mir herumschleppe."

 
Ich blicke Ove ernst an:

"Ich verstehe es, wenn Du weglaufen möchtest ... wenn Du mit Kristine schnellstmöglich das Weite suchst ... Ihr beiden seid noch jung! Und ich selbst bin die meiste Zeit meines Lebens davongelaufen ... vor meine Erinnerungen ... vor dem, was ich im Kongo gefunden habe ... vor dem Tod.

Aber mein Weg ist bald zuende. ... Ich will nicht mehr fortlaufen.

Ich habe mich dem Tod im Pentonville Prison gestellt und ihm getrotzt. Und ich habe daraus gelernt, dass ich mit der Vergangenheit nur abschließen kann, wenn ich ihr entgegentrete, nicht wenn ich davonlaufe. Was bedeutet es für mich schon noch, wenn ich durch eine Flucht noch paar Monate oder wenige Jahre gewinnen sollte? Was ich will, sind Antworten! Ich will verstehen, was in London geschehen ist und davor. Ich will wissen, warum 'La Main Droit' Matilde verfolgt und gequält hat, damit ich ihr vielleicht doch noch helfen kann. Ich will wissen, was in der Änderungsschneiderei mit mir geschehen ist. Ich will WISSEN! ... Und glaube mir, niemand ist sich mehr bewusst als ich, dass das WISSEN, nach dem ich strebe, keine Heilsbotschaft ist. ..."

"Nein, es ist ein VIRUS ... ohne Chance auf Heilung!", stelle ich nur in Gedanken klar. An Ove gewandt resümiere ich lediglich:

"... Aber ich kann nicht so weitermachen wie bisher. Ich bereue es, mein Leben lang fortgelaufen zu sein.

Du musst entscheiden, ob Du um den Moment willen fliehen willst oder ob Du der Gefahr ins Auge blicken und kämpfen willst. Egal, wie Du Dich entscheidest, ich werde Dich verstehen und Dir helfen, wenn ich es vermag. Du kannst mit Kristine fortgehen ... aber ... es tut mir aufrichtig leid, Dir das sagen zu müssen ... wo auch immer Ihr hingeht ... ich fürchte, das hier wird Euch früher oder später wieder einholen.

Ihr würdet ÜBERLEBEN, aber Ihr könntet nie wirklich LEBEN. Ihr würdet immer fruchtsam über Eure Schultern blicken und könntet an keinem Ort in Ruhe etwas Beständiges aufbauen."

"Wie soll man auf der Flucht an Kinder denken? Wie kann man auf der Flucht eine Liebe leben? Ich konnte es nicht ...", erinnere ich mich.

"Glaub mir, ich weiß wovon ich rede!", schließe ich traurig meinen Monolog, worauf es am Tisch still wird. Erst nach einer kleinen Weile traue ich mich, Ove wieder in die Augen zu sehen.
« Letzte Änderung: 14.11.2016 | 18:17 von Joran »

Offline Puklat

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #287 am: 24.11.2016 | 18:23 »
Endlich fängt Clive an zu reden. Doch schnell merke ich, dass ich nicht zu hören will. Ich will nicht hören, was er da sagt. Ich kann es nicht glauben, ich will es nicht glauben.
Ich verkrampfe. Ich möchte ihn unterbrechen. Doch merke ich, dass er sich öffnen will, dass er erklären WILL. Auch wenn seine Erklärungen in mir nur den Drang erhöhen ihn wach zu schütteln und zu sagen, dass es die Einbildung eines senilen alten Mannes ist, der sich ein Traumschloss herbeigedacht hat.

Doch ich kann es nicht.
Er hat sich mir noch  nie so geöffnet. Tatsächlich hat er sich so gut wie gar nicht geöffnet. Er hat eher berichtet. Wie ein Naturforscher einen Bericht abhält. Er erzählte knapp und ohne viel Emotionen. So von dem was ihm und Matilde vor wenigen Jahren in London passiert ist. Und danach berichtete er ebenso nüchtern von Irland. Allerdings ließ seine Art der Erzählung zumindest den Schluss zu, dass er Irland sehr tief verbunden ist und war. Aber er hat sich nie emotional geöffnet. Und genau das lässt mich fasziniert zuhören, meine Wut mehr und mehr vergessen und fängt mich ein.

Nach langem Schweigen, das den Tisch und den Raum ergriffen hat, nachdem Clive endete, setze ich an.

"Clive... Danke!"


"Danke, für deine Offenheit. Ich habe noch immer viele Fragen, sehr viele... es sind sogar mehr geworden. Zum Beispiel diese: Wieso und wohin ist Matilde gegangen? "

Bevor Clive zu einer Antwort ansetzen kann, fahre ich fort:
"Ich vermute du weißt es selber nicht so genau. Aber ... Clive. Du lässt diese Frau... und mir ist es dabei egal... ernsthaft egal, welche Hautfarbe sie hat.... aber du lässt diese Frau hier übernachten. An einem Tag voller sehr vieler, verstörender...", ich betone dieses Wort, "...ZUFÄLLE! Du scheinst in ihr eine Möglichkeit der Erlösung oder der Wiedergutmachung zu sehen. Aber woran machst du das fest? An deinem BAUCHgefühl? An deinem reichlichen Erfahrungsschatz im Umgang mit Personen? All diese Personen, die heute zu Besuch kamen - außer Harry - sind mindestens von zweilhafter Glaubwürdigkeit ... oder noch erschreckender... von beängstigendem Antrieb gesteuert.

Und du sagst selbst, dass diese Frau vermutlich die gefährlichste von allen ist. Ich neige dazu diese Leute als Spinner zu bezeichnen, aber nach allem was vorgefallen ist, in den letzten Jahren und heute und zusammen mit dem was du erzählt hast, ist VIEL mehr dran an dem was sie sagen, als ich mir eingestehen möchte. Ich muss damit zu leben lernen. Einen Weg finden damit umzugehen. Das schaffe ich aber nicht heute abend... dazu brauche ich mindestens .... " Ein Leben? Ein Jahr? Ein Jahrzehnt? Eine Nacht? Ich weiß es nicht

"... dazu brauche ich Zeit.
Aber der Punkt ist: Diese Frau ist die berechnendste, vermutlich gefährlichste Person all diese "Jünger". Und lässt sie sich hier nicht nur einnisten. Du hofierst sie. Weil du dir von ihr Erlösung versprichst."
Auch wenn ich das Wort einnisten mit Absicht gewählt habe, so ist meine Schlussfolgerung über die Erlösung nicht als Vorwurf formuliert. Es ist lediglich eine Feststellung, in neutralem Ton formuliert.

"Aber... hast du mal darüber nachgedacht, dass Ayana oder wer auch immer diese Frau wirklich ist, genau DESHALB hier ist? Sie sticht aus der Masse aller heraus, sie ist dreist, sie spricht dich genau an... sie berechnet. Sie weiß genau was sie tut... und vielleicht will sie nicht dich, nicht etwas ... ein Ding ... sondern dein Wissen?!

Clive, ich weiß... oder zumindest ahne ich es ... ich kann von deiner Entscheidung nicht abbringen."
Ich hatte vor seinem Monolog gehofft er würde es selbst einsehen. Doch das ist nun nicht mal mehr eine Utopie. Das wird nicht machbar sein.

"Aber bitte ... mach nichts, nur weil du das Gefühl einer Verpflichtung hast. Du hast keine Verpflichtung. Nicht zu dieser Person. Zu niemanden dieser Leute, die uns heute unaufgefordert 'besucht' haben. Du hast eine Verpflichtung dir selbst gegenüber. Und wenn dein Wissen so wichtig ist, so gib es nicht leichtfertig her.

Wenn wir... nein!"
Ich kann nicht für die anderen sprechen. Nicht in einer so wichtigen Sache.

"Wenn ICH dir helfen kann... egal wie. Werde ich es tun. Aber ich kann nicht gegen meine Überzeugungen handeln... ebenso wenig, wie du es wohl kannst. Aber gib mir zumindest das Gefühl, dass du dir die Sache gut überlegst.

Rede nicht vom Ende deines Lebens, wenn bis dahin noch Zeit ist. Lass den Teufel nicht ins Haus, nur weil es dir gerade eine gute Idee schien."

Der letzte Satz tut mir leid, sobald ich ihn ausgesprochen habe, doch merke ich, dass es mir wichtig war es zu sagen... vielleicht sogar es so zu sagen.

"Es tut mir leid. Das war unangebracht. Aber ich kann mein Unbehagen nicht verstecken. Heute gab es viel zu viele Zufälle. Zu vieles kam zusammen, als dass ich dem ganzen etwas Gutes abgewinnen könnte."

Ich habe noch viele, viele Fragen, aber am wichtigsten ist mir die Antwort, die ich von Clive nun erwarte.

Joran

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #288 am: 24.11.2016 | 20:40 »
Clive

"Wie soll ich nicht über das Ende meines Lebens nachdenken, wenn ich dem Tod heute ins Auge geblickt habe?", denke ich und streiche mir dabei unbewusst über die Brust, die noch immer schmerzfrei ist. "Noch schlägt es ... NOCH ... aber wie lange noch?"

"Du hast Recht, wenn Du Unbehagen empfindest Ove. Und ich glaube - wie gesagt - nicht an Zufälle, was die heutigen Ereignisse angeht.

Es muss einen Grund für die Geschehnisse des heutigen Tages geben. Und wir wissen nicht, ob es schon vorbei ist ... Wir wissen nicht, was heute nacht oder morgen geschieht. ... Wir wissen nicht, ob uns die Zeit bleibt, die Du zu brauchen meinst! Und die einzige, die uns den Schlüssel zu diesem Rätsel vielleicht geben könnte, schein mir Ayana zu sein.

Und was erwartest Du von mir? Ayana hat mir nichts getan, sondern mir bisher nur ihre Dienste angeboten. ... Soll ich diese Frau wirklich nachts in dieses Unwetter jagen?"

Mein Blick sucht Kristine in der Hoffnung, von ihr den Beistand einer mitfühlenden Frau zu erhalten.

"Sind das tatsächlich die Gründe, aus denen ich Ayana nicht fortschicken will?", überlege ich. "Sicher nicht die einzigen! Noch nicht einmal die wichtigsten!" Ich empfinde eine wachsende Verärgerung bei der Vorstellung, mich für meine Entscheidung rechtfertigen zu müssen. Oves Worte gehen mir noch einmal kurz durch den Kopf und komme für mich zu dem Schluss: "Du sagst es selbst, Ove. Ich habe keine Verpflichtung gegenüber irgendjemanden! ... Auch nicht gegenüber Dir oder Kristine! ... Wenn ich entscheide, Ayana bei mir zu behalten, dann ist das mein gutes Recht!" Aber ich schlucke diesen Impuls herunter und versuche es stattdessen weiter mit vermittelnden Worten:

"Zunächst einmal nehme ich Ayana nur bei mir auf ... Ich werde sie beobachten. Ich glaube nicht an Teufel, Ove. Das Böse wohnt nach meiner Erfahrung in den Menschen selbst, ohne dass wir einen gefallenen Engel dafür verantwortlich machen könnten! Ich werde Ayana kennenlernen. Und ich hofiere sie entgegen Deinem Eindruck ganz sicher nicht, Ove. Sie hat gesagt, dass sie mir dienen will. Du weißt, dass ich kein Mensch bin, der sich mit Dienern umgeben würde. Aber Ayana habe ich klar gesagt, dass sie mir ... und NUR MIR ALLEINE ... gehorchen muss, wenn sie bei mir bleiben will.

Es kann sein, dass ich sie schon bald fortschicke. Es kann sein, dass sie schon in den nächsten Tagen von selbst wieder verschwindet. Ich kann es nicht sagen. Und ich kann es heute nicht entscheiden. Schickte ich sie heute fort, wäre das eine endgültige Entscheidung. Wir würden möglicherweise eine Chance vergeben. Wäre das eine rationale Entscheidung? Wäre es nicht ebenso eine Entscheidung aufgrund eines Gefühls ... aus FURCHT? Dein Wunsch, Ayana fortzuschicken, ist mindestens genauso emotional, wie meiner, sie zunächst einmal aufzunehmen.

Natürlich kann es sein, dass Ayana wegen meines Wissens hier ist. Aber es ist nicht leicht, mir mein Wissen zu entlocken. Oder hast Du mich in den letzten Jahren als besonders redseligen Menschen empfunden? Ich glaube auch eigentlich nicht, dass sie mit der Absicht gekommen ist, von mir zu lernen. All die anderen 'Huldiger' sind nicht gekommen, weil Sie uns für weise, sondern weil Sie uns für 'auserwählt' hielten, was immer das bedeuten soll.

Wir sollten uns morgen früh erst einmal anhören, was Braddock uns zu sagen hat ... falls er diesmal überhaupt etwas sagt. Viel Hoffnung setze ich nicht in ihn. Aber das ist vermutlich unsere letzte Gelegenheit für ein Gespräch mit ihm. Vielleicht täusche ich mich und wir sind danach schlauer.

Ich muss morgen auch nach Marie sehen ... ob sei bei Matilde oder bei ihrer Großmutter ist. Es gibt viel zu tun."

Ich blicke einmal in die Runde. Dann ergänze ich: "Mr. Blackberry, bleiben Sie doch über Nacht hier. Ich denke, das würde Ove beruhigen. Und bei dem Wetter sollten auch Sie keinen Fuß mehr vor die Tür setzen!"

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #289 am: 24.11.2016 | 22:21 »
Harry nickt Dir zu. "Vielen Dank, Doktor..."

Der Mann stutzt kurz, so als müsste er überlegen, was er als nächstes sagen soll. Ein verlegenes Lächeln, dann erhebt sich Blackberry und kratzt sich gedankenverloren am Kinn. Wieder ein verlegenes Lächeln, nur diesmal noch gekünstelter und unbeholfener als zuvor. "Nach allem, was ich gehört habe, bzw. was ich glaube davon verstanden zu haben, wäre das Schicksal des Ertrinkens eine möglicherweise erstrebenswerte Alternative zu einer Übernachtung."

"Und dennoch, meine professionelle Neugierde ist wahrhaftig geweckt. Ich bin darum mehr als interessiert, wie es weitergeht und was noch geschehen wird."

"Ausserdem... Wenn ich jetzt noch raus müsste, würden mir wohl Schwimmhäute und Kiemen wachsen."

Erneut ein unbeholfenes Lächeln. "Ich würde mich in der Tat über ein Zimmer hier bei Ihnen freuen, Doktor, obwohl ich nicht glaube, dass ich ein Bett benötigen werde. Ich habe über vieles nachzudenken und werde wohl kaum einen erholsamen Schlaf finden. Ich habe über zu vieles nachzudenken."
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #290 am: 25.11.2016 | 17:22 »
"Harry, da bist du nicht der einzige. Ich müsste über so vieles nachdenken. Aber ich weiß nichtmal, wo ich anfangen sollte.

Clive. Du bist mir keine Erklärung schuldig... und es tut mir leid, dass ich dich dazu gedrängt habe. Das steht mir nicht zu. Und meine Angst, scheint mir auch übertrieben. Aber ... Clive, du weißt selbst, was vor 3 Jahren alles passiert ist. Und ... ich hatte doch so inständig gehofft, dass es hinter uns wäre. Ich habe nicht gedacht, dass ich mich in der Hinsicht als derartig naiv ansehen muss. Ich WUSSTE, dass es uns nie loslassen wird. So wie das Jucken in meiner Hand nie wirklich aufgehört hat. Aber ... ich hatte gehofft. Und der heutige Tag hat mir diese Hoffnung zu einem großen Teil genommen. Aber noch ist nichts klar. Wir wissen nicht, was Ayana will. Ob wir es je erfahren werden, weiß ich nicht. Doch wie du sagst, sollten wir ihr die Chance geben.

Wir sollten aber mit allem rechnen."

Wir sollten auf alles vorbereitet sein. Aber... was auch immer diese Besucher erzählt haben... ich habe das Gefühl darauf werden wir nie vorbereitet sein können. Zu wenig wissen wir. Zu gering sind unsere Mittel. Aber versuchen.... versuchen müssen wir es. Das sind wir uns und unseren Freunden schuldig.
Ich schaue Kristine an. Ich stehe auf und lege ihr meinen Arm um die Schultern.

"Clive, ich weiß es ist schon spät. Doch... ich muss das noch fragen. Weißt du etwas über die Dinge, von denen die Besucher gesprochen haben? Diesen "Azza-tohd"? Und was es mit der Flöte auf sich hat? Sagt dir das etwas? Siehst du da zusammenhänge zu dem etwas, was uns verbindet? Dieser Collins hat mich aufgesucht und mir davon erzählt. Aber es ergab so wenig Sinn, was er sagte."

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #291 am: 26.11.2016 | 01:11 »
"Doktor Savage?"

"Ich hätte da noch zwei kleine Bitten, wenn es nicht zu viel Mühe bereitet. Das Zimmer sollte von Innen zu verriegeln oder abschliessbar sein. Und als zweites benötige ich für das Zimmer noch einen möglichst massiven Stuhl mit einer hohen Lehne."
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Joran

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #292 am: 27.11.2016 | 20:11 »
Clive

Zuerst gehe ich auf die einfachere Frage ein:

"Das sollte sich machen lassen, Mr. Blackberry. Aber wenn Sie sich hier sicherer fühlen, wird sicher auch Ove Ihnen ein Zimmer herrichten. Dieser Trakt des Hauses kann von den anderen Teilen vollständig abgeriegelt werden."

Auf Oves Frage zu antworten, erscheint mir schwieriger:

"Ganz ehrlich, Ove, ich weiß es nicht. ... Ich kann nur rätseln. ... Aber wie sollte da keine Verbindung existieren? Ich sagte es schon: ich glaube bei den heutigen Geschehnissen nicht an Zufälle. ...

Trotzdem glaube ich, dass die Geschehnisse schon viel früher ihren Anfang genommen haben, auf Herm oder noch eher, vielleicht in Matildes Vergangenheit. Du ... und vielleicht auch ich ... wir sind möglicherweise nur in Eregnisse hereingezogen worden, die viel früher begannen."

Ich denke an die Fundstücke von der Insel: an die Anbetung auf dem Ziegenleder, die vielen Hinweise auf Gebirgsreisen ... wenn auch nicht nach Tibet, die astronomischen Forschungen des Dr. M.D. Ludwig Theodor Wilfried von Wittgenstein und meine damaligen Zweifel an deren Qualität, die Zeichnungen des Dr. Dr. Hawthorne, das Pergament mit dem Zauber der Annephis bzw. Joanne Smith ... alles wohl gehütet und sicher verwahrt  ... bis heute.

Ich denke an die damaligen Hinweise auf 'ny'Ar La Hotep' und die enge Verbindung, die - wie unterschiedlich sie auch gedeutet wird - zwischen Nyarlathothep und dem Dämonenfürsten Azathoth bestehen soll.

Und dann, seit meiner letzten Reise nach London, seit jenem Ereignis in der Schneiderei, wandte ich plötzlich meine Konzentration vor allem auf Yog Sothoth. Als würde ich von einer inneren Stimme dazu getrieben ... aber da war keine Stimme ... da war nur noch Stille. Aber es war wie ein Schlüssel, zu einem Tor, hinter dem die Antworten auf meine Fragen liegen. Es war der Schlüssel zu dem Tor, das Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft miteinander verbindet.

"Aber all dies kann ich Ove nicht sagen. Wie sollte er es begreifen, wo ich es selbst nach all den Jahren nicht verstehe?"

"Azathoth ist ein mythisches Wesen, dem sehr viel Macht zugesprochen wird. Er wird sehr oft mit Musik in Verbindung gebracht. Aber ansonsten es gibt äußerst widersprüchliche Angaben über dieses Wesen. Und es ist meistens noch viel schwerer, die Texte richtig zu deuten als sie zu entziffern. Wann darf man einen Text wörtlich nehmen? Wann ist er nur ein Gewand für eine Botschaft, die sich darunter verbirgt und die zu verstehen weiteres Wissen voraussetzt? Mythen bedienen sich gerne ausdrucksstarker Metaphern, Allegorien, Übertreibungen und Übertragungen, um diejenigen, für die sie gedacht sind, zu erreichen. Und um diese Bilder verstehen zu können, muss man das Hintergrundwissen derjenigen haben, für die die Texte ursprünglich gedacht waren. Die Mythen, über die wir hier reden, sind unglaublich alt, so alt, dass man glauben kann, die ersten Menschen seien mit ihnen erwacht. ... Und damit meine ich nicht nur, dass sie eine Erklärung für die Schöpfung der Menschen beinhalten würden, wie eigentlich jede Religion. Ich meine das in einem ganz wörtlichen Sinn. Die Mythen sind viel älter als alles, was wir sonst an Überlieferungen kennen. Und selbst Bruchstücke hiervon zu finden, ist sehr schwer. Um sie zu finden, muss man gewöhnlich tief in unerforschtes Land vordringen, zu Zivilisationen, deren Kultur uns völlig fremd ist oder die in den Schatten der Geschichte versank ... wie die Cambridge-Utrecht-Expedition ... Es wird daher wohl nie möglich sein, diese Mythen vollständig zu verstehen.

Es KÖNNTE einen Bezug zu der Maske geben, die in London versteigert wurde. Aber diese Annahme ist SEHR vage, eher ein Schuss ins Blaue, basierend auf ein paar ... Andeutungen und Vermutungen. Azathoth wird mit einer anderen Wesenheit in Beziehung gesetzt, die wiederrum mit Masken in Verbindung gebracht wird. ... Aber das alles ist viel zu unsicher, um uns hier und jetzt weiterzuhelfen ... einmal ganz abgesehen von der Frage, ob man derartigen Mythen überhaupt einen wahren Kern zuzubilligen bereit ist oder nicht.

Mehr kann ich Dir heute abend dazu leider auch nicht sagen, Ove. Aber vielleicht hilft uns ein Gespräch mit Braddock weiter."

Offline Der Läuterer

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #293 am: 28.11.2016 | 08:50 »
"Doktor, das was Sie da sagen widerspricht allem, was ich je gehört habe."

"Ich bin zwar Mitglied der anglikanischen Kirche, aber weder ein gläubiger Mensch noch leicht aus der Fassung zu bringen. Doch was Sie hier andeuten, beunruhigt mich doch etwas. Mehr noch, es spottet allen bekannten Lehren. "

"Hinzu kommt, wenn Ihre Aussagen wahr wären, dann hätte das katastrophale Auswirkungen auf unser aller Leben. Nicht nur auf uns hier im Raum, sondern auf das Leben und Wirken aller Menschen auf der Erde."

"Das hätte nicht nur Auswirkungen auf die Geisteshaltung oder die Weltanschauung, wie es das kopernikanische Weltbild oder die Evolutionstheorie getan haben."

"DAS würde jedem zeigen, dass wir nur erbärmliche Insekten under den Schritten von gewaltigen, unfassbaren, und jenseits unseres Verstandes handelnden, Mächten sind."

"DAS würde die Welt in ihren Grundfesten erschüttern und unser alltägliches Leben in Chaos und Verzweiflung stürzen."
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #294 am: 28.11.2016 | 11:00 »
Clive

"Willkommen in meiner Welt!", denke ich mit dem Rest an Bitternis, der mir im Verlauf der Jahrzehnte verblieben ist, als das VIRUS sich so rasend schnell dieses armen Teufels bemächtigt. Wie so oft flüchte ich mich in eine berufliche Distanz: Wenn eine Krankheit nicht heilbar ist, dann bleibt dem Arzt nur, dem Patienten Linderung zu verschaffen...

"Wie gesagt, es ist schwer, alte Mythen zu deuten oder gar Wahrheit und Bildersprache voneinander zu trennen.

Für heute sollte die Erkenntnis ausreichen, dass jedenfalls die 'Huldiger' an diese Mythen zu glauben scheinen ... so wie in London Hugh Stratton von der Existenz der Tcho-Tcho überzeugt war ... so wie Elisa Marquard daran glaubte, die mit besonderen Kräften versehene Hand eines Tcho-Tcho-Priesters oder Schamanen oder was auch immer stünde zur Versteigerung an ..."

Ich blicke Ove nur an, ohne ihn und seine juckende Hand als weiteres Beispiel aufzuführen. Es ist ohnehin offensichtlich.

"Der Glaube alleine hat bereits so viel Macht über Menschen, dass sie sich durch ihn zu den fürchterlichsten Handlungen hinreißen lassen." Ich wische mir mit einer Hand über das müde Gesicht, als könnte ich damit die Bilder der Vergangenheit vertreiben. "Wir müssen uns mit diesen Fremden befassen, ganz gleich ob es die in den Mythen beschriebenen Dämonen gibt oder nicht und ganz gleich ob sich diese mythischen Wesen tatsächlich für uns interessieren oder nicht. ... Es sind die MENSCHEN, über die wir uns zuallererst Gedanken machen müssen. ... Und ich werde mit Ayana beginnen."

Mein letzter Satz soll den anderen eine Entschlossenheit beweisen, ohne die Zweifel und Sorgen zu offenbaren, die mich in Wahrheit erfüllen. Darauf erhebe ich mich. Das Geräusch des zurückgleitenden Stuhls durchbricht lautstark die Stille und reißt alle Anwesenden aus ihren Gedanken von Angst und Dunkelheit zurück in die reale, greifbare Welt.

"Versucht ein wenig zu schlafen! ... Bei Tageslicht sieht die Welt schon wieder anders aus", unternehme ich einen letzten Versuch, meinen Gästen einen vorübergehenden Halt zu geben. Dann mache ich Anstalten zu gehen und überlasse es Blackberry, sich mir anzuschließen oder bei Ove und Kristine zu bleiben.
« Letzte Änderung: 28.11.2016 | 17:21 von Joran »

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #295 am: 28.11.2016 | 21:10 »
"Sie können uns nicht einfach so stehen lassen, Doktor." Blackberry springt wie von der Tarantel gestochen auf.

"Reden Sie, Mann." Er fasst Clive an den Schultern. Nicht fest aber energisch und schüttelt ihn leicht. "Sie können nicht einfach unsere Welt zerschlagen, wage Andeutungen machen und uns dann zu Bett schicken, wie kleine Kinder."

"Doktor, Sie sind uns Antworten schuldig. Worauf müssen wir uns vorbereiten? Was glauben Sie wird passieren? Wir sind in grosser Gefahr, nicht wahr?"
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- Luc de Clapiers Marquis de Vauvenargues -

Joran

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #296 am: 28.11.2016 | 23:10 »
Clive

Ich wende mich wieder um und betrachte gerade lange genug missbilligend die Hand auf meiner Schulter, um Harry zurückzucken zu lassen. Seine Segelohren unter dem Lockenschopf leuchten rot vor Erregung. Das gibt dem jungen Psychiater ein noch bübischeres Aussehen als ohnehin schon.

"Ja, Du solltest Ayana nicht in die Quere kommen. Mit Dir würde sie sich nicht lange aufhalten."

Ich will schon an Oves Aussage erinnern, ich sei niemandem verpflichtet, außer mir selbst, besinne mich dann aber doch eines besseren:

"Warum sollten Sie in Gefahr sein, Mr. Blackberry? Ihnen galt das Interesse dieser Fremden doch überhaupt nicht. Besinnen Sie sich auf Ihre Aufgabe, Herr Kollege!"

Ich überlege einen Moment.

"Woher sollte ich denn wissen, war passieren wird ... ob überhaupt etwas passieren wird? Ich rechnen nicht damit, dass heute Nacht etwas geschieht. Die Fremden haben nichts dergleichen angedeutet. ... Es hat erst ANGEFANGEN", wiederhole ich die Formulierung in Braddocks Botschaft.

Ich bin erschöpft. Es ist ein Wunder, dass ich nach diesem Tag überhaupt noch auf den Beinen stehe. In versöhnlicherem Ton fahre ich nach einem Augenblick fort:

"Ich glaube, es wäre besser, wenn Sie doch hier bei Kristine und Ove bleiben?", versuche ich Blackberry erneut eine Ausflucht zu öffnen.

"Mr. Blackberry ... es ist spät ... ich hatte heute eine Herzattacke ... meine T... ... Matilde ist fortgegangen. Ich möchte meinen 'Gast' nicht zu lange unbeaufsichtigt lassen. ... Morgen ist auch noch ein Tag, davon bin ich überzeugt. ... Also bitte beruhigen Sie sich!"
« Letzte Änderung: 2.01.2017 | 19:13 von Joran »

Offline Puklat

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #297 am: 29.11.2016 | 15:48 »
Ich bin müde, so furchtbar müde geworden.
Und ich merke wie müde Clive ist.

"Harry, du kannst  bei uns bleiben. Ich würde mich freuen, wenn du bei uns übernachten würdest. Vielleicht kann ich dir eine Fragen beantworten. Allerdings fürchte ich, dass mein Wissen beschränkt ist. Und ich bin mir sicher, dass wir morgen schlauer sein werden.... so oder so."

"Du kannst ins Kinderz... ins Gästezimmer einziehen. Wir haben dort ein Bett stehen. Ich kann es dir schnell bereiten. Und morgen besprechen wir dann alles Weitere.

Clive, dürfen wir dich morgen zum Frühstück einladen? Es hat ja nun schon mit dem Abendessen nicht so geklappt, wie wir es gehofft hatten. Und wenigstens eine gute Mahlzeit sollte es doch geben. Und ... vielleicht kann ja auch dein Gast, diese Ayana, mitkommen... bevor sie alleine im Rest des Hauses verweilt."

Ich möchte Antworten. Doch ich weiß, dass ich diese heute nicht mehr kriegen werde. Da ist es besser eine Mütze voll Schlaf zu erhalten.

Joran

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #298 am: 29.11.2016 | 17:07 »
Clive

Ich bin Ove dankbar, dass er mir hilft, Blackberry's Fragen zu entkommen.

"Kommt Ihr doch besser morgen früh zu mir. Das ist einfacher. Wir alle können ein wenig Ruhe morgen früh gut gebrauchen. Ich lege Caitlin ohnehin einen Zettel hin ... wegen Ayana ... und wegen Matilde ... und wegen der Hundemeute. Morgen ist Caitlins Backtag. So bekommen wir alle frisches, ofenwarmes Brot."

Die Aussicht auf Caitlins selbstgebackenes Brot hebt ein wenig meine Stimmung.

Dann Grüße ich zum Abschied noch einmal ich die Runde und werfe einen letzten sorgenvollen Blick auf Kristine, die während der ganzen Unterhaltung stumm geblieben ist. "Das Kinderzimmer?", überlege ich. Aber ich lasse mir nichts anmerken.

Ich schlage meinen Mantelkragen auf, als mich das Unwetter trifft. Auf dem Weg um Ceallaigh Manor werden meine Schritte von dem vertrauten Knirschen im Kies begleitet. Die kleinen weißen Steine sind selbst bei diesem Wetter noch deutlich sichtbar. Aber selbst wenn man in der Dunkelheit vom Weg abkäme, würde man es sofort hören. Außerdem ragt zu meiner Rechten das Gemäuer des Manor steil in den Nachthimmel auf. Die Mauern werden höher, dicker und älter, je mehr ich mich dem Haupteingang nähere.

"Was wird mich erwarten?" Hier draußen, alleine im Sturm, ängstigt mich die Aussicht, Ayana gegenüberzutreten nun doch ein wenig. "Ich wünschte, Matilde würde mir beistehen. Aber vermutlich ist es besser so. Auf diese Weise kommt vielleicht wenigstens einer von uns mit dem Leben davon."

Ich denke auch noch einmal kurz an Emma und was hätte sein können, wenn ... Aber dann schüttele ich diese Phantasien am Eingangsportal ab wie das Regenwasser von meinem Mantel und ich trete in die Dunkelheit der Eingangshalle. Ein schwaches Licht dringt aus dem Salon und ich höre Lunis gleichmäßige Schritte auf den Steinen sich nähern. Es erleichtert mein Herz, einen Freund bei mir zu wissen. Gleichzeitig spüre ich einen Hauch dieser vertrauten Wehmut in meiner Brust, die so lange mein Begleiter war. "Danke, Matilde, dass Du ihn bei mir gelassen hast!"

Gemeinsam mit Luni betrete ich den Salon. Der Raum ist verlassen. Ayana ist offenbar bereits zu Bett gegangen.

Nach kurzem Zögern trete ich an die überschaubar bestückte Hausbar und gieße mir noch einen Scotch ein. Mit dem Glas in der Hand trete ich an das Fenster und beobachte die Bäume im Sturm. Wieder muss ich an die Nacht auf Herm denken ... als ich Matilde in den Armen hielt ... als ich Annephis zurück zerrte und entgegen meinen Grundsätzen diesen unheiligen Zauber anwandte, um die Zustände wieder gerade zu rücken ... Ich erinnere Amandas Kreischen, als ich sie auf den Treppenabsatz schleifte und die Kellertür hinter ihr verschloss. Ich meine das Trommeln ihrer Hände zu hören ... und die Stille danach. "Irgendwo da draußen ist jetzt Matilde ... wenn Paul sie nicht an einen anderen Ort bringen konnte. Es wäre sinnlos, sie suchen zu wollen. ... Irgendwann wird sie wiederkommen ... wegen Marie ... irgendwann ... Aber werde ich dann noch leben?"

Nachdem ich das Glas geleert habe, lösche ich das Licht und gehe herauf in Matildes Zimmer. Ich bin nicht überrascht, dort eine Botschaft von ihr zu finden: "Danke für alles Clive. Bitte pass auf Marie auf. Es geht bei mir wieder los. Ich werde wieder verrückt. Ich will das nicht mehr. Ich kann das nicht mehr. Verzeih mir" Ich lese die Worte, aber sie vermögen heute nicht wirklich zu mir durchzudringen. "Es gibt nichts zu verzeihen", sage ich in den leeren Raum. "Auf die eine oder andere Art gehen sie alle. Es war nur eine Frage, wann auch Du von mir gehst. Ich bin froh, dass Du lebst und nicht alleine bist. Pass gut auf sie auf, Paul!"

Sorgsam falte ich das Blatt und schiebe es in meine Brusttasche. "Morgen werde ich meinen Koffer öffnen und es all den anderen Briefen hinzufügen."

Ich setze mich an Matildes Tisch und greife zu der Feder, mit der sie vor wenigen Stunden die Botschaft an mich geschrieben hat. Auf einem leeren Blatt Papier verfasse ich eine kurze Nachricht an Caitlin Ó hEidirsceóil, meine Haushälterin. Ich setze sie darüber in Kenntnis, einen Gast aus Afrika zu beherbergen, bitte sie, nach der Hündin und ihren Welpen zu sehen und ein Frühstück für fünf Personen vorzubereiten. Schließlich erkläre ich, Matilde sei abgereist und weise Caitlin an, die Möbel bis zu ihrer Rückkehr mit Leinentüchern abzudecken.

Dann gehe endlich zu Bett.
« Letzte Änderung: 30.11.2016 | 07:33 von Joran »

Offline Der Läuterer

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #299 am: 29.11.2016 | 19:54 »
Du begibst Dich in Dein Herren-Schlafzimmer. Der Raum ist gross und geräumig, das Bett ist weich und behaglich. Fast schon liebevoll hüllt Dich die warme Bettwäsche ein.

Was für ein eigenartiger Tag nach drei Jahren der Ruhe.

Du brauchst einige Zeit, um Schlaf zu finden, doch dann breitet sich der sanfte Schleier der Müdigkeit doch über Dir aus. Dein Schlaf ist ruhig aber kurz.

Eine Stimme...
Eine Stimme in der Dunkelheit.
Ein Flüstern.
Ein Wispern.
Ein Seufzen.

Ein Schatten huscht durch den Raum. "Doktor?"

Leicht drückt sich die Matratze Deines Bettes nach unten und die Bettdecke bewegt sich.
"Sind Sie noch wach, Doktor?" Es ist die warme, weiche Stimme einer Frau. Ruhig. Von angenehmer Klangfarbe.

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