Hingegen kenne ich viele Spieler, die "sanftes Railroading" bevorzugen oder sich zwar gerne "motivieren" lassen, in eine vom SL/Abenteuer befürwortete Richtung zu gehen, aber eben nur ungern "drängen".
Ich bin am Überlegen, ob es so etwas wie „sanftes Railroading“ gibt, neige aber dazu, in solchen Fällen nicht von Railroading zu sprechen. Eine Richtung vorgeben kann man ja zum Beispiel leicht mit Auftraggeber. Dann folgt man Hinweisen und die führen nun mal irgendwo hin. Railroading nenne ich es immer da, wo Spielerhandlungen komplett entwertet werden. Und da denke ich dann eben an Abenteuer wie Erben des Zorns oder eben auch „Unter dem Nordlicht“ - das hatte ich seinerzeit auch *genau so* geleitet, als es für DSA3 als „Klassiker“ neu aufgelegt worden war.
In Erben des Zorns habe ich folgendes erlebt: In einer Region gab es eine Räuberbande, die Bauern entführt hat. Wir haben alles mögliche versucht, um Hinweise zu finden: Wir haben mit Bauern gesprochen, wir haben nach Fährten gesucht usw. usf. Alles ergebnislos. Denn das Abenteuer sah vor, dass eines Abends in der Taverne jemand auftaucht, der sog. Muchacho, der uns dann denn nächsten Hinweis gibt.
Das ist für mich Railroading. Da wird nicht „eine Richtung“ vorgegeben, sondern es ist auch der Weg vorgegeben, wie man in diese Richtung zu gehen hat und willst du eine Abkürzung gehen oder nicht mal das, sondern willst lieber einfach die ländliche Route nehmen, bekommst du eins auf die Finger und wirst auf die Schienen zurückgescheucht. Gibst du nur die Richtung vor – z.B. die Bande von Kidnappern – kann immer noch freigestellt sein, wie die Spieler nun weiter vorgehen. Sie können eigene Lösungsstrategien entwerfen und einen eigenen Weg entdecken, das aufgezeigte Ziel zu erreichen.
Ich habe sehr lange unter einem Spielleiter gespielt, der die Richtung aufzeigt. Wir haben die Zaunpfähle auch immer dankbar aufgegriffen. Aber die Zaunpfähle haben uns immer nur gesagt: Was wollen wir erreichen? Sie haben nie gesagt: Wie wollen wir das tun? Natürlich gab es durch die Struktur des Abenteuers manchmal nur einen „logischen“ Weg. Aber auch das ist für mich noch lange kein Railroading. Das ist so wie die Schwäche eines Vampirs. Wenn der Vampir nur durch einen Pflock durch das Herz getrieben zu töten ist, dann ist es doch kein Railroading, wenn die Spieler herausfinden, dass sie den Vampir so töten müssen und nun einen Pflock benötigen, um ihn dem Vampir durchs Herz zu treiben. Wenn die Spieler das Gerücht aufschnappen, dass es in der Gegend eine Bande von Kidnappern gibt (= in eine Richtung schicken), fangen sie an, Hinweise zu sammeln. Vielleicht befragen sie Zeugen, untersuchen Tatorte, sprechen mit den Behörden... Wenn die Hinweise sich dann zu einem Bild formen und sie daraus z.B. erahnen, in welchem Gebiet die Kidnapper ihr Lager haben und sie dort weiter erkunden, ist das doch auch kein Railroading. Da werden die Spieler doch nicht zu etwas gezwungen oder gedrängt.
Aus meiner Sicht wird das klar, wenn man Abenteuer wie Erben des Zorns oder auch Unter dem Nordlicht heranzieht. In Unter dem Nordlicht gibt es ja sogar diesen epischen Endkampf,
ðer zwischen NSC abläuft und die Spieler zu Zuschauern degradiert. Wenn ich mich recht erinnere, wurden dort Plot-Devices (magische Barrieren) eingesetzt, damit die Spieler auch ja nicht eingreifen können.
Aus einem DSA-Abenteuer kann ich ein anderes gutes Beispiel bringen. Da gibt es einen Vorlesetext, an dessen Ende die Spieler mit einem Riesen konfrontiert sind. Unterbrechen die Spieler den SL um zu reagieren, sol der SL sie ermahnen ihn ausreden zu lassen. Beschweren die Spieler sich am Ende, nun einen Riesen vor sich zu haben, soll er ihnen sagen, sie hätten halt eher sagen sollen dass sie weglaufen wollen.
Das ist Railroading. Geskriptete Szenen, in denen man nicht eingreifen kann und die die Spieler erleiden müssen, ganz passiv.
Damit das nicht nur nach DSA-Bashing aussieht: Auch die Witchfire-Kampagne für Iron Kingdoms enthält
diverse Railroading-Elemente, da müsste ich nur genauer reinschauen - es ist da aber auch verwirrend, da die Kampagne auch sehr viele Freiheiten lässt und z.B. voller Dungeons ist, das Hauptproblem war IIRC ein Mary-Sue-NSC, der die Spieler mehrfach begleitet sowie ein paar geskriptete Szenen. Kürzlich bin ich auch in Savage Worlds über ein PPK-Abenteuer gestolpert, in dem ein NSC per Plot Device immun gemacht wurde – er kann mit Mitteln des Spiels nicht besiegt werden. Seine Superkraft funktioniert genau so, dass er einfach nicht besiegt werden kann - bis zu einem späteren Zeitpunkt, an dem er nicht mehr „wichtig“ ist.
Naja. Daher bin ich skeptisch mit „sanften Railroading“. Entweder ist das gar kein Railroading oder es ist gar nicht so sanft wie gemeint... Ansonsten läuft man m.E. Gefahr, Railroading so breit aufzufassen, dass der Begriff nicht viel mehr sagt als "der SL hat ein Abenteuer vorbereitet".