Das Problem aber, gegen das die meisten Regelbefürworter anschreiben, sieht aus deren (oder zumindest meiner) Sicht so aus, dass die eigentlich für Ausnahmesituationen konzipierte "Goldene Regel" ("Der SL darf die Regeln beugen") immer exzessiver ausgelegt wurde, bis hin zu der Ansicht, Regeln seien fürs Rollenspiel ohnehin bedeutungslos oder nur ein Klotz am Bein. Das Regelbeugen wurde immer mehr zum Freibrief für den SL, bis schließlich vom SPIEL-Aspekt des Rollenspiels nicht mehr viel übrig war. Man traf sich eben zum Erzählen von Geschichten, die gewohnheitsmäßig mit Würfelphasen gestreckt wurden (auch wenn niemand wusste, wofür gewürfelt wird, weil Regeln ja bekanntermaßen...).
Mein Problem mit dem "Regel beugen durch den SpL" ist eher die "Platinregel" (Der Spielleiter muß die Regeln beugen, um am Ende den vorgeplanten Plot hinzubekommen und muß auf diese Weise sorgen dass sich die durchgespielte Handlung möglichst dicht am roten Faden entlangbewegt). Ich schreibe ganz bewusst jetzt nicht "Doppel-R"!
Denn bei den üblichen Proben (wie zum Beispiel das Klettern Beispiel) hat der Spielleiter genug Optionen um zu variieren (die Klettern-Probe muß ja zB nicht tödlich enden, nur weil sie scheitert, auch ein gezerrter Armmuskel, der weitere Kletterversuche (und Kämpfe) für den Tag verhindert ist nervig).
Man muß nicht bei allem und jeder Situation würfeln und ein Würfelresultat kann auch unterschiedlich interpretiert werden.
Bei uns zum Beispiel wird nur dann eine Probe fällig, wenn es wirklich um etwas geht und Routine erfordert keinen Wurf, wenn der Charakter in diesem Bereich mit seinen Werten professionell genug ist.
Entscheident sind doch die Spielregeln in ihrer Anwendung, wenn sie den Handlungsverlauf verändern.
Damit meine ich nicht "Charakter=tot" - denn das ändert nichts am eigentlichen Spielverlauf ("Hey, Stranger, you seem trustworthy! Would you join our noble quest?" - und weiter geht es).
Was ich damit meine, sind Situationen, wo die Charaktere durch Spielregelanwendung (Fertigkeiten, Zauber, ...) Informationen bekommen, die sie erst später oder gar nicht bekommen sollten.
Oder wo durch einen Konflikt eine Wendung in den Ereignissen erzeugt wird, die es nicht hätte geben sollen.
Ich behaupte (These): Mit etwas Erfahrung als Rollenspieler nimmt man eine Manipulation wahr.
(Ob sie als störend empfunden wird, ist dann ein anderes Thema)
Letztendlich steckt hinter diesem Stilmittel die Methode, dass Rollenspielabenteuer in ihrem Ablauf vorgeplant sind und so wie erdacht erlebt und nachgespielt werden sollen.
Michael "Scorpio" Mingers nannte das im DORP Blog mehrfach mal "Rollenspiel-Reenactment" - ein sehr passender Begriff, wie ich persönlich finde.
(Vor allem zeigt er eines: Die echten Reenacter, die auf irgendwelchen Schlachtfeldern die Schlachten nachspielen, haben daran ihre Freude. Damit ist Reenactment äußerst populär und der Begriff erst einmal wertfrei!)
Und genau das ist seit langem nicht mehr "meines". Ich bin kein Rollenspiel-Reenacter.
Wahrscheinlich war ich nie einer, schlicht, weil ich nicht durch die Rollenspiele sozialisiert wurde, die durch ihr massig Angebot an Kaufabenteuern diesen Spielstil populär gemacht haben.
Und das bezieht sich nicht nur auf DSA. Auch Pathfinder, Midgard, AD&D, D&D 3.x hat massig davon...
Ich habe meistens die Rollenspielsysteme gespielt, wo es eine so arg begrenzte Anzahl an Kaufabenteuer gab, dass unsere Runden immer das "selbst erschaffene" gespielt haben.
Und mit selbst erdachten Abenteuern hat man weniger ein Problem, sie spontan improvisiert anzupassen.
Zum einen erwartet man keinen Return of Invest des Geldes, das man in den Kauf des Abenteuers gesteckt hat. Man will nicht unbedingt das Geld wieder "herausholen".
Dann wurden wir niemals auf die typischen dramaturgischen Strukturen getrimmt, die Kaufabenteuer haben.
Und spätestens Ende des Studiums wurde die Menge an Vorbereitungskapazität so klein, dass man nur das Intro und die Zusammenhänge erdachte und den Rest sich entwickeln ließ.
Dazu kommt, dass ich (als aktueller SpL) über das groFaFo/Tanelorn erkannt habe, von welchem Wert es sein kann, wenn man die Würfel als zufälligen Richtungsweiser nutzt und sich davon lenken läßt.
Sicherlich hatten auch wie unsere "würfel mal - du bist leider gestorben" Kletterproben-Katastrophen.
Aber die rühren eher aus mangelnden Erfahrungen.
Und auch bei uns gibt es Sitzungen fast ohne Proben, einfach weil sich die Handlung so entwickelt, dass wenig gewürfelt werden muß.
Aber wenn die Spielregeln Anwendung finden, dann unmanipuliert.