Serengeti darf nicht sterben!
Nicht, weil da irgendwelche wertvollen Geschöpfe leben, sondern aus dramaturgischen Gründen...
Und weil es besser in unseren Plot passt, ist die Erde eine Scheibe! Also, mach Dich zum Pfannkuchen, auch wenn die Hälfte der Erdbevölkerung, die sich plötzlich "unten" befindet, sich genauso plötzlich im freien Fall befindet. Konsequenzen sind mir doch egal, der Storygott will es.
Meh!
Was für ein Quatsch! Plausibilität, wohlverdiente Konsequenzen - alles wird der Dramaturgie geopfert.
Und mit welchem Ergebnis? Alles hechelt der Spannungskurve in drei Akten hinterher, nur um festzustellen, dass man entweder völlig übernächtigt nachts um halb vier das Finale erreicht und es dann nicht genießen kann, oder dass man eben gegen 2:00 Uhr unbefriedigt abbricht und dann nächste Sitzung ausgeruht nach einer Stunde das Finale erreicht und nach 2 Stunden fertig ist.
Klar, mit perfektem Pacing wäre das kein Problem, aber mit perfekten Menschen wäre der Klimawandel auch kein Problem - nur die gibt es eben nicht.
Genauso gut kann man feststellen, dass die Gruppe heute mehr in Stimmung ist, im Dungeon Monster zu verkloppen oder eigentlich lieber Chips knabbert und über den letzten Kinoblockbuster (ihr wisst schon, den mit dem perfekten Pacing und der unglaublich guten 3 Akt Struktur) sich den Hintern ablästert, weil nichts an ihm mehr originell ist - weil alle Kinoblockbuster inzwischen dem gleichen Schema folgen und alle nur noch von der vorhersagbaren Dramaturgie gelangweilt sind.
Und deswegen habe ich mir jetzt für völlig überteuertes Geld dieses 280 Seiten dicke DSA Abenteuer gekauft, es auswendig gelernt, die Vorlese-Textpassagen von Blockbuster-Synchronstimmen aufnehmen lassen, eine echte 1:1 Kulisse als Battlemap Ersatz vor den Toren der Stadt aufbauen lassen und Angelina Jolie als Barkeeperin engagiert, damit die Stimmung und der Plot garantiert so stattfinden, wie im Buch vorgeplant?
Und dann sowas? Finaler Showdown nachts um 5 mit 2 bereits schlafenden Spielern oder alternativ um 16:00 zu Kaffee und Kuchen, wo wir um 14:30 angefangen haben und die Frage steht im Raum, was wir danach machen (vielleicht Kino - es gibt doch diesen Blockbuster...)
Was für ein Quatsch!
Ich habe mich ja abgefunden, dass die Geisteswissenschaftler Ende der 80er Jahre im letzten Jahrtausend DSA occupied und alle "wir wollen AP und Loot" aus-dem-Bauch-heraus Spieler verjagten (was letztendlich den langsamen Tod des Rollenspiels in Deutschland verursachte, weil die Blut&Loot Spieler sich anderen Spielen (WOW) zuwendeten), damit zukünftig nur noch "richtiges" Rollenspiel (TM) gespielt wird, aber dieser Schrei nach Dramaturgie (man stelle sich einen Braveheart Film vor, wo William Wallace am Ende "Dramaturgie! Dramaturgie!" Brüllt...) ist zu viel für mich.
Denn, so lautet das Postulat, alle, die es anders wollen, sind verdammt noch mal gefälligst in der Bringeschuld, es ihren Spielleitern und der Runde zu verklickern und klar zu machen. Denn der Standard ist Dramaturgisch organisiertes Rollenspiel - alles andere ist Randgruppe, die sich unterzuordnen hat.
Und deswegen müssen wir auch Rücksicht üben - Rücksicht denjenigen gegenüber, die nicht gelernt haben, dass man auch verlieren können muß und dass Erfolg nur dann wirklich etwas wert es, wenn er der Möglichkeit von Verlust gegenübersteht. Der Begriff "Helikopter-Spielleiter" drängt sich mir dabei auf...
Und dafür werden Spieler von ihren Spielleitern, die aus dramaturgischen Gründen die Regeln ignorieren und die Würfelwürfe nach belieben manipulieren um ihre wohlverdientesten Konsequenzen gebracht, werden Plots bis zum Railroading hin auf die Schienen festgezurrt, damit die Story nur diesen Weg nehmen kann, denn es steht ja geschrieben und wer wolle die heilige Schrift anzweifeln...?
Dafür wird die Illusion aufgebaut, dass der Held (der diese Bezeichnung wahrlich nicht verdient, denn maximal ist er ein Charakter, aber nur, wenn er diesen auch mit 200 Seiten Hintergrundgeschichte untermauern kann) seine Siege errungen hat, währenddessen in Wirklichkeit er weder scheitern noch sterben konnte.
Und das darf natürlich niemand wissen, denn das ist geheim, sonst merkt noch jemand den Schmuh und empfindet beim Spiel weder Vergnügen noch Befriedigung. Womöglich empfindet er sogar Scham bei so viel Heuchelei um das richtige Rollenspiel.
Es tut mit leid, ich spiele das richtige Rollenspiel nicht mit. Ich bin erst froh, wenn ich weiß, dass mein Charakter stirbt, wenn der Würfel das so ergibt, wenn ich weiß, dass ich scheitern kann und dass die Charaktere und die Story ihren unvorhersehbaren Weg gehen kann. Unbeeinflusst und frei.
Tut Euch keinen Zwang an und spielt, wie ihr möchtet, habt Spaß und so. Fühlt Euch nicht von mir von oben herab behandelt, aber ich kann das einfach nicht. Ich mag nicht ausgetretene Pfade entlangtrotten.
Ich spiele Rollenspiel um der freien Entfaltung und der Unvorhersagbarkeit.
Denn die besten Stories, die ich gespielt und miterlebt habe, waren stets die, die nicht vorgeplant waren. Die, bei denen alles stimmte, weil man sich auf das einlassen konnte, was gerade angesagt war. Die bei denen Flexibiltät und Improvisation beim Spielleiter zu bewundern waren. Die, bei denen alle - auch der Spielleiter - am Ende überrascht waren, was da gerade an Story abgelaufen ist. Die, bei denen ein (oder mehrere) Würfelwurf die Geschichte beeinflußt hat und sich alle darauf einließen.
Die bei denen Charaktere sterben konnten und gestorben sind - und die Spieler wussten, dass sie sich darauf eingelassen hatten und sowas eben passieren kann. Die bei denen man hinterher dem Charakter hinter her getrauert hat, im bewustsein, dass das Empfinden anders und weniger intensiv wäre, wenn es kein Risiko gegeben hätte. Die bei denen man wußte, dass man bis zum Limit gespielt hat - und manchmal drüber hinaus.
Ich schließe mit dem einzig richtigen Wort, die man mit meiner Einstellung zum Rollenspiel nur schließen kann. Mit dem letzten Wort von William Wallace:
Freiheit!