Nachdem ich eben in einem Beitrag die Vorzüge des DC Heroes-Systems gepriesen habe, ist mir aufgefallen, wie gerne ich mal wieder in einem Superhelden-Setting spielen (bzw. im meinem Falle wohl eher spielleiten) würde.
Bei meinen Spielern wäre es sicherlich kein Problem, mittelfristig ein Superhelden-Rollenspiel einzuführen (die sind eigentlich immer offen für alles) und ich suche auch schon lange nach einem System, mit dem ich eine solche Kampagne bespielen würde, kann mich da aber bisher noch nicht so richtig entscheiden.
Vielleicht kann mir ja die geballte Kompetenz im Tanelorn helfen. Auch wenn Superhelden-Rollenspiele hier (wie wohl überall im deutschsprachigen Raum) eine sehr kleine Nische innerhalb der Nische „Rollenspiel“ darstellen, habe ich doch aus verschiedenen Antworten entnehmen können, dass hier relativ viele User zu finden sind, die nicht nur flüchtige Erfahrungen mit Rollenspielen im Superhelden-Milieu besitzen.
Zu meiner eigenen Sozialisation im Superhelden-Rollenspiel
Das erste entsprechende Spiel, das ich gespielt habe, war „Golden Heroes“. Schwachpunkt ist dort m.E. die Charaktererschaffung, bei der die Superkräfte zufällig ausgewürfelt werden. Gerade bei einem Superheldenrollenspiel möchte man doch als Spieler einen Charakter mit „kewl powerz“ spielen, so wie man ihn sich schon immer erträumt hat. Das Auswürfeln der Kräfte hat in unserer Gruppe damals zu einigen ziemlich schrägen Charakteren geführt. Heute wüsste ich das vielleicht eher zu handhaben, aber es ist trotzdem eher ein Minuspunkt.
Sehr lange habe ich „DC Heroes“ gespielt. Das System hat eigentlich immer ganz gut funktioniert, war allerdings für mich als Spieler manchmal etwas frustrierend, weil ich einen Nightwing-Klon gespielt habe, der aufgrund des Fehlens von „echten“ Superkräften deutlich weniger effektiv war als die mächtigeren Kollegen. Vielleicht hätte ich damals auf andere Kompetenzen setzen und mich aus den Kämpfen mehr raushalten sollen. Oder die Spielleiter hätten mehr Aufgaben einbauen sollen, die in meinen Kompetenzbereich fielen. Aber insgesamt hat das System eigentlich immer Spaß gemacht und gut funktioniert. Nur dass Hero Points sowohl für die Charakterentwicklung als auch als Gummipunkte eingesetzt werden können, habe ich als unklug empfunden, weil in unserer Runde fast alle Spieler diese Punkte aufgespart haben, um ihre Kräfte zu steigern und diese damit faktisch reine „Erfahrungspunkte“ waren.
Für „Champions“ habe ich mal – unter Anleitung eines erfahrenen HERO System-Spielleiters – einen Charakter erschaffen. Eingesetzt wurde er nie (die Runde brach auseinander), aber die Charaktererschaffung habe ich als extrem aufwändig, fitzelig und mathematiklastig in Erinnerung.
Seitdem habe ich eigentlich durchgehend ein Auge darauf gehabt, was es an Superheldensystemen gibt und viele Werke quergelesen oder zumindest durchgeblättert.
Zu meinen Vorlieben
Ich hätte gerne
1.Ein eher regelleichtes System
HERO/Champions und auch Mutants & Masterminds sind mir zu komplex für ein Superheldenrollenspiel. Mag sein, dass andere den entsprechenden Detailgrad zu schätzen wissen. Ich brauche das nicht. Charakterbögen über zwei DIN-A4-Seiten sind für das Genre Superhelden m.E. völlig unpassend (und auch in anderen Genres bevorzuge ich Systeme mit kompakten Regeln wie Barbarians of Lemuria, Beyond the Wall oder Savage Worlds). Ein bisschen Crunch ist aber okay.
2. Nicht zu viel Indiekram
Sowohl meine Spieler als auch ich sind mit eher „klassischen“ Systemen (DSA, D&D, Cthulhu, Star Wars D6) aufgewachsen und pflegen einen entsprechenden Spielstil. Neue Einflüsse sind immer willkommen, aber ein System, das eine radikal andere Herangehensweise verlangt, ist für eine Gruppe von Gelegenheits- und Konsumspielern wie uns wohl eher ungeeignet. FATE z.B. mag ja für andere toll sein, aber ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, damit eine Kampagne zu leiten.
3. Ein System, das heroische Ergebnisse und kompetente Charaktere fördert
Explodierende Würfelwürfe sind für Superheldensysteme großartig. Die Möglichkeit, mit Gummipunkten Ereignisse zu beeinflussen, ist hier ideal.
Was ich bereits verworfen habe (vielleicht vorschnell?)
Einige Regelsysteme, die ich mit etwas genauer angesehen habe, kommen für mich eher nicht in Betracht:
- HERO/Champions, Mutants & Matserminds
Wie bereits gesagt, zu regellastig.
- Marvel Heroic Roleplaying
Fand ich immer schon komisch. Damit kann man vielleicht eine Superheldengeschichte in einer Runde erzählen, aber das Spielen von einzelnen Helden wird dadurch eher nicht gefördert. Auch kriege ich meienn Kopf nicht um das Prinzip, dass die Kompetenz meines Charakters davon abhängen soll, ob er alleine, mit einem Partner oder in einer Gruppe agiert. Das ergibt in den Comics vielleicht einen Sinn, aber in einem Rollenspiel, in dem die Charaktere meistens als Gruppe agieren werden, spielt dann doch niemand einen „Lone Wolf“.
- Savage Worlds
Wir haben SW – in einem anderen Setting – gespielt, und es ist auch ganz gut angekommen. Die sehr enge Verzahnung von Fähigkeiten, Talenten und Handicaps ist uns aber nie so ganz in Fleisch und Blut übergegangen. Außerdem spielen wir bewusst ohne Battlemap. Das geht bei SW zwar auch ganz gut, allerdings fallen dann doch einige Stärken des Systems weg.
Was ich schon im Auge habe
Ein paar Systeme habe ich schon in die engere Wahl gezogen (in alphabetischer Reihenfolge):
1. DC Heroes/Blood of Heroes
Zumindest einer der Spieler und ich kennen das System von früher. Ich würde dann wahrscheinlich auf die aktuelle Version (BoH Special Edition) zurückgreifen. Das Regelbuch ist aber schon ein ziemlicher Wälzer mit vielen Details zu den Superkräften. Das schreckt mich etwas ab.
2. ICONS
Die graphische Aufmachung macht mich immer wieder an. Zwar ein FATE/FUDGE-Ableger, aber einer der spielbar erscheint. Allerdings weiß ich nicht, ob die Skalierung (Werte von 1 -10 und Wurf mit 1W6) wirklich die große Bandbreite an Ergebnissen ermöglicht, die ein Superheldenrollenspiel mMn haben sollte. Die Charaktererschaffung ist zwar standardmäßig auch zufallsabhängig, aber es gibt dort mehrere Korrektive, die sicherstellen, dass der Spieler doch den Charakter bekommt, den er gerne haben möchte (zumindest in etwa).
3. Marvel Super Heroes (SAGA Edition)
Scheint richtig cool zu sein. Allerdings weiß ich nicht, ob ich ein den Spielern ein würfelloses System verkaufen kann. Die Regeln zur Charaktererschaffung sind ja leider eher rudimentär, und wir würden auf jeden Fall mit eigenen Helden spielen wollen.
4. Prowlers & Paragons
Das scheint eigentlich ganz gut zu passen. Poolsysteme sind nicht meine ganz große Leidenschaft, aber warum eigentlich nicht? Leider vom Verlag praktisch eingestellt und eine echte Fanbase gibt es dafür wohl auch nicht. Vielleicht kommt ja in diesem Jahr die „revised edition“, aber etwas mehr (potenziellen) Support für ein (für mich) neues System hätte ich schon ganz gerne.
Wenn hier jemand ein paar Tipps für mich hätte, wäre ich sehr dankbar.