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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Spielleiterthemen => Thema gestartet von: Weltengeist am 17.04.2017 | 19:18

Titel: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 17.04.2017 | 19:18
Sooo...

Nachdem ich ja seit einem Dreivierteljahr im Forum verschiedene Threads eröffnet habe mit dem Ziel, mir über meine eigenen Spielleitervorlieben etwas klarer zu werden, habe mir jetzt die Ostertage damit um die Ohren geschlagen, die Ergebnisse zusammenzuschreiben. War eigentlich nur für mich gedacht, aber ein paar Tanelornis haben mich bequatscht, das Ergebnis hier hochzuladen. Was ich hiermit tue. Ich präsentiere (ein bisschen stolz): Weltengeists Spielleiter-Philosophie. Auf immerhin 19 Seiten.

Disclaimer: Es handelt sich dabei natürlich einzig und allein um eine Beschreibung meiner eigenen Vorlieben. Wer in so etwas einen persönlichen Angriff auf seine eigenen Vorlieben sieht, sollte das Ding lieber gar nicht erst aufmachen. Aber wer glaubt, "mag und mag nicht" von "ist gut und ist nicht gut" trennen zu können, der darf gerne reingucken.

Konstruktive Kommentare sind natürlich gern gesehen, ist ja immerhin erst Version 0.7 ;).

EDIT: Inzwischen gibt es eine neue, generalüberholte Version 0.9, die ich hier ebenfalls angehängt habe.

[gelöscht durch Administrator]
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Ifram am 17.04.2017 | 19:46
Heftig!
Inhaltlich hab ich es nur überflogen, weil mich bloß die Neugier zum Blick hinein getrieben hat.
So viel, so hübsch gesetzt (wtf? Fußnoten!).
Klasse, dass du es den Interessenten so aufbereitet hast.
 :d
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Maarzan am 17.04.2017 | 19:49
Hört sich zu 95% gut an. Und der Rest ist dann wohl auch einfach Geschmackssache.

Zu den "komplizierten Regeln" nur so viel. Das ist meiner Meinung nach primär eine Frage der Art der Regeln, also ob diese mit der Spielwelt als Fokus anbgegangen wurden oder mit den Spielmechanismen als Fokus udn damit immer wieder für Überrschungen und Widersprüchen bei der Übertragung gut sind.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Fezzik am 17.04.2017 | 20:25
Gefällt mir. Wir haben recht ähnliche Ansichten, nur beim Heldenspiel und Setting liege ich anders. Aber das ist wirklich eine reine Geschmacksfrage.
Das zu lesen hat auch geholfen meine eigenen Vorlieben zu reflektieren.  :d
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Isegrim am 17.04.2017 | 20:33
Nette Ausfürhung. Darf man dich zitieren?
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: 1of3 am 17.04.2017 | 21:02
Too Link. Did not read.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Ucalegon am 17.04.2017 | 21:20
Als Kernthema mache ich das Problem Herausforderungsorientierung vs. Plot in traditionellem Rollenspiel aus. Deine Punkte sind nachvollziehbar, wenngleich deine Lösungsvorschläge leider überwiegend vage bleiben (siehe Gummipunkte, Fail Forward, Charaktertod, Schwächen ausspielen). Positiv hervorheben möchte ich da allerdings die Idee mit den Szenen-Schwierigkeiten. Finde ich eine praktische Lösung, die gut zu deiner Spielosophie passt.

Sonstige Anmerkungen:

> Das Problem der "Egoistischen Spielerperspektive" sehe ich auch, aber das auf einen wie auch immer gearteteten Zeitgeist abzuschieben, ist zu einfach. Für mich ist das einerseits eine Folge der oft schlecht kommunizierten und unzureichend geregelten Trennung zwischen Spieler(innen)- und SL-Rolle. Auch divergierende Vorstellungen davon, was eine gute Geschichte ausmacht, haben damit etwas zu tun, wie du später im Text ja selbst feststellst. Deutlicher: Für viele Leute ist glaube ich das Problem nicht das Scheitern an sich, sondern die Vorstellung, dass sich ihre Figur ändert. Zumal gegen ihren Willen und/oder scheinbar von einer SL forciert.

> Mir wird aus dem Text nicht klar, wie sich der "Zweite Anlauf" aus deiner Perspektive von Fail-forward unterscheidet.

> Den Exkurs zu "narrativen Spielen" könnte ich unterschreiben, wenn er mit "Ein Wort zu FATE" betitelt wäre. Auf die meisten "narrativen" Spiele iSv nicht-traditionellen Indie-Rollenspielen trifft dagegen nichts von dem zu, was du schreibst.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Macita am 17.04.2017 | 21:24
Spannend. Und gut geschrieben. Und ja, ich habe es ganz gelesen.

Was mir noch nicht klar geworden ist: was machst Du jetzt mit dem Buch?
Es gibt ja, zumindest bisher, noch nicht irgendwelche Checklisten, nach denen Du jetzt Regelsysteme oder Spielwelten für Dich aussuchen könntest. Andererseits hast Du für die Auswahl von Spielern genau so eine Checkliste.

Was mich ausserdem noch interessieren würde: Du gehst im Text ja mehrfach darauf ein, dass sich Deine Vorlieben im Laufe der Zeit geändert haben. Ist der Text daher eher eine Momentaufnahme und in zehn Jahren blickst Du darauf zurück und kommenstierst (dann mit einer soliden Grundlage) was sich wie warum geändert hat? Oder hast Du das Gefühl, dass Du am Ende der Entwicklung angekommen bist?
[Ich frage, weil ich zwar noch nicht gaaaanz so lange spiele, aber immerhin schon mehr als 20 Jahre und noch kein Ende einer Entwicklung für mich sehe. Im Gegenteil, von Zeit zu Zeit habe ich regelrechte Veränderungsschübe, die manchmal auch nur Launen sind und sich wieder legen, aber manchmal doch länger halten.]

Ich fühle mich jetzt von Deinem Text sehr inspiriert mir auch solche Gedanken zu machen. Ob ich dazu komme weiss ich zwar noch nicht, aber trotzdem: Danke für die grossartige Anregung!
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Hotzenplot am 17.04.2017 | 21:35
Toller Text, danke.

In vielen Dingen stimme ich dir zu, bei Gummipunkten sehe ich es allerdings anders. Du beschreibst die Auswirkungen von Gummipunkten indem du eher vom schlechteren Fall der Nutzung dieser ausgehst. Gut eingesetzte Gummipunkte können sehr wohl Spannung erzeugen oder Langeweile verhindern. Manche Spieler werden das nie kapieren und andere wollen einfach immer die Superhelden sein, aber es gibt auch viele Spieler, die Player Empowerment nicht nur zur Abflachung der Situation einsetzen, indem sie das Risiko minimieren.

Aber eigentlich will ich gar nicht rum diskutieren, schließlich hast du deine eigene Meinung dargestellt.

Ich finde, deine Ausarbeitung könnte ruhig in die allgemeinen :T: Spielleitertipps. Es hat mir Spaß gemacht, deine Gedanken nachzuvollziehen. Top!
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 17.04.2017 | 21:52
Nette Ausfürhung. Darf man dich zitieren?

Warum nicht? Mach ruhig. Aber schreib vielleicht die Versionsnummer dazu, da kommen sicher noch Überarbeitungen.

Deutlicher: Für viele Leute ist glaube ich das Problem nicht das Scheitern an sich, sondern die Vorstellung, dass sich ihre Figur ändert.

Das ist zumindest ein Punkt, den ich für die nächste Version mit aufnehmen kann, denn das Problem beobachte ich auch seit vielen Jahren. Das einzige, was sich an der Figur jemals ändern soll, sind ihre XP ;D.

> Den Exkurs zu "narrativen Spielen" könnte ich unterschreiben, wenn er mit "Ein Wort zu FATE" betitelt wäre. Auf die meisten "narrativen" Spiele iSv nicht-traditionellen Indie-Rollenspielen trifft dagegen nichts von dem zu, was du schreibst.

Okay, Point taken. Fate prägt natürlich ein Stückweit mein Bild von narrativen Spielen. Aber PDQ# ist in der genannten Hinsicht noch schlimmer. Und Revolution D100, durch das ich mich gerade durchgekämpft habe, war zumindest nicht besser. (Von Wushu will ich mal lieber gar nicht erst anfangen). Dann habe ich vielleicht einfach Pech mit meinen Stichproben.

Was mir noch nicht klar geworden ist: was machst Du jetzt mit dem Buch?
Es gibt ja, zumindest bisher, noch nicht irgendwelche Checklisten, nach denen Du jetzt Regelsysteme oder Spielwelten für Dich aussuchen könntest. Andererseits hast Du für die Auswahl von Spielern genau so eine Checkliste.

Meine Befürchtung ist, dass es das optimale System für mich nicht gibt, außer ich schreibe es selbst (wozu ich aber wohl weder Zeit noch Lust habe). Von daher würde die Checkliste hier auch nichts nützen. Aber dieser Text hilft mir schon selbst ein wenig, bei Regelwerken zu erkennen, was mich stört und was ich ggf. per Hausregeln ändern muss. Bei den Settings ist die Sache dagegen ziemlich einfach, dafür hätte ich den Text nicht gebraucht (den Punkt habe ich nur der Vollständigkeit halber mit aufgenommen).

Was also will ich mit dem Text? Gedanken ordnen. Ideen sammeln, die sich bewährt haben oder vielversprechend klingen. Neue Spieler vorwarnen. Und ein Schema schaffen, in das ich zukünftige Inspirationen einfügen kann.

Was mich ausserdem noch interessieren würde: Du gehst im Text ja mehrfach darauf ein, dass sich Deine Vorlieben im Laufe der Zeit geändert haben. Ist der Text daher eher eine Momentaufnahme und in zehn Jahren blickst Du darauf zurück und kommenstierst (dann mit einer soliden Grundlage) was sich wie warum geändert hat? Oder hast Du das Gefühl, dass Du am Ende der Entwicklung angekommen bist?

Um Himmels Willen, nein! Natürlich ist das eine Momentaufnahme. Wenn ich allein überlege, was sich in den letzten 3 Jahren so alles geändert hat...

So habe ich beispielsweise in den letzten Wochen etliche Spielleiter-Ratgeber aus verschiedenen Denkrichtungen (von OSR bis Play Unsafe und alles dazwischen) erworben bzw. aus entsprechenden Spielleiterkapiteln rauskopiert. Gelesen habe ich die noch nicht. Ich hoffe, dass ich ab jetzt Inspirationen, die ich daraus ziehe, an passende Stellen in meiner Gedankensammlung reinkopieren kann.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Samael am 17.04.2017 | 22:29
Too Link. Did not read.

Probleme, ein .pdf zu öffnen? Zu kurze Aufmerksamkeitsspanne für 19 Seiten? Du lehnst Verlinkungen ab? Fragen über Fragen. Was willst du uns sagen?
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Kreggen am 17.04.2017 | 22:36
Gefällt mir gut.  :d
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Greifenklaue am 17.04.2017 | 23:01
Muss ich auch sagen, vieles würde ich mitgehen, einiges sehe ich geschmacklich anders, aber gerade "herausforderungsorientiert" ist gut erklärt. Das was Du als "Sandboxen von Kaufabenteuern" umschreibst, nenne ich gern "Ergebnisoffen machen".

 Viel Spaß beim weiteren Ausformulieren Deines Spielstils.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Sashael am 17.04.2017 | 23:14
Bin erst auf Seite 7 und muss jetzt dringend ins Bett.
Aber gefällt mir bisher gut.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Crimson King am 18.04.2017 | 00:02
Die Verwendung der egoistischen Spielerperspektive auf den Seiten 3 und 4 ist inkonsistent. Auf Seite 3 wird die egoistische Spielerperspektive als diejenige definiert, in der der eigene Spielercharakter im Mittelpunkt steht, auf Seite 4 wird davon ausgegangen, dass die egoistische Spielerperspektive auch Erfolgsgarantien beinhaltet.

Ich kann ehrlich gesagt nicht erkennen, dass diese Perspektive irgendwo gefördert wird. Klar gibt es Spieler, denen außer dem eigenen Charakter alles weitgehend egal ist, aber grundsätzlich propagieren auch stark charakterzentrierte Systeme wie FATE oder PDQ#, dass alle Charaktere gemeinsam den Mittelpunkt bilden. Dass wiederum manche Spieler mit den Freiheitsgraden, die solche Systeme bieten, nicht umgehen können, steht auf einem anderen Blatt. Allerdings habe ich das bisher selten erlebt, und das Phänomen, dass die Runde langweilig wird, weil klar ist, wie es ausgeht, oder weil ich mir mit meinen gehorteten Gummipunkten den Sieg kaufen kann, hatte ich bis dato noch gar nicht.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: 6 am 18.04.2017 | 00:06
Da muss ich mich Crimson Kings Analyse anschliessen. Ich bin über die gleichen Punkte gestolpert.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Crimson King am 18.04.2017 | 00:20
Ich bin auch der Meinung, dass eine offene Kampagne in keinster Weise bedingt, dass die Spielercharaktere in den Mittelpunkt gerückt werden und deshalb Plotimmunität benötigen. Im Gegenteil führt das Fehlen eines Fernziels dazu, dass Charaktere deutlich leichter ersetzt werden können, wenn sie denn mal das Zeitliche segnen oder anderweitig aus dem Spiel genommen werden. Ob offene Kampagnen gleichwertige Geschichten erzeugen, wie solche Kampagnen mit konkreter Motivation, steht auf einem anderen Blatt.

Ich möchte noch anmerken, dass gute Geschichten zwar spannend sein sollten, aber nicht alles, was spannend ist, auch eine gute Geschichte ist. Das Potenzial, zu scheitern, sollte meines Erachtens grundsätzlich gegeben sein. Wenn aber jede beliebige und belanglose Goblingruppe meinem Charakter das Licht ausblasen kann, mag so ein Kampf zwar spannend sein, liefert aber potenziell einen storytechnisch höchst uninteressanten Tod. Der Wunsch nach einer gewissen Kontrolle über das ultimative Scheitern des eigenen Charakters ist also aus meiner Sicht in storygetriebenem Rollenspiel absolut legitim.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 18.04.2017 | 08:32
Ich möchte noch anmerken, dass gute Geschichten zwar spannend sein sollten, aber nicht alles, was spannend ist, auch eine gute Geschichte ist. Das Potenzial, zu scheitern, sollte meines Erachtens grundsätzlich gegeben sein. Wenn aber jede beliebige und belanglose Goblingruppe meinem Charakter das Licht ausblasen kann, mag so ein Kampf zwar spannend sein, liefert aber potenziell einen storytechnisch höchst uninteressanten Tod.

Da sind wir völlig einer Meinung - das ist ganz klar ein Dilemma (und zwar eines, das mich in den letzten Monaten ziemlich beschäftigt hat). Die ultimative Lösung habe ich für dieses Problem aber leider bis heute nicht gefunden. Denn als Konsequenz die Spannung einfach rauszunehmen, ist für mich auch keine Lösung. Ich habe mich daher jetzt erstmal entschieden, als Spielleiter mit diesen Schwierigkeitsgraden zu arbeiten, um zumindest die Wahrscheinlichkeit für SpF-Tode "an den falschen Stellen" etwas besser zu kontrollieren. Die Möglichkeit des Scheiterns muss aber mMn auch hier erhalten bleiben.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Crimson King am 18.04.2017 | 08:44
Da sind wir völlig einer Meinung - das ist ganz klar ein Dilemma (und zwar eines, das mich in den letzten Monaten ziemlich beschäftigt hat). Die ultimative Lösung habe ich für dieses Problem aber leider bis heute nicht gefunden. Denn als Konsequenz die Spannung einfach rauszunehmen, ist für mich auch keine Lösung. Ich habe mich daher jetzt erstmal entschieden, als Spielleiter mit diesen Schwierigkeitsgraden zu arbeiten, um zumindest die Wahrscheinlichkeit für SpF-Tode "an den falschen Stellen" etwas besser zu kontrollieren. Die Möglichkeit des Scheiterns muss aber mMn auch hier erhalten bleiben.

Die Lösung ist glaube ich, zu akzeptieren, dass bei deinem Leitstil nicht zwangsläufig Geschichten entstehen, die irgend welchen formal nachprüfbaren Qualitätskriterien genügen. Das ergibt sich ja auch aus deinem Text. Du stellst ganz klar die Herausforderungen innerhalb einer plausibel reagierenden Welt nebst plausibel agierenden Charakteren hervor. Damit bewegst du dich klar im weitgehend üblichen Mischbereich von simulationistischem und herausforderungsorientiertem Spiel. Werkzeuge, um die Story nach irgend welchen Qualitätskriterien jenseits der Spannung zu beeinflussen, nennst du keine und scheinst auch keine zu wollen.

Da sehe ich auch kein Problem drin. Der Spaß soll halt durch die Spannung und das Erleben entstehen und nicht dadurch, dass man die Story bewundert. Dass viele Film- und Buchplots sich nicht als Rollenspielvorlage eignen und anders herum nur wenige Rollenspielsessions gute Buch- oder Filmvorlagen abgeben, ist ja auch keine neue Erkenntnis.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 18.04.2017 | 08:48
@Crimson King: 100% Zustimmung zu allem, was du gerade geschrieben hast. :d
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Maarzan am 18.04.2017 | 09:06
"Gute Geschichte" ist eh auf der einen Seite Geschmackssache, auf der anderen eine Gesamtqualität und kann daher auch gar nicht Teil des Spielziels sein. Qualitätskriterien für Geschichten allgemein sind damit schon nicht möglich.

Der "Marysuefanficspieler" wird seine Geschichte schon für toll halten, genauso wie der Splatterspielleiter.

Wenn, müßten daher die spezifisch-lokalen Kriterien von "gute Geschichte" vorher ausreichend genau festgelegt werden, so dass da nur kompatible Leute mit klaren Vorstellungen davon, was passieren wird, sich dann dazusetzen.  (Fiasco dürfte so etwas sein)

Man kann letztlich nur entweder frei wählbare Wege oder ein spezifisches Ziel haben.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Chiarina am 18.04.2017 | 11:39
Das stimmt, aber man kann zumindest über die Quantität eine Aussage machen: Wieviel Zeit am Spieltisch verstreicht mit Miniaturenrücken auf der Battlemat? Mit Planen? Mit Charakterspiel und freiem Erzählen? Viel heißt zwar nicht gleich gut, aber zeigt doch immerhin einen Schwerpunkt der Runde.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Maarzan am 18.04.2017 | 11:55
Das stimmt, aber man kann zumindest über die Quantität eine Aussage machen: Wieviel Zeit am Spieltisch verstreicht mit Miniaturenrücken auf der Battlemat? Mit Planen? Mit Charakterspiel und freiem Erzählen? Viel heißt zwar nicht gleich gut, aber zeigt doch immerhin einen Schwerpunkt der Runde.

Das ist eine Frage der Wahrnehmung: manche Leute können das Planen,Einkaufen oder auch Regelanwenden direkt in ein inneres Weltbild übersetzen und andere nicht (oft auch motivationsbedingt, weil es für sie eben kein "interessantes" Weltbild ergibt, aber das ist dann wieder eine Geschmacksfrage) .
Für erstere bildet sich damit dann eben auch ebenso direkt "Geschichte".

Für mich wird es da z.B. eben nicht durch die reine Menge an Regeln, sondern ihre Abstraktion bzw. den Metagrad der Entscheidungen schwierig.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Ucalegon am 18.04.2017 | 12:16
Das stimmt, aber man kann zumindest über die Quantität eine Aussage machen: Wieviel Zeit am Spieltisch verstreicht mit Miniaturenrücken auf der Battlemat? Mit Planen? Mit Charakterspiel und freiem Erzählen? Viel heißt zwar nicht gleich gut, aber zeigt doch immerhin einen Schwerpunkt der Runde.

Exakt. Hier und nicht bei der Frage nach dem Scheitern, für das sich ja durchaus Lösungen auch jenseits stumpfer Gummipunkt-Regelungen finden lassen, oder bei der Spannung liegt das eigentliche Dilemma. Mein Grund, traditionelles Rollenspiel weitestgehend eingestellt zu haben, ist, dass es viel zu viel Zeit auf Dinge verschwendet, die zur Geschichte, zu dem, was on-screen passiert, nichts beitragen. Wenn es aber eben nicht in erster Linie um die Geschichte und die Figuren geht, sondern bspw. darum, meine Traveller in "Night of Conquest" nach und nach durch eine fiktive Stadt schleichen und kämpfen und manövrieren zu lassen, dann ist der Stadtplan, sind die Fertigkeiten, die Bezirksregeln, die Kämpfe, das Planen et cetera eben keine Verschwendung, sondern Bedingung für diese Spielweise. Nur brauche ich in diesem Fall 4-6 Stunden für einen Prozess, der mir nichts über die Figuren verrät und keinen Plot im eigentlichen Sinne erzeugt. Die ewig langen Kampagnen in traditionellen Systemen kann man als ineffizienten Versuch deuten, das zu kompensieren.   
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 18.04.2017 | 12:25
Mein Grund, traditionelles Rollenspiel weitestgehend eingestellt zu haben, ist, dass es viel zu viel Zeit auf Dinge verschwendet, die zur Geschichte, zu dem, was on-screen passiert, nichts beitragen.

Das ist der Grund, warum ich diesen Szenen-Ansatz mag. Ich dabei am ehesten einen Film im Kopf - wenn es in einem Film nicht vorkäme (Einkaufstouren, die Wohnräume der 55 unbedeutenden Mönche durchsuchen,...), kann es auch im Spiel kurz erzählerisch abgehandelt werden. Den Punkt sollte ich vielleicht in der nächsten Version noch mit aufnehmen.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Maarzan am 18.04.2017 | 12:31
Wer nur eine fremdbestimmte Zusammenfassung erleben will, kann ja direkt einen Film schaun.
Oder umgekehrt mal was anderes an Film schauen.

Ansonsten lasse ich mir sehr ungern vorschreiben, was denn nun für mich und meinen Charakter "unwichtig" it.
(Wobei ich das jetzt mal nicht an der ausschweifigen Detailbeschreibung, sondern den dabei anfallenden Entscheidungen festmachen würde)
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: KhornedBeef am 18.04.2017 | 12:51
Nicht gleich die Pferde scheu machen, explizit geäußerte Wünsche der Spieler lösen doch immer Rollenspiel aus, zumindest bei mir.
Innerhalb der Grenze, die die Gruppe setzt. Denn auch die anderen Spieler lassen sich ungern vorschreiben, dass sie jetzt ein halbe Stunde (subjektiv) kotzlangweilige Passagen erdulden müssen, weil jeder Tag im Kurhaus beim Wundenheilen ausgespielt werden muss, nur weil einer von ihnen es will.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Crimson King am 18.04.2017 | 12:52
Das stimmt, aber man kann zumindest über die Quantität eine Aussage machen: Wieviel Zeit am Spieltisch verstreicht mit Miniaturenrücken auf der Battlemat? Mit Planen? Mit Charakterspiel und freiem Erzählen? Viel heißt zwar nicht gleich gut, aber zeigt doch immerhin einen Schwerpunkt der Runde.

Man kann auch qualitative Aussagen machen, z.B. über Handlungsverläufe, verwendete und ggf. gebrochene Tropes, die Anzahl an Szenen, in denen die Charaktermotivationen zentrale Handlungstreiber sind etc. etc..

Das spielt aber insofern keine Rolle, als Weltengeist solchen Dingen explizit keine Bedeutung beimessen will.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Yney am 18.04.2017 | 12:53
Der Text gefällt mir sehr gut. Beeindrucken finde ich vor allem, dass Du Beispiele (beliebtes Ziel von Zerpflückung abseits des eigentlichen Themas) weitgehend umschiffst. Deine Spielleiter-Philosophie denke ich, kann man so gut nachvollziehen, ohne sich an ihr reiben zu müssen. So etwas wäre meiner Ansicht nach perfekt als Vorbereitung für Bewerber auf den Posten eines Mitspielers geeignet ("Lesen Sie das, dann wissen Sie, woran Sie sind!"). Der Aufwand dürfte allerdings für dieses Ziel allein zu hoch sein.
Danke fürs Teilen, das war eine sehr anregende Lektüre.


Und das soll um Himmels Willen nun keine Abwertung des oben gesagten sein (ich produziere mit Sicherheit mehr Tippfehler):
S. 10, zweiter •: da steckt ein "zu" zu viel drin
S. 12, zweiter •: 1. Zeile - abzulegen
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Ucalegon am 18.04.2017 | 13:01
Wer nur eine fremdbestimmte Zusammenfassung erleben will, kann ja direkt einen Film schaun.
Oder umgekehrt mal was anderes an Film schauen.

Das ist ein Strohmann.

Ansonsten lasse ich mir sehr ungern vorschreiben, was denn nun für mich und meinen Charakter "unwichtig" it.
(Wobei ich das jetzt mal nicht an der ausschweifigen Detailbeschreibung, sondern den dabei anfallenden Entscheidungen festmachen würde)

Mein Punkt war: Entscheidungen darüber, durch welches Stadtviertel man sich jetzt in "Night of Conquest" bewegt, welche Ausrüstung der Charakter mitnimmt, welche der 7 Sicherheitskameras am Gebäude man abschaltet, welchen Raum man durchsucht und an welchem man vorbeigeht, ob mein Charakter Fertigkeit x oder y anwendet, ob ich meinen Initiativedurchgang nutze, um mich zu bewegen oder in Verteidigungshaltung zu gehen, sind wichtig, wenn es um den Prozess geht - ich würde hier noch nichtmal zwingend von Herausforderungsorientierung sprechen, weil im Zweifel ja nichtmal eine echte Herausforderung gegeben sein muss. Plot und Figuren sucht man hier aber vergeblich.

Edit:
Aber hier sollten ja wie ich es lese Einkaufstouren und Durchsuchungen, aber auch z.B.  Schleichszenen komplett gekickt werden. Planungen werden auch immer wieder gerne als "uninteressant" abgestempelt etc. .

Nicht allgemein uninteressant, sondern uninteressant für Plot und Figuren. Wie gesagt, der Prozess kommt ohne nicht aus.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Maarzan am 18.04.2017 | 13:04
Nicht gleich die Pferde scheu machen, explizit geäußerte Wünsche der Spieler lösen doch immer Rollenspiel aus, zumindest bei mir.
Innerhalb der Grenze, die die Gruppe setzt. Denn auch die anderen Spieler lassen sich ungern vorschreiben, dass sie jetzt ein halbe Stunde (subjektiv) kotzlangweilige Passagen erdulden müssen, weil jeder Tag im Kurhaus beim Wundenheilen ausgespielt werden muss, nur weil einer von ihnen es will.

Daher ja der Focus auf die offenen Entscheidungen, denn darauf kann ja zugerafft werden ohne den Spielanteil des Spielers zu beschneiden. Klar kann man umgekehrt mit beliebig langen Beschreibungen das Spotlight ins Endlose ziehen, doppelt,. wenn es ein passiv-aggressives Verhalten ist um den anderen ein nicht-sofort-zum-kill springendes Speil zu verleiden.
 
Aber hier sollten ja wie ich es lese Einkaufstouren und Durchsuchungen, aber auch z.B.  Schleichszenen komplett gekickt werden. Planungen werden auch immer wieder gerne als "uninteressant" abgestempelt etc. .



Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Chiarina am 18.04.2017 | 13:11
Zitat von: Crimson King
Man kann auch qualitative Aussagen machen, z.B. über Handlungsverläufe, verwendete und ggf. gebrochene Tropes, die Anzahl an Szenen, in denen die Charaktermotivationen zentrale Handlungstreiber sind etc. etc..

Das spielt aber insofern keine Rolle, als Weltengeist solchen Dingen explizit keine Bedeutung beimessen will.

Es geht um den Herausforderungscharakter, oder? Dem hat Weltengeist Bedeutung beigemessen. Ich sehe bei Battlemat und Planungsphasen einen stärkeren Herausforderungscharakter als bei Charakterspiel und freiem Erzählen. Und diese Tätigkeiten kann man quantitativ messen.

Ansonsten habe ich weniger auf deinen, sondern eher auf Maarzans Beitrag geantwortet, der aus deinen "Geschichten, die irgend welchen formal nachprüfbaren Qualitätskriterien genügen" gleich mal etwas vereinfacht "Gute Geschichte(n)" gemacht hat (der "stille Post Effekt" in Forendiskussionen...). Ob eine Story im Rollenspiel "gut" ist, halte ich tatsächlich kaum für möglich zu beurteilen. Wenn du der Reich-Ranicki des Rollenspiels bist, darfst du mir gern widersprechen.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Crimson King am 18.04.2017 | 13:25
Es geht um den Herausforderungscharakter, oder? Dem hat Weltengeist Bedeutung beigemessen. Ich sehe bei Battlemat und Planungsphasen einen stärkeren Herausforderungscharakter als bei Charakterspiel und freiem Erzählen. Und diese Tätigkeiten kann man quantitativ messen.

Ansonsten habe ich weniger auf deinen, sondern eher auf Maarzans Beitrag geantwortet, der aus deinen "Geschichten, die irgend welchen formal nachprüfbaren Qualitätskriterien genügen" gleich mal etwas vereinfacht "Gute Geschichte(n)" gemacht hat (der "stille Post Effekt" in Forendiskussionen...). Ob eine Story im Rollenspiel "gut" ist, halte ich tatsächlich kaum für möglich zu beurteilen. Wenn du der Reich-Ranicki des Rollenspiels bist, darfst du mir gern widersprechen.

Ob eine Story gut ist, lässt sich in der Retrospektive schon tauglich beurteilen. Das heißt noch nicht, dass sie jedem gefällt. Das kriegt man ja auch bei Büchern und Filmen mit.

Vorab zu beurteilen, wird schon dadurch verunmöglicht, dass man den Storyverlauf bei offener Handlung noch nicht kennt. Wenn man Geschmack und Vorstellungen der Mitspieler kennt und die zueinander passen, sollten sich allerdings auch Werkzeuge finden lassen, die die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, eine Story zu erspielen, die für alle Teilnehmer interessant ist und als gut empfunden wird.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Chiarina am 18.04.2017 | 13:28
Dann mal los: Ich bin auf deine objektiven Kriterien für die Qualität einer Story gespannt!
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Greifenklaue am 18.04.2017 | 13:34
Es geht um den Herausforderungscharakter, oder? Dem hat Weltengeist Bedeutung beigemessen. Ich sehe bei Battlemat und Planungsphasen einen stärkeren Herausforderungscharakter als bei Charakterspiel und freiem Erzählen. Und diese Tätigkeiten kann man quantitativ messen.
Weltengeist spielt weitgehend ohne Battlemap {oder schreibt das jedenfalls, gen Ende}.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Megavolt am 18.04.2017 | 13:35
Dann mal los: Ich bin auf deine objektiven Kriterien für die Qualität einer Story gespannt!

Unmittelbar einleuchtend sind zum Beispiel: Inhaltliche Konsistenz, Pacing, Anschlussfähigkeit der Handlung an die Spieler und Spielfiguren

Von diesen ganz groben Kategorien gibt es sicherlich noch sehr viel mehr, und wenn man in die feineren Verästelungen hinabsteigt, dann kann man (jetzt nur mal beispielsweise) das ganze Fass der Literaturwissenschaften aufmachen, wenn man die "Story" als Text ansehen möchte. Sonst nimmt man halt andere Ansätze.

Um gedanklich bei den Literaturwissenschaften zu bleiben: Der Wallenstein vom Schiller ist einfach nach sehr vielen objektiv messbaren Kriterien ein besserer Text als dieses Posting hier von mir. :) Kann man das ernsthaft bestreiten?
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 18.04.2017 | 13:37
Aber hier sollten ja wie ich es lese Einkaufstouren und Durchsuchungen, aber auch z.B.  Schleichszenen komplett gekickt werden. Planungen werden auch immer wieder gerne als "uninteressant" abgestempelt etc. .

Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, wo du das her hast - hoffentlich nicht aus meinem Text? Das entspräche nämlich nicht der Intention. Ohne Planung GEHT es ja meist gar nicht. Und ich würde sicher auch nicht alle Schleichszenen kicken. Aber ich würde sie nur da ausspielen / auswürfeln, wo es auch was gibt, für das sich das Schleichen lohnt. Genauso mit dem Durchsuchen - nach dem dritten Kellerraum, der auch nur Trockenobst und Schinken enthält, kann man sich den Rest meist mit "die nächsten zehn Räume sind ähnlich interessant" abkürzen.

Wer nur eine fremdbestimmte Zusammenfassung erleben will, kann ja direkt einen Film schaun.
Oder umgekehrt mal was anderes an Film schauen.

Auch hier: Falls du dich auf das Konzept der filmischen Szenen beziehst, geht es keineswegs darum (das ist ja die ganze Idee des gemeinsam gestaltenden Spielstils), dass der SPIELLEITER allein festlegt, welche Szenen interessant sind. Die Spieler können schon die Hand heben und beispielsweise sagen: Jetzt wäre ein Lagerfeuergespräch mal echt angebracht.

Ich sehe aber (auch aus Chiarinas Antwort oben), dass ich den Absatz über die Bedeutung von Rollenspielszenen vielleicht doch nicht aus dem Text hätte löschen sollen. So mag vielleicht der Eindruck entstanden sein, dass es mir NUR um die herausforderungsorientierten Szenen ginge. Dem ist in Wahrheit überhaupt nicht so, wir verbringen meist etwa 50% der Zeit mit Rumfluffen zu...

Ansonsten lasse ich mir sehr ungern vorschreiben, was denn nun für mich und meinen Charakter "unwichtig" it.

Du merkst aber schon selbst, dass du damit genau eine Spielschule vertrittst, um die es in dem Dokument NICHT geht?
Ist wie gesagt völlig in Ordnung, wenn das alle so möchten, aber ist genau nicht der Spielstil, der hier besprochen wird.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Chiarina am 18.04.2017 | 13:41
Schau dir mal das "Pacing" von Thomas Mann und das von  Büchner an: Gegensätzlicher kann´s nicht sein. Beides "gute" Literatur.

Schau dir mal den Tristram Shandy an: Inhaltliche Konsistenz ist kaum vorhanden. GERADE DARIN liegt das Geniale. Ich vermute, das ist in etwa das, was Crimson King durch "Brechen von Tropes" bezeichnen wollte. Nur wird es dadurch immer schwieriger objektive Qualitätsmerkmale aufzustellen.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Greifenklaue am 18.04.2017 | 13:43
Um gedanklich bei den Literaturwissenschaften zu bleiben: Der Wallenstein vom Schiller ist einfach nach sehr vielen objektiv messbaren Kriterien ein besserer Text als dieses Posting hier von mir. :) Kann man das ernsthaft bestreiten?
Bestreiten nicht, aber wie misst man es. schließt man ein Voltmter an die lesende Person ;)

Zumal es fraglich ist, dass die Qualität literarischer Geschichten eins zu eins auf RPG-Geschichten übertragbar wäre.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Megavolt am 18.04.2017 | 13:50
Bestreiten nicht, aber wie misst man es. schließt man ein Voltmter an die lesende Person ;)

Zumal es fraglich ist, dass die Qualität literarischer Geschichten eins zu eins auf RPG-Geschichten übertragbar wäre.
Das ist freilich diskutabel, aber es ist ja auch nur ein Beispiel.

Bei der Literaturwissenschaft gibts den z.B. den strukturalistischen Ansatz, der zählt halt Worte, Wortarten, Reime, Wortfelder usw.

Und das ist dann schon wieder einigermaßen grenzempirisch, wenn man sagen kann: "Im Faust hat der Goethe zwei Reime verbockt, weil er hessischen Dialekt mit eingebaut hat, der Schiller im Wallenstein  hingegen null. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Wallenstein der objektiv bessere Text." (ich ziehe mir die Sachen hier jetzt aus dem Hut, keine Ahnung, wie viele krumme Reime im Wallenstein stehen)

Um mal wieder ein bisschen die Kurve zu kriegen zum Rollenspiel: Der Herr der Ringe punktet unter anderem durch hohe Konsistenz, weil der olle Tolkien sich da halt viel Mühe bei der Welterschaffung gegeben hat. Würde im Herrn der Ringe hingegen stehen: "Frodo, Sam und zwei sprechende Pfannkuchen machen sich auf nach Mordor", also wäre ihm da versehentlich eine klare Inkonsistenz unterlaufen, dann wäre der Text halt objektiv schlechter.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: KhornedBeef am 18.04.2017 | 13:51
Ich glaube hier werden zu viele Qualitätskriterien durcheinander gebracht. "Das Kapital" hat die Welt verändert. Da jetzt auf Pacing hinzuweisen, ist belämmert, weil das gar kein Kriterium bei der konkreten Wertschätzung dieser Bücher war. Ganz viel Weltliteratur hat ihren Status nicht, weil sie tolles Pacing hat oder Immersion erzeugt oder einen befreiendes Ende in 3-Akt-Form bietet. Da fließen teilweise Kriterien ein, die schlicht nichts mit Rollenspielen zu tun haben. So darüber zu reden, als könnte man den Vergleich in solchen Kategorien ziehen und erwarten, geistig weiterzukommen, ist völlig irre.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Megavolt am 18.04.2017 | 13:53
Nö, ist nicht völlig irre.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Crimson King am 18.04.2017 | 13:53
Schau dir mal das "Pacing" von Thomas Mann und das von  Büchner an: Gegensätzlicher kann´s nicht sein. Beides "gute" Literatur.

Schau dir mal den Tristram Shandy an: Inhaltliche Konsistenz ist kaum vorhanden. GERADE DARIN liegt das Geniale. Ich vermute, das ist in etwa das, was Crimson King durch "Brechen von Tropes" bezeichnen wollte. Nur wird es dadurch immer schwieriger objektive Qualitätsmerkmale aufzustellen.

Objektiv ist das falsche Wort. Was du allerdings machen kannst, ist, die klar zu sein, welche Art von Geschichte zu am Ende erhalten willst, und passende Werkzeuge auswählen, um die zu erreichen. Dann wird das mit der Objektivierbarkeit schon etwas besser. Dementsprechend ist die Aussage, dass du eine Story retrospektiv bewerten kannst, eher auf das Individuum oder auf die Peer Group bezogen. Wobei sich bei bestimmten Werken schon viele Leute einig sind, dass die gut sind, auch wenn sie die Kriterien, nach denen sie messen, nicht benennen können.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: KhornedBeef am 18.04.2017 | 13:55
Nö, ist nicht völlig irre.
Jetzt machst du mich neugierig. Du schaffst es mal wieder das meine erste Reaktion "WTFAGRAARAGEQUIT!" war, aber letztes Mal war das ja sehr spannend danach. Also, führ mal etwas aus bitte :)
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Greifenklaue am 18.04.2017 | 13:58
Um mal wieder ein bisschen die Kurve zu kriegen zum Rollenspiel: Der Herr der Ringe punktet unter anderem durch hohe Konsistenz, weil der olle Tolkien sich da halt viel Mühe bei der Welterschaffung gegeben hat. Würde im Herrn der Ringe hingegen stehen: "Frodo, Sam und zwei sprechende Pfannkuchen machen sich auf nach Mordor", also wäre ihm da versehentlich eine klare Inkonsistenz unterlaufen, dann wäre der Text halt objektiv schlechter.
Aber nur weil Du The One Ring spielst statt DnD X ist ja nicht gesagt, dass Du mir ersterem die bessere Geschichte spielst. Was heißt überhaupt besser? Da liegt doch vieles im Auge des Betrachters. Auch wenn es Goethe und Schiller gibt, schätze ich doch Lovecraft, Howard und Vance mehr.

Kurzum: Ich seh nicht wirklich, wie man sowas sinnvoll auf einen Vergleich zweier RPG-Erlebnisse einbringen kann, die ähnlich unter verschiedenen Spielstilen entstanden. Da wird eben ganz viel persönlicher Gerschmack sein, wie der eine einen gelben VW Käfer mag, der andere einen Farrari und der dritte seinen Opel Kadett.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Ucalegon am 18.04.2017 | 14:00
Ob eine Story im Rollenspiel "gut" ist, halte ich tatsächlich kaum für möglich zu beurteilen.

Ich denke man kann versuchen, sie nach bestimmten Kriterien zu bewerten oder es sein lassen. Was für mich aber klar ist: Wenn zwei Spieler(innen) ihre Figuren eine halbe Stunde lang debattieren lassen, ob sie jetzt in Tunnel A oder B gehen, dann hat das vlt. was Existenzialistisches, aber in den meisten Fällen - ganz abgesehen von Entscheidungen über Initiative, Manöver, Fertigkeiteneinsatz und sonstigem Kruscht - trägt das zu Handlung und Figuren nichts bei und ist auch nicht so gedacht.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Megavolt am 18.04.2017 | 14:03
Da liegt doch vieles im Auge des Betrachters.

Das ist korrekt, aber wenn man sich auf so eine Art geschmäcklerischen Universalismus zurückzieht, dann braucht man eigentlich auch nicht mehr miteinander zu reden. Im Grundsatz gebe ich dir aber Recht, das kann man ja auch nicht bezweifeln, dass die Geschmäcker verschieden sind. Diese Feststellung ist halt nur sehr unproduktiv. :)

Kurzum: Ich seh nicht wirklich, wie man sowas sinnvoll auf einen Vergleich zweier RPG-Erlebnisse einbringen kann

Kategorien definieren und Spielerlebnisse auswerten. Wenn mal sauber ausgemessen feststeht "dass der Goethe nicht reimen kann", dann kannst du ja trotzdem immer noch sagen, dass du gerade die vielen falschen Reime alle gut findest. Das ist ja nicht verboten.

Und Jack Vance besser als Goethe? In zivilisierteren Zeiten wären wir zwei jetzt raus in den Hinterhof, um uns zu duellieren.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 18.04.2017 | 14:04
Können wir das Thema "Qualitätskriterien für gute Geschichten" vielleicht auslagern?

Ich fürchte, Diskussionen dieser Art können wir passenderweise zu Dutzenden in diesem Thread führen, es werden schließlich genügend Theman in der Spielleiterphilosophie angerissen. Aber ich finde es doch übersichtlicher, wenn wir uns dafür jeweils einen eigenen Thread gönnen...
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: KhornedBeef am 18.04.2017 | 14:06
[...]
Kategorien definieren und Spielerlebnisse auswerten. Wenn mal sauber ausgemessen feststeht "dass der Goethe nicht reimen kann", dann kannst du ja trotzdem immer noch sagen, dass du gerade die vielen falschen Reime alle gut findest. Das ist ja nicht verboten.
Hm. "Erreicht der Autor im Leser mit dem Werk das, was in seiner Absicht lag?" könnte Grundlage für ein fast universelles Kriterium sein. Ich vermute fast, das spielt in die Antwort auf meinen Post rein. Righty-O?
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Maarzan am 18.04.2017 | 14:08
Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, wo du das her hast - hoffentlich nicht aus meinem Text? Das entspräche nämlich nicht der Intention. Ohne Planung GEHT es ja meist gar nicht. Und ich würde sicher auch nicht alle Schleichszenen kicken. Aber ich würde sie nur da ausspielen / auswürfeln, wo es auch was gibt, für das sich das Schleichen lohnt. Genauso mit dem Durchsuchen - nach dem dritten Kellerraum, der auch nur Trockenobst und Schinken enthält, kann man sich den Rest meist mit "die nächsten zehn Räume sind ähnlich interessant" abkürzen.

Ok, komplett war da übertrieben. Wobei dann aber die Frage ist, wann eine Szene sich "lohnt". Und da habe ich aus deinem filmischen Vergleich gelesen, dass dies eben der Spielleiter nach seinem ästhetischen Filmverständnis macht - da hätten Spielervorstellungen dann hintenan gestanden. Ein Zusammenraffen auf potentielle Entscheidungen und den dazu notwendigen Details habe ich wiederum schon selbst angeführt. Da wäre der 3. Kellerraum mit Trockenobst auch als Detailzeichnung bei raus, wenn er sich nicht signifikant von den vorherigen unterscheidet. 


Zitat
Auch hier: Falls du dich auf das Konzept der filmischen Szenen beziehst, geht es keineswegs darum (das ist ja die ganze Idee des gemeinsam gestaltenden Spielstils), dass der SPIELLEITER allein festlegt, welche Szenen interessant sind. Die Spieler können schon die Hand heben und beispielsweise sagen: Jetzt wäre ein Lagerfeuergespräch mal echt angebracht.

Genau diese Option habe ich mit dem Verweis auf filmische Vorlagen als Leitlinie als abgewiesen gesheen.

Zitat
Ich sehe aber (auch aus Chiarinas Antwort oben), dass ich den Absatz über die Bedeutung von Rollenspielszenen vielleicht doch nicht aus dem Text hätte löschen sollen. So mag vielleicht der Eindruck entstanden sein, dass es mir NUR um die herausforderungsorientierten Szenen ginge. Dem ist in Wahrheit überhaupt nicht so, wir verbringen meist etwa 50% der Zeit mit Rumfluffen zu...

Es ging mir nicht um rumfluffen, sondern um die Reduktion des Spiels auf eine einseitige Szenenauswahl nach dem (filmisch inspirierten) Plotideal des SL. Und damit sah ich auch durchaus Szenen bedroht, die ich nicht nur als fluffig sehen würde.

Zitat
Du merkst aber schon selbst, dass du damit genau eine Spielschule vertrittst, um die es in dem Dokument NICHT geht?
Ist wie gesagt völlig in Ordnung, wenn das alle so möchten, aber ist genau nicht der Spielstil, der hier besprochen wird.

Sehe ich jetzt nicht so. Ich vermute du beziehst dich auf den "Ich will keine negativen Abweichungen von meinem Ideal"-Spieler? Dann ist das nicht der Fall. Ich will nur nicht der entsprechenden Entscheidungen und Schritte dazu enthoben werden. Scheitern ist trotzdem jederzeit möglich, solange das eben "fair" verläuft.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Ucalegon am 18.04.2017 | 14:33
Aber nur weil Du The One Ring spielst statt DnD X ist ja nicht gesagt, dass Du mir ersterem die bessere Geschichte spielst. Was heißt überhaupt besser?

Pauschal sicher nicht.

Was sich aber sehr wohl je nach System und Spielweise unterscheidet, ist das, worauf Chiarina hier (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,102366.msg134485071.html#msg134485071) hingewiesen hat. Ein traditionelles Rollenspiel, das mich dazu zwingt, mich mit einem umfangreichen Kampfsystem, Fertigkeiten, den genannten Entscheidungen über Details herumzuschlagen, spielt sich damit größtenteils weit entfernt von Geschichte und Figuren ab. Das was man gemeinsam zwischen Kampfverwaltung, Planung et cetera rauspickt, kann sicher immer noch eine gute (uU sogar bessere) Geschichte sein, aber - und da komme ich auf das Dilemma zurück - die meiste Zeit hat man am Ende eben doch mit anderen Dingen zugebracht. Dingen, die für die Herausforderung bzw. den Prozesscharakter eines Heists oder einer Verfolgungsjagd oder was auch immer natürlich wichtig sind, nicht aber für Plot und Figuren.

(The One Ring ist für ein traditionelles Rollenspiel, das trotzdem Geschichte und Figuren in den Vordergrund rückt, natürlich vorbildhaft. Die sehr klare Struktur machts. AiME ist für mich zwar ein rotes Tuch, aber so weit ich weiß, ist da immerhin viel von TOR eingeflossen. Mit gutem Grund, würde ich sagen.)
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Chiarina am 18.04.2017 | 14:47
Zitat von: King Crimson
Was du allerdings machen kannst, ist, die klar zu sein, welche Art von Geschichte zu am Ende erhalten willst, und passende Werkzeuge auswählen, um die zu erreichen.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Jedenfalls, King Crimson, bin ich hier viel eher deiner Meinung. Ja, wenn du subjektive Qualitätskriterien aufstellst, dann kannst du natürlich beurteilen, ob eine Story diesen Kriterien entspricht. Nichts anderes sagt aber Maarzan, wenn er schreibt:

Zitat von: Maarzan
Qualitätskriterien für Geschichten allgemein sind damit schon nicht möglich. [...] Wenn, müßten daher die spezifisch-lokalen Kriterien von "gute Geschichte" vorher ausreichend genau festgelegt werden, so dass da nur kompatible Leute mit klaren Vorstellungen davon, was passieren wird, sich dann dazusetzen.

Dem stimme ich zu. Nur finde ich es schade, wenn man deshalb behauptet, es lässt sich gar keine Aussage darüber machen, was in einer Runde passieren muss, die einem weniger herausforderungsfixierten Spieler liegt. Und da ist schon mal eine brauchbare Möglichkeit, zu schauen, wie viel sich die Gruppe mit was für Tätigkeiten beschäftigt.

Vielleicht kann der Strangersteller einfach nochmal sagen, welches Thema er jetzt hier gern weiter vertieft hätte... ich bin im Moment unsicher.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 18.04.2017 | 15:27
Vielleicht kann der Strangersteller einfach nochmal sagen, welches Thema er jetzt hier gern weiter vertieft hätte... ich bin im Moment unsicher.

Ich denke, dass es nicht zielführend ist, hier vertiefende Diskussionen zu Themen zu führen, die in der Spielleiterphilosophie angerissen werden. Dafür sind es einfach zu viele verschiedene. Ich schlage daher vor: Sobald sich eine Diskussion zu etwas Eigenständigem entwickelt (wie es hier zum Thema "Qualitätskriterien" gerade der Fall ist), sollte jemand einen neuen Thread speziell dazu aufmachen und die wichtigsten Beiträge da reinkopieren.

Dieser Thread hier ist primär für Feedback zur Spielleiterphilosophie gedacht.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Stagger am 18.04.2017 | 18:07
Zum Thema Spielerkönnen und Figurenkönnen:

In mehreren Experimenten haben nicht nur ich, sondern auch befreundete Spielleiter festgestellt, dass es noch einen anderen Ansatz gibt, der in Theorie und Praxis funktionieren kann.
Streiche alle Social Skills und Attribute. Spiele, was du spielen kannst.
Es bleibt natürlich nicht aus, große Teile des Regelwerks über den Haufen zu werfen oder von Grund auf zu überarbeiten, aber mit genug Enthusiasmus und Ellbogenfett geht das.
Natürlich müssen alle Spieler zustimmen. Persönlich kann ich sagen, dass mir diese Variante gut gefällt - sowohl vor, als auch hinter dem Spielleiterschirm sitzend.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Der Nârr am 18.04.2017 | 18:45
Spielleiterphilosophie ist eine gute Sache.

Inspiriert durch die GM-Ratgeber habe ich auch angefangen, einen Leitfaden für neue Spieler zu schreiben.

Das Vorhaben kann ich nur unterstützen und ich finde es auch interessant, so etwas von anderen Spielleitern zu sehen.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Crimson King am 18.04.2017 | 21:40
Zum Thema Spielerkönnen und Figurenkönnen:

In mehreren Experimenten haben nicht nur ich, sondern auch befreundete Spielleiter festgestellt, dass es noch einen anderen Ansatz gibt, der in Theorie und Praxis funktionieren kann.
Streiche alle Social Skills und Attribute. Spiele, was du spielen kannst.

Das schränkt die Spielleitung aber massiv ein. Aber auch ansonsten kann das schwierig werden. Wenn ich z.B. selbst ein guter Flirter und Verführer bin, kann ich nach der Logik einen solchen spielen. Die allermeisten männlichen Spielleiter werden meine Skills aber eher nicht so zu schätzen wissen.

Alles in allem halte ich den Ansatz für unbrauchbar und gegenüber Menschen, denen soziale Interaktion nicht so locker vom Hocker geht, auch sehr unfair. Ich halte den von Weltengeist vorgeschlagenen Kompromiss, der Ausspielen und Zahlenwerte miteinander verknüpft, für wesentlich sinnvoller.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Der Läuterer am 18.04.2017 | 22:30
Stimme mit dem Roten König absolut überein, dass der Ansatz Käse ist.

Weshalb aber das Ganze nur auf Social Skills beschränken?
Treiben wir es doch mal auf die Spitze.

Jetzt kann der Rollstuhlfahrer-Spieler seinen Krieger auch nur noch auf einem Heuwagen fahrend darstellen und der Normalo-Spieler hat eine durchschnittliche Intelligenz und verbockt somit laufend seine Sprüche; ach nein, noch besser: der Normalo-Spieler kann ja nicht zaubern, also läuft der Magier auch nur albern im langen Kleid mit spitzem Hut herum und wedelt mit den Armen, ohne etwas zu bewirken.

Schöner Realismus - Sch**** System. Sorry.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: YY am 18.04.2017 | 22:32
Schöner Realismus

Der hat damit mal grad überhaupt nichts zu tun.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: eldaen am 18.04.2017 | 22:41
Sooo...

Nachdem ich ja seit einem Dreivierteljahr im Forum verschiedene Threads eröffnet habe mit dem Ziel, mir über meine eigenen Spielleitervorlieben etwas klarer zu werden, habe mir jetzt die Ostertage damit um die Ohren geschlagen, die Ergebnisse zusammenzuschreiben. War eigentlich nur für mich gedacht, aber ein paar Tanelornis haben mich bequatscht, das Ergebnis hier hochzuladen. Was ich hiermit tue. Ich präsentiere (ein bisschen stolz): Weltengeists Spielleiter-Philosophie. Auf immerhin 19 Seiten.

(https://cdn.meme.am/instances/500x/64662841/jacksparrow-you-need-to-find-yourself-a-girl-mate.jpg)
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Der Läuterer am 19.04.2017 | 00:13
Weltengeist, ich hab' da mal 'ne Frage an Dich.

Ich habe Dich so verstanden, dass Du es gerne magst und es als bereichernd empfindest, wenn die Chars auch mal Fersengeld geben.
Das sehe ich ebenso.

Nur wie bekommst Du das hin?

Ich kenne einige Regelwerke. Und da muss der Char immer würfeln, ob er sich aus dem Kampf / Handgemenge lösen kann, was nicht immer sofort gelingt.
Wenn es dann gelingt, hat der Gegner einen Nachschlag - mit Bonus für einen Angriff von hinten.
Dadurch ist der Char dann leider meist Geschichte.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 19.04.2017 | 07:29
(https://cdn.meme.am/instances/500x/64662841/jacksparrow-you-need-to-find-yourself-a-girl-mate.jpg)

Du würdest staunen, Matey... ;)

Weltengeist, ich hab' da mal 'ne Frage an Dich.

Ich habe Dich so verstanden, dass Du es gerne magst und es als bereichernd empfindest, wenn die Chars auch mal Fersengeld geben.
Das sehe ich ebenso.

Nur wie bekommst Du das hin?

Ich kenne einige Regelwerke. Und da muss der Char immer würfeln, ob er sich aus dem Kampf / Handgemenge lösen kann, was nicht immer sofort gelingt.
Wenn es dann gelingt, hat der Gegner einen Nachschlag - mit Bonus für einen Angriff von hinten.
Dadurch ist der Char dann leider meist Geschichte.

Das ist wahr. Einfach nur "jetzt macht mir der Kampf keinen Spaß mehr, ich geh jetzt mal" ist also nicht. Zumal angeschlagene SC in vielen Systemen auch noch langsamer sind als ihre fitten Gegner. Allerdings erlauben auch die meisten Systeme, dass man z.B. den Rückzug eines Kameraden deckt. Oder dass man sich ergibt. Und zumindest bei einigen Systemen ist es so, dass der Gegner zwar noch einen Gratisangriff kriegt, aber dafür seine Aktion in der nächsten Runde verliert. Was für ihn irgendwie doof ist - er vergeudet seine Energie, um jemanden, der sowieso geschlagen ist, noch weiter zu schlagen, während dessen Kameraden ja noch fit sind. Ein paar Möglichkeiten gibt es da also schon.

Aber ich gebe dir Recht, dass das ein grundsätzliches Problem ist. Hier hängt glaube ich viel vom Spielstil der Gruppe ab. Meist haben wir da so ein unausgesprochenes Gentlemens' Agreement: Die Gruppe murkst keine fliehenden Gegner ab (außer es ist wirklich, wirklich nötig), und ich murkse dafür keine fliehenden SC ab (außer es ist für den Gegner die einzig logische Aktion, z.B. bei hungrigen Raubtieren).
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 19.04.2017 | 07:36
Schöner Realismus - Sch**** System. Sorry.

Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du "andere Spielstile sind Sch***"-Kommentare aus diesem Thread raushalten könntest.

Davon abgesehen: Die Diskussion "Ist OSR nun toll oder das allerletzte" ist hier im Forum schon mehrfach geführt worden, die brauchen wir hier nicht nochmal zu wiederholen.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: KhornedBeef am 19.04.2017 | 08:16
Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du "andere Spielstile sind Sch***"-Kommentare aus diesem Thread raushalten könntest.

Davon abgesehen: Die Diskussion "Ist OSR nun toll oder das allerletzte" ist hier im Forum schon mehrfach geführt worden, die brauchen wir hier nicht nochmal zu wiederholen.
Wollte er glaube ich nicht gesagt haben, steht da auch nicht. Mehr "wenn man das Prinzip mal so weit treibt wie im Beispiel, ist das Ergebnis für Fantasy scheisse, weil man da halt eh nicht alles kann was man gerne wäre ". Meine Lesart, natürlich.
Und ja, das ist letzendlich eine Frage des spielstils, und wenn wer Freude daran hat und das in der Praxis selektiv anwendet, dann ist alles okay. Ich meine, was werden alles für Sachen uneinheitlich geregelt. Warum fummeln bei D&D/Pathfinder die Spieler die Figürchen über die Matte, statt dass ein Fertigkeitswurf entscheidet, oder ein festes Merkmal, dass der Krieger instinktiv in einer Zirkelbewegung fällt, um den Gegner in die Zange zu nehmen? Gleiches Ding.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Evil Batwolf am 19.04.2017 | 08:24
Stimme mit dem Roten König absolut überein, dass der Ansatz Käse ist.

Weshalb aber das Ganze nur auf Social Skills beschränken?
Treiben wir es doch mal auf die Spitze.

Jetzt kann der Rollstuhlfahrer-Spieler seinen Krieger auch nur noch auf einem Heuwagen fahrend darstellen und der Normalo-Spieler hat eine durchschnittliche Intelligenz und verbockt somit laufend seine Sprüche; ach nein, noch besser: der Normalo-Spieler kann ja nicht zaubern, also läuft der Magier auch nur albern im langen Kleid mit spitzem Hut herum und wedelt mit den Armen, ohne etwas zu bewirken.

Schöner Realismus - Sch**** System. Sorry.

Das ist ein Missverständnis.

Spielerskill bedeutet nicht, dass der Spieler all die Sachen können muss, die seine Figur kann. Nein, man muss nicht Freeclimben, Zaubern, Schwertfechten können, um die entsprechende Charakterklasse zu spielen.

Es geht vielmehr um die Fertigkeit, die in der Charakterklasse vorhandenen Ressourcen am Tisch intelligent und kreativ zum Einsatz zu bringen. Und nicht nur Würfel zu bickeln.

Kann das vielleicht mal irgendwer irgendwo verbindlich festhalten, damit man nicht ständig über das obige "Argument" stolpert? Langsam nervt es.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: KhornedBeef am 19.04.2017 | 08:59
Das ist ein Missverständnis.

Spielerskill bedeutet nicht, dass der Spieler all die Sachen können muss, die seine Figur kann. Nein, man muss nicht Freeclimben, Zaubern, Schwertfechten können, um die entsprechende Charakterklasse zu spielen.

Es geht vielmehr um die Fertigkeit, die in der Charakterklasse vorhandenen Ressourcen am Tisch intelligent und kreativ zum Einsatz zu bringen. Und nicht nur Würfel zu bickeln.

Kann das vielleicht mal irgendwer irgendwo verbindlich festhalten, damit man nicht ständig über das obige "Argument" stolpert? Langsam nervt es.
Schreibs doch mal als Vorschlag in, du weißt schon, den separaten Thread dafür ;) musst etwas suchen, ist aber noch nicht lange her. Es läuft alles darauf hinauf, ob die Spielinteressen eher in Richtung "ich will als Rollenspieler gefordert werden" oder "Ich will etwas Rollenspielen, was für mich unerreichbar ist" gehen.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 19.04.2017 | 09:07
Genau - danke! Und ihr könnt hier natürlich gern einen Link setzen, damit alle Interessierten den Weg zur Diskussion finden!

Übrigens enthält mein Text ja auch meine eigenen Gedanken zu dem Thema, muss ich hier also gar nicht nochmal wiederholen.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: bobibob bobsen am 19.04.2017 | 09:10
Danke für das Teilen deiner Gedanken.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: TaintedMirror am 19.04.2017 | 10:10
Mal noch zu Skill vs. Werten:
Oftmals ist es ja eher so, dass eher die Figur nicht die Werte hat, die der Spieler darstellen will. Ich habe es bisher noch nie erlebt, dass jemand, der nicht so wirklich reden kann, den Charismatiker gespielt hat. Meistens ist es eher so, dass ein Spieler seiner Figur eher niedrige soziale Werte gibt (Man will ja die Punkte in anderes stecken), dann aber gerne redet oder halt keine Wissenstalente hat, aber das gesamte Magiebuch auswendig kennt und dieses Wissen dann ins Spiel einbringen will oder der Barbar mit niedriger Intelligenz, dessen Spieler aber mit planen will. Hier geht es halt extrem um Spielerzurückhaltung, ebenso wie beim Kommunizieren, wenn die Figuren getrennt sind oder oder beim Trennen zwischen Spieler und Heldenwissen.
Ich denke hier ist ein Mittelweg das sinnvollste. Man sollte auch mal ein Auge  zu drücken, wenn jemand über seinen Charakter spielt, aber die Spieler sollten sich auch klar sein, dass sie schon die Werte haben sollten, die sie auch darstellen wollen. Daher muss man auch mal in den sauren Apfel beißen und CH und INT auf angemessene Werte bringen.
Körperliche Werte sind hier von der Natur her einfach anders. Jeder kann beschreiben, wie man einen Fels hoch hebt und anders herum, kann auch der muskulöse Mitspieler den SL an die Wand drücken und trotzdem wird das nicht in die Welt übertragen.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Arldwulf am 19.04.2017 | 10:42
Schön geschrieben, auch wenn mir an einigen Stellen etwas als zu viel entweder/oder dargestellt wird.

Gut sichtbar fand ich dies z.B. bei der Frage nach der Beschreibungshoheit. Die Trennung in "Spieler beschreibt was sein Charakter macht", "Spielleiter beschreibt die Welt" würde ich z.B. durch "jeder beschreibt das was er am besten kennt." ersetzen. Auf diese Weise deckt es nicht nur den Charakter ab, sondern auch dessen Familie und dessen Hintergrund - und erspart dem Spielleiter Fallen wie das ungewollte umändern/unlogisch machen des Charakterhintergrunds durch seine Weltbeschreibung. Manche Stellen der Welt lassen sich schlichtweg von den Spielercharakteren besser beschreiben.

Und auch wenn ich deine Abneigung gegen Bennies als Regelmechanik teile - prinzipiell gibt es durchaus sinnvolle Methoden um das Ergebnis eines Würfelwurfs auch im Nachhinein noch zu verändern. Beispielsweise Reaktionen und Unterbrechungen. Das wenn der Würfel gefallen ist alle Entscheidungen bereits final getroffen sind würde ich als sehr unflexibel empfinden.

Eine weitere Stelle die mir auffiel war deine Haltung zu Mooks, weil sie irgendwie inkonsistent wirkte. Einerseits sagst du es soll die Möglichkeit geben weniger interessante Dinge auszublenden. Willst dich an Filmszenen orientieren. Unterteilst Szenen in ihre Wertigkeit und Gefährlichkeit.

Genau von diesen Überlegungen sind aber doch Mooks inspiriert. Du sagst diese magst du nicht weil sie ein "Kanonenfutter" Schild umhaben. Doch letztlich haben sie dies egal ob sie nun die gleichen Regeln verwenden wie andere Gegner oder nicht. Die Einstufung als Kanonenfutter entsteht ja durch die tatsächliche Stärke der Gegner, nicht durch die Regelmechanik um diese umzusetzen. Letztlich hast du zwei Möglichkeiten "schwache" Gegner darzustellen, entweder indem die Spieler ihnen so überlegen sind dass sie nur ein langweiliges Hindernis sind (die klassische "Die treffen mich sowieso nur mit einer 20 und müssten das x-mal tun damit es weh tut" Situation) oder aber man kürzt diesen Kampf ab. Sorgt dafür, dass die Gegner zwar eine Chance haben die Charaktere zu bedrohen aber nicht ewig lang ausgespielt werden muss wie sie letztlich daran scheitern. Der Grund für die anderen Regeln von Mooks ist ja genau diese Zielsetzung. Gegner zu schaffen welche den Spielercharakteren durchaus ein paar Schrammen verpassen können - aber letztlich den Weg zu den wesentlichen Situationen nur kurz aufhalten.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: YY am 19.04.2017 | 11:07
Ich kenne einige Regelwerke. Und da muss der Char immer würfeln, ob er sich aus dem Kampf / Handgemenge lösen kann, was nicht immer sofort gelingt.
Wenn es dann gelingt, hat der Gegner einen Nachschlag - mit Bonus für einen Angriff von hinten.
Dadurch ist der Char dann leider meist Geschichte.

Das liegt mMn an mehreren Faktoren, die klassische Rollenspielregelwerke fast schon traditionellerweise falsch machen - oder wenn nicht falsch, dann jedenfalls unter dem Aspekt Flucht betrachtet mehr als ungünstig.
Und das ist für mich ein Punkt, den man nicht auf der Metaebene angehen müssen sollte. So was muss ein Regelwerk einfach können.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Der Läuterer am 19.04.2017 | 18:46
Weltengeist, sorry wegen des Missverständnisses.
Ich wollte kurz klargestellt haben, dass Flamen nicht mein Ding ist.
Nur so viel dazu, damit kein falscher Eindruck entsteht.

KhornedBeef, Du hattest mich richtig verstanden. Danke für Deine Intervention.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Achamanian am 19.04.2017 | 18:50
Vom Überfliegen her finde ich das schon mal recht schön und würde gerne ein auf der Grundlage designtes Regelwerk verwenden (wobei ich mit Gummipunkten in Maßen durchaus sehr einverstanden bin).
Ich wollte zwar jetzt gleich tausend kleine Einwände erheben - z.B. finde ich, dass du Mook-Regeln und Asymetrische Regeln als "schwach Gegner" in einen Topf wirfst, mit Numenera und The One Ring gibt's aber sehr gute Beispiele dafür, dass das nicht so sein muss und es auch einfach um Reduzierung des Verwaltungsaufwands für die SL gehen kann; und auch der "Leistungsbegriff" kommt mir da etwas wackelig vor - das scheint mir deine Kernüberlegungen zu einem System, das "wirklich" dramatische Geschichten incl. dazugehörigem Scheitern begünstigt, aber eigentlich nicht zu berühren.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: gilborn am 20.04.2017 | 19:31
Vielen Dank für das PDF, ich habs mit Gewinn gelesen!

Insbesondere in die Falle mit der Kampagne die sich nach den Charakterzielen richtet, ohne dass die Ziele vorher aufeinander abgestimmt wurden, bin ich oft gestolpert.
Beim Nächsten mal gibts definitiv eine gemeinsame Charaktererschaffung.

Außerdem hast du mich in dem Punkt mit den Gummipunkten, von denen ich immer ein Fan war, überzeugt. Man sollte damit klarkommen können und müssen, was die Würfel sagen.

Ansonsten kann ich noch sagen, dass ich den Fail Forward Ansatz anders verstehe:

Er bedeutet für meinen Teil nicht: Fail = Win mit Nachteilen

Sondern: Fail = Fail ohne Sackgassen.
Die Konsequenzen treiben die Story (nicht aber die Charakterziele) voran.
Es sollen damit Sackgassen vermieden werden, die die Story stoppen: Schlösser knacken misslungen => die Tür bleibt zu, jeder steht ratlos rum. Irgendwann erlaubt man eine weitere Schlösser knacken Probe, die aber erschwert ist.
Es meint auch nicht: Schlösser knacken misslungen => Die Tür öffnet sich, es hat aber zu lange gedauert, die Wachen wurden auf dich aufmerksam.

Für mich gilt:
Ein Scheitern der Spieler bleibt ein Scheitern, stoppt die Story aber nicht, sie geht nur ungünstig und anders als von den Charakteren geplant weiter:
Schlösser knacken misslungen => Die Tür bleibt zu UND die Wachen wurden aufmerksam und greifen an.
Das gibt meiner Meinung nach dem Ganzen wieder Spannung, der Würfelwurf ist bedeutsam. Jeder Würfelwurf ist quasi ein Scheideweg in der Story.

PS: Es scheint mir noch wichtig anzumerken: Der Tod eines Charakters kann auch Teil der Story sein, er ist ein legitimer Ausgang für den Fail Forward Ansatz.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Fillus am 22.04.2017 | 10:11
Erstaunlich wie viele Dinge ich ganz genau so sehe wie Du Weltengeist. Nur das mit den "Gummipunkten" sehe ich anders. Ich habe sie lieb gewonnen, weil sie mir auf einfachste Weise gestatten einen Spielerchar nicht durch Würfelglück/Pech umzubringen ohne das da irgendwelche fadenscheinigen Götter oder sonstiges eingreifen müssen. In manchen Systemen/Settings ist ein toter Char zur falschen Zeit wirklich problematisch, weil man so schnell logisch keinen neuen integrieren kann.  Dazu muss ich sagen das ich keine Würfel drehe, keinen Schirm nutze und mehr Erzählrollenspiel als simulationslastig spiele. Wichtig ist nur, das es eine knappe Resource bleibt.

Der viel größere Punkt ist aber das ich die Punkte in den allermeisten Systemen für viel mehr einsetze als sie gedacht sind. Ich lasse sie Spieler damit Scenen verändern, NPC's oder Gegenstände erschaffen oder auch einfach mal was sehr sehr schweres schaffen. Manchmal auch als eine Art schwacher Heiltrank, wenn die Rollenspielbeschreibung dazu kreativ ist. Durch die knappe Anzahl müssen die Spieler damit stark Haushalten und es bleibt was besonders.

Für besonders tolle Ideen oder Rollenspielsituationen verteile ich in eher pulpigen Systemen auch gerne mal welche extra.

Derzeit überlege ich ob es Sinn macht jeweils einen Punkt pro angefangene Spielstunde zu verteilen. Somit wären sie auch am Anfang des Abends schon knapp bemessen. Dazu sollte ich erwähnen das wir meist nur 3-5 Stunden (reine Rollenspielzeit) am Stück spielen.

Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: TaintedMirror am 22.04.2017 | 11:33
Dazu mal eine Frage an dich Fillus: Klappt das denn?
Die Erfahrung, die ich gemacht habe ist, dass wenn die Punkte dafür da sind, nicht zu sterben, dann werden sie auch dafür eingesetzt bzw. aufgespart. Da macht dann keiner eine Szenenbeschreibung oder lässt einen Gegenstand auftauchen (Es sei denn, dieser ist gerade total wichtig um weiter zu kommen).
Mal davon abgesehen, dass es auch einfach nur die Statistik des Würfelpeches verändert. Jemand kann ja nah Einsatz so eines Punktes noch einen weiteren Patzer haben und damit ebenfalls sterben. Habe ich so schon oft genug erlebt. An sich ist es also nur ein bisschen verschieben der Wahrscheinlichkeit.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 22.04.2017 | 11:38
Dazu mal eine Frage an dich Fillus: Klappt das denn?
Die Erfahrung, die ich gemacht habe ist, dass wenn die Punkte dafür da sind, nicht zu sterben, dann werden sie auch dafür eingesetzt bzw. aufgespart. Da macht dann keiner eine Szenenbeschreibung oder lässt einen Gegenstand auftauchen (Es sei denn, dieser ist gerade total wichtig um weiter zu kommen).
Mal davon abgesehen, dass es auch einfach nur die Statistik des Würfelpeches verändert. Jemand kann ja nah Einsatz so eines Punktes noch einen weiteren Patzer haben und damit ebenfalls sterben. Habe ich so schon oft genug erlebt. An sich ist es also nur ein bisschen verschieben der Wahrscheinlichkeit.

Klingt nach einer vielversprechenden Diskussion - daher vielleicht gleich in neuen Thread auslagern?
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: TaintedMirror am 22.04.2017 | 11:40
Kommt drauf an, ob das großartig diskutiert wird. Gibts dazu schon was?
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Fillus am 22.04.2017 | 12:10
Kurze Antwort, weil sonst sollten wir das wirklich auslagern.

Ja es klappt. Zumindest bei mir werden die Hauptsächlich für coole Rollenspielmomente eingesetzt. Patzer kann man damit bei mir auch niemals verhindern. Patzer bleibt Patzer und hat Auswirkungen.

Ich habe in allen Gruppen auch eher vorsichtige Spieler, sprich sie haben noch Angst um ihren Charakter und spielen das auch so aus. Ist schon lange her das ein Punkt dafür eingesetzt wurde um ein Leben zu retten. Die meisten Punkte werden bei mir tatsächlich für kleine epische Heldentaten genutzt.

Bin grad zeitlich etwas eingespannt, werde aber die Tage gerne mal eine Diskussion dazu öffnen. Natürlich kann das auch jemand anders tun.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Der Läuterer am 23.04.2017 | 12:59
Mann oh Mann.
Ich bin in dieser Hinsicht ja so was von zwiegespalten.
Ich mag es, wenn die Spieler mit ihren Chars mitgehen und mitfiebern.
Und ich kann verstehen, dass so ein Char nicht sterben soll.

Ich hasse es aber, wenn jemand mit seinem Hasardeur eine todesmutige Aktion nach der anderen reitet, immer ein paar Punkte im Survival Pack hat, und dann als Belohnung wieder welche dazu bekommt.

Andererseits kennt das jeder. Ein Spieler der seinen Char nie überreizt, vorsichtig agiert und keine waghalsigen Aktionen startet, verhaut 1, 2 oder 3 Würfe nacheinander und ist dann unverschuldet Futter für die Würmer.

Wenn man als SL weder willkürlich bestimmt, noch selektiv Gnade walten lassen möchte, hat man ein Problem, ohne eine adäquate Lösung.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Fillus am 23.04.2017 | 16:07
Naja, das setzt ja voraus das epische Scenen nur in Kampfsituationen vorkommen, was bei meinen Gruppen nicht der Fall ist. Bei pulpigen Setting ist das natürlich was anderes, aber dort soll es ja auch so sein. Zudem achte ich sehr drauf das die Spieler zusammen arbeiten, somit sind es oft gemeinschaftliche Aktionen.

Der Punkt ist aber auch einfach, das man freier agieren kann, wenn man seine Spieler länger kennt. Noch mehr wenn man das Glück hat seine Gruppe so zusammenstellen zu können das alles gut harmoniert und man keine Ausreißer dabei hat, die ganz anders als der Rest spielen möchte.

Als SL erwartet man ein gewisses Vertrauen seitens der Spieler, das gewähre ich umgekehrt aber ebenso. Alle zusammen wollen einen tollen Abend erleben und diese Verantwortung tragen alle zusammen.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 23.04.2017 | 16:10
Ich wiederhole mich nochmal:

Klingt nach einer vielversprechenden Diskussion - daher vielleicht gleich in neuen Thread auslagern?

Danke!
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 11.04.2020 | 15:06
Seit heute gibt es übrigens eine neue, generalüberholte Version der Spielleiterphilosophie, die ich im Startpost deponiert habe.

In der Hauptsache habe ich versucht, besser herauszuarbeiten, wie ich die beiden vermeintlich widersprüchlichen Spielziele "Spannung / herausforderungsorientiertes Spiel" und "Heldenspiel" unter einen Hut bringe. Außerdem gibt es eine einseitige Begründung, warum ich mich inzwischen auf "Savage Worlds" als Regelwerk eingeschossen habe.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Olibino am 21.04.2020 | 21:43
Das liest sich sehr schön und das meiste kann ich gut nachvollziehen. Ich habe eine Verständnisfrage zu Kämpfen bzw. Kampfschauplätzen. Ganz Ende erwähnst du Battlemap vs Battlemat. Kannst du das noch ein bißchen mehr beschreiben? Ich kenne es eigentlich nur so, dass man entweder einen detaillierten Lageplan hat mit Kästchen oder Sechsecken für die Enfernungen und typischereweise recht aufwändig gestaltetem Gelände (taktischer Kampf). Oder dass der Spielleiter rein verbal beschreibt (theater of mind). Verwendest du da einen eigenen Weg und wie sieht der aus?
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 21.04.2020 | 22:32
Von dem, was du so für den taktischen Kampf beschreibst (also z.B. die Dinger, die Matt Mercer bei Critical Role so gerne auf den Tisch stellt), hat man mir mal erklärt, dass das eine Battlemap sei. Im Vergleich dazu ist meine Darstellung aber eher grob. Ich verwende einfach nur eine abwaschbare Folie mit großen Karos (eben eine Battlemat) und skizziere die Szene, damit sich alle was drunter vorstellen können und alle grob wissen, wer wo ist. Man muss bei mir aber beispielsweise nicht genau in einem Kästchen stehen oder mit dem Lineal die Entfernung abmessen o.ä.

Also tatsächlich so eine Art Mittelding zwischen "echter Battlemap" und "Theater of the Mind".
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Crimson King am 21.04.2020 | 22:44
Ich verwende, wenn ich taktische Kämpfe haben will, auch dann gerne schön ausgearbeitete Lagepläne, wenn ich die Kästchen für die Praxis ignoriere. Kästchenzählen habe ich bis dato eigentlich nur bei 4 gemacht.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 22.04.2020 | 06:59
Ich verwende, wenn ich taktische Kämpfe haben will, auch dann gerne schön ausgearbeitete Lagepläne, wenn ich die Kästchen für die Praxis ignoriere.

Ach, ich hab auch nichts GEGEN solche Pläne, ich habe nur meist keine zur Hand (und habe meist keine Zeit, welche vorzubereiten). Das ist genau wie "schön bemalte Zinnfiguren" oder "Bilder-Handouts für alle NSCs und Schauplätze" - finde ich alles schick, ist nur leider in meinem Zeitbudget oft nicht vorhanden.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Olibino am 22.04.2020 | 15:56
Ich formuliere die Frage nochmal anders: soll es in einem Kampfschauplatz interessante Objekte geben: Fallen, Feuer, Hebel mit denen man etas bestimmtes auslösen kann, Gegenstände die man verschieben kann, Mauern die Deckung geben, Säureseen in denen man jemanden schubsen kann, usw.. Und wenn es die geben soll: denkt man sich die dann spontan aus oder überlegt man sie sich während der Vorbereitung? Da schwanke ich ständig hin- und her.. Wie realistisch man das dann malt und ob eher zu Hause oder eher am Spieltisch ist dann erst die zweite Frage. Ganz ohne solche Objekte kann ein Kampf recht langweilig werden. Aber je mehr man vorbereitet, desto unflexibler wird man ja, da die ganze Arbeit umsonst wäre, wenn dann gar kein Kampf stattfindet. Wie findet man da einen guten Mittelweg?
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Weltengeist am 22.04.2020 | 18:10
Ich formuliere die Frage nochmal anders: soll es in einem Kampfschauplatz interessante Objekte geben: Fallen, Feuer, Hebel mit denen man etas bestimmtes auslösen kann, Gegenstände die man verschieben kann, Mauern die Deckung geben, Säureseen in denen man jemanden schubsen kann, usw.. Und wenn es die geben soll: denkt man sich die dann spontan aus oder überlegt man sie sich während der Vorbereitung? Da schwanke ich ständig hin- und her.. Wie realistisch man das dann malt und ob eher zu Hause oder eher am Spieltisch ist dann erst die zweite Frage. Ganz ohne solche Objekte kann ein Kampf recht langweilig werden. Aber je mehr man vorbereitet, desto unflexibler wird man ja, da die ganze Arbeit umsonst wäre, wenn dann gar kein Kampf stattfindet. Wie findet man da einen guten Mittelweg?

Genau so, wie du sagst: Wenn ich Zeit habe, dann bereite ich sowas auch mal vor, vor allem für Auseinandersetzungen, die einigermaßen sicher anfallen und richtig cool werden sollen (Finalkämpfe beispielsweise). Ich bin aber gefühlt auch ziemlich gut darin, ein paar Gimmicks on the fly aus dem Hut zu ziehen. Und dann gibt es ja immer noch die Möglichkeit, die Spieler einzubinden: Ich lasse mich da gerne mal mit einem Gummipunkt bestechen, wenn jemand fragt: "Gibt es hier eigentlich Fackelhalter / Eisenketten / einen Kronleuchter?" ;D.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: YY am 22.04.2020 | 18:27
Ganz ohne solche Objekte kann ein Kampf recht langweilig werden.

Von der Seitenlinie reingeworfen:
Da würde ich persönlich anfangen, mit dem System und/oder meiner Behandlung der Vorkampfphase zu hadern.

So was kann mal ein bisschen zusätzliche Würze sein, aber wenn es ohne gar nicht geht, stimmt mMn was nicht.
Titel: Re: Weltengeists Spielleiter-Philosophie
Beitrag von: Olibino am 22.04.2020 | 22:50
Genau so, wie du sagst: Wenn ich Zeit habe, dann bereite ich sowas auch mal vor, vor allem für Auseinandersetzungen, die einigermaßen sicher anfallen und richtig cool werden sollen (Finalkämpfe beispielsweise). Ich bin aber gefühlt auch ziemlich gut darin, ein paar Gimmicks on the fly aus dem Hut zu ziehen. Und dann gibt es ja immer noch die Möglichkeit, die Spieler einzubinden: Ich lasse mich da gerne mal mit einem Gummipunkt bestechen, wenn jemand fragt: "Gibt es hier eigentlich Fackelhalter / Eisenketten / einen Kronleuchter?" ;D.
OK, danke, dass ist eine gute Mischung.

Von der Seitenlinie reingeworfen:
Da würde ich persönlich anfangen, mit dem System und/oder meiner Behandlung der Vorkampfphase zu hadern.

So was kann mal ein bisschen zusätzliche Würze sein, aber wenn es ohne gar nicht geht, stimmt mMn was nicht.
Ja, das war etwas flapsig ausgedrückt. Es gibt Systeme / Genres wo Kämpfe nicht so im Mittelpunkt stehen und wo ich auch kaum etwas vorbereite. Aber derzeit spielen wir D&D und die Spieler haben Spaß daran, dass es viele taktische Kämpfe gibt, und da ist dann Abwechslung schon sehr hilfreich.