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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Berta Broken am 25.09.2018 | 00:59
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Hallo :t: !
ich hatte gerade folgende - für mich irgendwie schockierende - Erkenntnis: Wir nehmen mal ein System an, in dem ich (bzw: mein Charakter) von mir frei formulierte Talente/Eigenschaften besitzen kann.
Dann gibt sich doch irgendwie das Problem, dass ich als Spieler enorm viel Ahnung von dem von mir formulierten Talent haben muss, um kreative Anwendugnsfälle dafür ausmachen zu können.
Also wenn ich bspw. entscheiden muss, wie gut sich ein "Gladiator" mit einer "scharfen Axt" gegen einen "Ritter" mit "blutrotem Dämonenschwert" schlägt, ... also was ich meine ist: Im System mit fixen Talenten ist klar, welche möglichen Dynamiken sich aus gegebenen Talent-/Wertekombinationen ergeben können. Man kann sie sinnvoll balancen und verlässlich strategisch einsetzen, ohne Experte der Materie zu sein.
Dahingegen ist es bei frei formulierten Talenten/Tags eben durchaus abhängig von der Spielerkompetenz, allem voran seinem Wissen oder seinem Überreden-TaW, ob, und in welchem Umfang er Vorteile im Kampf herausholen kann.
Wie seht ihr dieses Problem? Hattet ihr in euren Gruppen schon stark unterschiedliche Bildungs-Niveaus, in denen sowas zum Balancing-Problem wurde?
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Hattet ihr in euren Gruppen schon stark unterschiedliche Bildungs-Niveaus, in denen sowas zum Balancing-Problem wurde?
Nein, denn erstens ist das "Balancing-Problem" eine ad acta gelegte Scheindebatte aus den frühen 2000ern. Und zweitens ist bei Regelwerken, die figurenzentriert aufgestellt sind, jede Spielerexpertise, welche eben diese eigenen Figuren interessanter werden lassen, gern gesehene Kompetenz.
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Nein, denn erstens ist das "Balancing-Problem" eine ad acta gelegte Scheindebatte aus den frühen 2000ern. Und zweitens ist bei Regelwerken, die figurenzentriert aufgestellt sind, jede Spielerexpertise, welche eben diese eigenen Figuren interessanter werden lassen, gern gesehene Kompetenz.
Bitte erleuchte mich: Warum versuche ich seit Jahren ein Problem zu lösen, das eigentlich ein Scheinproblem ist? Bzw: Weshalb ist es ein Scheinproblem? Ich halte das - wie bei so vielen "Scheinproblemen" für eine faule Ausrede :P
Edit: Außerdem schießt du Meilenweit am Thema vorbei: Auch wenn es gern gesehene Kompetenz sein mag, wenn ein Spieler durch seine Bildung seinen charakter bereichert, ändert das nichts daran, dass der Spieler mit wenig Ahnung an einem Regelwerk, das ihm wenig Optionen gibt wenig Spaß haben wird.
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Auch bei festen Talenten ist es durchaus von Kreativität der Spieler und Meister abhängig, welchen Nuzen ein Talent hat. Da du von TaW sprachst: DSA hat ja auch Talente, wo man einfach wissen muss, was man damit kann. Das betrifft halt nicht das Schwertschwingen oder die Wundheilkunde, welche ja ausreichend verregelt sind, aber Talente wie Gerber oder die Krankheitsheilkunde können extrem in ihrer Nützlichkeit schwanken. Letztlich denke ich aber auch, das ein RW höchstens versuchen kann, Angebote für diverse Eimsatzgebiete zu machen (durch Crafting-Regeln oder Verdienstregeln), aber das Wissen der Spieler doch sehr entscheident bleibt.
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Guter Punkt, das hatte ich zwar irgendwie impliziert, war mir selbst aber garnicht so klar: Auch in vorgegebenen Talentstrukturen gibt es dieses Problem. D.h. eigentlich habe ich ein Problem mit Nicht-Verregelten Talenten. (in Pathfinder bspw gibt es ja für die meisten Skills explizite Regeln zur Anwendbarkeit - Spielstilbedingt kann das natürlich auch aufgebrochen werden. Oder auch Shadowrun, wo es fürs Hacken, Connections, Kampf, Drogen, ... überall explizite Regeln gibt.)
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Zunächst mal würde es der Debatte wahrscheinlich helfen, wenn du genauer erklären würdest, was du mit "Talent" nun meinst und wo genau du das Problem siehst.
Systeme mit frei formulierbaren, sagen wir mal: Charaktereigenschaften gibt es ja schon. Beispielsweise Fate (da heißen sie Aspekte) oder sagen wir mal PDQ#, um nur mal zwei zu nennen. In der Indie-Ecke gibt es vermutlich noch etwa 999.998 weitere.
Im Prinzip brauchst du einem vom Regelsystem vorgegebenen Rahmen, wie mächtig ein "Talent" in der Höhe oder Breite bei gleichen Kosten sein darf. Typisch sind Einschränkungen der Art "je höher, desto schmaler" und umgekehrt. Also, beispielsweise Kampffertigkeiten: wenn du allgemein "Kampfkunst" aufschreibst ist das sehr breit; wenn du speziell "Entwaffnen" wählst ist das extrem spezialisiert. Es bietet sich also an, das breite Talent teurer zu machen oder niedriger zu deckeln.
Derartige Systeme sind aber oft auch viel abstrakter. Nehmen wir als Beispiel PDQ#: da denkst du dir eine Reihe von Aspekten aus, die alles mögliche umfassen kann von "Nahkampf" bis zu sagen wir mal "will erfahren, wer seine Eltern sind". Da darfst du nun bei jedem Wurf die Punkte aus alles Aspekten anwenden, die für diesen Wurf relevant sind. Ja, das kann bedeuten, dass du deine "Elternsuche"-Punkte für einen Entwaffnungswurf einrechnen kannst, wenn dich das diesem Ziel näher bringt.
Dagegen sind klassische Systeme wie sagen wir mal D&D da natürlich viel konservativer. Dort sind allerdings keine selbsterdachten Feats vorgesehen, aber wenn man sich so den heutigen Stand von z.B. Pathfinder anschaut, kann man schnell zu dem Eindruck gelangen, dass das jetzt auch keinen Unterschied mehr machen würde, so extrem wie die Nützlichkeit von Feats da inzwischen auseinandergeht.
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@Feuersänger
Ja, ich kenne das von einigen Systemen, ich wollte aber den generellen Design-Ansatz diskutieren, und kein spezielles System. Unter anderem, weil die meisten dieser Systeme PE-lastig sind. Und immer, wenn ich irgendwas an den Systemen auszusetzen habe, versucht mir irgendwer PE als Allheilmittel zu verkaufen. :D (was hier eben explizit nicht das Thema sein soll)
Derartige Systeme sind aber oft auch viel abstrakter. Nehmen wir als Beispiel PDQ#: da denkst du dir eine Reihe von Aspekten aus, die alles mögliche umfassen kann von "Nahkampf" bis zu sagen wir mal "will erfahren, wer seine Eltern sind". Da darfst du nun bei jedem Wurf die Punkte aus alles Aspekten anwenden, die für diesen Wurf relevant sind. Ja, das kann bedeuten, dass du deine "Elternsuche"-Punkte für einen Entwaffnungswurf einrechnen kannst, wenn dich das diesem Ziel näher bringt.
Ja, aber weitgehend ungeachtet des Abstraktheitsgrades besteht das Problem, das ich eigentlich ansprechen möchte:
Während mir in Shadowrun das System sagt: "Hör zu, als Hacker kannst du diese und jene Infrastruktur-Typen hacken, und dafür gilt folgendes Regelframework: ....", muss ich mir in einem System mit freien Talenten eben selbst zusammenreimen, was ich wie und womit hacken kann, und welche Funktionen das bietet, sowie welche Wechselwirkungen mit anderen Talenten/Aspekten das ganze haben kann.
Einerseits gewinne ich dadurch vielleicht mehr "kreative Freiheit", andererseits, und das ist der Punkt: Ich muss selbst Unmengen an Ideen haben, und mich ggf mit der Materie auskennen, um mein Talent in dem Umfang einsetzen zu können, in dem ich es in einem Shadowrun-artigen System "nach Regelwerk" könnte.
Weiteres Beispiel: Nehmen wir mal an, DSA würde seinen simulationistischen Ansätzen hinsichtlich des Kampfsystems gerecht werden: Um das abschließend beurteilen , und ggf. ad-hoc aus ein paar Aspekten eine ähnliche Kampfdynamik zu erzeugen, halte ich ohne "verregelung" für schwerlich möglich. D.h. erstmal geht mir eine gewisse Spieltiefe verloren, die sich dann diejenigen, und nur diejenigen zurückerobern können, die sich am weitesten in das Feld rein-generdet haben.
Edit:
Um noch auf dein "will erfahren, wer seine Eltern sind"-Beispiel einzugehen: Auch für solch einen Aspekt könnte man ein Motivations-System haben, das Konflikte zwischen derartigen Wünschen bspw genauer regelt, oder Mali bei Nicht-Erfüllung etc. Wie bspw in DSA bei schlechten Eigenschaften, afaik hat auch Riddle of Steel so eine Mechanik, oder?
Also trotz der Abstraktheit und der scheinbar intuitiven Zugänglichkeit der Formulierung, stellt sich auch hier das Problem, dass ich ggf. sehr kurzfristig ein wakeliges, und semi-konsistentes Motivations-Framework im Hinterkopf haben muss, sobald ich mehr machen will, als nur einen "+1 Bonus, weils so schön zur Story passt" abbilden zu können.
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Ob freie Talente oder nicht, man muss halbwegs übereinstimmend wissen, was man in der Fiktion tun kann, oder auf 3000 Seiten alles verregeln (hallo DSA4), und selbst das klappt nicht. Regeln sind eben vor allem dafür da, unsichere Ergebnisse von Handlungen abzubilden. "Fernkampf supergut" heißt halt, dass dir nicht beim Laden das Magazin rausfällt, weil sich alle einig sind. Bei "Peng! der ist tot!" sind sich aber eben nicht immer alle einig.
Lustigerweise geht ja gerade Schwubdischwub-Fate Core hin und gibt da einige Basics vor, was Angriff und Verteidigung angibt (weil es da schnell doof ist wenn man nichts macht), so dass man da nicht unter Druck gerät.
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Ob freie Talente oder nicht, man muss halbwegs übereinstimmend wissen, was man in der Fiktion tun kann, oder auf 3000 Seiten alles verregeln (hallo DSA4), und selbst das klappt nicht. Regeln sind eben vor allem dafür da, unsichere Ergebnisse von Handlungen abzubilden. "Fernkampf supergut" heißt halt, dass dir nicht beim Laden das Magazin rausfällt, weil sich alle einig sind. Bei "Peng! der ist tot!" sind sich aber eben nicht immer alle einig.
Lustigerweise geht ja gerade Schwubdischwub-Fate Core hin und gibt da einige Basics vor, was Angriff und Verteidigung angibt (weil es da schnell doof ist wenn man nichts macht), so dass man da nicht unter Druck gerät.
Wenn man als Extrembeispiel mal Videospiele heranzieht: Dort muss man nichts übereinstimmend wissen, sondern das "Regelwerk" legt alle Mechanismen fest. Man muss dann auch nicht wirklich eine übereinstimmende Vorstellung von "Hacking" haben, um einen Roboter unter seine Kontrolle bringen zu können.
Das würde ich als Argument gegen deinen Versuch, die Differenzierung aufzuheben ins Feld führen. Zusammen mit der Annahme, dass Videospiel-"Systeme" auch Rollenspieltauglich sein können, auch wenn man des Spielspaßes wegen signifikante Modifikationen vornehmen sollte.
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Wenn Videospiele das einzige Argument sind wird das ein kurzer Austausch :) da kann man nämlich nicht besonders viel tun, im Vergleich.
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Wenn Videospiele das einzige Argument sind wird das ein kurzer Austausch :) da kann man nämlich nicht besonders viel tun, im Vergleich.
Das geht am eigentlichen Argument vorbei: Das Argument ist: Man könnte ein Rollenspiel-System schreiben, das sich Videospielartiger Mechaniken bedient, vor allem dahingehend, dass diese keiner Deutung bedürfen, um mit ihnen interagieren zu können (einer Interpretation ggf. schon, aber das ist ja erstmal nicht das Thema).
Davon ab würde ich aber auch die Videospiele verteidigen wollen: In vielen kann man deutlich mehr machen, als der Durchschnittsrollenspieler so im Rollenspiel tut, denn im Videospiel haben sich einige Menschen schon einige tausend Stunden hingesetzt, und sich überlegt, wie man gewisse Handlungen bedeutungstragend abbilden kann, was in vielen Fällen weder Spieler noch SL in gleicher Tiefe am P&P-Spieltisch hinbekommen.
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Ich hatte jedenfalls noch keine Runde, und kaum eine Session, die ein Videospiel hätte abdecken können. YMMV
Wie du schon bemerkst: Das Videospiel benötigt überwiegend seine eigene Fiktion nicht. Man könnte ohne weiteres die Spiellogik bespielen, auch wenn einem keiner was von Rittern und Drachen erzählt. D.h. ein Rollenspiel mit dieser Mechanik würde das gleiche machen. Ein Stück weit passiert das wohl auch oft. Wenn sich eine DnD-Runde OT berät, welche Zauber sie einpacken, weil dieser und jener so und so viel Runden hält, bis die und die Fähigkeit wieder "up" ist. Aber wenn das der ganze Inhalt wäre, würde ich es ja nicht mehr spielen wollen.
Das Rollenspiel ist Aushandlung, ist Fiktion. Vor- und Nachteil, das ist /Yodastimme.
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Videospiele sind halt extrem eng gefasst. Da hat jede Interaktion vorgeschriebene Wege und man kann halt nichts machen, was nicht gewollt ist. - Willst du dich auf den Boden setzen? Geht nicht. - Unterhaltung? Welche der drei Fragen hier stellst du? - Der Kartenrand ist durch eine unsichtbare Wand auch das Ende der Welt. Sowas würden viele Rollenspieler nicht wollen. Klar kann man auch alles streichen, was nciht verregelter Kampf ist, aber manch einer will halt mal Zuckertorten backen oder eine Brück wieder aufbauen.
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Irgendjemand, der absolut keine Ahnung hat, stellt die Regel auf, dass zweihändige Äxte einen Bonus von +385 gegen einhändige Kurzschwerter bekommen. Dieser jemand ist der Autor eines Rollenspielbuchs. Jetzt kommt ein Spieler und entwirft eine neue Regel. Er hat genauso wenig Ahnung vom (pseudo)mittelalterlichen Nahkampf. Welche Regel ist jetzt besser?
Die realweltliche Balance ist im Rollenspiel sowas von egal, da man den Kampf niemals wirklich realistisch abbilden kann. Wichtig ist doch nur, wie der Konflikt im Spiel rüberkommen soll. Das heißt, die Regeln sollen ein bestimmtes Spielgefühl unterstützen. Vielleicht ist auch noch wichtig, dass die Regeln miteinander und untereinander funktionieren.
Es geht also gar nicht darum, dass sich ein Spieler mit einer Thematik auskennen muss, um ein bestimmtes Talent zu entwerfen. Es geht darum, dass er weiß, wie das Regelsystem funktioniert und wie er darauf aufbauend ein Talent entwirft. In Fate ist das quasi der Standard. Und da kennt sich niemand wirklich mit realweltlichem Kampf aus. Wichtig ist nur, dass in den Regeln festgelegt wurde, wie man besondere Talente (in Fate Stunts) selbst kreiiert.
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Zum Thema Videospiel: da wüsst ich gern, wo man da bitte "mehr machen" können soll als in irgendeinem P&P. Ich habe schon mehrmals auf Videospielen basierende P&P-Oneshots geleitet, und quasi IMMER war schon die allererste Ansage der Spieler eine Aktion, die im Videospiel weder vorgesehen noch möglich war. Unabhängig davon, ob die Spieler das Videospiel kannten oder nicht.
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Ansonsten muss ich leider sagen, dass ich wohl immer noch nicht nachvollziehen kann was du bzgl der "freien Talente" überhaupt meinst, also warum sich da ein Spieler "supergut damit auskennen" müsste. Das wäre vielleicht der Fall, wenn man sich unbedingt darauf versteift, "Realismus" haben zu wollen -- aber das ist ja sowieso Quatsch, wie Caranthir schon richtig darlegt. Wer meint, mit ein paar Plastikklötzen mit Zahlen drauf die Welt realistisch abbilden zu können, sollte zum Arzt gehen. ;)
Da braucht man auch nicht mit Player Empowerment oder der Abneigung dagegen argumentieren -- wenn wir was cyberpunkiges spielen und ich habe auf meinem Charakterblatt "Hacking: supergut" stehen, ist es völlig wurscht ob ich in realitas weiß, wie man Backdoors findet und Ports infiltriert und Firewalls umgeht und und und. Ich kann irgendwelchen Technobabbbel aus irgendwelchen Fernsehserien zusammenschwurbeln oder es lassen; ich würfel auf "Hacking" und fertig ist die Kiste.
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Gutes Beispiel aber auch anders herum: Hacking in SR ist ja meist in irgendwelchen Pseude-Repräsentationen, die dein Deck dir baut, und wo deine Agentenprogramme dann streitwagen und der gegnerische Host Troja sind. Nicht nur, weil echtes Hacking langweiliger wär, sondern auch als Hilfe für die Spieler .
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Wie du schon bemerkst: Das Videospiel benötigt überwiegend seine eigene Fiktion nicht. Man könnte ohne weiteres die Spiellogik bespielen, auch wenn einem keiner was von Rittern und Drachen erzählt. D.h. ein Rollenspiel mit dieser Mechanik würde das gleiche machen. Ein Stück weit passiert das wohl auch oft. Wenn sich eine DnD-Runde OT berät, welche Zauber sie einpacken, weil dieser und jener so und so viel Runden hält, bis die und die Fähigkeit wieder "up" ist. Aber wenn das der ganze Inhalt wäre, würde ich es ja nicht mehr spielen wollen.
Ich teile dein Verständnis von Spielsystemen nicht: Nur, weil ich ein System hab, das auch ohne Immersionsinhalte funktionieren _könnte_, bedeutet es nicht, dass es ohne Immersionsinhalte daherkommt. Vielmehr sind die Systeme ja dazu da, die als immersiv geltenden Dynamiken darzustellen. Und zwar oft sehr viel besser, als irgendeine dahererzählte Konfliktabhandlung.
Außerdem geht es ja nach wie vor nicht um konkrete Videospiele, die jetzt hier als Beispiel gelten sollen, ich habe ja erklärt, dass es mir um die mechanische Zuverlässigkeit, die sich ja durchaus vom Videospiel losgelöst betrachten lässt, und nicht um die Substitution durch ein existentes Videospiel geht. Viele kämpfen hier also gegen Strohmänner.
Es geht also gar nicht darum, dass sich ein Spieler mit einer Thematik auskennen muss, um ein bestimmtes Talent zu entwerfen. Es geht darum, dass er weiß, wie das Regelsystem funktioniert und wie er darauf aufbauend ein Talent entwirft. In Fate ist das quasi der Standard. Und da kennt sich niemand wirklich mit realweltlichem Kampf aus. Wichtig ist nur, dass in den Regeln festgelegt wurde, wie man besondere Talente (in Fate Stunts) selbst kreiiert.
Wenn ich jedes Talent in jeder Situation auf jede beliebige Art anwenden kann, dann wird das halt schnell ein ziemlich banales System mit quasi einem einzigen Charakterwert. Entweder du fällst wieder auf eine gemeinsame Deutungs-Wellenlänge zurück, in welchem Fall dein Argument über die Irrelevanz des "Realismus" semi-hinfällig ist: Denn dann muss man sich an die immersiven Vorstellungen seiner Mitspieler halten, und wenn man viel Ahnung von der Materie hat, kann man begründen, warum die Mitspieler gewisse Dinge als immersiv verstehen sollten.
Die Alternative ist, dass du wiederum Regeln hast, die die gültigkeit von Talenten spezifizieren, und dann sind wir auf dem Weg zur Videospielmechanik.
Wer meint, mit ein paar Plastikklötzen mit Zahlen drauf die Welt realistisch abbilden zu können, sollte zum Arzt gehen. ;)
Lieber @Feuersänger, ich kann auf deinen Beitrag leider nicht adäquat reagieren, ohne die Foren-Regeln zu verletzen. Ich hoffe du hast Verständnis dafür, dass mir mein Account wichtiger ist, als dir hier zu antworten.
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Also ich glaube, ein bisschen kann ich verstehen, was Berta meint. Nehmen wir das schon genannte Beispiel "Hacking" und einen Charakter, der in einem "freien" System darin den Wert "sehr gut" hat.
Ein Spieler, der von Computern und Technik allgemein wenig Ahnung hat, weiß vielleicht, dass man an Infos kommen kann, wenn man Computer hackt und setzt sein Hacking daher nur dafür ein.
Ein anderer Spieler mit einem gleichen Wert in Hacking ist eher technikinteressiert und weiß daher, dass Software heutzutage nicht nur in Computern, sondern auch in Autos, Kühlschränken und allen möglichen anderen Maschinen drinsteckt. Er setzt sein Hacking daher genauso erfolgreich ein, um Infos zu bekommen, gleichzeitig aber auch noch, um etwas zu Essen und ein Fahrzeug zu bekommen (etwas überspitzt ausgedrückt).
Er hat ein besseres Verständnis dafür, welche Möglichkeiten in so einer Fertigkeit stecken können und kann sie daher vielfältiger einsetzen.
In einem "verregelten" System gäbe es hingegen von vornherein eine Liste, die aufzählt, welche Art System/Maschine mit welcher Schwierigkeit gehackt werden könnte. Da würde auch der Spieler, der keine Ahnung von Technik hat, diese Möglichkeiten sehen und daher wahrnehmen können.
Tschuess,
Kurna
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Die Balancing-Debatte ist natürlich keine Scheindebatte, sonst würde es ja keine Spieler geben, die Wert darauf legen, und andere, die es nicht tun.
Balancing-Probleme bei frei wählbaren Talenten resultieren allerdings kaum aus dem Bildungsniveau des Spielers, sondern aus der Abdeckung des Talents, die sich aus der Beschreibung ergibt. Der krasse Fall wäre beispielsweise "Alleskönner". Das kann man halt für alles einsetzen. Hier liegt es aus meiner Sicht an der Gruppe, ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln, wie weit der Bedeutungsrahmen von Talenten reichen sollte.
Hero Wars auf der anderen Seite fährt einen Ansatz, der besagt, dass man alle Talente in einen Wurf einbringen kann, die passen, was schon mal 10 und mehr sein können, aber je präziser sie passen, um so stärker fließen sie ein.
Davon abgesehen sind die meisten Spiele mit freier Gestaltung der Talente eher storyorientiert und sollten mit einem gewissen Mangel an Balance klar kommen. Es sollte halt nicht darauf hinaus laufen, dass ein übermächtiger Charakter einem anderen dessen Probleme im Vorbeigehen lösen kann.
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Der Einsatz freiformulierter Talente, Fertigkeiten und weiterer Charakter-Eigenschaften ist meines Erachtens nicht an die Bildung des Spielers gebunden. Das heißt der Spieler wird, in der Regel, entweder einen Begriff gewählt haben den er kennt oder bei einem Begriff den er bekommen hat mit den Mitspielern die Bedeutung abstimmen.
Es besteht viel mehr die Herausforderungen kreative Einsatzmöglichkeiten zu finden und zu kommunizieren. Das heißt, Einsatzgebiete jenseits des offensichtlichen (bspw. "Mein Charakter hat als Gladiator sicherlich auch Galerendienst gehabt wie Ben Hur und daher Expertise auf Schiffen"). Ebenso muss er im sozialen Kontext einschätzen können in wie weit seine Kreativität positiv angenommen wird (bspw. "Ist es sozial in Bezug auf die Gruppe akzeptabel wenn ich vorbringe das mein Charakter als Gladiator eine Expertise in Schiffen hat oder macht man mir dafür negative Zuschreibungen wie vielleicht Powergamer?").
Daneben braucht der Spieler den Willen, das soziale Ansehen und die Fähigkeit seine kreativen Ideen zu verhandeln, dergestalt das er sich nicht im Vergleich zu seinen Mitspielern zurückgesetzt fühlt.
Ich halte es in Bezug auf die Problematik dergestalt, dass ich in der Regel keine Systeme spiele, welche mit freiformulierten Charakter-Eigenschaften arbeiten. Gerade weil mich der letzte Punkt mitunter stresst. Ein Beispiel wo es mich nicht stresste und eine Ausnahme von meiner Regel, war der Lady Blackbird Hack (Hellas) den ich am Wochenende spielte.
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Das geht am eigentlichen Argument vorbei: Das Argument ist: Man könnte ein Rollenspiel-System schreiben, das sich Videospielartiger Mechaniken bedient, vor allem dahingehend, dass diese keiner Deutung bedürfen, um mit ihnen interagieren zu können (einer Interpretation ggf. schon, aber das ist ja erstmal nicht das Thema).
Interpretation ist das lateinische Wort für Deutung. Mich würde davon abgesehen wundern, wenn das klappen würde. Es gibt im Rollenspiel schließlich unendlich viele Handlungsmöglichkeiten. Ein Talentsystem zu entwerfen, dass jeder dieser Handlungsmöglichkeiten deutungsfrei gerecht wird, ist meines Erachtens unmöglich.
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Also ich glaube, ein bisschen kann ich verstehen, was Berta meint. Nehmen wir das schon genannte Beispiel "Hacking" und einen Charakter, der in einem "freien" System darin den Wert "sehr gut" hat.
Ein Spieler, der von Computern und Technik allgemein wenig Ahnung hat, weiß vielleicht, dass man an Infos kommen kann, wenn man Computer hackt und setzt sein Hacking daher nur dafür ein.
Ein anderer Spieler mit einem gleichen Wert in Hacking ist eher technikinteressiert und weiß daher, dass Software heutzutage nicht nur in Computern, sondern auch in Autos, Kühlschränken und allen möglichen anderen Maschinen drinsteckt. Er setzt sein Hacking daher genauso erfolgreich ein, um Infos zu bekommen, gleichzeitig aber auch noch, um etwas zu Essen und ein Fahrzeug zu bekommen (etwas überspitzt ausgedrückt).
Er hat ein besseres Verständnis dafür, welche Möglichkeiten in so einer Fertigkeit stecken können und kann sie daher vielfältiger einsetzen.
In einem "verregelten" System gäbe es hingegen von vornherein eine Liste, die aufzählt, welche Art System/Maschine mit welcher Schwierigkeit gehackt werden könnte. Da würde auch der Spieler, der keine Ahnung von Technik hat, diese Möglichkeiten sehen und daher wahrnehmen können.
Tschuess,
Kurna
Wunderschön, besten Dank. Das bringt es viel besser auf den Punkt, als ich es hätte ausdrücken können.
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Interpretation ist das lateinische Wort für Deutung. Mich würde davon abgesehen wundern, wenn das klappen würde. Es gibt im Rollenspiel schließlich unendlich viele Handlungsmöglichkeiten. Ein Talentsystem zu entwerfen, dass jeder dieser Handlungsmöglichkeiten deutungsfrei gerecht wird, ist meines Erachtens unmöglich.
Deutung der Regeln, Interpretation des Resultats. Sorry, ich hatte die Unterscheidung nicht explizit gemacht, ich hoffe das klärt das Problem.
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Deutung der Regeln, Interpretation des Resultats. Sorry, ich hatte die Unterscheidung nicht explizit gemacht, ich hoffe das klärt das Problem.
Ok. Wenn du aus der Deutungsfreiheit raus kommst, betreibst du meines Erachtens kein Rollenspiel mehr. Dann landest du bei Descent & Co. Aber das hängt ganz sicher auch mit der verwendeten Definition von Rollenspiel zusammen.
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Liebe Berta, ich wollte dich mit meinem Kommentar bzgl Realismus mitnichten angreifen. Ich habe nichtmal erwartet, dass du dich davon angesprochen fühlst. Das wollte ich nur eben klarstellen.
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Wenn ich jedes Talent in jeder Situation auf jede beliebige Art anwenden kann, dann wird das halt schnell ein ziemlich banales System mit quasi einem einzigen Charakterwert.
Mmmh, davon habe ich nichts geschrieben. Worauf beziehst du dich hier genau? Es geht hier darum, Regeln für fiktive Situationen zu schaffen. Da ist es erstmal egal, ob das Computerspiele oder Pen&Paper sind. Niemand, auch nicht die Programmierer von Computerspielen, setzt sich hin und misst die Aufschlagenergie einer Kugel im Winkel von 43,7 Grad und berechnet daraus die Einwirkung auf eine Kugelsichere Weste.
Da kommen wir ganz schnell zu Schätzungen. Und da setzt sich dann jemand hin und sagt, müsste so oder so sein. Dann wird wichtiger sein, ob du einen realistischen EGO-Shooter programmierst, in dem die Leute wegsterben wie die Fliegen oder ein Superheldenrollenspiel, in dem die Charaktere einiges wegstecken. Ich brauche null Ahnung haben von Schusswaffen, um sowas verregeln zu können.
Zu solch spezialisierten Sachen wie Hacking: Natürlich kann einem ein System da Tipps an die Hand geben. Ist doch keine Frage. Und auf Basis dieser Tipps könnte ich als pfiffiger Spieler dann auf die Idee kommen, weitere Talente zu entwerfen. Und natürlich kann es helfen, eine gewisse Affinität in einem Bereich zu haben, wenn ich so eine Figur spielen will. Aber ich muss doch kein Experte sein, um in einem Rollenspiel eine bestimmte Figur überzeugend zu spielen. Schau dir einfach ein paar Actionfilme und Thriller rund ums Hacken und und gut ist. Da bekommst du genügend Ideen.
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Ich denke dem Threadersteller geht es hauptsächlich um Berufstalente wie etwa bei Vampire. Da ist es einfach so, dass diese ja von Abenteuern nicht inherent abgefragt werden, wie etwa Wahrnehmungs- und Kampfwürfe, sondern ein Spieler sie proaktiv einbringen muss. Das mach ein Talent halt nur dann nützlich, wenn der Spieler entsprechend Ahnung davon hat, was man alles so anstellen kann und diese Vorstellung von der Gruppe geteilt wird. Ich kann mit Chemie beispielsweise mehr Situationen im Rollenspiel lösen, wenn ich in etwa weiß, dass es Säuren, Sprengstoffe, Kleber, etc. gibt. Wir hatten bei uns letztens auch eine Diskussion, ob ein Ingenieur oder Maschinenbauer im Rahmen seiones Studiums Kenntnisse gewinnt, die es ihm ermöglichen Schlösser zu knacken.
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Ist halt die Frage, wie detailliert man es haben will. Mir würde als SL ja in Bezug auf Chemie folgendes Talent reichen: "Du bist in der Lage aus alltäglichen und leicht zu beschaffenden Materialien Strengstoffe mit xy Schaden herzustellen."
Ich hatte tatsächlich mal einen Spieler, der mir erklärt hat, wie einfach es ist, Thermit herzustellen. Der Fertigkeitwert seines Charakter in Sprengstoff hätte mir völlig gereicht, aber so wurde das noch durch eine Ingame-Erzählung bereichert.
Was ich damit sagen will: Das eine schließt das andere doch nicht aus. Rollenspiel wird an den wenigsten Stellen so detailverliebt, dass ich wirklich Ahnung von Sachen wie Chemie oder Hacking haben müssten und trotzdem könnte ich Sonderregeln für Talente entwickeln.
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Ich setze ausreichend "gesunden Menschenverstand" und "Sozialkompetenz" bei den am Spiel beteiligten voraus [ohne das funktioniert Rollenspiel nun mal nicht].
Ich glaube, die Spielerbildung (oder "Klugheit") ist keine Voraussetzung für die Fairness am Spieltisch, wenn man kein starres Talent-System verwendet, sondern die Talente "frei formulierbar" sind.
Was wesentlich entscheidender ist eine ausreichende Kommunikation zwischen allen Beteiligten im Vorfeld, um abzuklären, was sich jeder unter den frei definierten Begriffen vorstellt, wie umfangreich der Einsatzbereich ist, was einem das Talent erlaubt (in Abhängigkeit zu den Talentgraden der Spielfigur), etc. etc.
Ich mach mal ein Beispiel:
Wenn ein Spieler sich das Talent "Taxifahrer" ausdenkt, dann ist das für einen anderen (Spieler oder Spielleiter) vielleicht nur "unfallfrei Auto fahren" und "Geld kassieren".
Der Spieler hat sich dadrunter aber auch "gute Kenntnisse in der Stadt" und "Funkgerät bedienen" und vielleicht auch noch "Fahrgast unterhalten" vorgestellt.
Wenn sich die Leute nicht über ihre Vorstellungen austauschen, wird es ab Spieltisch zu Meinungsverschiedenheiten kommen.
Klar, hypothetisch könnte jemand sich "Gehirnchirurg" als Talent nehmen, und dann gibt es das Problem, dass keiner weiss, was der denn noch so alles können wird...
Da muss man sich einigen (Sozialkompetenz) oder nachforschen.
Aber bei anderen Gebieten (nehmen wir mal "Zauberei" in einer selbst ausgedachten Welt) gibt es ja auch keine vordefinierte Faktenlage, die man zu Rate nehmen kann.
Oder kann von Euch jemand sein Dampfraumschiff durch den Etherspace zur Venus fliegen und mir sagen, wie das geht und wie man navigiert?
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...und mich ggf mit der Materie auskennen...
Ich weiß nicht, ob "Materie" oder "Bildung" hier treffend sind. Ich muss das Genre kennen. Ein Jedi kann Mind Tricks und weit springen und mit dem Lichtschwert kämpfen. Dass man ggf. Ideen haben muss, ist richtig. Häufig ist das aber ein Indiz, dass die Genre-Vorlage nicht hinreichend eingängig ist. Oder dass man sich aus falsch verstandenem Anspruch von dieser abheben will.
Nein, denn erstens ist das "Balancing-Problem" eine ad acta gelegte Scheindebatte aus den frühen 2000ern.
Ich rede da viel und gerne drüber.
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Erst mal meine Lieblingsnebenschauplätze:
Die realweltliche Balance ist im Rollenspiel sowas von egal, da man den Kampf niemals wirklich realistisch abbilden kann.
Wieso sollte man das nicht können?
Was man nicht kann, ist jedes noch so winzige Detail in epischer Breite spielmechanisch behandeln. Und was man auch nicht sinnvoll kann, ist einen Kampf mit möglichst genauem und kleinteiligem Input deterministisch zu berechnen.
Genau dafür gibt es aber spielmechanische "Trichter", in die ich diesen ganzen Kleinkram reinschmeißen und damit schnell und einfach abdecken kann - ganz grundlegend z.B. die Stellen, wo gewürfelt wird ;)
Natürlich muss man diesen Anspruch erst gar nicht haben, aber wenn man ihn hat, lässt sich da schon was machen.
Niemand, auch nicht die Programmierer von Computerspielen, setzt sich hin und misst die Aufschlagenergie einer Kugel im Winkel von 43,7 Grad und berechnet daraus die Einwirkung auf eine Kugelsichere Weste.
Lese ich da die Haltung heraus, dass Realismus zwingend mit gigantischem Aufwand und irrsinnigem Detailreichtum verbunden ist?
Das ist nämlich keineswegs so. Der Realismus-Anspruch hat zunächst mal überhaupt nichts mit dem Detailgrad zu tun.
Grundsätzlich sind seltene Dinge selten, große Einflüsse groß und kleine Einflüsse klein. Wenn ich das schon mal grundsätzlich in die richtigen Bahnen gelenkt habe, bin ich schon ganz weit vorne dabei (und für das konkrete Beispiel: Es ist ja nicht so, als gäbe es da nicht zigtausend Mannjahre an praktischer Erfahrung. Das kann ich bis auf die letzten paar Prozent und die abstrusesten edge cases alles aus der Empirie ableiten und fertig - die einzige echte Arbeit besteht hier darin, die Halbwahrheiten und Scheißhausparolen rauszufiltern).
Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie man von "man kann nicht alles perfekt bis ins allerletzte kleine Detail berechnen" zu "und deswegen darf man da selbst den allerersten Schritt nicht gehen, weil man sich sonst total lächerlich macht und das alles ist sowieso immer automatisch zum Scheitern verurteilt und völlig sinnlos" kommt.
Aber ich muss doch kein Experte sein, um in einem Rollenspiel eine bestimmte Figur überzeugend zu spielen. Schau dir einfach ein paar Actionfilme und Thriller rund ums Hacken und und gut ist. Da bekommst du genügend Ideen.
Die Frage ist immer: Überzeugend für wen?
Wen habe ich da als "Publikum" sitzen, sprich was bringt der mit und welche Erwartungshaltung hat der?
Wenn ich als Experte tatsächlich überzeugt werden soll (warum eigentlich?), dann reichen die üblichen Actionfilme & Co. eben ganz entschieden nicht.
Aber natürlich kann sich auch ein Experte in eine Bier & Brezel-Runde setzen, sein Fachwissen mal in der Schublade lassen und einfach seinen Spaß haben.
Also wie gesagt: Wer will hier was vom Spiel? Das ist meistens viel mehr eine Genrefrage als eine nach "echten" Inhalten und ihrer Anwendung.
Aktuelles Beispiel vom T-Treffen:
Da habe ich bei einer Runde zugeschaut, in der der SL öfter mal bei Sachen, mit denen ich mich auskenne, rübergeschielt hat, ob ich vielleicht protestiere.
Mir würde ganz besonders als Zuschauer (!) im Leben nicht einfallen, hier mit "Das geht aber gar nicht und ihr müsst das ganz anders machen" anzufangen. Höchstens gebe ich andersrum konstruktiven Input, wenn es an so einer Stelle mal hakt.
Aber offensichtlich gab es da ein Problembewusstsein dafür, dass Fachwissen Erwartungshaltungen prägen kann - den Hut hat aber der Fachmann mindestens genau so sehr auf wie Regelwerk und SL. Um der "Wahrheit" willen braucht man da nicht diskutieren, obwohl das viele Nerds sehr gern tun. Da sind viel spielbezogenere Überlegungen i.d.R. deutlich wichtiger.
Jetzt aber zum eigentlichen Knackpunkt:
D.h. erstmal geht mir eine gewisse Spieltiefe verloren, die sich dann diejenigen, und nur diejenigen zurückerobern können, die sich am weitesten in das Feld rein-generdet haben.
Jein.
Man kann es machen wie z.B. Fate und alles mögliche mit der selben Spielmechanik abbilden - dann diskutiert man schon mal nicht mehr über ggf. recht kleinteilige und obskure Inhalte, sondern darüber, wie man das wann/wo in Spielmechanik umsetzt (siehe Boba). Das ist mMn schon mal eine ganze Ecke dankbarer.
Natürlich ist man dann an den Stellen auf die reine Spielmechanik beschränkt, wo keiner Ahnung hat. Oder man lebt damit, dass man da ggf. grad ganz schönen Unsinn erzählt - aber es gibt eben niemand, dem das auffällt oder den es stört, von daher ist das ja unproblematisch.
Aber: Sobald da einer Ahnung hat, ist die zentrale Frage: wie gehe ich damit um?
Wenn man schon mal nicht zuallererst drüber nachdenkt, warum irgendwas garantiert nicht geht, ist man schon auf dem richtigen Weg.
Da sollte der Experte dann eher damit rausrücken, welche Umstände gegeben sein müssten, damit es funktioniert - oder welche gangbare Alternative mit vergleichbarem narrativem Ergebnis es gäbe.
Den SL mit irgendwelchen Grundsatzbedenken vollsabbeln* oder sich per Fachwissen über die anderen Spieler stellen ist halt schon ziemlich schlechter Stil, wenn man genauso sagen kann, warum es funktioniert - und das nicht nur für sich selbst, sondern auch für die anderen.
*In Freeform-Runden geht es mir persönlich oft genug zu weit in die andere Richtung: "Das ist alles ganz einfach" im Zusammenhang mit Thermit, Sprengstoff u.Ä. ist da ein Klassiker. Herstellen vielleicht, aber das ist nicht deckungsgleich mit zielführender Anwendung. In der Hinsicht fehlt dann meistens die Perspektive, wie weit man mit (eigenem) theoretischem Wissen wirklich kommt.
Und zuletzt sollten bei solchen freieren Ansätzen alle zumindest so viel Spaß an der jeweiligen Materie haben, dass sie sich halbwegs reinfuchsen und dann für Spielzwecke mitreden können.
Das ist meistens immer noch viel weniger Aufwand, als sich ein Regelwerk draufzuschaffen, das mir diese Art der Einarbeitung abnimmt, indem es schon alles in feste Spielmechanik gegossen hat.
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Das ist eine Frage der bereits vorhandenen Übereinstimmung der Vorstellungsräume - und da unterstützen "freie" Systeme eben erst einmal nur wenig/schlecht, wenn sie das nicht wieder über eine Unmenge Beispiele auffangen.
Womit es eben nicht um "Bildung" oder "richtig" geht. Wenn die gesamte Gruppe da (z.B. durch entsprechenden Medienkonsum) homogen daneben liegt, dann funktioniert das trotzdem prächtig, gleiches, wenn die Regeln (intern konsistenter) Unsinn sind, passt das auch erst einmal.
Wird "nie komplett richtig" ist auch kein Argument. Dann dürften jede Menge Leute ihr Hobby nicht betreiben, weil sie nie perfekt werden dürften. (Genauso jeder Geschichtenerzähler, der nie einen Literaturpreis bekommen werden) Aber für genügend Leute ist "So gut ich mit meinen Möglichkeiten kann" auch ein Reiz und damit Anlass für Spielspaß an sich.
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Wieso sollte man das nicht können?
Anmerkung: Die Realität im Rollenspiel getreu abbilden
Was man nicht kann, ist jedes noch so winzige Detail in epischer Breite spielmechanisch behandeln. Und was man auch nicht sinnvoll kann, ist einen Kampf mit möglichst genauem und kleinteiligem Input deterministisch zu berechnen.
Genau dafür gibt es aber spielmechanische "Trichter", in die ich diesen ganzen Kleinkram reinschmeißen und damit schnell und einfach abdecken kann - ganz grundlegend z.B. die Stellen, wo gewürfelt wird ;)
Natürlich muss man diesen Anspruch erst gar nicht haben, aber wenn man ihn hat, lässt sich da schon was machen.
Man hat dann in der Tat einen spielmechanischen Trichter und weiß, wann man wie und mit welchem Wert würfeln muss. Mit der Realität hat das aus meiner Sicht - egal wie detaillgetreu die Regeln sind - nicht viel zu tun. Es bleibt eben ein Spiel, bei dem sich jemand ausgedacht hat, wie ein Kampf ablaufen könnte.
Lese ich da die Haltung heraus, dass Realismus zwingend mit gigantischem Aufwand und irrsinnigem Detailreichtum verbunden ist?
Das ist nämlich keineswegs so. Der Realismus-Anspruch hat zunächst mal überhaupt nichts mit dem Detailgrad zu tun.
Da gebe ich dir recht, ich finde ihn nur nicht sonderlich zielführend. Wir bilden im Spiel nicht die Realität ab, sondern eine Geschichte. Unabhängig davon, welches RPG ich jetzt spiele oder gut finde.
Grundsätzlich sind seltene Dinge selten, große Einflüsse groß und kleine Einflüsse klein. Wenn ich das schon mal grundsätzlich in die richtigen Bahnen gelenkt habe, bin ich schon ganz weit vorne dabei (und für das konkrete Beispiel: Es ist ja nicht so, als gäbe es da nicht zigtausend Mannjahre an praktischer Erfahrung. Das kann ich bis auf die letzten paar Prozent und die abstrusesten edge cases alles aus der Empirie ableiten und fertig - die einzige echte Arbeit besteht hier darin, die Halbwahrheiten und Scheißhausparolen rauszufiltern).
Klar, wenn man das will, kann man da richtig in die Tiefe gehen. Ich kenne nur kaum ein Rollenspiel, dass das ernsthaft betreibt (selbst GURPS bricht da an vielen Stellen). Man kommt mit ein bisschen gesundem Menschenverstand zum gleichen Ergebnis und muss am Ende doch wieder schauen, ob meine Regel, die ich aus der Realität ableite, wirklich zu meinem Spielstil passt.
Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie man von "man kann nicht alles perfekt bis ins allerletzte kleine Detail berechnen" zu "und deswegen darf man da selbst den allerersten Schritt nicht gehen, weil man sich sonst total lächerlich macht und das alles ist sowieso immer automatisch zum Scheitern verurteilt und völlig sinnlos" kommt.
Niemand macht sich hier lächerlich, es geht hier um RollenSPIELE. Muss man nicht so ernst nehmen. Aber man muss sich auch nicht hinstellen und alles total verkrampft aus der "Realität" ableiten. Ich habe so auch schon gespielt und die Diskussionen, die daraus entstanden sind, standen dem Spiel und dem Spielspaß eigentlich nur im Weg.
Wenn ich als Experte tatsächlich überzeugt werden soll (warum eigentlich?), dann reichen die üblichen Actionfilme & Co. eben ganz entschieden nicht.
Wenn du das "Chemielabor RealAlpha-RPG" spielen möchtest, sicherlich nicht. Aber was spielen wir denn da eigentlich? Im Prinzip sind die meisten RPGs von Hollywood-Blockbustern inspiriert. Interessiert das da jemanden? Du könnetst natürlich auch Cthulhu oder Delta Green spielen und dich dann näher mit einem bestimmten Thema befassen. Ist doch supi! Aber deshalb einem Spieler einen Strick drehen, weil er sich nicht auskennt, würde ich eben nicht.
Die Ausgangsfrage war aber doch, ob man ohne Fachwissen als Spieler neue Talente entwickeln kann. Und da würde mich jetzt mal ernsthaft interessieren, was damit überhaupt gemeint ist. Talente im Sinne von Spezialisierungen, Sonderregeln, Stunts, Boni auf Fertigkeiten? Ich sehe da nämlich immer noch nicht das Problem, ohne Fachwissen etwas zu reißen. Gebt doch bitte ein paar Beispiele, ich kapier es einfach nicht, worauf ihr hinauswollt.
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Wir bilden im Spiel nicht die Realität ab, sondern eine Geschichte. Unabhängig davon, welches RPG ich jetzt spiele oder gut finde.
Das sehe ich anders.
Geschichten bilden in einer gewissen Art und Weise die Realität ab.
Jetzt gibt es Rollenspiele, die die Realität abbilden - vom Prinzip her ähnlich wie Geschichten die Realität auch abbilden.
Und es gibt Rollenspiele, die Geschichten abbilden, die die Realität in einer gewissen Art und Weise abbilden.
Das sind unterschiedliche Ansätze, die man verfolgen kann.
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Man kommt mit ein bisschen gesundem Menschenverstand zum gleichen Ergebnis
Wenn das zuverlässig auch dann noch so wäre, sobald es etwas in die Tiefe geht, wäre das Thema kein solcher Dauerbrenner ;)
Ich habe so auch schon gespielt und die Diskussionen, die daraus entstanden sind, standen dem Spiel und dem Spielspaß eigentlich nur im Weg.
Das liegt mMn ganz entschieden daran, dass die meisten (und bei so einem negativen Verlauf i.d.R. alle) Beteiligten gar nicht wissen, wo sie mit der Diskussion überhaupt hin wollen.
Wie soll das was werden, wenn man kein Ziel und keine Methode hat?
Im Prinzip sind die meisten RPGs von Hollywood-Blockbustern inspiriert.
Naaaa ja - sagen wir lieber: beeinflusst, und dann eben ganz schnell auch mal unfreiwillig und zum Nachteil, weil das der einzige schnell mental "greifbare" Kontakt mit einem bestimmten Thema ist und dann unreflektiert Zeug übernommen wird, das da nicht unbedingt hin gehört.
Ich sehe da nämlich immer noch nicht das Problem, ohne Fachwissen etwas zu reißen. Gebt doch bitte ein paar Beispiele, ich kapier es einfach nicht, worauf ihr hinauswollt.
Das Problem ist, dass man ohne konsistente, vom Inhalt weitgehend unabhängige Regeln und ohne Fachwissen überhaupt keinen Maßstab hat, was im Spiel wie viel "wert" ist.
Also braucht es entweder so allgemeine Regeln, dass alles in zumindest ähnliche Bahnen gelenkt wird oder man muss sich einarbeiten, um den "Ich erzähl dem SL so lange die Geschichte vom Fremdwortpferd, bis ich Erfolg habe"-Faktor zu begrenzen.
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Wie seht ihr dieses Problem? Hattet ihr in euren Gruppen schon stark unterschiedliche Bildungs-Niveaus, in denen sowas zum Balancing-Problem wurde?
Balancing-Problem nicht, aber es gab immer wieder Runden, in denen bestimmte Fertigkeiten unerwartet mächtiger wurden. Übrigens systemübergreifend: In SR und DSA genauso wie in Gurps, Splittermond und dem EWS.
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Niemand, auch nicht die Programmierer von Computerspielen, setzt sich hin und misst die Aufschlagenergie einer Kugel im Winkel von 43,7 Grad und berechnet daraus die Einwirkung auf eine Kugelsichere Weste.
Außer er oder sie schreibt einen Gurps-Quellenband :-)