The Things We Leave Behind
- Herbst 2022 –
I Want To Play
Maps used to say, "There be dragons here. Now they don't. But that don't mean the dragons aren't there."
Lorne Malvo - Fargo
Kapitel I -Die Ankunft-
Der Sommer ging zu Ende und auch der Herbst hatte seine schönste Zeit hinter sich gelassen. Aus den hunderten von Rot und Gelbtönen des Indian Summer war erst ein Braun und dann ein Grau geworden. Die Blätter sammelten sich in riesigen Haufen entlang der Straßen und für ein paar Tage konnte man hier und dort den Geruch von schwelendem Laub wahrnehmen, wenn die Haufen verbrannt wurden. Mit der Farbe waren auch die Touristen aus Algonac verschwunden und zurück blieben die Einwohner welche die Straßen, Restaurants und Bars wieder für sich alleine hatten. Wenn die Restaurants und Bars überhaupt über den Winter geöffnet hatten. Es war als versinke die Stadt langsam aber sicher in einen Dornröschenschlaf der erst im nächsten Frühling wieder beendet wurde wenn frisches Blut seinen Weg in die Ferienhäuser fand. Die Tage waren jetzt kurz und trist, die Boote auf dem St. Clair River und den Seen verschwunden. Sie waren in Erwartung der Herbststürme und des Winters an Land gebracht worden. Nur ganz vereinzelt konnte man jetzt noch welche draußen sehen und das waren in der Regel Einheimische. Der erste Frost lag in der Luft und es würde nicht mehr lange dauern biss die Nässe sich morgens in Raureif verwandeln würde. Regelmäßig hingen Nebelbänke über dem Wasser deren dünnen, grauen Fäden sich nach dem Land ausstreckten.
So auch an diesem Tag. Eine tiefe bleigraue Wolkendecke verhinderte dass die Sonne durchbrauch und über dem Kanal stand eine Nebelbank welche einem die Sicht auf die andere Seite nahm.
(https://yaffa-cdn.s3.amazonaws.com/yaffadsp/images/yafPhotoCompetitionEntry/imageHero/o_1eumdtmq61dgg12e61bsp18mimdra-Christine_Goerner_Lake-St-Clair-01.jpg)
Wie eine grauweiße Wand zog sie eine Linie zwischen den USA und Kanada. Alles war nass, tropfte und bereits am späten Nachmittag würde die Dämmerung einsetzen. Es war einer dieser Tage an denen es nie richtig Hell wurde, an denen ein trübes Zwielicht die Welt gefangen hielt.
Dean Parkte seinen Dienstwagen an dem Seitenstreifen der 29. Der Sand knirschte unter den Reifen. Links von ihm die dunklen Gerippe der Bäume des Algonac State Park, rechts von ihm der flache Streifen Sandstrand welcher zum Claire River hin abfiel. Wie ein Fremdkörper aus einer anderen Welt lag dort, halb auf die Seite gekippt der Rumpf eines Segelschiffs das auf Grund gelaufen war. Ein paar Autos parkten in der Nähe, Flatterband hing träge in der Luft. Das APD hatte den Ort abgesperrt und Dean konnte sich schon denken warum. Es sah nicht so aus als wenn ein Freizeitkapitän sein Segelboot unter Alkoholeinfluss auf den Strand gesetzt hatte. Hier war etwas anderes im Gange.
Die Segel hingen schlaff und anhand der Beflaggung konnte Dean erkennen, dass das Segelboot, eine kleine Yacht, in Kanada registriert war.
Mac hielt Deans Blick eine Weile stand, dann vergrub er die Hände tief in den Taschen seiner Jacke und blickte wie eine Neuerfindung des „alten Mannes und des Meeres“ hinaus auf den St. Clair River. Mac starrte in die Nebelwände welcher über dem Wasser standen und hing seinen Gedanken nach.
In der Kajüte des Bootes sah es aus als wenn ein Wilder Kampf stattgefunden hatte und es war auf den ersten Blick ersichtlich, dass es ein ungleicher Kampf gewesen sein muss. Das Innere war nicht sehr geräumig, ein Falttisch in der Mitte, links davon, gleich neben dem kleinen Niedergang eine Kochnische, ihr gegenüber ein eingebautes, schmales Regal. Der Tisch war um den Schwertkasten drum herum konstruiert und die Bänke rechts und links konnten zu Betten umfunktioniert werden. Das Boot war für zwei Personen ausreichend und konnte bei Bedarf Platz für vier schaffen. Vorne im Bug war der Hauptschlafbereich, abgetrennt durch eine niedrige Tür.
Doch nichts davon war unbeschädigt geblieben. Dean kannte solche kleinen Segelboote. Gerade groß genug für die Seen, Tagesausflüge aber nicht mehr. Jetzt hatte er aber Schwierigkeiten zu erkennen was wo hingehörte. Holz und Plastik waren gesplittert, Blutspritzer bedeckten einen Teil der Wand gegenüber der Kochnische. Eine langgezogene Blutspur in Richtung des Schlafbereiches sprach wohl dafür, dass jemand versucht hatte sich dorthin zu flüchten. Was auch immer angegriffen hatte, schien den Ausgang versperrt zu haben. Vielleicht wollte der- oder diejenige durch das Oberlicht im Schlafbereich flüchten als klar war das ein Kampf nicht gewonnen werden konnte.
Schwer hing der metallische Geruch des Blutes in der Luft. Er vermischte sich mit den muffigen Ausdünstungen feuchter Bettwäsche und alter Ölkleidung die hier irgendwo mal verstaut gewesen sein muss. Essensreste sickerten aus zerrissenen Konservendosen. Es wirkte fast so als wäre hier ein Verrückter mit einer Kettensäge auf die Insassen des Bootes losgegangen.
In all dem Durcheinander fand Dean keine Spuren, das wirklich Kinder an Bort waren. Das was an Kleidung zu sehen war, war für Erwachsene gedacht. Bei all dem Chaos war es erstaunlich, dass keine Leichen gefunden wurden. Hier drinnen muss mindestens ein Mensch gestorben sein oder wurde so schwer verletzt, dass er in Folge des Blutverlustes gestorben sein musste. Aber wer oder was zertrümmert das Innere eines Bootes mitsamt der Besatzung und macht sich dann die Mühe die Leichen wegzuschaffen.
Fürs erste konnte Dean hier nicht mehr machen als bestätigen, dass das kleine Boot aus eigener Kraft gestrandet war, dass Menschen an Bord gewesen sein mussten und es kein normaler Segelunfall unter Freizeitkapitänen gewesen war. Seiner Einschätzung nach war das Boot aus Richtung des Lake Huron gekommen, hatte den St. Clair River bis auf die Höhe von Marine City oder Babys Point befahren und war dann vom Kurs abgekommen. Alles andere machte keinen Sinn, durch die Windungen des, wenn auch breiten, Flusses wäre das Boot viel früher irgendwo an gestrandet und nicht erst in Algonac.
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