Tanelorn.net

Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Spielleiterthemen => Thema gestartet von: Namo am 6.08.2024 | 09:22

Titel: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 6.08.2024 | 09:22
Kurz vorm Urlaub wird mein Kopf scheinbar wieder offener für Themen abseits er Arbeit. So habe ich die letzten Tage, das gamemasters handbook of proactive roleplaying gelesen. Das wird gerade im englischsprachigen Raum von einigen abgefeiert, so dass ich es mir dann auch mal gekauft habe. Und im Grundsatz wirklich spannend finde.

Im Kern ist der Ansatz eigentlich der, dass sich alles um die Charaktere und ihre Ziele dreht. Die Spieler definieren hierbei (kurz-, mittel- und langfristige) Ziele ihrer Charaktere und darum dreht sich dann eigentlich die ganze Runde. Der SL wiederum hat die Aufgabe Hindernisse zu den Zielen zu bauen bzw. letzten Endes die Abenteuer hierzu zu gestalten. D.h. ein wenig liegt die Arbeit insofern bei den Spielern, als dass sie quasi vorgeben, was sie als nächstes spielen/angehen möchten und der SL kann sich dann daran machen und das Szenario ausarbeiten oder eben improvisieren. Natürlich soll es auch hier Antagonisten etc. geben. Für diese wiederum hat der SL Ziele definiert, die sich dann eben irgendwann mit denen der Charaktere kreuzen und kollidieren können. Gleiches gilt natürlich auch im positiven Sinne, dass also Gruppen und NSC ähnliche Ziele wie die Charaktere haben und insofern Verbündete werden können.

Das soll bedeuten, dass die Spieler also nicht mehr auf die Abenteuer und Welt des SL reagieren sondern hier immer die handelnden Personen sind. Es ist umgekehrt die Welt die plötzlich "nur" noch reagiert. Das wiederum würde die Spieler viel mehr mitnehmen. Also nicht: "Hier Frodo, da hast du den Ring, zerstöre ihn, aber Vorsicht, da sind böse Wesen die hinter dir her sind" sondern "Ich bin Frodo und habe eine bösen Ring den ich zerstören möchte. Bad Guy: Fuck, der hat meine Ring und will ihn zerstören. Was kann ich tun um das zu verhindern? Erstmal Nazgul schicken!".

Sehr griffiger Vergleich im Buch war die Erkenntnis im Rahmen einer "bösen" Runde die letzten Endes immer eher in "was richten wir heute an" = proaktives Spiel ging und daraus die Frage entstanden ist, was wäre wenn man das mal genauso mit einer normalen/guten Runde versucht. Die kann doch genauso für Anarchie im Reich sorgen.

Dazu wurden nun für alle möglichen Begebenheiten (Encounter, Dungeons etc.) im weiteren Verlauf des Buches versucht (manchmal fand ich das etwas sehr gewollt, muss aber das Buch ohnehin nochmal lesen) sich alles eher um die Ziele der Charaktere drehen zu lassen (und deren Gegenspieler).

Tatsächlich hat mich das Buch schon wieder weiter zum Denken angeregt und mir schon auch wieder Input gegeben, da ich momentan ohnehin viel in der Theorie arbeite. So habe ich bei meiner aktuellen Runde eigentlich auch einen Teil des Fokus auf die Charakterhintergründe legen wollen und diese schon angespielt. Das kam tatsächlich aber offensichtlich so gut an, dass die nächsten Abenden eher vom bespielen der Charakterhintergründe begleitet sein werden bzw. ich momentan am umarrangieren bin und die eigentlich Kampagnenstory noch viel tiefer mit denen der Charaktere verweben möchte. Denn tatsächlich war spürbar wie sehr die Spieler emotional auf die Ausarbeitung ihrer Hintergründe angesprungen sind.

Aber bei allem was ich da gelesen habe, kommt mir dann doch immer wieder der Begriff sandbox in den Sinn. Also stellt sich mir die Frage, ob proaktives Rollenspiel nicht ein viel vornehmerer Name für Sandbox ist? Ein anderer, gängigerer Begriff wäre ja auch charakter driven Rollenspiel.

Über die ganzen Ansätze und Begrifflichkeiten bin ich Silberrücken zunehmende irritiert, aber es macht tatsächlich auch Spaß darüber nachzudenken oder zu diskutieren.

Also wie seht ihr das? Habt ihr euch mit proaktivem RPG schon bewusst auseinander gesetzt oder wurde hier letzten Endes nur etwas ein Name gegeben, dass ihr so ohnehin immer schon gespielt habt? Oder sitzt ihr am anderen Spektrum und Spieler oder SL finden das grundsätzlich nicht gut und möchten lieber story driven/reaktives Spiel? Denn auch das war interessant. Ich habe heute morgen eine Folge vom Podcast "Over the Hills" gehört, bei dem die Aussage kam "ich mag kein Charakterabenteuer. Ich mag lieber vom SL eine Story haben in der ich mich kreativ austoben kann, aber ich mag mit dem Charakter nicht im Mittelpunkt stehen und andere Spieler nur zu Komplementärcharakteren verdammen". Auch spannend. Hier mag es ja durchaus eine Mischung geben, wie ich sie gerade in meiner 3er Spielergruppe auch wahrnehme. Einer der Drei wirkt mir eher als einer der gerne die Story der anderen beiden unterstützt und dabei ist (nach dem Motto: Abenteuer ist Abenteuer) während insbesondere einer der anderen beiden extrem in seiner Story aufgeht und passender Weise auch den intensivsten Hintergrund zu seinem Charakter und seinem Ziel geliefert hat.



Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Haukrinn am 6.08.2024 | 09:53
Ich finde das, was zu beschreibst (was ich eher dramaturgisches oder charakterzentriertes Rollenspiel nennen würde) ist eher das genaue Gegenteil einer Sandbox. Bei einer Sandbox kann die Gruppe sich zwar frei bewegen, aber die Welt ist ja trotzdem da (ob nun vordefiniert von der SL oder zufallsgeneriert, völlig egal) und reagiert nicht auf die Beziehungs- und Charakterebene innerhalb der Gruppe.

Da ich mit meiner nWoD-Runde jahrelang schon ziemlich charakterzentriert spiele, sehe ich da gänzlich andere Schwerpunkte:
- Beziehungen innerhalb der Gruppe und zu NSC außerhalb der Gruppe sind ein definierendes Element. Sie machen das Geschehen immer zu etwas persönlichem.
- Aus diesen Beziehungen ergeben sich Dilemmas und aus diesen wiederum ergibt sich die Dramaturgie. Es gibt eine Eskalationsspirale, die direkt aus den Entscheidungen der Spieler:innen folgt. Insofern also schon wie du es sagst, eine Reaktion der Welt, aber mit einem klaren Fokus - nämlich das Entscheidungen der Spielerschaft zentrale Bedeutung für den Verlauf der Story und damit auch für das Spiel haben (Meaningful choices, die Diskussion hatten wir ja vor einigen Monaten hier im Forum).
- Örtlichkeiten (im Gegensatz zur Sandbox) sind Anker- und Erinnerungspunkte. Sie werden als Trägermaterial für Story gebraucht, haben davon ab aber keine Bedeutung. An Orten hängen Beziehungen und Geschichten, das ist das, was sie auszeichnet.
- Das über den Spielverlauf entstehende Beziehungsnetz generiert fortwährend neue Konflikte und Ansatzpunkte, die mit den "Red Buttons" der Charaktere zusammen gebracht werden kann. Auch das ist Spielgenerierend.
- Zufall kann dabei eine Rolle spielen oder auch nicht. Ich sehe den eher als "letzten Ausweg", weil sich quasi-logische Schlüsse aus dem bisherigen Geschehen und dem Beziehungsnetz auch direkt ergeben. Story generiert Story. Spiel generiert Story (Play to find out what happens).
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Eleazar am 6.08.2024 | 10:15
Ich verstehe nicht, warum solche, ich sage mal Trends, oft mit so einer Absolutheit gefeiert werden. Mal war es die Sandbox, dann das proaktive Spiel, dann kommt...

Gut, wenn du eine Rollenspieltheorie schreibst, dann muss da auch die eine supercoole These drinstehen, die den Trend begründet.

Aber ergibt das langfristig das "bessere" Rollenspiel? Ich sehe da zuerst einmal den Novitätseffekt. Und der nutzt sich bekanntlich schnell ab. Ich habe in verschiedenen Kampagnen und Gruppen schon schwerpunktartig verschiedene Spielweisen ausprobiert. Dabei sind mir zwei Sachen aufgefallen:

1.) Es hängt sehr von der Gruppe und der Spielleiterin ab, welcher Spielstil überhaupt eine Chance hat. Du kannst nichts gegen die Natur der Leute machen.
2.) Jeder Trend läuft sich irgendwann tot: Spieler und Figuren schmoren im eigenen Saft ihrer Intentionen oder der SL ist zu dominant oder die Sandbox wiederholt sich...

Wenn wir zu lange in die eine Richtung unterwegs waren, war es ein Segen, mal wieder einen ganz anderen Schwerpunkt zu setzen. Und man sollte wissen, welche Stärken und Schwächen welche Spielweise hat.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: nobody@home am 6.08.2024 | 10:16
Grundsätzlich, denke ich, gab's das proaktive Spiel als Möglichkeit schon immer -- die Spieler und ihre Charaktere sowie deren Ziele und Probleme in den Mittelpunkt zu stellen, ist zwar das recht genaue Gegenteil von "hier ist das Kaufabenteuer, da müßt ihr jetzt durch", aber insbesondere fürs Kampagnenspiel bietet es sich eigentlich regelrecht an. "Ihr seid die Helden (oder wenigstens die Protagonisten) -- was habt ihr denn so als nächstes vor?"

Auf der anderen Seite gibt's natürlich den klassischen Topos "Die Bösen sind proaktiv und machen Ärger, die Guten reagieren nur", und es ist auch nicht unbedingt jeder Spieler gleich proaktiv; jemanden, der aus welchem Grund auch immer einigermaßen regelmäßig nur mal ein paar Stunden Würfel rollen und sich bespaßen lassen möchte, kann man mit diesem Ansatz vermutlich jagen. Da sollte man also schon im Vorfeld mit der Gruppe abklären, wieviel Eigeninitiative die Spieler eigentlich selbst zu mustern bereit sind -- vor allem für traditionell "die SL macht das schon, wir setzen uns bloß noch hin und spielen los"-trainierte Spielergruppen mag Proaktivität ein regelrechter Paradigmenwechsel sein, mit dem sie sich erst mal theoretisch und dann auch in der Praxis überhaupt erst anfreunden müssen.

Und nein, ich denke, mit dem Sandboxformat an sich hat das nicht viel zu tun. Ich kann den Spielern zwar sagen "Hey, Leute, hier sind zehntausend Quadratkilometer vorbereitete Landschaft, tobt euch frei aus!", aber wenn sie ihre (Spieler- oder Charakter-)Ziele für diese und in dieser Landschaft nicht von sich aus mitbringen, bleibt auch das potentiell erst mal nur Spielen im "passiven" Modus und eventuell hilfloses Herumtapsen auf der Suche nach "dem eigentlichen Abenteuer".
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Irian am 6.08.2024 | 10:22
Persönlich habe ich kein Problem damit, im Gegenteil, wenn die Spieler sowas definieren, bin ich sehr happy, aber zu viele Spieler sind einfach auf der "Hier ist mein Charakter, was passiert nu?" Schiene.

Dementsprechend ist das plus Sandbox eh mein bevorzugter Spielstil. Die Spielercharaktere verfolgen ihre eigenen Ziele in ner freien Welt, manchmal kommen Ereignisse der Welt dazwischen, manchmal nicht, es ergeben sich Konflikte untereinander oder mit NSCs/der Welt, etc.

Ich halte das "Eingehen auf die Ziele der Spielercharaktere" jetzt nicht gerade für revolutionär, um ehrlich zu sein. Ich fände den Ansatz, dass die "nur" reagiert auch irgendwie flach - das stört doch meistens bei Computerspielen, dass die Welt scheinbar nur für den Spieler existiert - aber so als Mischung ist das imho ein durchaus sinnvolles Ding. Aber, wie gesagt, meistens fehlt es den Spielern an Antrieb für sowas.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Smoothie am 6.08.2024 | 10:45
revolutionär ist das alles nicht, aber es gibt schon einen kleinen Trend dazu. Ich finds super und ich liebe es als SC, wenn ich Pläne schmieden und umsetzen kann und ich liebe es als SL, meine SC persönlich involviert zu kriegen. Dazu muss ich natürlich auch auf sie eingehen.
Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es keinen anderen Plot gibt. Die Fragen mit denen die SC involviert werden können unterschiedlich offen sein.
Von: "Was wollt ihr heute unternehmen?" als ganz offene Frage bis zu. "Ihr nähert euch der Burgruine, auf den Mauer seht ihr die ersten Skelettbogenschützen. Wann war dein Charakter das letzte Mal in der Burg und warum will er unbedingt wieder hin? Wie wollt ihr vorgehen" als sehr geschlossenes Setting.

Oder wie z.B. in der Drakkenheim Kampagne sehr gut umgesetzt. "Dort liegt die zerstörte und von Monstern bewohnte Hauptstadt. Was willst du dort?
"Ich bin die Thronerbin und suche  meine Krone", "Ich bin Monsterjäger" "Ich bin Schatzsucher" Ich suche nach einer Heilung für die Seuche" etc.

Was ich eigentlich sagen will: Leute zu involvieren, und sie ihre eigenen Ansätze verfolgen zu lassen, bedeutet nicht, dass man auf Plot und Setting verzichtet

Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Sternschnuppe am 6.08.2024 | 10:57
Alter Wein in neuen Schläuchen. So spielen wir schon seit Jahren (eher wohl Jahrzehnten).
Aber vielleicht ist das auch vom Rollenspiel/Genre abhängig - Charakterbezogen für das eine, Sandbox für das andere.

Könnte mir gut vorstellen, dass z.B. D&Dler das entdecken, was für WoDler ganz normal ist.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 6.08.2024 | 11:13
Könnte mir gut vorstellen, dass z.B. D&Dler das entdecken, was für WoDler ganz normal ist.

Tatsächlich erscheint mir das auch ein wenig so. Ich habe mich schon immer schwer damit getan zu sagen, dass diese oder jene Spielart irgendwie systemspezifisch sein soll. Da kann man doch einfach klauen und gute Dinge aus anderen Systemen oder Spielarten in seiner Runde implementieren.

Die Konsequenz aus dem vielen Lesen der letzten Monate ist, dass heute vieles zu Papier, Video, Blog gebracht wird, was man selbst über die Jahre eigentlich ohnehin organisch entwickelt und gespielt hat. Natürlich auch immer mit neuen Inputs und Ideen von außen gefüttert.

Vielleicht ist das jetzt auch ein wenig die Folge von der gefühlten Masse an neuen Spieler/innen die durch CR und Co ins Hobby gekommen sind. Die durch solche Bücher und Beiträge aber dann auch die Möglichkeit haben viel schneller auf ein gewisses "Niveau" zu kommen. Aber vielleicht auch zu viel erwarten in Hinblick auf eine gewisse SL Überforderung.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: tartex am 6.08.2024 | 11:36
Könnte mir gut vorstellen, dass z.B. D&Dler das entdecken, was für WoDler ganz normal ist.

Die ganzen 90iger Jahre lang war das Dragon-Magazin voll mit Artikeln zu dem Thema. Wir konnten das alles schon nicht mehr hören und D&D3 war dann auch ein Befreiungsschlag.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 6.08.2024 | 11:57
Das ist ja interessant. War mir nicht bewusst? In unseren Runden ist das auf jeden Fall dann zielgerichtet an uns vorbei gegangen;D War ja eigentlich meine RPG Hochzeit und die war schon sehr oldschool. Wobei natürlich schon auch da auf Charakterspiel geachtet wurde - aber in übersichtlichem Rahmen. Tatsächlich war da für viele Vampire etc. erst eine Tür in erzählerisches RPG.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: 1of3 am 6.08.2024 | 12:10
Aber bei allem was ich da gelesen habe, kommt mir dann doch immer wieder der Begriff sandbox in den Sinn. Also stellt sich mir die Frage, ob proaktives Rollenspiel nicht ein viel vornehmerer Name für Sandbox ist? Ein anderer, gängigerer Begriff wäre ja auch charakter driven Rollenspiel.

Du machst hier einen systematischen Fehler. Ich weiß nicht, ob auch die Autoren des Buches den machen. Hab ich nicht gelesen. Aber es macht wenig Sinn zu versuchen, sämtliches Tun im Rollenspiel auf einen Begriff herunterbrechen zu wollen. Ziemlich egal, welcher Begriff das ist.

Wir können auf bestimmte Techniken schauen. Du sprichst von "Spieler wählen für ihre SCs kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele". Das ist eine Technik. Sie hat dann wahrscheinlich eine Reihe weiterer dazu passender Techniken, um diese Ziele aufzunehmen.

Ich kann dir klar sagen, dass ich diese Technik so noch nicht benutzt habe. Also eine Klassifizierung von Zielen in unterschiedliche Weitegrade habe ich noch nie gemacht. Ziele an sich schon. Mal mehr oder weniger formell je nach Spiel.

Darüber kann man also reden. Das ist auch sofort verständlich. Wir können auch unterscheiden: Fordern wir so Ziele ein oder können Spielende die formulieren? Ist das ganz frei oder gibt es gewisse inhaltliche Anknüpfungspunkte, die verarbeitet werden sollten ("Warum bist du in Schnackpuck? Was willst du hier erreichen?") Wir können das auch anderen Techniken gegenüberstellen, also z.B. SL teilt fertige Charaktere inklusive individueller Ziele aus. Das wäre eine andere Technik mit ähnlichem Zweck.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Eleazar am 6.08.2024 | 12:25
Ich erinnere mich an eine Kampagne, in der wir in der Hochphase der ellenlangen Vorgeschichten für Figuren waren. Da hatte fast jede Figur eine ellenlange Liste an Sachen, die sie noch zu erledigen, wen sie noch rächen, was sie wiederfinden musste... , dass es irgendwann schon wieder schwer wurde, gemeinsam auf Abenteuer zu ziehen und als Gruppe ein Ziel zu verfolgen.

In der nächsten Kampagne kamen dann alle aus einem Dorf.

Ich denke, es gibt da auch Pendelbewegungen.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Arkam am 6.08.2024 | 12:34
Hallo zusammen,.

das hängt auch vom Hintergrund ab.
Der von mir bespielte Hintergrund ist sehr hierarchisch. Es gibt neun soziale Stufen die in drei größeren Ebenen organisiert sind. Die Charaktere sind jetzt kurz davor die zweite Ebene, grob gesprochen  das Managment, zu erreichen. Die Leute die diese Ebene erreicht haben sehen sie jetzt als potentielle Verbündete oder Konkurrenten und versuchen sich ein Bild von ihnen zu machen.
Waren sie vorher nur Kanonenfutter so werden sie jetzt das erste Mal für die Spielwelt, außerhalb ihrer vorherigen Aufträge, interessant.

Bisher haben sich die Charaktere noch keine eigenen Ziele gesetzt. Das liegt aber sicherlich auch daran das ihre Charaktere in einer Diktatur mit einer extremen Überwachung leben in der Abweichler auch schnell ein Mal hingerichtet werden.
Hinzu kommt das es eine Vielzahl von Akteuren auf der Bühne gibt die verschiedene Ziele erreichen wollen und die Charaktere zumindest jeweils drei dieser Akteure angehören.
Ich hoffe das sich die Spieler jetzt dazu entscheiden welchem der Akteure sie wie stark verbunden sind und sich die entsprechenden Ziele zu eigen machen.

Allerdings entwickelt sich die Welt in einer Mischung aus Ergebnissen aus anderen Runden, Gedanken die ich mir zu den großen Zielen der Akteure, sozusagen ein überlegter aber nicht zu bespielender Metaplot und Ideen aus realen Dingen die ich auf die Spielwelt übertrage weiter.
Die Spieler bekommen diese Entwicklung über Nachrichten, eine Cyberware sorgt für ein Smartphone im Kopf, Handouts und manchmal auch durch NPCs vermittelt auch unabhängig von den Handlungen der Charaktere weiter.

Gruß Jochen
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: nobody@home am 6.08.2024 | 12:50
Ich meine, als halbwegs eingeschworener Fate-Fan bin ich das gelegentliche Nachdenken über Proaktivität sowieso seit spätestens 2013 gewöhnt, weil der Abschnitt "What Makes A Good Fate Game?" in Fate Core genau dieses Stichwort auch fallen läßt (da geht's dann allerdings auch eher allgemeiner darum, daß Fate-SC bitte nicht superzögerlich-abwartend vorgehen, sondern Probleme selber aktiv anpacken sollen und daß das Spiel das seinerseits auch belohnen und nicht abstrafen soll), aber ich denke, mit zum ersten Mal definitiv untergekommen ist er mir spätestens in meiner Hero-Fanphase in den frühen 90ern mit Champions 4E und "Aaron Allston's Strike Force" in der Originalversion -- ersteres als meine erste Begegnung mit einer formalen Spielertyp-Taxonomie und der definitiven Idee von Spielern, die schon selbst mit unterschiedlichen Wünschen ans Spiel herangehen und berücksichtigt werden wollen, letzteres insbesondere in seiner Eigenschaft als Setting- und Kampagnenbeschreibung aus persönlich leitender SL-Perspektive. Daß sich im Superheldengenre ein gewisses Maß an Proaktivität recht organisch allein schon aus "Wir können uns ja nicht immer bloß im Hauptquartier langweilen, wenn mal keine Krise vorliegt" ergibt (was ja auch gar nicht dem Quellmaterial entspräche), mag speziell dabei auch sein Scherflein beigetragen haben.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 6.08.2024 | 15:07
Du machst hier einen systematischen Fehler. Ich weiß nicht, ob auch die Autoren des Buches den machen. Hab ich nicht gelesen. Aber es macht wenig Sinn zu versuchen, sämtliches Tun im Rollenspiel auf einen Begriff herunterbrechen zu wollen. Ziemlich egal, welcher Begriff das ist.

Wir können auf bestimmte Techniken schauen. Du sprichst von "Spieler wählen für ihre SCs kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele". Das ist eine Technik. Sie hat dann wahrscheinlich eine Reihe weiterer dazu passender Techniken, um diese Ziele aufzunehmen.

Ich kann dir klar sagen, dass ich diese Technik so noch nicht benutzt habe. Also eine Klassifizierung von Zielen in unterschiedliche Weitegrade habe ich noch nie gemacht. Ziele an sich schon. Mal mehr oder weniger formell je nach Spiel.

Darüber kann man also reden. Das ist auch sofort verständlich. Wir können auch unterscheiden: Fordern wir so Ziele ein oder können Spielende die formulieren? Ist das ganz frei oder gibt es gewisse inhaltliche Anknüpfungspunkte, die verarbeitet werden sollten ("Warum bist du in Schnackpuck? Was willst du hier erreichen?") Wir können das auch anderen Techniken gegenüberstellen, also z.B. SL teilt fertige Charaktere inklusive individueller Ziele aus. Das wäre eine andere Technik mit ähnlichem Zweck.

Am Ende schreibst du aber jetzt doch auch um einen Definitionsgedanken herum. Gerade weil ich eigentlich auch der Meinung bin, dass man nicht alles in fixe Begrifflichkeiten pressen muss und offensichtlich ja selbst zu gängigen Begriffen wie Sandbox bzw. Railroading noch nicht mal eine 100%ige Definition besteht. Selbst hier existieren ja immer noch Auslegungsmöglichkeiten.

Ich habe ja versucht die Grundgedanken zusammen zu fassen. Die Spieler geben durch ihre Handlungen die Rahmen der Geschichte vor. Die Werkzeuge hat wie im umgekehrten Fall aber der SL alle in der Hand.  Es ist einfach eine Sichtweisenumkehr mit dem Ziel, den Spielern noch mehr das Gefühl zu geben, dass ihre Handlungen relevant sind und sie eben ihre Geschichte spielen. Das finde ich allerdings aus SL Sicht deutlich charmanter, wie die Sichtweise, dass ein SL quasi nur dazu da ist die Spieler glücklich zu machen und alles nach deren Mund designen muss. Das ist für mich ein kleiner aber feiner Unterschied, da hier der SL zwar Ziele und Wünsche der Spieler umsetzt, aber dennoch seine eigenen Ideen umsetzen und kreativ sein kann bis hin zu einem gewissen storydriven Element, dass mir bei reinem sandboxing fehlen würde. Er baut genauso wie im reaktiven Spiel seine Antagonisten, Plots und Dungeons auf. Aber eben immer mit dem Gedanken wie die Charaktere hierzu genau im Kontext stehen. 

Oder anders gesagt, es ist auch eine Form einer Heldenreise - deren Ende aber grundsätzlich durch ein Ziel bestimmt ist. Frodo hat den Ring in den Vulkan geworfen, der Bruder hat die tote Schwester gerächt, der Barde ist König des Reiches geworden, der Zwerg hat den sagenumwobenen Schatz des Drachens bekommen etc. Beim reinen Sandboxgedanken dürfte ja früher oder später immer die Frage im Raum stehen, wann man denn nun aufhört. Finde ich dann auch unbefriedigend oder man geht dann eben doch zum Schluss hin eher wieder auf eine Handlung die einfach ein Ende hat. So wie ich es in Serien ja auch persönlich auch lieber habe, dass die Charaktere am Ende einen runden Abschluss haben, anstatt nach zig Abenteuern einfach die Serie beliebig beendet wird.

Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 6.08.2024 | 15:20
Ein Ansatz/Frage dazu noch. Ich kann mir so ein Spiel auch eher nur in kleinen Runden vorstellen um allen gerecht zu werden. Hast du 6 oder 7 Spieler dürfte das auch schon wieder schwer werden oder es geht zu Lasten der Individualität.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: 1of3 am 6.08.2024 | 16:01
Cool. Dann sind wir uns ja grundsätzlich einig.

Wenn ich als SL so tun will, finde ich gewisse Dinge tatsächlich aber noch relevanter: NSCs, die ich benutzen kann. Die lasse ich mir gern von meinen Mitspieler*innen geben, so dass die SCs da eine Beziehung zu haben. Die kann ich dann in der Handlung verwursten. Was ich dann brauche ist die Freiheit, diese Figuren noch etwas nachzubiegen.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Irian am 6.08.2024 | 16:25
Letzten Endes scheint mir die Idee jetzt auch nicht soweit weg von dem, was typischerweise als Autoren-Weisheit verkauft wird, nämlich dass jede Geschichte eine charakterliche Entwicklung mind. eines Protagonisten oder einer Protagonistin braucht. Rahmenhandlung ist gut, aber die meisten, sagen wir mal "Ratgeber" stellen diese Entwicklung in den Vordergrund, gemeinsam damit, dass jeder Charakter auch mind. ein deutliches Ziel braucht (was durchaus auch ein "falsches" Ziel sein kann, im Gegensatz zu dem, was der Charakter eigentlich lernen muss). Dem (negativ) gegenüber gestellt werden Geschichten, in denen der Charakter nur "reagiert", keine eigenen Ziele verfolgt, etc.

Ähnlich ist es ja hier, in vielen Rollenspiel-Runden sind die Charaktere Spielbälle der Handlung. Die Handlung kommt zu ihnen und bestimmt, was sie als nächstes tun. Ein Problem wird bereitgestellt und gelöst. Nächstes Problem. Aber die Charaktere haben oftmals keine besonderen Ziele ("Level bekommen" gilt da eher nicht). Da kann man nun "Die Charaktere haben Ziele" nun groß "proaktiv" nennen, aber, wie gesagt, besonders "neu" ist das jetzt nicht.

Fiel mir nur so gerade als Vergleich auf, dass die Thematik nicht auf's Rollenspiel beschränkt ist.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: felixs am 6.08.2024 | 18:22
Möchte nur kurz einwerfen, dass eine von aussen an die Spielerfiguren herangetragene Handlung (oder Aufgabe) die Vorteile hat, dass sie 1) die ganze Gruppe betrifft und 2) planbar ist, z.B. in Form von sog. "Kaufabenteuern".

Spricht natürlich nichts dagegen, dass Figuren trotzdem eine (gern auch auformulierte) eigene Motivation haben dürfen, die in die Handlung eingebaut werden kann und soll.

Anders gesagt: Ich sehe keine Widerspruch dazwischen, dass Figuren einerseits eigene Motivationen mitbringen, andererseits aber auch noch welche von aussen (dazu) bekommen.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 6.08.2024 | 18:49
Ähnlich ist es ja hier, in vielen Rollenspiel-Runden sind die Charaktere Spielbälle der Handlung. Die Handlung kommt zu ihnen und bestimmt, was sie als nächstes tun. Ein Problem wird bereitgestellt und gelöst. Nächstes Problem. Aber die Charaktere haben oftmals keine besonderen Ziele ("Level bekommen" gilt da eher nicht). Da kann man nun "Die Charaktere haben Ziele" nun groß "proaktiv" nennen, aber, wie gesagt, besonders "neu" ist das jetzt nicht.

Das ist ja dann normales, reaktives Rollesnpiel (wie ich dank dem Buch jetzt weiß  ~;D). Wenn die Spieler das so wollen und mitgehen ist das ja imho auch vollkommen in Ordnung. Der Gedanke bzw. die Erfahrung der Autoren war jedoch, dass die Spieler viel mehr bei der Sache sind, wenn es eben Ziele und Themen sind, die sie selbst formuliert haben für ihren Charakter. Letzten Endes kann es sich da um zwei Seiten einer Medaille handeln.

Finde Herr der Ringe als Beispiel da ganz gut. Variante reaktives RPG: SL "Dein Charakter hat einen Ring, den er in einem Vulkan vernichten muss. Wenn du ihn anziehst kann es sein, dass dein Charakter dauerhaft böse wird bis hin zum NSC. Wenn du ihn anhast bist du unsichtbar und mächtig. Nach und nach schwächt dich der Ring. Was machst du als erstes?" In der Variante des proaktiven Spiels hat sich der Spieler ausgedacht: "Ich habe da so ein komisches Erbstück einen Ring. Der hat meinen Onkel schon ganz verrückt gemacht. Irgendetwas böses ist da im Ring, ein Fluch gar wenn man ihn benutzt. Und ich habe durch einen Magier erfahren, dass dieser Ring zerstört werden muss, sonst vernichtet er die Welt. Vielleicht!". Theoretisch kann der SL die ganze Geschichte wie oben benannt daraus machen. In Variante 1 bekommt ein Spieler die Sache aufgetragen und kann die toll oder nervig finden. In Variante 2 hat er halt Bock auf die Geschichte.

Aber tatsächlich braucht es halt auch Spieler die das aktiv möchten. Es gibt ja auch die anderen die "berieselt" werden möchten. Was imho vollkommen in Ordnung ist. Ein Freund von mir hat viel Stress auf der Arbeit und spielt gerne RPG. Hat dann aber keinen Bock auf irgendwelchen komplizierten Kram, sondern mag Action. Dem brauchst du nicht mit proaktiv etc. zu kommen. Wenn Aragorn ein proaktiver Spieler ist, der der verlorene Königssohn ist, der aber nicht sicher über sein Schicksal ist, sind Gimli und Legolas halt die mitlaufenden Klopper die einfach nur zum Kämpfen da sind.

Wenn man das so extrem durchzieht wie in dem Buch geschildert, bleibt imho aber auch wenig Platz für Kaufabenteuer. Aber ich denke die Idee richtet sich sowieso an homebrew Runden.

Wobei es natürlich aber auch nie in die Extreme gehen muss. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, hat  z.B. Critical Role ja schon hauptsächlich seine äußeren Handlungsstränge, widmet aber dennoch jedem Spieler auch seinen umfangreichen Handlungsstrang. Auch gut zu sehen in den beiden ersten Staffeln Vox Machina auf Prime.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 6.08.2024 | 19:00
Auf der anderen Seite gibt's natürlich den klassischen Topos "Die Bösen sind proaktiv und machen Ärger, die Guten reagieren nur"

Da das gut passt ein Beispiel wie der "Böse" da rein kommt bzw. in die reaktive Rolle gepresst wird. Der Böse hat selbst ja auch sein Ziel. Z.B. ich will den einen Ring bekommen. Und er sucht ihn vor sich hin, hat keine Ahnung von den Charakteren, bis er eben von einem beeinflussten Zauberer erfährt, dass der Ring gefunden wurde und der Träger ihn vernichten möchte. Hier kreuzen sich also die Ziele des Charakters mit dem Ziel des Antagonisten und letzterer wird zum Reagieren gezwungen. Immer wieder durch die Taten der Helden. Er schickt die Nazgul die von Gönnern der Charaktere mit ähnlichen Zielen (verhindere dass der Böse wieder an die Macht kommt) vertrieben werden bis hin zu einem Angriff auf Minas Tirith bzw. dem verzweifelten Hilferuf der Nazgul zum Schicksalsberg. Dabei hat der Antagonist selbst natürlich Leutnants die eigene Ziele haben, die sich aber auch mit denen des Antagonisten streifen (Rohan soll mir sein). Natürlich ist Herr der Ringe irgendwann auch kein gutes Beispiel mehr, da hier die Helden natürlich irgendwann auch zum Reagieren gezwungen sind. Aber viele Passagen passen da schon ganz gut zur Veranschaulichung.

Z.B. auch Encounter/Dungeons. Im Buch fragt Gandalf Frodo welchen Weg er nehmen möchte Moria oder Rohan an Sarumans Turm vorbei. Übersetzt würde der Spielleiter fragen, wo sie denn als nächstes lang gehen möchten und der oder die Spieler entscheiden und entsprechend wird der nächste Encounter mit allem vom SL vorbereitet. Und auch hier würde dann wieder geschaut werden wie die Story um die Geschichte des Spielers gewoben wird. Der Balrog hätte selbst gerne den Ring und ist hinter Frode her etc. Vielleicht hatte Gimlis Spieler auch eine Geschichte wegen derer er nach Moria wollte und hat mit Frodos Spieler das entschieden und er findet in Moria weitere Hinweise zu seinem Spiel etc.

So gesehen findet eigentlich eine Spiegelung des normalen Hergangs eines Abenteuers statt. Nicht der SL gibt es vor, sondern die Spieler. Allerdings ist es dann doch wieder der SL, der es entsprechend ausbaut und kann dabei zu einem ähnlichen Ergebnis kommen wie wenn es gerailroaded wäre. Allerdings hat der Spieler volle Kontrolle über das was sein Charakter macht und ist so viel mehr involviert und hoffentlich emotionalisiert. Ich würde das wirklich mal gerne in Reinkultur bei einer Gruppe erleben die so tickt. Geht schon ein stückweit ab von dem was ich bisher spiele und ist umgekehrt gefühlt aber doch so nah.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Irian am 6.08.2024 | 19:28
Finde Herr der Ringe als Beispiel da ganz gut. Variante reaktives RPG: SL "Dein Charakter hat einen Ring, den er in einem Vulkan vernichten muss. Wenn du ihn anziehst kann es sein, dass dein Charakter dauerhaft böse wird bis hin zum NSC. Wenn du ihn anhast bist du unsichtbar und mächtig. Nach und nach schwächt dich der Ring. Was machst du als erstes?" In der Variante des proaktiven Spiels hat sich der Spieler ausgedacht: "Ich habe da so ein komisches Erbstück einen Ring. Der hat meinen Onkel schon ganz verrückt gemacht. Irgendetwas böses ist da im Ring, ein Fluch gar wenn man ihn benutzt. Und ich habe durch einen Magier erfahren, dass dieser Ring zerstört werden muss, sonst vernichtet er die Welt. Vielleicht!". Theoretisch kann der SL die ganze Geschichte wie oben benannt daraus machen. In Variante 1 bekommt ein Spieler die Sache aufgetragen und kann die toll oder nervig finden. In Variante 2 hat er halt Bock auf die Geschichte.

Ich finde das Beispiel weniger gut, um ehrlich zu sein. Der Eine Ring ist schon ein arger Vorschlaghammer, der quasi automatisch ist, was dem Charakter PASSIERT, aber nichts, was der Charakter wirklich aus sich heraus plant. Es ist keine eigene Motivation des Charakters erstmal, sondern eine Reaktion (egal welche) auf etwas, das ihm passiert. Wenn ich also ein Rollenspiel so anfange, dann gebe ich quasi die Richtung schon vor - es warten Sauron, Nazgul, Menschen die den Ring wollen, etc. auf den Charakter.

Dementsprechend würde ich solche "riesigen" Dinge in so nem Spiel nicht am Anfang einwerfen, sondern sehen, was die Leute wollen. Der Charakter will Abenteuer erleben. Oder seine Ruhe haben. Oder sonstwas. Irgendwas, das aus ihm selbst wichtig ist. In nem Roman würde man ihn dann aus der Bahn werfen, z.B. indem der eine Ring wichtig wird, klassisch. Der Held wird, vielleicht zögernd, in eine völlig neue Richtung gedrängt. ABER das klappt halt in nem Roman, weil der halt eine fixe Geschichte erzählen will - in nem Rollenspiel, wo man Player Empowerment betreiben will und die Charaktere mehr agieren lassen will, ist das imho nicht ideal. Im Rollenspiel würde ich das aber, um ehrlich zu sein, gerade wenn der Fokus auf Charakterzielen liegen soll, nicht mit einem so drastischen Mittel wie dem einen Ring machen.

Dementsprechend: Sowas wie den einen Ring setzt du ein, wenn du eine "HdR" Kampagne planst. Wenn du willst, dass die SCs echte, eigene(!) Ziele haben, ist das aber vermutlich nicht völlig das wahre.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 6.08.2024 | 20:34
Das war natürlich mit dem Vorschlaghammer. Niemand würde einem Spieler so ein Artefakt in die Hand geben. Denke ich. Glaube ich  >;D

Aber es ging ja um die Verdeutlichung wie die Idee dahinter ist. Es sind mehr oder weniger die selben Gegenstände involviert, aber es gibt zwei gänzlich andere Herangehensweisen. Einmal knallt der SL dir die Geschichte hin und du sollst darauf reagieren und einmal ist es Teil der Hintergrundgeschichte des Spielers mit der dieser ankommt. Darin würde der Spieler ja vermutlich erstmal mit einem Ring ankommen oder dunklen Schwert dessen Hintergrund er heraus finden will. Gegen Ende seiner Abenteurerlaufbahn finder er dann heraus dass er den einen Ring oder Sturmbringer in Händen hält. Auf DnD Stufe 15 kann man sowas dann schon unter bringen und ggflls episch abschließen. Die Möglichkeiten sind ja unbegrenzt. Aber der Spieler ist hier derjenige der es angestoßen hat. In mir als SL weckt sowas gleich jede Menge Kreativität. Merke ich hier schon gedanklich beim schreiben. Ist auf jeden Fall leichter als sich etwas auf einem Blatt Papier von Grundauf neu zu überlegen und du weißt gleich, dass mindestens einer der Spieler schonmal an Bord ist wenn diesbezüglich etwas passiert
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Murphy am 6.08.2024 | 20:57
Ich sehe es so: Die SL sollte zwar jederzeit bereit sein, die Handlung über Bord zu werfen, wenn die Spielenden keine Lust auf den Plothook haben. Warum sich jetzt aber alles nur noch um Player Empowerment und zufällige Improvisierte Szenen drehen soll, erschliesst sich mir überhaupt nicht.

Ein "on the spot" ausgedachtes Ereignis (im Fachjargon auch "random shit", also RS, genannt) kann doch unter keinen Umständen so gut sein, wie eine sorgfältig "gecraftete" Dramaturgie? Ich sage nicht, dass RS nicht genauso viel Spass machen kann. Das ist Ansichts- und Geschmacksache. Wenn die Gruppe das lieber mag, ist das natürlich okay.

Aber wenn man einen Schritt heraus macht und sich das möglichst "objektiv" anschaut, kann eine auf der Stelle improvisierte doch unmöglich eine gleich gute Geschichte geben. Oder nur ganz selten und per glücklichem Zufall. Auch Beschreibungen von zuvor ausgedachten Szenen mit der passenden Musik sind doch viel "perfekter" als generische Beschreibungen, weil ich jetzt grad was liefern muss und ein Standard-Audioteppich dazu.

Das Paradebeispiel ist der immerwährende Tavernenbetreiber, der zu jeder Tages- und Nachtzeit Gläser, Humpen und Becher mit einem schmutzigen Lappen poliert.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Irian am 7.08.2024 | 05:59
Ich sehe es so: Die SL sollte zwar jederzeit bereit sein, die Handlung über Bord zu werfen, wenn die Spielenden keine Lust auf den Plothook haben. Warum sich jetzt aber alles nur noch um Player Empowerment und zufällige Improvisierte Szenen drehen soll, erschliesst sich mir überhaupt nicht.

Ich pers.(!) mische das auch eher. Die Ziele der Charaktere sind wichtig und ggf. auch wichtiger als irgendein anderer Plot, wenn die Spieler das wollen, aber Angebote für Plot gibt es durchaus. Welches davon sie annehmen, ist natürlich ihre Sache und das wird dann auch weiter ausgearbeitet, während andere Sachen evtl. nur im Hintergrund nebenher "fließen". Die Welt existiert halt einfach auch außerhalb der SC-Bubble.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Issi am 5.09.2024 | 07:08
Nicht viel Zeit und nicht alles gelesen, daher kurz:

1. Um wen soll sich das Ganze denn sonst drehen, wenn nicht um die SC?

Das jetzt als besonders spektakulär zu hypen, kann ich mir nur so erklären, dass es da draußen noch immer genug Spielleiter gibt, (die sich in ihre Abenteuer verlieben), und für die die Figuren ihrer Spieler austauschbar sind.

Das muss auch gar kein böser Wille sein, schließlich funktionieren viele Kaufabenteuer genau so.
Das Abenteuer steht, die Figuren sind austauschbar.

Keiner nimmt SL Frischlinge an die Hand, und sagt ihnen, dass das so nicht sein muss.
Zeigt Ihnen, wie man selbst Kaufabenteuer nachträglich personalisieren kann oder Abenteuer baut, die für die SC maßgeschneidert sind.

Man muss dazu sagen: Manche wollen das auch gar nicht.

Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Murphy am 5.09.2024 | 08:28
Ich habe lieber Geschichten, die in der Welt geschehen und auf die die SC reagieren können. Da wir ihre Geschichte erzählen, sind sie automatisch Mittelpunkt davon. Aber, dass sich die Welt so anpassen muss, damit die Geschichte möglichst egozentrisch wird, verstehe ich nicht. Weder als SL, noch als Spieler.

Und ja, ich schicke auch keine Gruppe von Piraten auf eine One-shot-Wüstenexpedition, aber es gibt Geschichten zu erleben und als welcher Charakter du da hineinstolperst ist tatsächlich Zufall (wie im Leben) und nicht so wichtig. Du löst die Probleme mit den Fähigkeiten, die dir gegeben sind. Wie auch sonst?

Sonst wären wir ja wieder beim Roman, den alle partout nicht spielen wollen, weil gescriptet. Wenn die Figur aber perfekt auf die Story geformt ist, bzw. umgekehrt, ist das doch auch wie im Roman und nicht wie im Leben.

Diese «neue» Art des Rollenspiels geht weiter als die Sandbox, da sie nicht nur offen ist (im Stile von: hier Sandkasten, gehe hin, wo du willst und tue, was du willst). Sie sagt sogar: Du willst einen Drachen zähmen? Dann ist da natürlich ein Drache. Was für ein Drache soll es denn sein? Are you happy, yet? Oder du willst ein mächtiges Artefakt wiederfinden? Selbstverständlich kannst du das Höhlensystem erkunden und am Ende den magischen Kristall finden. Bei mir ist es dann aber so: In der Zwischenzeit trägt leider niemand den Ring nach Mordor und die Welt geht unter.

Eine Nebenquest aus der Hintergrundstory eines Charakters einzufügen, dagegen habe ich nichts. Aber Wunschkonzert geht mir zu weit.

Dieses «ich will der Mittelpunkt sein und alles soll sich um mich und meine Wünsche drehen», scheint mir ein Gen-Z-Thema zu sein und sich daher natürlich auch im Rollenspiel niederzuschlagen. Drum ist es «modern». Mir persönlich geht da der Service-Gedanke als SL definitiv zu weit. Wenn es nur noch um spontane Bespassung und Befriedigung von Individualwünschen geht, könnte ich auch in der Kita arbeiten.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Boba Fett am 5.09.2024 | 08:58
Ich bin erst einmal pro proaktiv.
Denn, wenn die Spieler motiviert sind, dann befruchtet dies das Rollenspiel. Das finde ich allgemein besser, als wenn der Spielleiter Motivationen (Weltuntergang verhindern, Geld, irgendwas dazwischen) liefern muss.
Und das sehe ich auch unabhängig von Sandboxing. Wobei Sandboxing natürlich ohne Interesse und Motivation seitens der Spieler(-Charaktere) extrem schwer ist.
Aber proaktives Spiel kann ich überall betreiben. Man muss halt in der Lage sein, seinen Charakter zu formen.

Letztendlich ist proaktives Spiel doch das genaue Gegenteil von "mein Charakter ist halt so" Blockadehaltung... (These)

Was ich gern mag, ist, wenn man sich zum Anfang eines Charakters erst einmal vage aufstellt, was Motivationen und Hintergrund angeht und das sich dass dann mit der Zeit präzisiert - passend zur Kampagne. Ich komme nicht mit 10 Seiten Charakterbeschreibung zum Spiel. Wenn es 10 Worte sind, ist es schon viel.
Nach ein paar Sitzungen weiss ich dann, wie die Figur sich anfühlt und spielt, wie die Welt im Kopf des SpL funktioniert und in welche Richtung die Kampagne geht. Und dann entwickelt sich auch der Charakter backwards weiter. Und zwar, damit er proaktiv ist...

Ein Spielleiter, der erwartet, dass die Spieler gleich mit ihren Charakteren ankommen und konkret was wollen, wird meiner Auffassung nach oft Enttäuschungen erleben. Sowas klappt nur, wenn man seit Jahren bei dem SpL im gleichen Setting das gleiche System spielt. Also wenn die Umgebungsvariablen wirklich gut bekannt sind.
Sobald aber was neues dabei ist - woher soll ich wissen, wie der Spielleiter sich die Welt in der wir neuerdings spielen, vorstellt und ob mein Konzept da reinpasst. Und ja, er kann natürlich sich voll anpassen, weil er so superflexibel ist. Aber dann wird es eben auch schnell Wischi-Waschi, weil der Spielleiter mir keinerlei Rahmenbedingungen liefert und dann gibt es wenig, auf das ich meine Flexibilität beweisen kann.

Zum Thema Dienstleistung: Liefern müssen immer beide Seiten. Der SpL ist nicht der alleinige Bespaßer aber er ist nun mal der, der im Spiel eine leitende Funktion hat. Und das heisst für mich auch, dass er eben oft richtungsgebend mitwirkt.
Aber die Charakter-Spielenden müssen auch liefern. Motivation der Charakere, Ideen, Beteiligung... Irgendwo muss der Spielleiter ja auch seine Motivation bekommen.
Das ist keine One-Man Show aber auch kein Spontan-Theater... Es ist Rollenspiel.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Sphinx am 5.09.2024 | 09:16
Ich habe das Buch auch schon zur Hälfte durchgelesen (brauche aktuell ein zweites paar Augen, so viel wie ich Lesen möchte aber Zeitlich nicht schaffe). Ansich ist das ganze sehr schön beschrieben und es macht in der Tat lust so zu Leiten.
Tja wenn ich nicht schon mal so geleitet hätte und es schlechter funktioniert hat als "klassisch" zu Leiten. Ich bin allerdings sicher das es gut funktionieren kann Proaktiv zu spielen. Nur sind meine Spieler nicht dafür geeignet bzw. wollen nicht ihre Komfortzone verlassen. Zwar haben deren Charaktere zwar Ziele, aber sie versuchen sie irgendwie nicht richtig zu verfolgen.

Als ich meine ersten Gehversuche als DM hinter mir hatte, hab ich eine neue Gruppe gestartet. Die hatte ich von Anfang an Proaktiv geleitet, hat auch ganz gut funktioniert. Nur irgendwann haben die Spieler die Lust an ihrer eigenen Story verloren und wir haben gemeinschaftlich neu Angefangen, ein vorgefertigtes lineares AB zu spielen. Wo die allgemeine Meinung war das es so schöner ist zu Spielen.
Ich glaube das liegt maßgeblich daran wie voll das Leben der Spieler ist. Ich merke sehr häufig wie schwankend die Spieler "Leistung" ist, je nachdem wie Anstrengend das restliche Leben aktuell ist. Und ich hab viele mit vollem Terminplan. Da ist es vermutlich angenehmer einfach einem Strom zu folgen als konstant etwas aus eigenem Antrieb zu bewerkstelligen.
So wie ich nach einem anstrengendem Tag ehr sinnlos Youtube schaue als selbst ein PC Spiel zu spielen.

Ich Plane aber für vermutlich nächstes Jahr eine dritte Runde aufzubauen. Dort will ich die PF2 Königsmacher Kampagne Leiten. Die kann man als Sandbox mit Checkpoints auslegen und bietet sehr viel Platz für Proaktives Rollenspiel mit einem Mantel einer vorgegebenen Story. Ich hoffe das ich dort das beste aus beiden Welten Kombinieren kann. Dort werde ich dann auch entsprechende Sorgfalt bei der Spielerauswahl walten lassen. Damit ich Spieler habe, die eben Spaß dran haben ihren Charakter Proaktiv zu spielen. Bin sehr gespannt wie das Experiment ausgeht.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: unicum am 5.09.2024 | 09:38
Ich denke bei dieser Art zu spielen ist es noch wichtiger als bei anderen Spielarten das die Gruppe einfach passt.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Yney am 5.09.2024 | 09:42
Ich habe lieber Geschichten, die in der Welt geschehen und auf die die SC reagieren können. Da wir ihre Geschichte erzählen, sind sie automatisch Mittelpunkt davon. Aber, dass sich die Welt so anpassen muss, damit die Geschichte möglichst egozentrisch wird, verstehe ich nicht. Weder als SL, noch als Spieler.

Und ja, ich schicke auch keine Gruppe von Piraten auf eine One-shot-Wüstenexpedition, aber es gibt Geschichten zu erleben und als welcher Charakter du da hineinstolperst ist tatsächlich Zufall (wie im Leben) und nicht so wichtig. Du löst die Probleme mit den Fähigkeiten, die dir gegeben sind. Wie auch sonst?

Das bringt es auch für meine Spielweise wunderbar auf den Punkt. Die Welt ist da und natürlich überlege ich mir Ansätze, die den Spielern einen Einstieg in eine Geschichte bieten könnten, ich zimmere diese aber nicht auf die Fähigkeiten eines Spielers hin. Meine Erfahrung lehrt mich: Die Ansatzpunkte da mit ihrem Möglichkeiten zurecht zu kommen, finden die Spieler ganz von alleine. Das beinhaltet natürlich immer auch, dass sie ein Problem eben nicht lösen oder sich einer Situation nicht stellen. Ein Beispiel dazu:

Eine relativ neue Gruppe suchte Nachts Schutz vor dem Regen in einer teils verfallenen herrschaftlichen Villa. Da geschahen dann so manche leise aber doch gruselige Dinge. Ein Spieler meinte dann: „Also ich weiß ja, dass du da wohl eine Geschichte versteckt hast. Aber mein Charakter würde jetzt am liebsten einfach nur davonrennen." Darauf meinte ich: „Spiel ihn, wie du das willst.“ Und er: „Waaaaaaaaahhh!“ und die anderen hinterher. Wir haben herzlich gelacht (und damit die gruselige Anspannung aufgelöst) und die Spieler hatten sich ein Stück weiter in ihre Figuren eingefühlt – ein schöner Spieltag.

Denn im Sinne von Boba Fett ist eine neue Spielfigur vielleicht in ihren Daten klar angelegt, aber der Charakter ist deshalb noch lange nicht fertig. Ich tendiere darum auch dazu zu Beginn nicht all zu viel an Dingen zu Letzterem festzulegen. Der Spieler hat eine Vorstellung, aber die kann und wird sich im Verlauf des Spiels ändern. Gerade das ist doch eine ungemein spannende Geschichte.

Ob das nun „neu“ proaktiv ist oder „alt“ eine Sandkastenvariante, traue ich mich nicht festzulegen.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Tudor the Traveller am 5.09.2024 | 09:46
Kurz vorm Urlaub wird mein Kopf scheinbar
Im Kern ist der Ansatz eigentlich der, dass sich alles um die Charaktere und ihre Ziele dreht. Die Spieler definieren hierbei (kurz-, mittel- und langfristige) Ziele ihrer Charaktere und darum dreht sich dann eigentlich die ganze Runde. Der SL wiederum hat die Aufgabe Hindernisse zu den Zielen zu bauen bzw. letzten Endes die Abenteuer hierzu zu gestalten. D.h. ein wenig liegt die Arbeit insofern bei den Spielern, als dass sie quasi vorgeben, was sie als nächstes spielen/angehen möchten und der SL kann sich dann daran machen und das Szenario ausarbeiten oder eben improvisieren.

Wenn das die Kernaussage dieser Herangehensweise ist, habe ich meine Zweifel, dass das in der Praxis gut funktioniert.

Für ein längerfristige Spiel benötigt jede Gruppe ein verbindendes Element. Das liefert für die Gruppen, die ich kennengelernt habe, meistens der Plot. Weil die SC da mal mehr mal weniger zufällig mit konfrontiert sind als diejenigen, die das Problem lösen müssen. Und dafür sind die in der Regel aufeinander angewiesen.

Wir kennen dabei alle diese Diskussionen, wie jetzt Paula Paladin ausgerechnet mit einem Dieb und einem Barbar durch die Gegend ziehen sollte. Die imo häufigste Lösung ist dabei, dass sie anfangs eben im gleichen Boot sitzen und sich zusammen raufen müssen. Danach kennt man sich und es läuft eigentlich ganz gut, also macht man weiter, man hat ja eh nichts besseres vor. Oder die Kampagne lässt einen gar nicht aus dem Boot raus.

Wenn jetzt individuelle Charakterziele die Handlung treiben, braucht es ein solches verbindendes Element. D.h. imo, dass es ein übergeordnetes gemeinsames Ziel oder eine andere Verbindung geben muss (z.B. ein Versprechengegenseitiger Unterstützung). Anderenfalls wüsste ich nicht, warum die Gruppe der SC zusammen bleiben sollte. Und da bin ich skeptisch, dass sich so ein verbindendes Element nicht schnell konstruiert anfühlt.

1. Um wen soll sich das Ganze denn sonst drehen, wenn nicht um die SC?

Das jetzt als besonders spektakulär zu hypen, kann ich mir nur so erklären, dass es da draußen noch immer genug Spielleiter gibt, (die sich in ihre Abenteuer verlieben), und für die die Figuren ihrer Spieler austauschbar sind.

Das muss auch gar kein böser Wille sein, schließlich funktionieren viele Kaufabenteuer genau so.
Das Abenteuer steht, die Figuren sind austauschbar.

M.E. sind in den allermeisten Geschichten die Figuren ziemlich austauschbar. Nimm mal den Herrn der Ringe. Weder für Frodo noch irgendwen sonst stehen persönliche Ziele im Vordergrund. Klar, ein paar Dinge wären mit anderen Figuren nicht möglich, z.B. die Sache mit Aragorn und Gondor. Aber die wesentliche Handlung wäre imo auch mit anderen Figuren sehr ähnlich.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: nobody@home am 5.09.2024 | 11:54
Daß eine Gruppe von Charakteren, die längerfristig zusammen gespielt werden wollen, besser auch ein paar gemeinsame Gruppenziele haben sollte, ist mMn einigermaßen trivial. Das läßt sich aber mit Spielern, die auf gemeinsames Spiel mit genau diesen fiktiven Typen Wert legen, normalerweise (klopf auf Holz) auch recht einfach arrangieren.

Das bringt mich auf zwei Punkte, um die es meinem Verständnis nach beim "proaktiven" Spiel per Voreinstellung gerade nicht gehen sollte:

1.) Triviale Erfüllung von Charakterwünschen. Abgesehen davon, daß das Charaktere und Spieler in einen Topf wirft, dann kräftig umrührt und dabei geflissentlich ignoriert, daß Spieler und Charakter ja von vornherein schon durchaus unterschiedliche Ziele haben können, lebt "Abenteuer" ja gerade von den Problemen, mit denen es so ein Protagonist zu tun bekommt, während er andere Absichten verfolgt.

2.) Zuschanzen von möglichst viel Spotlight an Rampensäue oder SL-Favoriten. Das ist eine Falle, in die ich als SL im Prinzip tappen kann, wenn ich einen zu starken Tunnelblick speziell auf die Interessen einzelner Spieler entwickle und darüber aus dem Auge verliere, daß der Rest der Gruppe ja auch noch mit am Tisch sitzt. Es ist aber schon einigermaßen wichtig, daß die Spielgruppe (SL eingeschlossen) als Ganzes ein paar gemeinsame Vorstellungen davon hat, wo die Reise hingehen soll.

Dabei kann "Warten wir mal ab, mit was für einem Abenteuer die SL uns als nächstes bewirft" als gelegentliche Spielerstimmung absolut ganz unproblematisch sein. Schwierig wird das proaktive Spiel aber dann, wenn entweder die Spieler über eine zunehmende Zahl an Sitzungen nie etwas anderes wollen oder aber die SL nie etwas anderes zuläßt.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 5.09.2024 | 12:26
Diese «neue» Art des Rollenspiels geht weiter als die Sandbox, da sie nicht nur offen ist (im Stile von: hier Sandkasten, gehe hin, wo du willst und tue, was du willst). Sie sagt sogar: Du willst einen Drachen zähmen? Dann ist da natürlich ein Drache. Was für ein Drache soll es denn sein? Are you happy, yet? Oder du willst ein mächtiges Artefakt wiederfinden? Selbstverständlich kannst du das Höhlensystem erkunden und am Ende den magischen Kristall finden. Bei mir ist es dann aber so: In der Zwischenzeit trägt leider niemand den Ring nach Mordor und die Welt geht unter.

Nein, ganz so ist das ja eben gerade nicht aufgebaut. So wie ich es verstanden habe - und ich muss das Buch eben auch nochmal lesen - ist die Idee ja geteilt und dennoch verwoben mit einer etwaigen Kampagnenhandlung. Als extrem verkürztes Beispiel zu deinem Beispiel um es etwas verständlicher zu machen:

Das Ziel des Charakters ist einen Drachen zu zähmen. Das wäre das Endziel - darauf arbeitet der Charakter also hin. Das würde er dann also mit Stufe 15 oder 20 z.B. erhalten. Auf dem Weg dorthin muss er aber erstmal genügend Zwischenziele erreichen bzw. dann auch definieren.

Also z.B. Wo finde ich eigentlich einen Drachen? Wie mache ich das überhaupt etc.? Das heißt der vom Spieler definierte Zwischenschritt 1 könnte sein, dass er erstmal Bibliotheken/Gelehrte oder ähnliches mit Hinweisen zu der Thematik besucht.

Jetzt findet er einen Hinweis, dass Bibliothek XY angeblich ein Buch darüber hat. Er kommt dort an und sie ist niedergebrannt von Orklplünderern whatever. Er erfährt, dass der Gelehrte XY wohl von den Orks verschleppt wurde und das Wissen aller Bücher im Kopf hat. Er versucht ihn zu retten und findet heraus, dass es den "bösen" Schurken Z gibt, der das Land erobern möchte und dazu selbst einen Drachen beherrschen möchte, da dieser die ultimative Waffe ist. So verwebt sich dann der Hintergrund des Charakters mit dem eigentlichen Kampagnenhintergrund.

Ähnlich werden dann die Geschichten der anderen Charaktere verwoben. Als Beispiel wurde im Buch z.B. genannt - ein Charakter hat ein altes Familienartefakt von dem aber keiner weiß was es genau ist und wie es funktioniert. Aber es ist voller Magie und der Charakter möchte in einer Bibliothek etc. etwas hierzu heraus finden und so hat auch er Interresse daran den entführten Gelehrten zu finden (im Buch ging es im Beispiel konkret um den einen Ring und Frodo. Im Rollenspiel wäre es viel mehr darum gegangen heraus zu finden was denn dieses Artefakt ist und was es kann. Und das als Endziel für den Charakter).

Ich kann das natürlich nicht ganz so darstellen wie im Buch. Dort hat sich das halt auch einfach viel organischer gelesen wie man das umsetzen und leben kann. Eben nicht unbedingt nach Charaktersandbox wie es sich hier ein wenig liest, sondern dennoch auch mit einer Kampagne/Geschichte bei der auch der SL Spaß hat. Denn der soll imho ja schon auch seinen Spaß haben und nicht nur Unterhalter der Spieler sein.

Und es geht nicht darum den Spielern alles ihre Allmachtsfantasien und Wünsche zu erfüllen. Sie sollen etwas dafür tun. Der Weg definiert sie auch weiter als Charaktere.

Ich denke bei dieser Art zu spielen ist es noch wichtiger als bei anderen Spielarten das die Gruppe einfach passt.

Das sehe ich auch als unbedingt wichtig an. Denn zwangsweise wird ja der ein oder andere Charakter an bestimmten Abend ein vermehrtes Spotlight haben bzw. es muss auch die Notwendigkeit geben, sich mal einem Charakter anzuschließen als Gruppe und ihn zu unterstützen bei seiner Queste. Das muss dann von den Spielern her aber eben auch den Charakteren her passen.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 5.09.2024 | 12:44

Tja wenn ich nicht schon mal so geleitet hätte und es schlechter funktioniert hat als "klassisch" zu Leiten. Ich bin allerdings sicher das es gut funktionieren kann Proaktiv zu spielen. Nur sind meine Spieler nicht dafür geeignet bzw. wollen nicht ihre Komfortzone verlassen. Zwar haben deren Charaktere zwar Ziele, aber sie versuchen sie irgendwie nicht richtig zu verfolgen.

Als ich meine ersten Gehversuche als DM hinter mir hatte, hab ich eine neue Gruppe gestartet. Die hatte ich von Anfang an Proaktiv geleitet, hat auch ganz gut funktioniert. Nur irgendwann haben die Spieler die Lust an ihrer eigenen Story verloren und wir haben gemeinschaftlich neu Angefangen, ein vorgefertigtes lineares AB zu spielen. Wo die allgemeine Meinung war das es so schöner ist zu Spielen.
.
.
Ich Plane aber für vermutlich nächstes Jahr eine dritte Runde aufzubauen. Dort will ich die PF2 Königsmacher Kampagne Leiten. Die kann man als Sandbox mit Checkpoints auslegen und bietet sehr viel Platz für Proaktives Rollenspiel mit einem Mantel einer vorgegebenen Story. Ich hoffe das ich dort das beste aus beiden Welten Kombinieren kann. Dort werde ich dann auch entsprechende Sorgfalt bei der Spielerauswahl walten lassen. Damit ich Spieler habe, die eben Spaß dran haben ihren Charakter Proaktiv zu spielen. Bin sehr gespannt wie das Experiment ausgeht.

Das kann ich sehr gut nachvollziehen und mache ähnliche Feststellungen auch schon bei meiner Gruppe. So sind das nur drei Spieler - was der Sache natürlich enorm hilft - aber jeder komplett unterschiedlich. Tatsächlich schätze ich die z.B. so ein, dass die auf Sandboxspiel überhaupt keinen Bock haben, da ihnen etwas definierendes fehlen würde. Die mögen eine durchgängige Handlung. In die sie zwar selbst eingreifen und Dinge bewegen können, aber sie mögen die durchgängige Story. D.h. letzten Endes hätten die mit railroading Szenen auch wenig Probleme so lange sie gut sind. So lange es auch in der Charakterwelt irgendwie logisch erscheint, haben sie auch für sich keine Probleme damit, als Gruppe gemeinsam ein Ziel zu verfolgen, auch wenn es vielleicht Charaterplots gäbe die eigentlich wichtiger wären.

Ich hatte es an anderer Stelle schon geschrieben - zwei Charaktere sind jetzt mehr mit ihrem Hintergrund miteinander verwoben und ihre Spieler finden das ziemlich gut und folgen der Story nun. Der dritte im Bunde hätte eigentlich auch seine eigenen Themen, spielt seinen Charakter aber umgekehrt auch so aus dass es passt. Von der Hintergrundgeschichte spielt er einen Elben und dieses Volk ist in meinem Setting extrem selten und eigentlich auch nicht gerne gesehen von der menschlichen Bevölkerung. So ist es für seinen Charakter so, dass er für sich Freunde in den beiden anderen Charakteren gefunden hat und seine Ziele erstmal den Zielen seiner Freunde unterordnet. Und das wirkt stimmig und macht Spaß.

Am Ende versuche ich aber genau das zu machen, was du als nächstes angehen möchtest. Sämtliche Charakterziele sind verwoben mit dem großen Hintergrund der Kampagne, so dass noch eine "übergeordnete" Haupthandlung existiert, die "neutral" ist und als gemeinsames Partyziel betrachtet werden kann ohne dass es explizit um den Hintergrund des einzelnen Charakters geht. Denn nur rein Charakterhintergründe auszuspielen halte ich ab einem gewissen Punkt dann auch wieder für schwierig bzw. nicht ganz so spannend. Wobei das Buch hier in die Richtung viel klarer ist und eben nicht trennt und sagt dass es nur um die Charakterhintergründe geht. Es soll eben auch um eine gemeinsame Geschichte gehen, denn sonst wird es z.B. schwierig alle betreffende und berührende Antagonisten zu schaffen.
Zumindest dürfte das in meiner Runde so sein. Ich bin gespannt wie in die Richtung die nächsten Sitzungen laufen werden. Gerade die übernächste Sitzung wird z.B. sehr stark in Richtung proaktives Rollenspiel gehen und ich bin gespannt wie es werden wird und die Spieler darauf reagieren werden.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: nobody@home am 5.09.2024 | 12:46
Ähnlich werden dann die Geschichten der anderen Charaktere verwoben. Als Beispiel wurde im Buch z.B. genannt - ein Charakter hat ein altes Familienartefakt von dem aber keiner weiß was es genau ist und wie es funktioniert. Aber es ist voller Magie und der Charakter möchte in einer Bibliothek etc. etwas hierzu heraus finden und so hat auch er Interresse daran den entführten Gelehrten zu finden (im Buch ging es im Beispiel konkret um den einen Ring und Frodo. Im Rollenspiel wäre es viel mehr darum gegangen heraus zu finden was denn dieses Artefakt ist und was es kann. Und das als Endziel für den Charakter).

So etwas in der Art ist mir auch mal als Charakterkonzept im Kopf herumgegangen. So in der Art "Mein Charakter ist der letzte McGuffin, von dem er weiß, und legitimer Erbe des magischen Familienamuletts, dessen Kräfte er aber noch lange nicht komplett beherrscht. Außerdem ist er auf der Suche nach seinem verschollenen Vater und stößt dabei auf diverse Fieslinge, die es aus verschiedenen Gründen auch auf das Amulett abgesehen haben..."

Inwieweit dieser spezielle Charakter dann in eine Gruppe passen würde, hinge mit von den anderen Teilnehmern ab. Denn in eine Kampagne, bei der sich von vornherein abzeichnete, daß 'mein' Plot nicht genügend Luft zum Atmen bekäme, bräuchte ich den natürlich erst gar nicht mitzunehmen, und umgekehrt will ich auch niemandem sonst dessen Schau stehlen -- also wäre die Frage, ob ich ihn überhaupt spiele oder nicht doch ein anderes Konzept aus dem Ärmel schüttle, mit Teil der Verhandlungsmasse.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Issi am 5.09.2024 | 13:48

M.E. sind in den allermeisten Geschichten die Figuren ziemlich austauschbar. Nimm mal den Herrn der Ringe. Weder für Frodo noch irgendwen sonst stehen persönliche Ziele im Vordergrund. Klar, ein paar Dinge wären mit anderen Figuren nicht möglich, z.B. die Sache mit Aragorn und Gondor. Aber die wesentliche Handlung wäre imo auch mit anderen Figuren sehr ähnlich.
Frodo ist ein unbeschriebenes Blatt.
Ein überaus menschlicher Charakter, wie Hobbits im allgemeinen (Naturverbunden, Heimatverbunden, kleine Genießer, die das einfache Leben zu schätzen wissen)
Damit ist er das ideale Vehikel für die Leser und Zuschauer, da sich so gut wie jeder mit ihm identifizieren kann.
(Wer isst nicht gerne leckere Dinge ? Und wer hätte nicht gerne ein gemütliches Zuhause in einer friedlichen Umgebung?)
Eben das gilt es letztlich auch zu verteidigen.

Edit folgt
Die Botschaft ist ja im Grunde die, dass es Situationen (Bedrohungen) geben kann, in denen sich auch die einfachen Leute nicht mehr raushalten können.
Dazu kommt, dass Hobbits ihr Auenland idR. nicht verlassen, und den Rest der Welt quasi erst entdecken müssen, genau wie die Leser.
Wenn man zudem davon ausgeht, dass die meisten Leser/Zuschauer keine abgebrühten Superstars sind, sind Hobbits quasi ideale Figuren.

Für Fantasywelten bieten sich tatsächlich Figuren an, die sich
1. Noch fürchten können
2. menschlich zeigen
3. In der Welt noch ebenso wenig auskennen, wie der Leser/ Zuschauer selbst.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Raven Nash am 5.09.2024 | 14:10
Damit ist er das ideale Vehikel für die Leser und Zuschauer, da sich so gut wie jeder mit ihm identifizieren kann.
Ich konnte die Hobbits generell nie leiden, nichtmal mit 13, als ich den Herrn der Ringe zum ersten Mal gelesen hab. Und wie eigentlich bei jedem, mit dem ich je darüber geredet hab, war meine Lieblingsfigur Aragorn.
Ich hab ja den Verdacht, dass nur die Leute Hobbits toll finden, die keine realen Bauern kennen...

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass jeder ersetzbar ist. Im Real Life wie im RPG.
Im Verlauf einer Kampagne - gerade in einer Sandbox - sollte sich das Ensemble auch irgendwann verändern. Wie bei einer TV-Serie sollte der ein oder andere Charakter auch mal sterben oder schlicht ausscheiden, sonst wird's zu einer Soap (und ich hasse Soaps...).
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: nobody@home am 5.09.2024 | 14:35
Ich hab ja den Verdacht, dass nur die Leute Hobbits toll finden, die keine realen Bauern kennen...

Frodo ist ja auch kein Bauer. Der ist, wenn ich mich recht entsinne, genauso wie Merry und Pippin eher so was wie hobbitscher Flachadel -- hat nicht unbedingt große formelle Autorität, aber doch ein relativ sorglos-bequemes Leben, ohne daß man je sieht, wo das Geld dazu eigentlich herkommt. Von "niederem" Stand ist in der ganzen Gruppe eigentlich nur Sam, und der wiederum hat's durch seine gute Beziehung zu Herrn Frodo seinerseits nicht ganz schlecht.

Klar, nicht jeder muß romantisierte Engländer aus Serien wie "Der Doktor und das liebe Vieh (https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Doktor_und_das_liebe_Vieh_(Fernsehserie,_1978))" im Halbmaß unbedingt mögen, und so viel mehr sind Hobbits denn ja auch nicht. :) Aber für den Zweck der jeweiligen Geschichten, auch des HdR, kann ich mit ihnen leben.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 5.09.2024 | 14:49
Die Hobbits haben 4 mal erfolgreich verhindert, dass ich Herr der Ringe gelesen habe. Beim 5. Versuch bin ich dann über den Beginn in Hobbingen hinaus gekommen  ~;D Also mit identifizieren war da nicht viel bei mir.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: nobody@home am 5.09.2024 | 14:59
Jedenfalls ist, denke ich, eins richtig: speziell Frodo ist kein besonders proaktiver Charakter. Der wird definitiv mehr von den Umständen durch die Gegend gescheucht, und auch, wenn er dazu nach Kräften eine gute Miene macht, hat er weniger klare eigene Ziele als selbst sein Diener Sam (der einfach nur die Sache hinter sich bringen, mit Herrn Frodo wieder ins Auenland zurückkehren, und sein Mädel heiraten will).

Inwieweit das jetzt ihre jeweiligen Spieler reflektiert, ist natürlich Spekulation. ;)
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: aikar am 5.09.2024 | 15:06
Um auf die Eingangsfrage einzugehen (ohne das Buch gelesen zu haben, nur von dem was ich hier entnehme):

Die grundsätzliche Unterscheidung für mich ist, sind die Charaktere proaktiv und frei bezüglich ihrer Handlungen in der Welt? Dann ist es eine Sandbox.
Oder sind die Spieler:innen proaktiv und (bis zu einem gewissen Grad) frei in ihrer Mitgestaltung der Kampagne und der Welt auf einer Meta-Ebene (wie es hier in einigen Beispielen genannt wurde)? Dann ist es Player Empowerment.

Beides KANN gleichzeitig auftreten, muss es aber nicht. Beides ist wie schon gesagt wurde nicht neu.

Ich kann eine Sandbox haben, bei der nur die SL auf der Metaebene operiert und die Spieler:innen nur auf Charakterebene (typisches OSR-Spiel).
Ich kann aber auch Spiele haben, bei denen die ganze Gruppe auf der Metaebene agiert, aber die Optionen der Charaktere eingeschränkt sind (weil man sich z.B. auf grundlegende Faktoren geeinigt hat).

Als weitere (und wohl recht häufige) Variante gibt es die Möglichkeit, dass die SL die Kampagne auf den von den Spieler:innen definierten Charakterhintergründen aufbaut, nach dem Kampagnenstart die Spieler:innen aber keine Mitsprache mehr auf der Metaebene haben.


Und zum Hobbits-Subthema  ;): Der Reiz an den Hobbits ist für mich, dass sie sich einer Situation und Herausforderungen stellen, die weit über ihrem Level sind, und daran wachsen und sich verändern.
Aragorn ist am Anfang der Auserwählte (Isildurs Erbe und Numenorer-Übermensch) und er ist am Schluss genau derselbe, nur mit Zauberschwert, Krone und Elfenprinzessin (die er eigentlich auch von Anfang an hat). Damit ist er für mich genauso mäßig interessant wie Space Marines bei WH40k. Beides sind einfach Teenager-Powerfantasien.  ~;D

Jedenfalls ist, denke ich, eins richtig: speziell Frodo ist kein besonders proaktiver Charakter
Jein. Frodo ist zu dem Zeitpunkt (bzw. ab dem Zeitpunkt) ein proaktiver Charakter, als er sagt "Keinem von euch ist mit dem Ring zu trauen, ich mach mich alleine auf den Weg". Aragorn hat meiner Meinung nach nur eine proaktive Handlung, als er sich entschließt, zum Tor von Mordor zu ziehen, um Frodo Zeit zu erkaufen.
Letztendlich ist es aber natürlich etwas müßig, das zu klassifizieren, weil es Romanfiguren und damit per Definition nicht proaktiv im Rollenspielsinne sind. Relevant wäre es, wenn es Spieler:innen gäbe, die Entscheidungen treffen oder aktiv Charakterthemen einbringen.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Kurna am 5.09.2024 | 15:23
Zitat
Zitat von aikar:
Jein. Frodo ist zu dem Zeitpunkt (bzw. ab dem Zeitpunkt) ein proaktiver Charakter, als er sagt "Keinem von euch ist mit dem Ring zu trauen, ich mach mich alleine auf den Weg". Aragorn hat meiner Meinung nach nur eine proaktive Handlung, als er sich entschließt, zum Tor von Mordor zu ziehen, um Frodo Zeit zu erkaufen.
In den Palantir zu schauen, würde ich bei Aragorn mindestens auch noch als proaktiv zählen.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 5.09.2024 | 15:48
Jedenfalls ist, denke ich, eins richtig: speziell Frodo ist kein besonders proaktiver Charakter. Der wird definitiv mehr von den Umständen durch die Gegend gescheucht, und auch, wenn er dazu nach Kräften eine gute Miene macht, hat er weniger klare eigene Ziele als selbst sein Diener Sam (der einfach nur die Sache hinter sich bringen, mit Herrn Frodo wieder ins Auenland zurückkehren, und sein Mädel heiraten will).

Inwieweit das jetzt ihre jeweiligen Spieler reflektiert, ist natürlich Spekulation. ;)

Der klassische proaktive Charakter in dem ganzen ist eigentlich Aragorn "ich bin ein verlorener Königssohn, wehre mich aber gegenüber meinem Schicksal. Zusammen mit meinen Boyz bekämpfe ich Orks in Eregion - und zack stolpert er über den Frodospieler.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Boba Fett am 5.09.2024 | 15:57
Man sollte eines nicht vergessen:
   Die Leute, die gemeinsam am Tisch sitzen, die wollen spielen.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Die haben sich nicht überreden lassen, weil sie nichts besseres zu tun haben und werden auch nicht nach Stunden bezahlt...
Man trifft sich und will was zusammen machen - spielen, was erleben...
Wenn der Spielleiter nun was präsentiert, dann steigen die Spieler mit ihren Charakteren normalerweise immer auf das Angebot ein.

"Entschuldigung, aber nein, das Angebot, ein Abenteuer zu erleben, berühmt und reich zu werden, muss ich ablehnen, mein Charakter hat noch Termine und das Angebot fixt mich nicht an, weil es kommen keine rosa Hasen vor und mein Charakter ist wirklich nur und ausschließlich an rosa Hasen interessiert."
So etwas macht doch keiner mehr. Oder wenn doch, dann ist der Mitspielende selbst schuld, wenn er heimgehen darf und die anderen ohne Ihn Spaß haben.

Klar ist es cool, wenn das Gespielte es schafft, die Interessen zu triggern und genau so sollte ein Spielleitender es auch beachten, die Interessen einzuholen und daraus was zu machen oder seine Ideen entsprechend passend anzupassen. Denn
"We are the honorable knights of the round table!" - "Dieses wird eine Diebeskampagne!" ..ist genauso blöd.

Letztendlich trifft sich doch wieder alles in der Mitte. Die Leute (Spielleitende inkludiert) haben Ideen, Vorstellungen, Erwartungen und Wünsch und daraus schneidert man eine möglichst elegant sitzende Melange die für jeden was bietet.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Raven Nash am 5.09.2024 | 16:19
Und zum Hobbits-Subthema  ;): Der Reiz an den Hobbits ist für mich, dass sie sich einer Situation und Herausforderungen stellen, die weit über ihrem Level sind, und daran wachsen und sich verändern.
Aragorn ist am Anfang der Auserwählte (Isildurs Erbe und Numenorer-Übermensch) und er ist am Schluss genau derselbe, nur mit Zauberschwert, Krone und Elfenprinzessin (die er eigentlich auch von Anfang an hat). Damit ist er für mich genauso mäßig interessant wie Space Marines bei WH40k. Beides sind einfach Teenager-Powerfantasien.  ~;D
Verändern tut sich in Wahrheit keiner von Tolkiens Charakteren. Aragorn hat am Anfang keinerlei Machtbefugnis - nirgendwo. Nichtmal in Bruchtal hat er was zu sagen. Auf sein Erbe gibt ihm keiner auch nur einen Laib Brot. Am Ende kriegt er einfach das, was ihm von Anfang an zusteht.
Und die Hobbits sind am Ende genauso bäurischer Landadel, wie am Anfang. Nur mit PTBS.  >;D

Proaktiv ist in Wahrheit auch keiner. Der einzige proaktive Charakter ist Sauron - der treibt seine Pläne tatsächlich voran.

Ist doch auch im RPG so: ohne einen proaktiven BBG gibt es eher wenige Abenteuer. Je nach Einflussbereich dieses BBG sind die dann eben größer oder kleiner. Oder es gibt mehrere BBG, die alle ihre eigenen Ziele verfolgen.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Issi am 5.09.2024 | 17:12
In vielen "Geschichten " starten die Protagonisten als Unbekannte um sich im Lauf der Story zum Helden zu entwickeln.

Die Frage ist für mich deshalb vielmehr:
Wer denkt sich bessere Situationen aus,  um den Rohdiamanten zu schleifen :
Die betroffenen Spieler oder der Spielleiter ?
(Solche Dinge können ja uU. auch unangenehm und lebensgefährlich für die SC sein.)

Meine These: Kann man nicht pauschal sagen.
Manche Spieler sind da mutiger andere nicht.

Will sagen: Proaktiv sein ( im Sinne einer  echten Herausforderung)ist nicht für jeden was.

Edit.
Es gab zum Beispiel schon etliche Situationen in denen ich froh war, dass sich der Spielleiter die Gemeinheiten ausgedacht hat, mit der meine Figur herausgefordert wurde.
Erstens war es dann noch überraschend.
Zweitens neigen Viele Spieler dazu, ihre Figur besonders zu schützen
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 5.09.2024 | 17:12
Proaktiv ist in Wahrheit auch keiner. Der einzige proaktive Charakter ist Sauron - der treibt seine Pläne tatsächlich voran.

Ist doch auch im RPG so: ohne einen proaktiven BBG gibt es eher wenige Abenteuer. Je nach Einflussbereich dieses BBG sind die dann eben größer oder kleiner. Oder es gibt mehrere BBG, die alle ihre eigenen Ziele verfolgen.

Ich mag es jetzt nicht ewig an HdR aufhängen, aber tatsächlich wird sich gelegentlich im Buch darauf bezogen als Beispiel. Insofern stimmt die Aussage hier nicht bzw. ist vielleicht nicht unbedingt klar worauf die Idee hinaus möchte. Proaktiv in dem Sinne meint eben, dass es die Spieler sind die Ziele fortwährend ausgeben. Sie agieren und die Welt/der BBEG reagiert. Aragorn zeigt sich Sauron, dem bis dahin nicht klar war, dass der echte Erbe des Königsthrons zurück ist. Sauron reagiert in diesem Moment auf Aragorn und entscheidet seine Heere los zu lassen und Minat Tirith zu vernichten, so dass es keinen Thron mehr für Aragorn zu übernehmen gibt. Aragorn entscheidet sich also wiederum zu versuchen die Eidbrecher auf seine Seite zu ziehen um Minas Tirith zu retten. Was letztlich gelingt. Aragorn entscheidet weiter, dass sie Sauron ablenken müssen und daher aufs schwarze Tor zureiten mit allem was sie noch haben. Wieder muss Sauron auf seine Aktion reagieren. Da ist relativ viel proaktives drin.

Und das ist irgendwo der Kern. Möglichst soll es sich etwas spiegeln. Die Spieler reagieren nun nicht mehr auf die Taten des BBEG sondern die Antagonisten reagieren auf die Charaktere, da diese plötzlich in ihren Plänen auftauchen und diese kreuzen. Und so wiederum wird gemeinsam eine Geschichte erschaffen, da der SL natürlich dennoch die Abenteuer erschafft und die BBEG reagieren lässt.

Ich für mich muss da an dieser Stelle auch klar eine Abgrenzung machen. Für mich ist das keine Bibel oder DIE neu Art wie man spielen muss. Das kann es ja gar nicht geben, da auch absolut Gruppenabhängig. Mir persönlich geht das auf die Spitze getrieben auch ein wenig zu weit bzw. wird sich nicht so krass bis Ultimo durchgezogen. Aber eben eine Art die für Belebung in einer lange laufenden Gruppe sogen kann. Es ist wie Boba schreibt - für mich persönlich läge die Wahrheit absolut in der Mitte. Aber daher ja auch die Idee zu diesem Thread.

Umgekehrt stellen sich manche es hier glaub ich auch zu krass vor. Natürlich gibt es so etwas wie ein Rundenvertrag. Der SL gibt z.B. grundsätzlich die Welt mit Informationen vor in der alles spielen soll, damit die Spieler eine Vorstellung haben welche Charaktere darin passen. Und natürlich soll es ein gemeinsames Spiel mit Spaß sein. Also ist die Idee, dass sich die Spieler schon auch kompatible Charaktere schaffen. Ein Charakter der als Background hätte "ich raube alle Helden der Welt aus - also auch meine Mitspieler" passt dann eben nicht in eine heroische Fantasygruppe. Und natürlich "verpflichten" sich die Spieler eben auch die Abenteuer anzunehmen und gemeinsam anzugehen. In etwa schon auch was Boba schreibt. Sie geben zwar die Ideen vor was ihre Charaktere im Rahmen ihres nächsten Zieles machen möchten, aber der SL entwickelt was passiert und wie die Welt reagiert. Er schafft die Hindernisse etc. Denn ohne die kann es keine Belohnung geben. Und die Ziele entwickeln sich eben auch weiter mit ihrer Erfüllung.

Als Beispiel dafür wird vereinfacht erläutert:
Grundcharakterziel: Wir wollen den Hort vom bösen Drachen erobern und reich werden.
Zwischenziel: Hm, wir brauchen den legendären Schmied, der uns eine Drachenlanze schmieden kann. Also suchen wir den.
Grundziel erreicht: Yippie, der Schatz ist uns. Aber was passiert hier? Der Drache ist tot und Orks und Ungetier strömt herbei um den Schatz für sich zu nehmen. Wir müssen ihn verteidigen! - und es folgen weitere Zwischenziele um das neue Ziel "Schatzverteidigung" zu schaffen.

D.h. in dem Beispiel haben zwar am Ende ihr Ziel erreicht, aber damit ist es nicht am Ende. Denn auf ihre Aktion folgt eine Reaktion der Welt - hier dann eben ein Orkstamm der sich den Schatz schnappen möchte da der Drache weg ist.

Bzw noch ein Edit: imho benötigt es dazu insgesamt kreative Spieler die das so auch wollen. Ich sehe zB in meiner Gruppe die im Buch propagierte Idee, dass die Spieler letzten Endes die ganze Geschichte erschaffen nicht. Da möchte schon auch konsumiert werden.

 
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Tudor the Traveller am 5.09.2024 | 17:37
Leute, ihr habt den Punkt, warum ich das HdR Beispiel gebracht habe, völlig verpasst. Ich habe gesagt, dass die Geschichte nicht von den persönlichen Zielen der Figuren getrieben wird. Und deshalb sind sie relativ austauschbar. Es hätten z.B. genauso gut Legolas und Gimli den Ring nach Mordor tragen können und man müsste die Story kaum umschreiben.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Jiba am 5.09.2024 | 18:02
Ich hab ja den Verdacht, dass nur die Leute Hobbits toll finden, die keine realen Bauern kennen...
Ich bin auf dem Land großgeworden und liebe die Hobbits. Die sind das Herz des Buches.

Zitat
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass jeder ersetzbar ist. Im Real Life wie im RPG.
Jeder ist jemand oder etwas für jemand anderen. Also ist niemand ersetzbar.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Issi am 5.09.2024 | 18:20
Ich habe gesagt, dass die Geschichte nicht von den persönlichen Zielen der Figuren getrieben wird.
Würde schon behaupten, dass es für den Ringträger eine wichtige Sache war, das Ding zu vernichten.

Vielleicht hat er sich das Anfangs nicht ausgesucht.
Aber ohne persönliche Motivation, wäre es ihm wohl kaum möglich gewesen, das Ding so lange zu tragen.
Zudem ist er als Hobbit weit weniger leicht zu beeinflussen als ein Mensch.
Selbst Aragorn steckt der Liebe, Kleine mit seiner angeborenen Resistenz in die Tasche.

PS. Sogar Galadriel und Gandalf hatten Angst, das Ding könnte sie auf die dunkle Seite ziehen, und wussten ihn deshalb lieber in Händen eines Hobbits.

Es wird auch begründet mit "Durch mich hätte der Ring eine fürchterliche Macht."(Galadriel)

Ob Legolas und Gimli ähnliche Chancen gehabt hätten, das Ding soweit zu tragen wie ein Hobbit, ist daher mMn. Spekulation.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Boba Fett am 5.09.2024 | 19:16
Spielt das eine Rolle?
Das ist eine geschriebene Geschichte, die von einem einzigen Autor vor langer Zeit erdacht wurde. Noch dazu in einer Zeit, wo Themen wie Motivation von Protagonisten nicht besonders en vogue waren oder und Tolkien galt auch nicht als Autoren-Talent. Der Mann war Sprachwissenschaftler.

Es ist kein Rollenspiel.

:btt:
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Issi am 5.09.2024 | 20:41
Spielt das eine Rolle?
HdR wurde von Tudor als Beispiel dafür gewählt, dass Figuren (seiner Ansicht nach)in vielen Geschichten austauschbar sind.

Nein,  es ist kein Rollenspiel aber dennoch keine unwichtige Geschichte, was das Hobby betrifft.
Diente sie doch als wichtige Inspiration.

Die "Geschichten" die im Rollenspiel,  auch heute noch häufig gespielt werden, sind ja nicht unähnlich: Abenteurer im Kampf gegen "das Böse"

Im Rollenspiel sind Abenteuer tatsächlich häufig so geschrieben, dass es relativ egal ist, wer die Aufgabe löst.
Das gilt mMn. Aber nicht  gleichermaßen für geschriebene Romane. Auch nicht für HdR **

Bezüglich Sandbox.
Würde sagen: Man kann eine bauen bzw. eine ausbauen, die darauf abzielt, die Wünsche der Spieler für ihre Figuren möglichst gut zu bedienen.

Bezüglich Kaufabenteuer.
Man kann die nachträglich personalisieren, und auf die SC anpassen

Muss man natürlich nicht.

PS.
Glaube aber, dass sich personalisierte Settings tatsächlich mehr wie "Roman" oder "Kino" anfühlen.
Man ist mehr drin in "Geschichten", in denen die eigene Figur sich nicht austauschbar anfühlt, sondern als ein beabsichtigter Teil davon.


Als Spieler lasse ich meine Figuren auch gerne "vor sich hin entwickeln." Auch nachträgliche Änderungen können (bis zu einem gewissen Punkt) Sinn machen.
Kontrolle will und brauche ich aber nicht.
Ich sehe es eher als meine Aufgabe an, die Spielleiter durch mein Spiel und meinen Figuren Hintergrund so zu inspirieren, dass es ihnen Spaß macht davon manches selbst zu etablieren.

Quasi  lediglich Spielangebote zu liefern. Keine Gebote.


**
Was in Fantasy Romanen tatsächlich häufig austauschbar ist, ist der Aufbau der Geschichten und teilweise auch die Heldentypen.

Bsp. Armes Waisenkind entdeckt seine wahre Bestimmung(/Herkunft/ Fähigkeiten) und muss auf einmal die Welt retten.
 ~;D
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: flaschengeist am 5.09.2024 | 20:59
Was ich gern mag, ist, wenn man sich zum Anfang eines Charakters erst einmal vage aufstellt, was Motivationen und Hintergrund angeht und das sich dass dann mit der Zeit präzisiert - passend zur Kampagne. Ich komme nicht mit 10 Seiten Charakterbeschreibung zum Spiel. Wenn es 10 Worte sind, ist es schon viel.
Nach ein paar Sitzungen weiss ich dann, wie die Figur sich anfühlt und spielt, wie die Welt im Kopf des SpL funktioniert und in welche Richtung die Kampagne geht. Und dann entwickelt sich auch der Charakter backwards weiter. Und zwar, damit er proaktiv ist...

So handhabe ich es ebenfalls seit Jahren. Hat auch den Vorteil, dass man bei der Entwicklung seiner Rolle neben der Kampagne zudem die Dynamik der Spielergruppe berücksichtigen kann.

@Topic
Ein interessanter Ansatz, der mir anderseits ein wenig vorkommt wie "es muss mal wieder eine neue Sau durchs Dorf getrieben werden, die aber eben auch nur eine Sau wie jede andere ist". Was mich an neuen Säuen generell stört, ist die implizite Suggestion, dass man seine Sache noch nicht gut genug macht (Stichwort "Optimierungszwang"). Denn ohne diesen Glauben ist eine neue Sau gleich nur halb so interessant.
Unabhängig von diesem speziellen Thema finde ich schön, wie aktiv du dich hier im Tanelorn einbringst, Namo :d.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: nobody@home am 5.09.2024 | 21:21
Zum Thema Dienstleistung: Liefern müssen immer beide Seiten. Der SpL ist nicht der alleinige Bespaßer aber er ist nun mal der, der im Spiel eine leitende Funktion hat. Und das heisst für mich auch, dass er eben oft richtungsgebend mitwirkt.
Aber die Charakter-Spielenden müssen auch liefern. Motivation der Charakere, Ideen, Beteiligung... Irgendwo muss der Spielleiter ja auch seine Motivation bekommen.
Das ist keine One-Man Show aber auch kein Spontan-Theater... Es ist Rollenspiel.

Absolut. Denn das ganze "Och, die Spieler können halt nicht oder sind vom fiesen Alltag zu erschossen"-Gedöns? Dagegen ist ja die Spielleitung selber auch nicht immun -- nur, in wie vielen Gruppen hat die den Luxus, sich mal einen Abend lang weitgehend zurücklehnen und bespaßen lassen zu können?
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: unicum am 6.09.2024 | 09:45
"Entschuldigung, aber nein, das Angebot, ein Abenteuer zu erleben, berühmt und reich zu werden, muss ich ablehnen, mein Charakter hat noch Termine und das Angebot fixt mich nicht an, weil es kommen keine rosa Hasen vor und mein Charakter ist wirklich nur und ausschließlich an rosa Hasen interessiert."
So etwas macht doch keiner mehr. Oder wenn doch, dann ist der Mitspielende selbst schuld, wenn er heimgehen darf und die anderen ohne Ihn Spaß haben.

Zuletz erlebt kurz vor Corona auf einem Con. Also leider: Ja es gibt noch solche Menschen. (Ich glaub die wachsen auch immer wieder nach)

Im endeffekt musste ich die deutlich jüngere Spielleiterin wieder aufbauen, weil die am Ende des Abenteuer sagte sie sei eine schlechte Spielleiterin und würde nun wohl nie wieder Spielleiten.
Ich hab an dem Abend aber auch etwas gelernt, das ich solche Leute einfach aus der Runde werfen werde wenn es mir nochmal unterkommt, egal ob ich SL bin oder Spieler - im lezteren Fall kann ich ja auch selbst gehen.

Proaktives Rollenspiel hin oder her, wenn es dem Gedanken des Rollenspieles etwas gemeinsam! zu machen entgegenläuft dann hat es imho keinen Platz am Tisch.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Eleazar am 6.09.2024 | 10:32
Vorausgeschickt: Ich spiele nicht auf Cons und Rollenspieltreffen, sondern nur in festen Gruppen.

Inzwischen kann man mich mit "Figurenspiel" echt jagen. In echt, aber auch wenn in Foren darüber geredet wird. Nein, Rollenspielfiguren sind keine Persönlichkeiten, Schrullen und Bedürfnissen. Sie wollen NICHTS! Wer was will, auslebt und gegebenenfalls anderen damit auf den Sack geht, sind die Spieler.

Und wenn sich Spieler etwas ausdenken, was das Zusammenspiel behindert oder nahezu unmöglich macht und das auch noch als GUTES Rollenspiel verkaufen, dann fehlt mir jedes Verständnis.

Der Horizont, in dem sich das Rollenspiel abspielen kann und wem es nützen und was es voranbringen muss, das ist die Gruppe. Hier werden die Mögichkeiten zu und die Grenzen von Egotrips der Figuren gesetzt. Was macht meine Interpretation der Figur im Gruppengeschehen? Wie bindet sie sich ein und wie dient sie dem Ganzen?

Wenn der Rahmen klar ist, dann gern proaktiv. Aber dass einzelne Figuren ins Abenteuer gebeten und hofiert werden müssen, das trifft bei mir einen offen liegenden Nery.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: aikar am 6.09.2024 | 10:33
Zuletz erlebt kurz vor Corona auf einem Con. Also leider: Ja es gibt noch solche Menschen. (Ich glaub die wachsen auch immer wieder nach)
Erlebt habe ich das auch schon, vor allem bei Neueinsteiger:innen.
Die sind manchmal von der Möglichkeit des freien Rollenspiels so überwältigt, dass sie dem zum einen alles andere unterordnen und zum anderen oft sogar glauben, ihre Rolle hart durchziehen zu müssen, weil das ja zu dieser Art von Spielen gehört und sie sich Mühe geben wollen (gut gemeint und so). Da fehlt auch noch völlig das Gefühl für die Schwierigkeiten, die das der SL und der Gruppe macht. Die Balance zwischen Konzept und Abenteuer kommt dann erst mit der Zeit.

Also insofern: Ja, die wachsen nach. Aber meist steckt keine Bösartigkeit oder Egoismus hinter so einem Verhalten, sondern schlicht und ergreifend Unerfahrenheit.

Ein wirklicher Augenöffner ist, denke ich, meist der erste Versuch, selbst zu leiten.

Zum Thema sehe ich da aber sogar ein zusätzliches Risiko: Proaktive Spieler:innen, die kein Gespür für den Aufwand haben, den ihre Ideen bewirken.
Die SL hat vor allem die Stadt ausgearbeitet, aber die Spieler:innen wollen auf einmal ihre Charakterhintergründe auf einer Expedition in Wildnis und entfernte Lande ergründen.
Da hilft nur Kommunikation.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Eleazar am 6.09.2024 | 10:36
Erlebt habe ich das auch schon, vor allem bei Neueinsteiger:innen.
Die sind manchmal von der Möglichkeit des freien Rollenspiels so überwältigt, dass sie dem zum einen alles andere unterordnen und zum anderen oft sogar glauben, ihre Rolle hart durchziehen zu müssen, weil das ja zu dieser Art von Spielen gehört. Da fehlt auch noch völlig das Gefühl für die Schwierigkeiten, die das der SL und der Gruppe macht. Die Balance zwischen Konzept und Abenteuer kommt dann erst mit der Zeit.
Ich kenne das eher von erfahrenen Spielern, die im Spiel irgendwas ausleben. Unerfahrene spielen zwar oft auch gern einfach eine Rolle aus (auch weil sie dann meist die Regeln kaum kennen), aber sie haben ein waches Auge auf die Gruppe und das Geschehen.

Das macht mir dann sehr viel Spaß.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: unicum am 6.09.2024 | 14:07
Erlebt habe ich das auch schon, vor allem bei Neueinsteiger:innen.
Die sind manchmal von der Möglichkeit des freien Rollenspiels so überwältigt, dass sie dem zum einen alles andere unterordnen und zum anderen oft sogar glauben, ihre Rolle hart durchziehen zu müssen, weil das ja zu dieser Art von Spielen gehört und sie sich Mühe geben wollen (gut gemeint und so). Da fehlt auch noch völlig das Gefühl für die Schwierigkeiten, die das der SL und der Gruppe macht. Die Balance zwischen Konzept und Abenteuer kommt dann erst mit der Zeit.

Also insofern: Ja, die wachsen nach. Aber meist steckt keine Bösartigkeit oder Egoismus hinter so einem Verhalten, sondern schlicht und ergreifend Unerfahrenheit.

Ein wirklicher Augenöffner ist, denke ich, meist der erste Versuch, selbst zu leiten.

Zum Thema sehe ich da aber sogar ein zusätzliches Risiko: Proaktive Spieler:innen, die kein Gespür für den Aufwand haben, den ihre Ideen bewirken.
Die SL hat vor allem die Stadt ausgearbeitet, aber die Spieler:innen wollen auf einmal ihre Charakterhintergründe auf einer Expedition in Wildnis und entfernte Lande ergründen.
Da hilft nur Kommunikation.

Zumindest in dem von mir so erlebtem, zugestanden extrem negativem, Fall war das schon jemand den ich häufiger auf 'unseren' Rollenspieltagen gesehen habe. Also ein kompletter Anfänger kann es nicht gewesen sein, weswegen ich eher auf die negativeren Eigenschaften die du erwähnst tippen würde als auf unerfahrenheit. Denn wäre es nur das lezte hätte er eigentlich irgendwann merken müssen das er alleine "gegen" alle anderen spielt. Es gibt auch durchaus Toixische Menschen in unserem Hobby, auch abseitz von proaktiem Rollenspiel.

Aber ja, schlussendlich ist kommunikation alles im Rollenspiel - im dümmsten falle eben auch die kommunikative Ansage "Da ist die Tür!"

Liest sich jezt vieleicht extrem negativ, in der Regel gehe ich (als SL) schon auf Ideen der Spieler zu ihren Figuren ein, es ist aber eben so das es irgendwie passen muss.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Raven Nash am 6.09.2024 | 14:35
Im Prinzip reicht ein Spieler, der grundsätzlich nach vorne rennt - egal was da ist, oder wovor er gewarnt wurde. Die anderen laufen dann hinterher, schon weil sie ihn beschützen wollen.  ~;D
Irgendwann kommt dann der Punkt, an dem sie ihn zurückhalten, weil sie nicht schon wieder wegen ihm Prügel bekommen wollen. Und bei ganz lernresistenten Spielern gab's auch schon den Charaktertod durch Friendly Fire.
Aber "proaktiv", das sind diese Spieler allemal. Nur nicht besonders schlau.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Murphy am 6.09.2024 | 18:55
Nein, ganz so ist das ja eben gerade nicht aufgebaut. So wie ich es verstanden habe - und ich muss das Buch eben auch nochmal lesen - ist die Idee ja geteilt und dennoch verwoben mit einer etwaigen Kampagnenhandlung. Als extrem verkürztes Beispiel zu deinem Beispiel um es etwas verständlicher zu machen:

Das Ziel des Charakters ist einen Drachen zu zähmen. Das wäre das Endziel - darauf arbeitet der Charakter also hin. Das würde er dann also mit Stufe 15 oder 20 z.B. erhalten. Auf dem Weg dorthin muss er aber erstmal genügend Zwischenziele erreichen bzw. dann auch definieren.

Also z.B. Wo finde ich eigentlich einen Drachen? Wie mache ich das überhaupt etc.? Das heißt der vom Spieler definierte Zwischenschritt 1 könnte sein, dass er erstmal Bibliotheken/Gelehrte oder ähnliches mit Hinweisen zu der Thematik besucht.

Jetzt findet er einen Hinweis, dass Bibliothek XY angeblich ein Buch darüber hat. Er kommt dort an und sie ist niedergebrannt von Orklplünderern whatever. Er erfährt, dass der Gelehrte XY wohl von den Orks verschleppt wurde und das Wissen aller Bücher im Kopf hat. Er versucht ihn zu retten und findet heraus, dass es den "bösen" Schurken Z gibt, der das Land erobern möchte und dazu selbst einen Drachen beherrschen möchte, da dieser die ultimative Waffe ist. So verwebt sich dann der Hintergrund des Charakters mit dem eigentlichen Kampagnenhintergrund.

Ähnlich werden dann die Geschichten der anderen Charaktere verwoben. Als Beispiel wurde im Buch z.B. genannt - ein Charakter hat ein altes Familienartefakt von dem aber keiner weiß was es genau ist und wie es funktioniert. Aber es ist voller Magie und der Charakter möchte in einer Bibliothek etc. etwas hierzu heraus finden und so hat auch er Interresse daran den entführten Gelehrten zu finden (im Buch ging es im Beispiel konkret um den einen Ring und Frodo. Im Rollenspiel wäre es viel mehr darum gegangen heraus zu finden was denn dieses Artefakt ist und was es kann. Und das als Endziel für den Charakter).

Ich kann das natürlich nicht ganz so darstellen wie im Buch. Dort hat sich das halt auch einfach viel organischer gelesen wie man das umsetzen und leben kann. Eben nicht unbedingt nach Charaktersandbox wie es sich hier ein wenig liest, sondern dennoch auch mit einer Kampagne/Geschichte bei der auch der SL Spaß hat. Denn der soll imho ja schon auch seinen Spaß haben und nicht nur Unterhalter der Spieler sein.

Und es geht nicht darum den Spielern alles ihre Allmachtsfantasien und Wünsche zu erfüllen. Sie sollen etwas dafür tun. Der Weg definiert sie auch weiter als Charaktere.

Das sehe ich auch als unbedingt wichtig an. Denn zwangsweise wird ja der ein oder andere Charakter an bestimmten Abend ein vermehrtes Spotlight haben bzw. es muss auch die Notwendigkeit geben, sich mal einem Charakter anzuschließen als Gruppe und ihn zu unterstützen bei seiner Queste. Das muss dann von den Spielern her aber eben auch den Charakteren her passen.

Das wäre dann ungefähr, was ich beschrieben habe in gaaaaanz laaaanger Ausführung.  ~;D

Was sich mir nach der ganzen Diskussion hier irgendwie nicht mehr erschliesst... Was ist eigentlich so proaktiv? Ist es "Proaktives Rollenspiel"? "Proaktive Charaktere" (wie hier oft genannt)? "Proaktives Spielleiten"?
Proaktiv heisst doch "vorausplanendes Handeln"? Wer handelt denn hier vorausplanend?

Vielleicht ist diese proaktive Art Rollenspiel zu betreiben gar nicht so sehr verschieden von dem, was wir in einer längeren Kampagne sowieso schon tun. Aber definitiv schöner neuer Begriff.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: nobody@home am 6.09.2024 | 19:20
"Proaktiv" ist in diesem Zusammenhang vor allem eins, nämlich das Gegenteil von "reaktiv". Mit anderen Worten, von den Spielern wird schon ein Stück weit erwartet, daß sie sich aktiv einbringen und nicht bloß passiv bespaßen und vom von "außen" vorgegebenen Plot treiben lassen -- und das gilt sowohl für den rein rollenspielerischen Teil (denn in dem Maß, in dem ich meinen eigenen Charakter führe, bin ich ja gleichzeitig ein Stück weit in der Verantwortung als Mitunterhalter für den Rest, was nebenbei gelegentlich eine meiner persönlichen Schwachstellen als Spieler ist) als auch das Drumherum wie Kampagnenplanung, einfach nur mal selber Ideen äußern, und was solcher Dinge mehr sind.

Im "klassischen" Rollenspielmodus wird ja in gewisser Hinsicht nur von der Spielleitung Proaktivität verlangt, weil die nun mal die ganze Vorbereitungs- und Spieler-durchs-Abenteuer-führen-Arbeit hat. So gesehen ist "proaktives Rollenspiel" also eigentlich "nur" eine etwas gerechtere Form von Arbeitsteilung. ;)
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Olibino am 8.09.2024 | 08:05
Ich habe das Buch auch gelesen und habe meine nächste Kampagne entsprechend konzipiert.

Wir haben in der Session 0 gemeinsam die Charaktere besprochen (die Spieler haben sich vorher schon Gedanken gemacht) und die Charaktere so verknüpft, dass sie auch eine große Motivation haben zusammenzubleiben.

Und dann hat jeder Spieler 2 Ziele definiert, die sein Charakter erreichen möchte. Wir haben die gemeinsam besprochen und die Spieler haben auch von sich aus Beziehungen zwischen den Zielen gesetzt.

Der Vorteil ist meiner Meinung nach, dass sich die Spieler stärker einbringen können und gleichzeitig den SL entlasten. Ich habe es immer schon gehaßt, Aufträge gegen Geld zu erfüllen. Sondern fand es viel schöner wenn die Charaktere ein persönliches Motiv haben für das jeweilige Abenteuer haben. Und das ergibt sich hier von ganz alleine.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 8.09.2024 | 10:46
Oh, das finde ich jetzt aber spannend. Ist ja bisher hier alles theoretisch. Berichte mal gerne weiter wie deine praktischen Erfahrungen damit sind.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 4.03.2025 | 13:48
@Olibino

So aus Interesse ein halbes Jahr später - wie sind deine Erfahrungen bzw. wie ist es gelaufen? Was hat funktioniert und was gegebenenfalls nicht?

Ich hatte mich am Wochenende noch mit einem Spieler über den Charakter eines anderen Spielers unterhalten. Da kam die Aussage auf, dass dieser Charakter jetzt schon mehr "Charakter" hat wie der vorherige. langjährige, Charakter dieses Spielers. Einfach weil er aufgrund seiner Hintergrundgeschichte relativ getrieben ist, dadurch aber auch eine Resolutheit an den Tag legt, dass man immer mit allem rechnen muss. Das würzt die Suppe schon mit recht viel Salz. Bisher ist sie aber nicht übersalzen - sprich, dieser Handlungsstrang bereichert eigentlich die Kampagne bis hierhin.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Olibino am 6.03.2025 | 15:00
@Olibino
So aus Interesse ein halbes Jahr später - wie sind deine Erfahrungen bzw. wie ist es gelaufen? Was hat funktioniert und was gegebenenfalls nicht?
Wir haben leider noch unerwartet lange gebraucht, bis wir die alte Kampagne beenden konnte.
Mit der Proaktiven Kampagne haben wir erst 3x gespielt.

Bisher klappt alles sehr gut. Die Spieler sind sehr gut in ihren Charakteren drin. Die Spieler haben sich ganz auf das erste und dringendste Ziel "Ein Dorf wurde von Varou (Wolfsmenschen) überfallen und dabei wurden Menschen gekidnappt, unter anderem die Mutter eines SC" konzentriert. Die Mutter haben sie inzwischen befreit. Allerdings ist sie schwer krank. Und sie haben sich einen längerfristigen Feind gemacht. Jetzt ist ihre Priorität die Mutter zu heilen.

Wir verwenden Ironsworn. Das ergänzt sich gut, da das System ohnehin XP für das erreichen von Zielen vergibt. Und man sehr viele Zufallsergebnisse erwürfelt, die immer wieder Einfluß nehmen.

Ich habe mir bei der Vorbereitung ein paar längerfristige Gedanken gemacht (wer sind so die Strippenzieher und was haben sie vor). Aber ansonsten bereite ich immer nur die nächste Session vor. Ich weiß ja was die Spieler vorhaben und überlege mir ein oder zwei interssante Situationen in die sie dabei geraten.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 6.03.2025 | 15:52
Danke für deine Antwort. Das heißt, das überfallene Dorf bzw. die entführte Mutter war eine Idee des Spielers bzw. eines seiner Ziele?

Schreibe dann gerne weitere Erfahrungen hierzu wenn ihr weiter gespielt habt. Ich finde das Konzept ja auch recht spannend bzw. merklich motivationssteigernd bei den Spielern.
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Olibino am 6.03.2025 | 19:08
Danke für deine Antwort. Das heißt, das überfallene Dorf bzw. die entführte Mutter war eine Idee des Spielers bzw. eines seiner Ziele?
Ja genau
Titel: Re: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Beitrag von: Namo am 6.03.2025 | 19:53
Sehr, sehr cool. D.h. du reagierst auf die Handlungsideen/Hintergründe der Spieler.  Die leiten also so gesehen den Faden. Wie es grundsätzlich im Buch steht. Da bin ich wirklich auf den weiteren Verlauf gespannt. Schönes Experniment.