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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Spielberichte => Thema gestartet von: Lord Verminaard am 24.07.2006 | 00:41

Titel: [Sorcerer & Sword] Das Urgesetz (mit Ron Edwards)
Beitrag von: Lord Verminaard am 24.07.2006 | 00:41
Es war der Abend nach dem Spione-Release (http://tanelorn.net/index.php/topic,26525.0.html) in Berlin. Wir waren in großer Runde essen gewesen und fanden uns danach für ein bisschen Rollenspiel in der "Burg" ein, für den die Nexus/PrO-Leute den Schlüssel organisiert hatten. Ich erinnerte Ron an sein Versprechen (http://www.indie-rpgs.com/forum/index.php?topic=18685.msg196649#msg196649), und so kam es dann, dass wir uns an Sorcerer machten. Ron wollte nur zwei Spieler, Georgios gesellte sich dann zu uns.

Ron meinte, er würde immer so vorgehen, dass er als SL den Spielern eine Welt, Dämonen, Humanity etc. vorschlägt und die Spieler dann Modifikationen vornehmen können. Sich daran erinnernd, "mit wem er es zu tun hatte", schlug er eine urzeitliche Welt der tiefen, nebligen Wälder und barbarischen Stammeskulturen vor. Er dachte sich kurz jeweils drei Deskriptoren für Stamina, Will und Lore aus, die zum urtümlichen Charakter des Settings passten. Folgende Charaktere kamen dabei heraus:

Georgios spielte einen manipulativen Medizinmann, eine Art Oberguru der Stämme, umtriebig und machthungrig. Sein Dämon war ein Buch. Sein Kicker war, dass ihn ein neuer Rivale herausfordert.

Ich spielte den ersten Krieger meines Stammes, einen Mann vom alten Blut, von den anderen gefürchtet, fremdartig und ehrgeizig. Mein Dämon war mein Dinosaurier-Reittier. Mein Kicker war, dass mir der Häuptling eines anderen Stammes, der ebenfalls vom alten Blut war, ein Angebot gemacht hatte: Er würde mir seine Tochter zur Frau geben und micht zu seinem Erben machen, wenn ich meinen Stamm an ihn verrate.

Im Gespräch vor dem Spiel betonte Ron, dass Dämonen in der Welt keine normale Sache sind, sondern etwas, was eigentlich gar nicht existiert. Er erklärte uns auch, dass die Höhe der Humanity nichts damit zu tun hat, wie sich der Charakter gerade verhält. Ein Charakter mit Humanity 1 kann sich mehr denn je anstrengen, "gut" zu sein. Ron benutzte die Analogie zur Titelmusik einer Figur in einem Film: Je niedriger die Humanity, desto düsterer die Musik.

Außerdem sprachen wir über den Kicker und seine Bedeutung für das Spiel in Sorcerer. Der Kicker bestimmt praktisch einen in sich abgeschlossenen Plotabschnitt, der das Äquivalent eines klassischen Abenteuers ist. Wenn der Kicker aufgelöst worden ist, tritt eine Zäsur ein, es wird sogar Erfahrung gewürfelt, und man entscheidet sich, ob man den Charakter weiterspielen möchte. D.h. der Kicker ist nicht nur der Einstieg ins Spiel, sondern der Stoff, aus dem das Spiel gemacht wird.

Ron verband dann unsere Kicker und "spikte" meinen Kicker, wie sich im Verlaufe der ersten beiden Szenen zeigte, wie folgt: Der neue Herausforderer von Georgios' Charakter war eine Frau - diejenige nämlich, die meinem Charakter zur Heirat versprochen worden war. Sie hasste meinen Charakter (ohne ihn näher zu kennen) und wollte ihn auf gar keinen Fall heiraten.

Die ersten beiden Szenen framte Ron parallel. Georgios schlug sich mit den Fledermausdämonen seiner Rivalin heraum, während mein Charakter zu einem Duell im Morgengrauen antrat. Ron benutzte hier das "Initiativ"-System von Sorcerer als "Kameramann": Alle Aktionen werden angesagt und aufeinander abgestimmt ("Free and Clear Stage"). Dann würfeln alle Beteiligten gleichzeitig. In diesem Falle waren das:

Georgios
der Fledermausdämon
ich
mein Reittier-Dämon
mein Gegner
dessen Reittier

Ron schrieb jeden von ihm als SL gespielten Teilnehmer auf kleine Papierschnipsel und legte sie in die mitte des Tisches und die Würfel obendrauf. So wurfe gewürfelt und direkt verglichen, die Aktionen in der Reihenfolge des höchsten Wurfes ausgeführt (mit eventuellen Wiederholungswürfen wg. Verteidigung). Georgios übernahm die Kontrolle über den Dämon seiner Feindin. Ich musste erkennen, dass mein Gegner besessen war, es war nur ein Jüngling, und er griff mich schlafwandelnd an. Dann versuchte er, sich selbst umzubringen, was ich verhindern konnte, während mein Dämon auf sein Reittier losging.

Georgios wurde dann von seiner Rivalin konfrontiert, die es sich nach ihrer Niederlage anders überlegt hatte und ihn um Hilfe bat. Währenddessen war ich bereits mit dem nunmehr ohnmächtigen Jüngling auf dem Weg zu Georgios, dem großen Guru, um ihn um Rat zu fragen. Und mein Dämon war pissig, weil sein Need (Herausforderung) durch diesen lächerlichen Gegner nicht ausreichend befriedigt wurde.

Wir hätten eigentlich alle Lust gehabt, weiter zu spielen, aber es war schon spät und wir waren alle müde. Na ja, statt danach noch eine Stunde über Politik zu diskutieren, hätte ich lieber noch zwei Szenen gespielt. Aber das System in Action hat doch dieses Mal schon deutlich besser funktioniert. Oh, und ich hatte einen Wurf für Humanity Gain, weil ich den Jüngling gerettet hatte. Humanity in diesem Setting:

Das Urgesetz.
Titel: Re: [Sorcerer & Sword] Das Urgesetz (mit Ron Edwards)
Beitrag von: Skar am 24.07.2006 | 09:28
Im Gespräch vor dem Spiel betonte Ron, dass Dämonen in der Welt keine normale Sache sind, sondern etwas, was eigentlich gar nicht existiert.
Warum? Hatte er einen Anlass dazu? Wie kommt man darauf? Ist das nicht übertrieben?
Titel: Re: [Sorcerer & Sword] Das Urgesetz (mit Ron Edwards)
Beitrag von: Lord Verminaard am 24.07.2006 | 10:41
Ähm, "die Welt" = "die Spielwelt".
Titel: Re: [Sorcerer & Sword] Das Urgesetz (mit Ron Edwards)
Beitrag von: Skar am 24.07.2006 | 10:55
Ach so, ich dachte er wollte euch davor schützen, die Spielwelt in die Realität zu übertragen. :D
Titel: Re: [Sorcerer & Sword] Das Urgesetz (mit Ron Edwards)
Beitrag von: Lord Verminaard am 24.07.2006 | 10:58
Nee, er wollte verdeutlichen, was für kranke Wichser unsere Charaktere sind. ;)
Titel: Re: [Sorcerer & Sword] Das Urgesetz (mit Ron Edwards)
Beitrag von: Kardinal Richelingo am 24.07.2006 | 11:04
liest sich interessant, danke Vermi. Allerdings kriegt mans sowas mit 2 Spielern durchaus auch mit jedem herkömmlichen Rollenspiel hin, was bei grösseren Gruppe nicht mehr der Fall sein muss.

Spielt er auch in grösseren Gruppen ? Wie war die Atmosphäre ?
Titel: Re: [Sorcerer & Sword] Das Urgesetz (mit Ron Edwards)
Beitrag von: Lord Verminaard am 24.07.2006 | 11:12
Atmosphäre war cool. Ich glaube, er bezeichnet 2-3 Spieler als optimal und 4 Spieler als das Maximum. Wir haben auch in der U-Bahn noch darüber gesprochen und waren alle der Meinung, dass das Würfelsystem von Sorcerer jetzt nicht wahnsinnig revolutionär ist und anderen Rollenspielen auch nicht furchtbar überlegen. Die Dämonen mit ihrem Need, die Humanity-Definition, und der Kicker, diese drei bilden bei Sorcerer (wenn es richtig gespielt wird) ein Spannungsfeld, in dem das Spiel interessant zu werden verspricht. Der Rest ist eigentlich austauschbar. Wobei ich die Deskriptoren schon nett finde. Unsere waren:

Stamina: wild raised, ancient blood, dark rites
Will: ambitious, lover, learned
Lore: beast soul, medicine man, deep secrets
Titel: Re: [Sorcerer & Sword] Das Urgesetz (mit Ron Edwards)
Beitrag von: Kardinal Richelingo am 24.07.2006 | 11:16
Die Dämonen mit ihrem Need, die Humanity-Definition, und der Kicker, diese drei bilden bei Sorcerer (wenn es richtig gespielt wird) ein Spannungsfeld, in dem das Spiel interessant zu werden verspricht. Der Rest ist eigentlich austauschbar. Wobei ich die Deskriptoren schon nett finde. Unsere waren:

Stamina: wild raised, ancient blood, dark rites
Will: ambitious, lover, learned
Lore: beast soul, medicine man, deep secrets

danke ! ich denke auch das das die Stärken von Sorcerer sind und man sich für andere Spiele abschauen sollte. Ich habs teilweise auch getan allerdings (wie so oft) viel zu inkonsequent. Aber das ist ein anderes Thema.
Titel: Re: [Sorcerer & Sword] Das Urgesetz (mit Ron Edwards)
Beitrag von: Joe Dizzy am 25.07.2006 | 15:38
Die Runde fand ich sehr aufschlussreich. Vor allem da mir deutlich geworden ist, mit welcher Gewichtung Sorcerer gespielt werden soll. Insbesondere der Kicker steht im Mittelpunkt des Ganzen. Etwas was der Text einem nicht unbedingt nahe legt, wie ich finde. Vor allem aber, ist Sorcerer für sehr viel klassischere Rollenspielideen konzipiert, als ich dachte.

Die "Revolution" bestand denke ich eher darin, dass in den Regeln etwas verankert wurde, was einige zwar bereits so betrieben haben aber was sonst nur im SL-Kapitel stand: "Höre auf deine Spieler und gehe auf das ein was sie am Spiel interessiert." Nichts anderes erreichen Kicker und Bangs. Humanity gibt dem Ganzen eine thematische Basis und Orientierung. Anstatt jahrelang SL-Erfahrung zu Sammeln um das zu erreichen, kann man mit diesen Regeln gleich in die Vollen gehen. Das ist schon cool. 

Allerdings bin ich nur bedingt hinter die Würfelmechanismen gestiegen. Insbesondere wann man welche Würfel zusammenlegen oder ersetzen kann. Ich weiss nicht, ob ich Sorcerer in naher Zukunft leiten werde; aber zumindest traue ich es mir jetzt zu. :)
Titel: Re: [Sorcerer & Sword] Das Urgesetz (mit Ron Edwards)
Beitrag von: Lord Verminaard am 25.07.2006 | 16:31
Das mit den Würfeln ist eigentlich auch wieder nicht so schwer. Guckst du hier:

http://random.average-bear.com/Sorcerer/HelpfulFlowchartForSorcererConflict

Cool fand ich auch Rons Aussage, er habe sich, was das Schreiben angehe, von Buch zu Buch gesteigert. Wer Rons Art ein bisschen kennt, weiß: Das ist sein Äquivalent des Eingeständnisses „das Grundregelwerk ist nicht übermäßig gut geschrieben“... ;)
Titel: Re: [Sorcerer & Sword] Das Urgesetz (mit Ron Edwards)
Beitrag von: Skyrock am 25.07.2006 | 18:03
Cool zu lesen :) Ich mag Sorcerer und wäre liebend gerne in Berlin gewesen um mal zu erleben wie der Autor selbst es leitet.

Besonders interessant am Spielbericht finde ich die Humanitydefinition mit dem Urgesetz - einfach, aber eindeutig und einleuchtend.

Zitat von: Lord Verminaard
Der Kicker bestimmt praktisch einen in sich abgeschlossenen Plotabschnitt, der das Äquivalent eines klassischen Abenteuers ist. Wenn der Kicker aufgelöst worden ist, tritt eine Zäsur ein, es wird sogar Erfahrung gewürfelt, und man entscheidet sich, ob man den Charakter weiterspielen möchte.
Und da kann ich sogar noch etwas lernen.
Jetzt weiß ich endlich eindeutig was mit dieser ominösen "storyline" gemeint ist nach deren Abschluß es zum Verbesserungswurf kommt.