Tanelorn.net

Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspieltheorien => Thema gestartet von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 11:44

Titel: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 11:44
Zum Geleit

Die ethische bzw. moralische Dimension des Rollenspielens ist in letzter Zeit manchmal in Forendiskussionen aufgekommen, allerdings meist mit der Intention, das, was die anderen machen, als verwerflich zu brandmarken. Meine Meinung über die Initiatoren einer solchen Rhetorik breite ich hier mal nicht aus. Aber das Thema scheint ja doch nicht ganz so einfach zu sein, und da ich dazu einen dezidierten Standpunkt habe, möchte ich diesen hier einmal positiv niederlegen, soweit es mein Westentaschenlatein erlaubt.

Erzählspiel

Erzählspiel sei für die Belange dieses Versuchs eine Form des P&P-Rollenspiels, bei dem die Beteiligten Wert darauf legen und darauf hin arbeiten, durch das gemeinsame Spiel ein fiktives Geschehen zu erzeugen, das von den Beteiligten während des Spiels als eine „gute Geschichte“ empfunden wird. Oft werden wahlweise z.B. besonders emotionale Momente, moralisch ambivalente Situationen, Spannungsbögen im Sinne gängiger dramaturgischer Handlungsmodelle, spektakuläre (Action-)Szenen, Genre-Emulation, Humor oder eine dichte Atmosphäre als Merkmale einer „guten Geschichte“ identifiziert, wesentlich bleibt dabei das subjektive Empfinden der Beteiligten.

Ethisch-moralische Dimension

Obwohl P&P-Rollenspiel im Allgemeinen und Erzählspiel im Speziellen „nur ein Spiel“ ist, hat das Handeln der Beteiligten eine moralische Dimension. Diese moralische Dimension ergibt sich daraus, dass das Handeln Auswirkungen auf andere Menschen, nämlich die Teilnehmer des Spiels, hat, und nur daraus. Das Spiel oder die Spielwelt an sich haben keinen moralisch anzuerkennenden Wert abgesehen von dem, den die Spielenden ihnen für sich persönlich beimessen. Insbesondere haben sie keine über den unmittelbaren Spielzweck hinaus gehende Bedeutung, die zu einer moralischen Verpflichtung der Beteiligten gegen sich selbst bzw. der Allgemeinheit oder einer höheren Instanz gegenüber führen würde. Erzählspiel ist nicht Kunst, sondern Zerstreuung. Es unterscheidet sich insoweit nicht von anderen Gesellschaftsspielen.

Rechte im Rollenspiel

Welche Rechte hat ein Spieler? Rechte natürlich nicht im juristischen, sondern im ethisch-moralischen Sinne. Zunächst einmal hat jeder Spieler die Rechte, die jeder Mensch jederzeit gegenüber anderen Menschen hat, also z.B. das Recht, nicht in seiner Gesundheit oder Würde verletzt zu werden (die sind sogar juristisch). Ich gehe weiter davon aus, dass die Beteiligten einer Rollenspielrunde das Recht haben, bei ihren Mitspielern Gehör zu finden und von ihren Mitspielern nicht getäuscht, genötigt oder schikaniert zu werden. Schließlich gehe ich davon aus, dass ein Recht auf Gleichbehandlung besteht, d.h. wesentlich Gleiches darf nicht ohne sachlichen Grund ungleich und wesentlich Ungleiches nicht ohne sachlichen Grund gleich behandelt werden.

Ausgehend von der Grundannahme, dass die Spielwelt insoweit relevant ist, als die Spielenden ihr Bedeutung beimessen, entwickelt sich ein Anspruch des Spielers darauf, dass die Bedeutung, die er der Spielwelt beimisst, von den übrigen Mitspielern nicht willkürlich missachtet wird. Er kann ferner erwarten, dass die übrigen Beteiligten sich an die zuvor – explizit oder stillschweigend – vereinbarten Regeln halten und ihm eine gleichberechtigte Teilnahme am Spiel ermöglichen. Beiträge eines Spielers zum Spiel dürfen nicht negiert oder entwertet werden.

Anwendung auf das Erzählspiel

Aufeinander aufbauende kreative Beiträge
Die für die Spieler relevanten Aspekte der Spielwelt sind im Erzählspiel mit der Frage verknüpft, was in den Augen der Gruppe eine „gute Geschichte“ ausmacht. In einer funktionierenden Runde besteht ein gemeinsames Verständnis dahingehend, dass das Motiv, eine „gute Geschichte“ zu erleben, entscheidungsrelevant ist. Innere Schlüssigkeit, insbesondere die Vermeidung von Widersprüchen zu bereits etablierten Fakten, wird in der Regel als Merkmal einer „guten Geschichte“ angesehen, darüber hinaus ist jedoch allen Beteiligten bewusst, dass die Spielwelt der „Geschichte“ dient und sich entsprechend verhält. Sowohl vom SL als auch von den Spielern wird erwartet, dass sie die Spielwelt bzw. ihre Charaktere in diesem Sinne gestalten und lenken. Die Entscheidung muss dabei nicht immer die absehbare sein, kann im Gegenteil gerne überraschen, ist aber in jedem Fall als kreativer Beitrag des jeweiligen Spielers zur „Geschichte“ zu begreifen.

Ein Spannungsfeld ergibt sich dabei im Verhältnis zu der Forderung, Beiträge der anderen Mitspieler nicht zu negieren oder zu entwerten. Anders als bei einer auf Weltsimulation gerichteten Spielphilosophie, kann und soll diesem Anspruch nicht durch strikte und neutrale Wahrung innerweltlicher Kausalität Rechnung getragen werden. Vielmehr ist das Spiel als kreativer Prozess zu begreifen, bei dem die entstehende „Geschichte“ die Summe der Beiträge aller Beteiligten ist.

Daher ist es die Pflicht der Beteiligten, mit ihrem Spiel die Beiträge ihrer Mitspieler aufzugreifen und zu verarbeiten, und ihnen so Relevanz für die „Geschichte“ zu verleihen. Ein Beitrag wird nicht etwa dann entwertet, wenn eine unwahrscheinliche oder extreme Reaktion darauf erfolgt. Sondern er wird dann entwertet, wenn der weitere Handlungsverlauf an ihm vorbei entwickelt wird, ohne ihm Beachtung zu schenken. Umgekehrt wird ein Beitrag nicht dadurch validiert, dass strikt kausal bzw. stochastisch Konsequenzen adjudiziert werden. Sondern er wird vielmehr dadurch validiert, dass er in die Erzählung eingewoben, dass ihm Relevanz im Hinblick auf die „Geschichte“ zugestanden wird.

Wenn alle sich nach diesem Prinzip verhalten, folgt daraus gleichzeitig, dass die Einzelbeiträge sich im Einklang mit der gemeinsamen Erwartungshaltung befinden. Das Aufgreifen und Einbinden eines unangemessenen Beitrages kann nicht erwartet werden, weil dadurch alle vorangegangenen Beiträge entwertet würden. Wohl aber kann eine Bereitschaft erwartet werden, sich auf die Ideen und den Geschmack der anderen einzulassen, ihnen gegenüber aufgeschlossen zu sein, sie im Zweifel wohlwollend auszulegen und sogar die Erwartungshaltung anzupassen bzw. zu erweitern, wenn das möglich ist. Mit einer klaren und eindeutigen Formel hierfür kann ich leider nicht dienen, eine solche widerstrebt dem Wesen des Erzählspiels als dynamischer kooperativer kreativer Prozess.

Beachtung und Missachtung der Regelmechanik
Dann wäre da noch der Punkt mit den Regeln, genauer: der Regelmechanik. Oftmals wird im Erzählspiel der simulierende Ansatz einer klassischen Regelmechanik mehr als Rahmen bzw. Richtlinie denn als unantastbar angesehen. Solche Regeln sind dennoch nicht wertlos, sondern können im Gegenteil sehr wertvoll sein, um die Vorstellung von der Spielwelt, den Charakteren und dem, was so möglich und unmöglich ist, zu formen. Diese Homogenisierung der individuellen Vorstellungsräume ist oft sogar zwingend notwendig für ein erfolgreiches Spiel. Man muss allerdings begreifen, dass die Funktion entsprechend simulierender Regeln sich für das Erzählspiel in dieser Homogenisierung erschöpft, der Weltsimulation an sich aber kein eigener und originärer Wert beigemessen wird.

Daher ist es nach dem Selbstverständnis der erzählspielerischen Ansatzes geradezu verpflichtend, von Zeit zu Zeit das eigene Urteil hinsichtlich der Frage, was „gut“ für die „Geschichte“ sei, an die Stelle der (simulierenden) Regeln zu setzen. Üblicherweise wird dabei nichts passieren, was nicht auch im Rahmen der Regeln denkbar gewesen wäre, aber ggf. wird das Zufallselement ausgeklammert oder von eingeräumtem SL-Ermessen sehr zielorientiert Gebrauch gemacht.

In anderen Situationen wiederum mag man das Zufallselement willkommen heißen, um die Geschichte unberechenbarer und dadurch interessanter zu machen. Dies aber ist die bewusste Entscheidung der Gruppe, die diese Entscheidung auch an den SL delegieren kann. Wesentlich ist dabei, dass nicht willkürlich entschieden wird und das erläuterte Prinzip des kreativen aufeinander Aufbauens nicht missachtet wird. Ich persönlich bevorzuge daher absolute Transparenz hinsichtlich der Anwendung oder Nichtanwendung der Regeln. Andere legen darauf weniger Wert, was in Ordnung ist, solange der SL sich anständig verhält und sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten lässt, der SL also im von ihm wohlverstandenen Interesse der Spieler handelt.

Dabei bleibt unbenommen, dass man auch in einer Erzählspielrunde Spaß an der Anwendung der Regelmechanik haben kann. Darin ist kein Widerspruch zu sehen, Spaßquellen sind nicht ausschließlich, und oft ist es gerade die Kumulation ganz unterschiedlicher Spaßquellen, die den Reiz des Rollenspiels ausmacht. Das ist dann auch nicht etwa irrelevant: ein Spieler, der z.B. aufgrund geschickter Regelanwendung einen besonders kompetenten Charakter entwickelt hat, wird sich darauf durchaus etwas einbilden, und dies wird auch von den Mitspielern anerkannt werden. Diese Leistung des Spielers würde entwertet, wenn im Rahmen der „Geschichte“ die Kompetenz des Charakters überhaupt nicht zur Geltung käme. Kommt sie aber grundsätzlich zur Geltung, indem sie z.B. von NSCs und SCs anerkannt wird und oft genug gefragt ist, dann spielt sie auch eine Rolle in der „Geschichte“. Und hat der Charakter dann wiederum in einer bestimmten Situation einfach Pech, sind die Umstände einfach gegen ihn, so dass seine Kompetenz gezielt ausgehebelt wird, wodurch seine „Geschichte“ eine interessante Wendung erfährt – dann entwertet das gar nichts, der Spieler wird damit kein Problem haben, da er weiß, dass es nie seine Aufgabe war, dieses spezielle Ereignis zu verhindern. Meiner Einschätzung nach ist es vor allem diese letzte Differenzierung, die der typische Erzählspiel-Basher nicht versteht.

Objektiver und subjektiver Verstoß oder die Schuldfrage
Am Rande sei noch erwähnt, dass besonders aufgrund der möglicherweise diffusen bzw. dynamischen Erwartungen und Wechselwirkungen beim Erzählspiel nicht jeder überhaupt erkennt, was die anderen wollen oder erwarten. Die Frage der Schuld bzw. Vorwerfbarkeit einer „Rechtsverletzung“ im Sinne der dargestellten Rechte ist daher in vielen Fällen negativ zu beantworten. Ich würde behaupten, dass eine solche Rechtsverletzung in der Regel auf Unkenntnis bzw. Fehleinschätzung beruht, und nur in Ausnahmefällen auf Vorsatz. Andererseits kann auch eine Fehleinschätzung u.U. vorwerfbar sein, wenn sie fahrlässig ist, man sie also hätte vermeiden können, wenn man besser aufgepasst hätte.

Fazit
Das Geben und Nehmen in einer funktionierenden Erzählspielrunde erfordert Kreativität und Empathie. Ein Urteil über die ethisch-moralische Angemessenheit des Verhaltens der Beteiligten lässt sich nur dann treffen, wenn man versteht, was eine gegebene Runde von einer „guten Geschichte“ erwartet. Das setzt zunächst voraus, dass es eine solche gemeinsame Erwartung überhaupt gibt. Soweit es sie nicht gibt, muss das Verhalten der Gruppe darauf gerichtet sein, sich einer solchen gemeinsamen Erwartung anzunähern. 100 % Übereinstimmung gibt es natürlich nie, und die Erwartungshaltung kann sich auch erweitern oder transformieren. Respekt vor den Vorstellungen und Wünschen der anderen gehört in jedem Fall dazu.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Boni am 2.03.2010 | 12:06
Sehr schön! Präzise, auf den Punkt und neutral verfasst.

Einzige Anmerkung: Im Sinne der Neutralität würde ich die Bezeichnung "typische Erzählspiel-Basher" vielleicht mit "Erzählspiel-Kritiker" oder ähnlichem ersetzen.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Maarzan am 2.03.2010 | 12:11


Fazit
Das Geben und Nehmen in einer funktionierenden Erzählspielrunde erfordert Kreativität und Empathie. Ein Urteil über die ethisch-moralische Angemessenheit des Verhaltens der Beteiligten lässt sich nur dann treffen, wenn man versteht, was eine gegebene Runde von einer „guten Geschichte“ erwartet. Das setzt zunächst voraus, dass es eine solche gemeinsame Erwartung überhaupt gibt. Soweit es sie nicht gibt, muss das Verhalten der Gruppe darauf gerichtet sein, sich einer solchen gemeinsamen Erwartung anzunähern. 100 % Übereinstimmung gibt es natürlich nie, und die Erwartungshaltung kann sich auch erweitern oder transformieren. Respekt vor den Vorstellungen und Wünschen der anderen gehört in jedem Fall dazu.

Gibt es Hinweise wie diese Übereinstimmung erzielt werden soll? Letztlich reden wir hier ja darüber, dass Geschmack als sehr persönliches und subjektives Leitbild unter einen Hut gebracht werden soll und des weiteren sich die gute Geschichte ja aus dem Gesamtbild ableitet und nicht aus mal mehr, mal weniger gelungenen Teilszenen.
Was ich als Rundum-Erzählspiele erlebt habe dürfte zwar den oben genannten Punkten am nächsten kommen, aber andererseits erfüllen diese Spiele/erzeugten Geschichten die Anforderungen derjenigen, welche im traditionellen Rollenspiel mit Storyansprüchen auffallen, genausowenig wie diese traditionellen Rollenspiele.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 12:24
Gibt es Hinweise wie diese Übereinstimmung erzielt werden soll? Letztlich reden wir hier ja darüber, dass Geschmack als sehr persönliches und subjektives Leitbild unter einen Hut gebracht werden soll und des weiteren sich die gute Geschichte ja aus dem Gesamtbild ableitet und nicht aus mal mehr, mal weniger gelungenen Teilszenen.

Vom Standpunkt der Ethik aus kommt es nur darauf an, dass eine Übereinstimmung erzielt wird; das „wie“ ist egal. In der Praxis dürften die gängigsten Methoden die Bezugnahme auf ein bestimmtes Quellenmaterial sowie die Übernahme einer sozialen Moderations- bzw. Führungsrolle durch den SL sein.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Drudenfusz am 2.03.2010 | 12:29
Vom Standpunkt der Ethik aus kommt es nur darauf an, dass eine Übereinstimmung erzielt wird; das „wie“ ist egal. In der Praxis dürften die gängigsten Methoden die Bezugnahme auf ein bestimmtes Quellenmaterial sowie die Übernahme einer sozialen Moderations- bzw. Führungsrolle durch den SL sein.
Kurz: Man redet in der Gruppe einfach mal drüber.

Schöner Beitrag, Vermi, mir ist nun klar warum meine Wenigkeit immer allergisch auf Railroading reagiert (fühle mich da dann wohl in meinen Rechten beschnitten).
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: ErikErikson am 2.03.2010 | 12:39
Ich finde, RR und freies Spiel sind eh fast gleich, wenn man FS als "Wir setzen unsere Ziele selbst" definiert. Da die Spieler ihre Ziele kaum ständig ändern.

Nur gibts beim RR halt oft die offensichtlich beste Methode.

Dumm ist halt, wenn die Leute je was anderes wollen, Kompromisse sind immer schwer bei Spielstilen.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Zornhau am 2.03.2010 | 12:56
Die ethische bzw. moralische Dimension des Rollenspielens ist in letzter Zeit manchmal in Forendiskussionen aufgekommen, allerdings meist mit der Intention, das, was die anderen machen, als verwerflich zu brandmarken.
Genau. "Das, was die anderen machen, ist moralisch verwerflich." kann man so stehen lassen.

Die Frage ist nur: WAS ist mit diesem "das" gemeint?

Die Kritik an "den Erzählspielern" zielt ja überhaupt NICHT auf das, was sie während des SPIELENS machen, sondern auf das, was sie AUSSERHALB des Spielens so machen.

Und das ist, das "Erzählspiel" als das "Besser-Rollenspiel" darzustellen. Der elitäre Anspruch, der hier erhoben wird, dient allein der Selbstüberhöhung der Erzählspieler, und der - im Kontrast und BEWUSST vorgenommenen - Abwertung aller nicht vordringlich an der Erzählung interessierten Rollenspieler.

Und genau DIESE Art der Rhetorik der Erzählspiel-Propagandisten ist es eben, die zu einem Eindruck führt, daß "das, was die anderen <die Erzählspiel-Rhetoriker> machen, moralisch verwerflich" sei.

Wenn hier schon eingangs auf "Rhetoriker" Bezug genommen wird, dann sollte man schon KLAR HERAUSSTELLEN: Es geht bei dieser Rhetorik, die Erzählspiel kritisch oder gar ablehnend thematisiert, weniger um eine Ethik IM SPIELABLAUF SELBST, als um den Auftritt außerhalb der eigentlichen Spielrunden.

Niemand läßt sich gerne als "Schlechterspieler" herabsetzen. - Und gerade in diesem Forum gibt es halt SEHR geschickte, SEHR eloquente Meinungsführer einer bestimmten Richtung, die sich beständig, aber eben auch sehr geschickt verpackt im Anschein einer "Neutralität", die natürlich zu KEINEM Zeitpunkt gegeben oder auch nur beabsichtigt ist, mit enormer WIRKUNGSMACHT bei den hier Mitlesenden in deren Köpfe redet.

Diese Meinungsführer betreiben nicht Information, nicht eine "Begeisterungsdarstellung" ohne Abwertung der "Gegenseite", sondern sie betreiben eine SPALTUNG in ein "Wir, die Guten, die Erzählspieler mit höchsten Ethik-Ansprüchen" und ein "die anderen, die Schlechten, die Anspruchslosen Minderspieler".

So auch der hiesige Eingangsbeitrag.

Ich finde ganz grundsätzlich solche SPALTUNGS-Rhetorik ethisch verwerflich. - Statt das Gemeinsame im Hobby zu fördern und VERSTÄNDNIS für unterschiedliche praktische Ausübungsformen zu vermitteln, wird hier mit der ethischen Anspruchskeule nur noch "gebasht". - Und zwar sehr wohlformuliert, sehr sprachlich überlegen, sehr rhetorisch mächtig, und mit einer Selbstdarstellung des Verfassers als "neutraler, fairer, überlegener Vermittler höchstanspruchsvoller Weisheiten".

Hier sehe ich eben das EIGENTLICHE Problem in der HERBEIGEREDETEN(!) Unvereinbarkeit, Frontbildung, Spaltung des Hobbys in (mindestens) zwei Lager: Es geht nur um die persönliche Eitelkeit der hiesigen wirkungsmächtigen Demagogen.

Eine VERANTWORTUNG, die mit solch einem enormen EINFLUSS auf andere automatisch mitkommt, wollen sie NICHT übernehmen!

Und genau diese Verantworungsscheu hat auch die Theorie-Thematik in die Sackgasse geführt und Widerstände aufgebaut, statt sie durch Erkenntnis zu beseitigen. - Und dieser Eingangsbeitrag hier, ist genauso weniger hilfreich, als mehr ein weiterer KEIL, der mit wortmächtigen Hammerschlägen mitten ins Hobby getrieben wird.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: ChristophDolge am 2.03.2010 | 12:59
Toller Artikel.

Zitat
Am Rande sei noch erwähnt, dass besonders aufgrund der möglicherweise diffusen bzw. dynamischen Erwartungen und Wechselwirkungen beim Erzählspiel nicht jeder überhaupt erkennt, was die anderen wollen oder erwarten. Die Frage der Schuld bzw. Vorwerfbarkeit einer „Rechtsverletzung“ im Sinne der dargestellten Rechte ist daher in vielen Fällen negativ zu beantworten. Ich würde behaupten, dass eine solche Rechtsverletzung in der Regel auf Unkenntnis bzw. Fehleinschätzung beruht, und nur in Ausnahmefällen auf Vorsatz. Andererseits kann auch eine Fehleinschätzung u.U. vorwerfbar sein, wenn sie fahrlässig ist, man sie also hätte vermeiden können, wenn man besser aufgepasst hätte.

Das Beispiel des "Taschenlampenfallenlassers" ist da eventuell nochmal unter dem Gesichtspunkt des moralischen Konfliktes, den der Spieler dieses Charakters präsentieren will, zu überdenken. Natürlich fährt er den anderen vor den Karren, versucht aber seinerseits einfach ebenfalls einen Konflikt darzustellen: Die Angst des Charakters vs. die Verpflichtung gegenüber seinen Mitkameraden. Dass so ein Konflikt dann gleichzeitig auf Spielerebene und Charakterebene stattfindet, ist ein interessantes Phänomen.
Der Vorwurf, dieser Spieler mache das mit Absicht, um den anderen aktiv den Spaß zu zerstören, erwächst vermutlich auch aus mangelndem Verständnis bzw. mangelnder Empathie für die wahren Beweggründe des "Taschenlampenfallenlassers". Dennoch liefert dieses Beispiel eine tolle Illustration, wozu Missverständnisse und unterschiedliche Zielvorstellungen führen können: Die Mitspieler haben den moralischen Konflikt, den der betreffende Charakter durchlebt hat, gar nicht wahrgenommen (Ich habe Angst und will fliehen vs. ich muss meine Kameraden unterstützen), sondern sich nur am Ergebnis aufgehängt.

[Edit] Seitenhieb auf Zornhau entfernt, da Vermi vermutlich keine Zankerei in seinem Thread will.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: ErikErikson am 2.03.2010 | 13:00
Quatsch, das mit Erzählspiel ist beliebter, zumindest hier. Wenn ich im DSA Forum, ich wiederhole im DSA Forum, laut den offiziellen Abenteuern die Hochburg des Erzählrollenspiels das Erzählrollenspiel propagiere, hör ich meist, wie toll das freie Spiel ist.

IMHO ist das freie Spiel auch tatsächlich eine weiterentwickelte Form, und daher bei den langjährigen Spielern hier populärer. Es ist ja auch logischerweise komplexer. Erzählspiel dient Profis vielleicht eher der Entspannung.  

Ok, vielleicht verwechsel ich jetzt Erzählspiel zu sehr mit RR, vergebts mir. In dem Fall gilt das nur bedingt. Ist Erzählspiel das Gegenteil zu typischem D&D Dungeonschlachten? Sorry, Dungeonschlachten ist auch ziemlich primitiv. Selbst die mathematische Berechnung des effektivsten Vorgehens ist recht niedriges Niveau der Mathematik. Da ist WoW weiter, was Taktik und strategischen Anspruch angeht, ernsthaft.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Maarzan am 2.03.2010 | 13:08
Es ist in dem Grabenkampf ja nicht einmal eine reale Trennung zwischen Geschichtenerzählern und Rollenspielern.
Die meinungsführenden Geschichtenerzählern können mit den Rundumgeschichtenerzählern zumindest meinem Erleben nach ja noch schlechter als mit den Traditionalisten, wo die zum Teil starke Meisterrolle ihren Interessen zum Teil entgegenkommt und für ihre Zwecke (miss-)brauchen läßt.

Klare Trennung finde ich dabei gar nicht schlecht, sondern sogar sehr förderlich. Wenn ich weis, was mich erwartet, z.B. ein Rundumgeschichtenspiel, kann ich mich darauf einlassen und meinen Spaß haben.
Den habe ich nicht, wenn ein selbst ernannter Storyguru Kraft höheren Verständnisses von Story und Spielspaß sich in einem nur allgemein als Rollenspiel verkauften Spiel selbstherrlich über Regeln wie Mitspieler hinwegsetzt.
Und entsprechend schadet diese Einheitsidee des Rollenspiels genau dem Anspruch vorher drüber geredet zu haben. Sie verdeckt die Unterschiede in der Spielauffassung, deren Wahrnehmung notwendig ist um Enttäuschungen im Spiel zu minimieren.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Funktionalist am 2.03.2010 | 13:16
Wohaaa, langsam langsam!
Bevor Verwirrung aufkommt:
Ich lese hier jetzt mindestens vier verschiedene Auffassungen vom Erzählspiel:

-koop. Geschichtenerzählen (Director's Stance)
-koop. Erzählrollenspiel (vielleicht eher Brechtsches Improtheater)
- Selbstherrliches Attentionwhoring
- NAchspielen einer Geschichte, die schon feststeht.

Ich glaube, am ehesten bezieht sich der Eingangspost auf den zweiten Fall und dann noch auf den ersten, wobei der hier im Forum wahrs. weniger relevant ist.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: ErikErikson am 2.03.2010 | 13:16
Rundumerzählspiel? wtf?

Was sind denn jetzt die großen Spielstilhäuser? Gibts die ?

Und um weloche gehts hier?
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Maarzan am 2.03.2010 | 13:27
Ich habe bisher drei Formen erlebt:
A) Ein Spiel, wo rundum erzählt wird und jeder auf das aufgebaut hat was vor ihm war, aber ohne große Vorabsprache jenseits von gewissen Setting/Stilinformationen. Im Konfliktfall gab es Ressourcen, Würfel oder ein ähnliches Mittel und weiter gings. Die resultierende Geschichte entwickelte sich aber sehr überraschend und mäandernd. (Das war mein Rundumerzählspiel)
B) Ein Spiel, wo der grobe Verlauf vorabbesprochen wurde, dann die Szenen und im folgenden dann nur innerhalb dieses Rahmens die Geschichte ausgeschmückt wird, zur Not Sacehn halt noch einmal nacheditiert wurden. Eher eingemeinsames romanschreiben denn ein spiel.
C) (und leider die häufigste) Der Versuch in einem klassischen Spiel per Autoritätsanmaßung (meistens, aber nicht immer des SL) seine Geschichte den anderen aufzudrücken.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: ErikErikson am 2.03.2010 | 13:46
Ich kenn folgende Stile vom Erleben her:

Das was meistens ging: SL leitet DSA Abenteuer, wie mans schafft ist recht frei, aber es wird halt drauf geschaut, das das was im AB drinsteht, auch vorkommt. Also wenns zum Schwarzmagier ging, kam man da irgendwann auch hin, wenn man sich alzu blöd angestellt hat halt als Gefangene. Wechselspiel zwischen festen Szenen und Szenen, die ziemlich frei waren, etwa bei ner Reise.

Ich denke, das ist so klassiches Fortgeschrittenenrpg.

Mach mer halt mal RPG ist oft so Dungeoncrawl mit viel Bretzeln, hab ich hin und wieder auch mal gespielt, da wird meist mehr gelabert über Fußball als gespielt.

Freies Spiel, wo die Leut machen können was sie wollen, von den Zielen her, nervt mich, weil zu unvorhersehbar ist und es ewig Zeit braucht, bisses mal richtig läuft.

Dann gibts noch das moderene Zeug, PTA oder Fate, das kenni ned.

Aber ich will den Thread nicht weiter hijacken. Es bringt aber auch nix, über Erzählspiel zu reden, wenns ein zu umfassender Begriff ist.

Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: ChristophDolge am 2.03.2010 | 13:50
Warum nicht einfach so definieren:

Zitat
Erzählspiel sei für die Belange dieses Versuchs eine Form des P&P-Rollenspiels, bei dem die Beteiligten Wert darauf legen und darauf hin arbeiten, durch das gemeinsame Spiel ein fiktives Geschehen zu erzeugen, das von den Beteiligten während des Spiels als eine „gute Geschichte“ empfunden wird.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 13:51
Ich rede hier über das Erzählspiel in einer Binnensicht. Die erwähnte Rhetorik, der ich mit dem Artikel u.a. entgegentreten möchte, ist jene, die Erzählspieler aufgrund ihrer Spielpraxis als Schummler, Betrüger oder gar Vergewaltiger verunglimpft. Dabei bleibt unbenommen, dass es Leute geben mag, die sich selbst als Storyteller, Story Gamer oder Erzählspieler bezeichnen und in ihren Spielrunden gegen die oben dargestellten Grundsätze verstoßen. Auch darauf richten sich meine Ausführungen, eine Differenzierung zu erlauben und dann eben dem Erzählspiel-Basher erklären zu können, warum das Negativbeispiel, auf das er abstellt, nicht für Erzählspiel im Allgemeinen steht.

(Ich verwende hier bewusst den Ausdruck „Basher“ und nicht „Kritiker“, weil ich gegen sachliche Kritik überhaupt nichts habe, wohl aber gegen unsachliches Bashing.)

@ Zornhau: Um es ganz deutlich zu sagen, Sinn und Zweck meiner Ausführungen ist keineswegs, das Erzählspiel als Spielstil zu erhöhen und andere Spielstile herabzusetzen oder gar als unethisch zu brandmarken. Gerne würde ich Artikel zur Ethik anderer Spielstile sehen, gerne auch aus deiner Feder. Ich habe ja angedeutet, dass in anderen Spielstilen eben andere Maßstäbe für die Entwertung oder Validierung der Beiträge der Mitspieler gelten, was beinhaltet, dass es auch dort solche Maßstäbe gibt. Mein Thread richtet sich daher neben den Erzählspielern auch an solche Leser, die keine Erzählspieler sind, aber ein aufrichtiges Interesse daran zeigen, Erzählspiel besser zu verstehen. In diesem Sinne begrüße ich deine Forderung, „das Gemeinsame im Hobby zu fördern und VERSTÄNDNIS für unterschiedliche praktische Ausübungsformen zu vermitteln“, und begreife mich seit jeher als deren Advokat.

Dass du mich persönlich nicht leiden kannst und mir unlautere Absichten unterstellt, kann ich nicht ändern. Jenseits der beidseitigen Animosität ist es ja übrigens so, dass wir in 95 % der Fälle derselben Meinung sind.

Ich würde es aber begrüßen, wenn wir (beide und alle anderen) diesen wohl unvermeidlichen Exkurs, den ich zugegebenermaßen mit dem Geleitwort auch provoziert habe, an dieser Stelle beenden könnten. Denn, großes Ehrenwort, eigentlich geht es mir um die Sachen, die nach dem Geleitwort kommen, und darüber würde ich viel lieber reden.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: ChristophDolge am 2.03.2010 | 13:59
Nein. Sie legen ja Wert drauf, eine "gute Geschichte" zu erspielen. Ich denke, da steckt schon alles drin. Sie machen es nicht einfach so und es wird sicher nicht immer gelingen, aber das ist das Ziel und dem werden andere Sachen untergeordnet.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 14:06
Das Beispiel des "Taschenlampenfallenlassers" ist da eventuell nochmal unter dem Gesichtspunkt des moralischen Konfliktes, den der Spieler dieses Charakters präsentieren will, zu überdenken. Natürlich fährt er den anderen vor den Karren, versucht aber seinerseits einfach ebenfalls einen Konflikt darzustellen: Die Angst des Charakters vs. die Verpflichtung gegenüber seinen Mitkameraden. Dass so ein Konflikt dann gleichzeitig auf Spielerebene und Charakterebene stattfindet, ist ein interessantes Phänomen.

Der Vorwurf, dieser Spieler mache das mit Absicht, um den anderen aktiv den Spaß zu zerstören, erwächst vermutlich auch aus mangelndem Verständnis bzw. mangelnder Empathie für die wahren Beweggründe des "Taschenlampenfallenlassers".

Der Taschenlampenfallenlasser stammt ja aus eine Cthulhu-Runde, von der dermaleinst Settembrini berichtete. In jener Runde fehlte es schon an dem gemeinsamen Entschluss, überhaupt Erzählspiel zu spielen. Wer daran Schuld war, lässt sich anhand der überlieferten Informationen kaum feststellen. In einer funktionierenden Erzählspielrunde hätte das Fallenlassen der Taschenlampe wahrscheinlich einen berechtigten und guten kreativen Beitrag dargestellt, wenn man vom Lovecraft-Quellenmaterial als Grundlage ausgeht. Aber die Mitspieler, zumindest Settembrini, legten eben ganz andere Maßstäbe an, nach denen das Verhalten des Taschenlampenfallenlassers einem Totalversagen als Spieler gleichkam. Missverständnisse passieren eben. Die Frage ist halt, ob man den Kerl aufgrund dieses Missverständnisses dann gleich verspotten und beschimpfen muss.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Teylen am 2.03.2010 | 14:15
Hm, vielleicht bin ich noch zu gestresst von der Action über die letzten Tage hinweg.
Aber irgendwie sehe ich in dem Text keine Aussage  :-\
Ausser das es beim Erzählspiel darum geht eine Geschichte zu erzählen..
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: verminlord am 2.03.2010 | 14:17
Das setzt zunächst voraus, dass es eine solche gemeinsame Erwartung überhaupt gibt.

Öhm, nein, die Erwartung hat keine Bedeutung. Gerade die Gruppen die von sich aus die höchsten Erwartungen weckten, waren dejenigen die am enttäuschensten verliefen. Zum einen liegt es daran, dass Erwartungen höchstgradig unterschiedlich und zum anderen völlig Passiv sind . Eine erfolgreiche Erzählgeschichte beruht immer darauf das ein aktives Interesse am Gestalten und Kooperieren vorliegt.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: D. M_Athair am 2.03.2010 | 14:18
Sehr schöner Beitrag. Danke, Vermi!

Ich hoffe, dass ich später in der Lage sein werde einen umfassenden Kommentar abzugeben.
Für den Moment müssen es ungeornete Gedankenschnipsel tun.


1. Das Erzählspiel, das im Ausgangsbeitrag beschrieben wird versuche ich mit Prince Valiant umzusetzen.
Das ist neben Labyrinth Lord, das Old-School-Idealen verpflichtet ist und WFRP 2nd, das ich nahe am Settembrini-ARS leite eines meiner liebsten Rollenspiele.

2. Gerade im Umfeld der (v.a. älteren) White-Wolf-Spiele habe ich erlebt, dass (besonders auf Spielerseite) massiv gegen die beschriebene Erzählspiel-Ethik verstoßen wird. Vielleicht rechne ich deswegen das Storytelling/Storyteller-System nicht zu den Erzählspielen, sondern sehe das als eigene Spielform an, die anderen Paradigmen folgt.

3. Zornhaus Beitrag ergibt für mich im Rahmen dieses Threads wenig Sinn. Sicher: Kritik an selbsternannten Erzählspiel-Aposteln ist vielfach nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar nötig. Doch hier scheint sie mir so unpassend wie ein Motorad auf der Pferderennbahn.


Ich kenn folgende Stile vom Erleben her:
Nichts davon trifft, was ich unter Erzählspiel verstehe. Gegenteilig dazu verhält sich Vermis Eingangsbeitrag.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Teylen am 2.03.2010 | 14:25
2. Gerade im Umfeld der (v.a. älteren) White-Wolf-Spiele habe ich erlebt, dass (besonders auf Spielerseite) massiv gegen die beschriebene Erzählspiel-Ethik verstoßen wird.
Wieso das respektive wie?
Schließlich stellt die beschriebene Ethik doch keine Regeln auf außer "produziert eine Geschichte (mit der ihr zufrieden seit)"
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: ChristophDolge am 2.03.2010 | 14:29
Unter anderem fordert Vermi ja auch: "Sei kein Arschloch!" und "Vermute nicht immer das schlimmste als Motivation deiner Mitspieler!" und "Greife nicht in die Erzählrechte deiner Mitspieler ein, sofern ihr das nicht geklärt habt!" und fordert, dass man sich vorher über bestimmte Dinge im Klaren sein muss, nämlich unter anderem, dass man überhaupt wirklich Erzählspiel betreiben will und kein Erzählonkelspiel (bei dem die Geschichte ja nur von einem Spieler ausgeht).
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: D. M_Athair am 2.03.2010 | 14:33
Öhm, nein, die Erwartung hat keine Bedeutung. Gerade die Gruppen die von sich aus die höchsten Erwartungen weckten, waren dejenigen die am enttäuschensten verliefen. Zum einen liegt es daran, dass Erwartungen höchstgradig unterschiedlich und zum anderen völlig Passiv sind . Eine erfolgreiche Erzählgeschichte beruht immer darauf das ein aktives Interesse am Gestalten und Kooperieren vorliegt.

@ Erwartung: Vielleicht sollte man besser von einer gemeinsamen Vorstellung hinsichtlich des Spielerlebnisses sprechen.
Das kann man kommunzieren indem man Fragen wie: "Wie soll sich das Spiel anfühlen?" "Was tut mein SC und wie wirkt sein Handeln?" "Welche Rahmenbedingungen müssen wir dafür festsetzen?"

@ Teylen: Eine Geschichte kann man auch unter ganz anderen Voraussetzungen erzählen, als unter denen, die Vermi angeführt hat. Und: Doch, Vermis Ethik stellt Regeln auf, bzw. Stellschrauben für Regeln vor, die über die Prämisse "Schustert euch eine coole Geschichte zusammen!" hinausgehen.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Teylen am 2.03.2010 | 14:35
Unter anderem fordert Vermi ja auch: "Sei kein Arschloch!" und "Vermute nicht immer das schlimmste als Motivation deiner Mitspieler!"
Das ist doch ganz klar Regel 0

Zitat
und "Greife nicht in die Erzählrechte deiner Mitspieler ein, sofern ihr das nicht geklärt habt!"
Und das eigentlich auch ^^;

Beides finde ich nun weder prägend für die oWoD noch durch das System gefördert.

Zitat
und fordert, dass man sich vorher über bestimmte Dinge im Klaren sein muss, nämlich unter anderem, dass man überhaupt wirklich Erzählspiel betreiben will und kein Erzählonkelspiel (bei dem die Geschichte ja nur von einem Spieler ausgeht).
Wenn die Leute sich einig sind das ein Spieler, in dem Fall der Spielleiter, die Geschichte entwickelt und man ihr eben folgt wäre man auch wenn du es Erzählonkelspiel nennst, der Ethik nach Erzählspieler.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: ChristophDolge am 2.03.2010 | 14:39
Zitat
Wenn die Leute sich einig sind das ein Spieler, in dem Fall der Spielleiter, die Geschichte entwickelt und man ihr eben folgt wäre man auch wenn du es Erzählonkelspiel nennst, der Ethik nach Erzählspieler.

Wenn es einen Konsens zum Erzählonkelspiel gibt, dann erwartet man aber auch, dass bestimmte Punkte unter "Rechte im Rollenspiel" nicht mehr zutreffen (z.B. "Beiträge eines Spielers zum Spiel dürfen nicht negiert oder entwertet werden.").
Ansonsten will ich eigentlich gar nicht streiten: Wenn man will, kann man Erzählonkelspiel als Erzählspiel betreiben. Aber ich behaupte einfach mal: Nicht jedes Erzählonkelspiel ist ein Erzählspiel im Verminard'schen Sinn.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: verminlord am 2.03.2010 | 14:43
@ Erwartung: Vielleicht sollte man besser von einer gemeinsamen Vorstellung hinsichtlich des Spielerlebnisses sprechen.
Das kann man kommunzieren indem man Fragen wie: "Wie soll sich das Spiel anfühlen?" "Was tut mein SC und wie wirkt sein Handeln?" "Welche Rahmenbedingungen müssen wir dafür festsetzen?"

Was voraussetzt das sich der Spieler mit den eigenen Vorstellungen auseinandergesetzt im Verhältnis zu seinen Mitspielern. Das wiederum benötigt das man ein ganz klein wenig über sich selbst reflektiert hat. Eine ganze Reihe von Spielern sind nicht willens (oder in der Lage) dazu. Was bei einer Bier&Bretzel Runde nur ein wenig negativ auffällt, aber bei gewollten Erzählspiel immer in die Hose geht.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: ErikErikson am 2.03.2010 | 14:48
Ich habe gemerkt, das viele einfach nicht so viel drüber reden/nachdenken wollen, wie sie spielen. Nicht jeder will soviel investieren, und das ist auch ok. Dann kann man sich halt nicht so gut abstimmen, damit muss man leben. Dann bleibt halt auch die Ethik etwas auf der Strecke. Teylen hat insofern recht, das die Ethik sich stark auf: Spiel nicht mit Idioten runterbrezeln lässt.

Es ist auch irgendwann lächerlich, wenn 5mal mehr übers Spiel geredet als gespielt wird.  ;) Natürlich nicht hier im Forum, aber am Spieltisch.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 14:49
Erzählonkelspiel (bei dem die Geschichte ja nur von einem Spieler ausgeht)

Na ja, meiner Erfahrung nach ist gutes Erzählonkelspiel dadurch gekennzeichnet, dass die Beiträge der Spieler durchaus durch den SL aufgegriffen und verarbeitet werden, d.h. der Grundsatz des kreativen aufeinander Aufbauens bleibt gewahrt, nur mit sehr unterschiedlichen Anteilen. An dem Punkt, wo die Beiträge der Spieler vollständig negiert werden, kommt es dann in der Regel auch zum Konflikt. Insofern passen meine Grundsätze schon auch auf eine funktionierende Erzählonkel-Runde. Dabei bleibt unbenommen, dass dieses starke Ungleichgewicht in anderen Erzählspielrunden ein No-Go wäre, weil so weitreichende Befugnisse dort nicht an den SL delegiert wurden.

Teylen, ich kann es leider nicht besser ausdrücken, als ich es im Eingangsbeitrag getan habe. Ehrlich gesagt verstehe ich dich nicht, und du mich anscheinend auch nicht. So was kann vorkommen, kein Beinbruch. :)
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Boni am 2.03.2010 | 14:50
Was voraussetzt das sich der Spieler mit den eigenen Vorstellungen auseinandergesetzt im Verhältnis zu seinen Mitspielern.

Was im Eingangspost ganz klar als Ausgangslage definiert wird.

Zitat
Das wiederum benötigt das man ein ganz klein wenig über sich selbst reflektiert hat. Eine ganze Reihe von Spielern sind nicht willens (oder in der Lage) dazu.

Dann sind diese Spieler aber auch meistens damit zufrieden, "bespasst" zu werden, bzw. den SL machen zu lassen, ohne sich allzu aktiv an der Geschichte zu beteiligen (im Sinne von Emotional Investment).

Zitat
Was [...] aber bei gewollten Erzählspiel immer in die Hose geht.

I beg to differ. Vielleicht in deiner Erfahrung. Das heisst aber nicht, das es überhaupt keine Gruppen gibt, die die von Vermi definierten Grundvoraussetungen erfüllen. Ich selbst spiele regelmäßig in zweien und habe am Wochenende mindestens eine erlebt, die den Anspruch des Eingangspost erfüllte (sowie zwei weitere, die verdammt nahe dran kamen).

Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Boni am 2.03.2010 | 14:55
Ich habe gemerkt, das viele einfach nicht so viel drüber reden/nachdenken wollen, wie sie spielen. Nicht jeder will soviel investieren, und das ist auch ok.

Hat ja auch keiner gesagt. Andere Spilstile sind legitim, solange sie allen Beteiligten Spaß machen. Probleme gibt es erst, wenn unterschiedliche Vorstellungen im Spiel aufeinander prallen.

Zitat
Es ist auch irgendwann lächerlich, wenn 5mal mehr übers Spiel geredet als gespielt wird.  ;)

Klar ist das jetzt absichtlich überspitzt ausgedrückt. Allerdings ist das eine fehlerhafte Vorstellung, die es scheinbar öfter gibt, das nur übers Spiel verhandelt, aber nicht gespielt wird. Wenn man sich einen Abend (oder zwei, oder drei) Zeit nimmt, um übers Spiel, die Charaktere und die gemeinsamen Erwartungen zu reden, steht das bei einer Kampagne, die ein Jahr und längerlaufen soll, doch noch in einem guten Verhältnis. Und auch in anderen Spielstilen kann es sich lohnen, mal über das Spiel zu reden, bevor Probleme entstehen.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Teylen am 2.03.2010 | 14:59
Teylen, ich kann es leider nicht besser ausdrücken, als ich es im Eingangsbeitrag getan habe. Ehrlich gesagt verstehe ich dich nicht, und du mich anscheinend auch nicht. So was kann vorkommen, kein Beinbruch. :)
Ich war auch nur interessiert was in dem Eingangsbeitrag inhaltlich vielleicht "mehr" drin steht als ich beim ersten lesen so gesehen habe. Ich finde ja auch das er ein sehr schönes Schriftbild hat und so etwas nach Kant klingt ohne gleich gänzlich abzuheben, naja nur bei den Aussagen komme ich nicht ganz auf den Punkt ^^;

Ich mein jetzt sogar von dem was ich erkenne würde ich absolut zustimmen.
Eben weil es einmal "Erzählspiel" unabhängig von Player Empowerment bzw. Bennie Zeug beschreibt ohne das als Spielmittel auszuschließen und auch noch offen Richtung eher gerailroadeter Sachen ist. Nur mir erscheint es vielleicht ein bisschen zu offen ^^;
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 15:01
@ verminlord: „Gewollt und nicht gekonnt“ ist zweifellos ein real existierendes Phänomen. Ich vermute, einige Spieler haben vielleicht in bestimmten Regelwerken gewisse Paradigmen gelesen und postulieren diese, ohne allerdings eine richtig kohärente Vorstellung davon zu haben, wie das dann im Spiel funktioniert. Dann werden eher bestimmte Handlungen schablonenhaft ausgeführt, die vermeintlich zu einer „guten Geschichte“ führen, aber ein echtes, gemeinsames Empfinden der Beteiligten, im Spiel tatsächlich eine „gute Geschichte“ zu erleben, ist eigentlich gar nicht vorhanden. Meiner Erfahrung nach findet dann auch eher kein kreatives aufeinander Aufbauen statt, vielmehr werden alle möglichen Sachen unterbunden, weil sie „nicht stimmungsvoll“ oder „nicht storydienlich“ sind. Solche gescheiterten Erzählspielrunden verdienen Kritik, sollten jedoch nicht als Rollenmodell des Erzählspiels im Allgemeinen missverstanden werden.

Ich nehme an, meine Verwendung des Wortes „Erwartung“ hat bei dir die Assoziation zu solchen Runden geweckt. Funktioniert für dich vielleicht die Bezeichnung „gemeinsames Verständnis“ oder „gemeinsames Empfinden“ besser? Was ich damit meine, ist schlicht, dass in einer funktionierenden Erzählspielrunde die Spieler an einem Strang ziehen und auf einer Wellenlänge schwingen. Dass also, wenn dein Mitspieler seinen Charakter etwas sagen oder tun lässt, du das in aller Regel als passend und nur in seltenen Ausnahmefällen als unpassend empfindest.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Maarzan am 2.03.2010 | 15:16
Im Zusammenhang mit dem ersten Auftreten der Storyteller und dem beginnenden Kleinkrieg sehe ich das Problem darin, das der "besseren Story" quasi als Götze eine übergeordnete Qualität und Autorität zugesprochen wurde und damit die Interessen des Rests der Gruppe zweitrangig wurden. Der Kunst hatte man sich unter zu ordnen und "bessere Story" wurde von einigen als legitimier Grund angesehen, mit dem eine Meinung durchgesetzt werden sollte.
Ich weis nicht, in wie weit dass direkt aus den RAW herauslesbar ist oder ob sich das aus den Auftritten und Diskussionen der Macher und ersten Anhänger ergeben hat, aber in mneinem Wahrnehmungsbereich damals haben sich ein Haufen Leute, die zuvor Stress in den bisherigen Runden hatten (Railroader, Schummler, Wannabepowergamer) dem neuen Spielstil zugewandt, sich über die Rückständigkeit und Unerwachsenheit der zurückgebliebenen ausgelassen um dann missionierend (oder einfach mit ihrem tollen Vampirecharakter Gen.xyz) ins klassische Spiel zurück zu wollen.

In dem Sinne frage ich mich in wie weit die Ethik hier Realtitätsbezug hat. Kommunismus mag in der Theorie und diversen Kleinkommunen auch funktional sein, aber im Großen und Ganzen war es an der Realität vorbei mit entsprechenden Verirrungen in der praktischen Ausführung.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: verminlord am 2.03.2010 | 15:26
„gemeinsames Verständnis“ oder „gemeinsames Empfinden“ besser?

Deutlich besser. Danke.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 15:31
In dem Sinne frage ich mich in wie weit die Ethik hier Realtitätsbezug hat.

Ich würde sagen, insoweit, als auch jede andere Ethik Realitätsbezug hat: Anständige Leute halten sich im Wesentlichen daran, oder versuchen es zumindest.

Ich kann nur sagen, dass ich schon viele Runden mit ganz unterschiedlichen Leuten gespielt habe, in denen es jedenfalls nach meinem Empfinden und dem Bekunden der Mitspieler genau so wie von mir im Ausgangsbeitrag beschrieben funktioniert hat.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Toshi am 2.03.2010 | 16:09
Das würde ich auch so sagen, wobei die Produktion einer guten Geschichte dann auch schon gutes Erzählspiel ist. Man könnte vielleicht statt gut neutraler auch sinnvoll sagen - also sinnvoll in dem Sinn, dass Erzähltes nicht durch eine Unlogik des Erzählens entwertet wird.
Eine Ethik darf sich nicht davor drücken das "Gut" zu bestimmen, oder festzulegen wie es zu bestimmen ist.
Eine Ethik muss als Moraltheorie bestimmen 'was' gut ist und muss dies auch begründen.

Wenn man eine "gute Geschichte" als zu erreichendes Ziel benennt,
kommt man nicht drumrum eben dies zu Begründen.
Warum ist eine "gute Geschichte" wichtiger als Spannung/Kurzweil/Spass/etc...

Wenn man "das Gute" als Vorraussetzung und nicht als Schlußfolgerung präsentiert
dann ist das ne nette Auflistung von Regeln/Anweisungen, aber imho noch keine 'Ethik'.

Im Fazit wird zwar darauf verwiesen dass "das Gute" im Diskurs zu bestimmen sei,
doch wird nach wie vor vorausgesetzt dass es eine "gute Geschichte" sein soll?!?

Hm, sry, aber für mich hat das wenig mit Ethik,
und nur am Rande mit Moral zu tun was da beschrieben wird.

Ich würde sagen, insoweit, als auch jede andere Ethik Realitätsbezug hat: Anständige Leute halten sich im Wesentlichen daran, oder versuchen es zumindest.

In der Ethik geht es um die moralische Bewertung und Begründung von Handlungen.
Und alle Handlungen haben Realitätsbezug.
Als "anständig" im Sinne einer bestimmten Ethik gelten die Leute doch nur
weil/wenn sie eben dieser Ethik folgen.

Ich kann nur sagen, dass ich schon viele Runden mit ganz unterschiedlichen Leuten gespielt habe, in denen es jedenfalls nach meinem Empfinden und dem Bekunden der Mitspieler genau so wie von mir im Ausgangsbeitrag beschrieben funktioniert hat.
Eine empirische Begründung für eine Moraltheorie. Ähm... *hüstel*


...just my two cents...
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: verminlord am 2.03.2010 | 16:22
I beg to differ. Vielleicht in deiner Erfahrung. Das heisst aber nicht, das es überhaupt keine Gruppen gibt, die die von Vermi definierten Grundvoraussetungen erfüllen. Ich selbst spiele regelmäßig in zweien und habe am Wochenende mindestens eine erlebt, die den Anspruch des Eingangspost erfüllte (sowie zwei weitere, die verdammt nahe dran kamen).

Das habe ich nicht behauptet. Aber und das sage ich in aller Klarheit, der schlechte Ruf des Erzählrollenspiel kommt von Leuten, die behaupten Erzählrollenspiel zu betreiben, aber in wirklich 'Mary Sue (http://de.wikipedia.org/wiki/Mary_Sue)' Onanie darbieten.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Heretic am 2.03.2010 | 16:24
Ethik ist nie allgemeingültig, sondern kulturkreisbezogen.

Rollenspiel simulationistischer und gamistischer Natur führt ebenso zur "guten Geschichte" wie "Erzählspiel", nur sieht das anscheinend keiner von euch, dass beide Extremformen teil des übergeordneten Komplexes "Rollenspiel" sind, und nur die Wichtung halt jeweils anders liegt, aber am Ende das Erleben einer guten Geschichte steht, egal ob das jetzt durch Märchenonkelei oder durch gamistischen Crunch und Simulationismus erreicht wurde.

Bei den "Erzählern" folgt das Regelgerüst der narration, bei den "gamistischen" erwächst die narration aus dem durch Regeln festgelegten und in Kooperation zwischen den Mitspielenden geformten Spielgeschehn.

Das Ziel ist das gleiche, nur das Mindset und der Weg dorthin ist ggf. abweichend.

Ist zumindest meine Meinung, die wohl krass von eurer abweicht, was mich nicht wundert, da ich mit der Theorie wenig am Hut hab, sondern meist praktisch am Tisch spiele, und in meinen Runden zumeist der Pragmatismus zählt, und nicht irgendwelche Theorien.
 
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 16:34
Eine Ethik darf sich nicht davor drücken das "Gut" zu bestimmen, oder festzulegen wie es zu bestimmen ist.
Eine Ethik muss als Moraltheorie bestimmen 'was' gut ist und muss dies auch begründen.

Wenn man eine "gute Geschichte" als zu erreichendes Ziel benennt,
kommt man nicht drumrum eben dies zu Begründen.
Warum ist eine "gute Geschichte" wichtiger als Spannung/Kurzweil/Spass/etc...

Okay, das ist eine Begriffsverwirrung. Ich schreibe „gute Geschichte“ in Anführungszeichen, weil das die gebräuchliche umgangssprachliche Bezeichnung des Spielziels ist. Dieses habe ich aber als das subjektive Empfinden der Beteiligten definiert. Subjektives Empfinden als Anknüpfungspunkt objektiver Handlungsanweisungen mag unüblich sein, darum kommt man aber m.E. hier nicht herum, eben weil es keine Rechtfertigung einer Handlungsanweisung gibt, die anhand äußerlich auferlegter, objektiver Kriterien von der Gruppe verlangt, eine bestimmte Art von Geschichte zu erzählen. Das einzige Ziel der Aktivität Rollenspiel ist ja die persönliche Erbauung der Beteiligten, also kann Maßstab für richtig oder falsch der Aktivität auch nur das subjektive Empfinden der Beteiligten sein. Wenn du z.B. eine Ethik des Sex postulieren wolltest, kämest du ebenso wenig um das subjektive Empfinden herum.

Das Gute (Richtige) im Sinne der Moralphilosophie, ohne Anführungsstriche, ist daher ein anderes gut als das „gut“ in „gute Geschichte“, wenn du mir folgen kannst. Gut (richtig) im Sinne der Moralphilosophie soll nicht die „Geschichte“ sein, sondern das Verhalten der Beteiligten während des Spiels, das sich an die – explizit oder stillschweigend – getroffene Gruppenabsprache und gewisse allgemeingültige Umgangsformen zu halten hat. Und dabei muss, wie oben erläutert, das gemeinsame ästhetische Empfinden der Beteiligten ein Beurteilungsmaßstab sein.

Zitat
In der Ethik geht es um die moralische Bewertung und Begründung von Handlungen.
Und alle Handlungen haben Realitätsbezug.
Als "anständig" im Sinne einer bestimmten Ethik gelten die Leute doch nur
weil/wenn sie eben dieser Ethik folgen.

Ja, da hast du natürlich recht. Ich bitte um Nachsicht für mein erwähntes Westentaschenlatein, ich habe keine Philosophie studiert (hatte nur mal ein Seminar mit so Laien-Philosophen aus der juristischen und theologischen Fakultät…) Natürlich ist das hier keine Herleitung, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Aber ich denke, für den Hausgebrauch reicht es. Natürlich nur, wenn der geneigte Leser ein paar Grundannahmen teilt, die sich aber im Wesentlichen mit „kategorischer Imperativ“ umschreiben lassen sollten.

Zitat
Eine empirische Begründung für eine Moraltheorie. Ähm... *hüstel*

Nana, verständig lesen bitte. Es ging dabei nicht um die moralische Frage nach richtig oder falsch, sondern allein um die praktische Frage, ob ein Handeln nach diesen Grundsätzen überhaupt realistisch ist. Es ist daher keine empirische Begründung der Moraltheorie, sondern lediglich ein anekdotischer Beleg dafür, dass die postulierten Regeln auch tatsächlich praktisch angewendet werden können.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Funktionalist am 2.03.2010 | 16:41
@Heretic

So ähnlich sehe ich das auch. Das Hauptziel ist es, eine Geschichte zu erleben und den Helden durch Konflikte zu führen.
Das ist mit fast jeder Spielrichtung möglich, solange die Beiträge der Spieler nicht entwertet und Vorstellungen nicht zu stark strapaziert werden.

Wenn man sich nach der "guten Geschichte" als direktem Ziel richtet möchte, sind Vermis REgeln schon vollständig (soweit ich es jetzt sehe.). Will man sich über die Weltensimulation dorthin hangeln, braucht es ersatzweise zu den fähigen Spielern einen sehr fähigen SL, dafür können sich die SPieler mehr auf den AUgenblick konzentrieren. (Oder was weiß ich machen.)
Das hat alles seinen eigenen Geschmack. Und was der eine mag ist dem anderen so ein Geschmäckle. ich habe bisher beides in gut erlebt und einige Male auch das von Vermi beschriebene Spiel. MIr persönlich macht das im Moment mehr Spaß.

Was denn nun eine gute Geschichte ist, hängt in erster Linie vom Geschmack der Mitspielenden ab. Ich mag es z.B. episch, andere mögen emo(tionsgeladene) Weltschmerzdudelei...
Hier in einer Gruppe diese versch. Anforderungen herauszufinden ist sehr schwer. Dafür braucht es einen sehr fähigen SL oder proaktive Spieler, damit "Erfolg" kein Zufall ist.
Egal, wie herum man an das Problem der verschiedenen Erwartungen herangeht, es bleibt schwierig. Wenn man sagt, dass Geschichte aus der Weltensimulation entsteht und die Spieler das schätzen sollen, macht man es sich sehr einfach.
Selbst Zornhau lässt sich des öfteren über Plothooks und das Einbinden versch. SCs aus, womit er im Endeffekt den Spielern etwas gutes tun möchte und diesen eine schöne Zeit bereiten will. Nur trägt er dabei die volle Verantwortung, was durchaus eine große Spaßquelle sein kann. Vor Allem ist es so leichter Stringenz zu wahren und die Spielweltlogik aufrecht zu erhalten.

Wenn man sich jetzt Vermis Forderungskatalog ansieht, so wird von den Spielern eine Menge vernünftigen Verhaltens gefordert. Diese Anforderungen gleichen so ziemlich denen, die man sonst hauptsächlich mit der SL-Rolle in Verbindung bringt, die als Moderatorenrolle eben solche Streitigkeiten und Kompetenzüberschreitungen vermitteln und sanktionieren soll.

Ich höre jetzt einmal auf und frage nach, ob ich gerade wieder einseitig werde.

sers,
Alex
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Boni am 2.03.2010 | 16:44
Das habe ich nicht behauptet. Aber und das sage ich in aller Klarheit, der schlechte Ruf des Erzählrollenspiel kommt von Leuten, die behaupten Erzählrollenspiel zu betreiben, aber in wirklich 'Mary Sue (http://de.wikipedia.org/wiki/Mary_Sue)' Onanie darbieten.

Okay,das kam anders an. Dieser Aussage kann ich zustimmen.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 16:46
Rollenspiel simulationistischer und gamistischer Natur führt ebenso zur "guten Geschichte" wie "Erzählspiel", nur sieht das anscheinend keiner von euch, dass beide Extremformen teil des übergeordneten Komplexes "Rollenspiel" sind, und nur die Wichtung halt jeweils anders liegt, aber am Ende das Erleben einer guten Geschichte steht, egal ob das jetzt durch Märchenonkelei oder durch gamistischen Crunch und Simulationismus erreicht wurde.

Bei den "Erzählern" folgt das Regelgerüst der narration, bei den "gamistischen" erwächst die narration aus dem durch Regeln festgelegten und in Kooperation zwischen den Mitspielenden geformten Spielgeschehn.

Das Ziel ist das gleiche, nur das Mindset und der Weg dorthin ist ggf. abweichend.

Ist zumindest meine Meinung, die wohl krass von eurer abweicht, was mich nicht wundert, da ich mit der Theorie wenig am Hut hab, sondern meist praktisch am Tisch spiele, und in meinen Runden zumeist der Pragmatismus zählt, und nicht irgendwelche Theorien.

Das ist durchaus ein berechtigter Einwand, wobei ich mich nicht festlegen möchte, ob das von mir hier beschriebene Erzählspiel im Einzelfall „narrativistisch“ oder „simulationistisch“ nach Forge-Definition ist. Das was hinten beim Rollenspiel rauskommt, ist immer eine Geschichte im Sinne eines Handlungsverlaufes. Diese Geschichte ist im Nachhinein betrachtet beim Erzählspiel nicht unbedingt „besser“ (spannender, dramatischer, stimmungsvoller) als beispielsweise beim Abenteuer(rollen)spiel nach Settembrini. Aber, wie du richtig sagst, der Mindset ist ein anderer, d.h. es wird beim Abenteuer(rollen)spiel im Gegensatz zum Erzählspiel nicht als legitim oder gar verpflichtend angesehen, Entscheidungen im Hinblick auf einen gewünschten Handlungsverlauf zu treffen, sondern es liegen andere Maximen zugrunde.

Entscheidend ist daher nicht das Ergebnis (die „Geschichte“), sondern der Weg dorthin, eben das von mir beschriebene kreative aufeinander Aufbauen. Ich habe auch nicht ohne Grund auf das Empfinden während des Spiels abgestellt, im Gegensatz zu einer rückblickenden Betrachtung. Was dann jeweils das Ziel der Beteiligten ist und was nicht, darüber kann man trefflich streiten. Ich persönlich würde ja sagen, der Weg ist das Ziel. ;)
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: D. M_Athair am 2.03.2010 | 16:52
Bei den "Erzählern" folgt das Regelgerüst der narration, bei den "gamistischen" erwächst die narration aus dem durch Regeln festgelegten und in Kooperation zwischen den Mitspielenden geformten Spielgeschehn.
Das kann zutreffen. Muss aber nicht.

Wenn ich Prince Valiant spiele, dann findet, das was du den "Erzählern" zuordnest nicht statt.
Dasselbe gilt für einen Freund, der TSoY leitet.


Für WW-Spiele scheint mir "Regelgerüst folgt Narration" ein Paradigma zu sein.


Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Maarzan am 2.03.2010 | 17:29
Das Kernproblem im Umgang mit Story scheint mir die Festlegung zu sein, was den nun gute (oder bessere) Story ist. Beim Gamismus sind Herausforderung und Fairness noch gut auf Basis des Spiels selber diskutierbar.
Bei Simulationismus oder gar Realismusansprüchen ist das schon deutlich schwieriger, aber zumindest nicht ganz ohne Orientierung.
Dazu kommt, das Fehler hier halbwegs brauchbar ausgebessert werden könne, da das Interesse dem Weg und nicht dem Ziel, bzw. dem Gesamtwerk gewidmet ist.

Bei Story prallen nun bei dem Paradigma der Erschaffung einer "guten" Story Geschmäcker und künstlerische Egos aufeinander und mit dem Blick auf das geschlossene Gesamtbild scheint  "Pfusch" in einer Szene das ästhetische Empfinden nachhaltig und unakzeptabel zu stören.

Wo der Vorgang des Spinnen der Geschichte Kern des Interesses ist, sind die Probleme deutlich seltener zu sehen, aber das erscheint mir an der Menge der Auftretensfälle eher ein -auch in der Auswahl der Systeme recht gut gekapselter- Exot zu sein.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 17:45
Ich weiß nicht, ob das ein solcher Exot ist. Kann da natürlich nur von meinem persönlichen Erfahrungshorizont ausgehen. Es sei noch mal betont, dass Erzählspiel gemäß meiner Definition durchaus mit einem klassischen, simulierenden Regelwerk gespielt werden kann und auch gespielt wird, und dass das möglicherweise auch durchaus seinen Sinn hat (wobei bestimmte zusätzliche, story-orientierte Mechaniken hinzu kommen können). Grundsätzlich ist Erzählspiel nach meiner Definition, etwas überspitzt gesagt, jede Runde, wo einer etwas macht, weil es „cool“ oder „stimmungsvoll“ ist, und die anderen daran ihre Freude haben.

Womit du zweifellos Recht hast, ist, dass die „gute Geschichte“ deutlich weniger greifbar ist als z.B. „Realismus“ oder „Herausforderung“. Daher müssen Erzählspieler die Fähigkeit mitbringen, hier die gemeinsame Wellenlänge mit ihren Mitspielern zu finden – oder zu erkennen, dass es die nicht gibt, und das Spiel dann abzubrechen oder auf einen anderen Spielstil auszuweichen. Sich – soweit möglich – auf die Vorlieben und Ideen der anderen einzulassen, ist zwingend erforderlich. Wenn jeder darauf beharrt, seine eigene Vorstellung (und nur die) sei „gut“, kann es nicht funktionieren.

Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Zornhau am 2.03.2010 | 17:58
Ich weiß nicht, ob das ein solcher Exot ist.
Also Spiele, "Wo der Vorgang des Spinnen der Geschichte Kern des Interesses ist", die sind tatsächlich ausgesprochene Exoten in der Spielelandschaft. Und es ging ja im obigen Beitrag nicht darum, daß man Erzählspiel mit allerlei Spielprodukten spielen könnte, sondern eben um die Exoten, bei denen "der Vorgang des Spinnen der Geschichte Kern des Interesses ist". Die sind selten und kaum jemand kennt und spielt sie.

Womit du zweifellos Recht hast, ist, dass die „gute Geschichte“ deutlich weniger greifbar ist als z.B. „Realismus“ oder „Herausforderung“. Daher müssen Erzählspieler die Fähigkeit mitbringen, hier die gemeinsame Wellenlänge mit ihren Mitspielern zu finden – oder zu erkennen, dass es die nicht gibt, und das Spiel dann abzubrechen oder auf einen anderen Spielstil auszuweichen. Sich – soweit möglich – auf die Vorlieben und Ideen der anderen einzulassen, ist zwingend erforderlich. Wenn jeder darauf beharrt, seine eigene Vorstellung (und nur die) sei „gut“, kann es nicht funktionieren.
Ersetze "Erzählspieler" durch ROLLENSPIELER.

Denn EGAL, ob es um Die Gute Geschichte (tm) geht oder um eine Knackige Herausforderung (tm) oder darum, ob etwas Realistisch (tm) ist, ohne eine gemeinsame Wellenlänge, ohne stimmende Gruppenchemie, ohne eine Rücksichtnahme zur Förderung der Gruppe, da kann man KEIN Rollenspiel betreiben.

Das ist absolut unabhängig von der Zielsetzung, Spielweise, Stilausprägung und was auch immer!

Da geht es auch nicht darum, daß "Realismus" irgendwie "greifbarer" wäre. - Wer sich das GEZERRE von Realismus-Fanatikern mal anschaut, der erkennt sofort, daß hier ein Konsens sogar noch VIEL SCHWERER zu finden ist, als bei Story-Fanatiker oder Herausforderungs-Fanatikern! - Realismus und "realistisch" ist geradezu ein GARANT für Dissenz in einer Gruppe von Spielern, denen Realismus wichtig ist. Denn das, was sich JEDER EINZELNE als "realistisch" vorstellt, ist ja ganz grundsätzlich und zwangsweise UNREALISTISCH, weil es nur durch SEINE gefilterte Wahrnehmung dessen, was er für "real" hält, zustande kommt. - Daher gibt es bei den R-Spielern auch übelste Zerwürfnisse.

Das ist keine Vermutung, sondern ich war in der Frühzeit ein Hard-Sci-Fi-Fan und bin Naturwissenschaftler. Das sind schon einmal Voraussetzungen dafür, daß es EKELHAFT werden kann, wenn es hier zu Diskussionen - schlimmstenfalls mitten im Spiel - kommt, ob und wie "realistisch" etwas ist. - Das hat zur Selbstzerfleischung von Gruppen geführt.

Ich bin davon GRÜNDLICHST kuriert. - R-Spiel gibt es bei mir NICHT und erwarte ich auch NICHT. - Das erspart endlosen Ärger.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Blutschrei am 2.03.2010 | 18:16
Ich sehe keinerlei moralisches Lehrmedium im Rollenspiel, sehr wohl aber die Möglichkeit, daraus zu "lernen".

Uff, Deutsch-LK lass mich nicht im Stich! xD Ich glaube Lessing (?!) hatte soetwas doch schonmal zur Literatur behauptet, dass er als Schriftsteller nur eine Geschichte bietet, ohne direkt als Lehrer darüber zu werten, jedoch bleibt es dem Leser selbst frei, was für moralische Lehren er aus dem Roman zieht.
Ist meiner Meinung nach 1:1 aufs Rollenspiel übertragbar. Ich möchte mit meiner Geschichte, bzw dem Handeln meines Charakters nichts lehren, aber aus der Beobachtung und dem persönlichen Auswerten der Geschichte, kann jeder seine Lehren ziehen wie es ihm passt.
Durch diese Ansicht bleibt es auch weitestgehend neutral und es wird keine "unmoral" durch unmoralische Dinge im Rollenspiel gelehrt, da ja jeder selbst dafür verantwortlich ist, was er aus den ereignissen für sein Moral-/Ethikverständnis übernimmt oder ablehnt.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 18:20
Also Spiele, "Wo der Vorgang des Spinnen der Geschichte Kern des Interesses ist", die sind tatsächlich ausgesprochene Exoten in der Spielelandschaft. Und es ging ja im obigen Beitrag nicht darum, daß man Erzählspiel mit allerlei Spielprodukten spielen könnte, sondern eben um die Exoten, bei denen "der Vorgang des Spinnen der Geschichte Kern des Interesses ist". Die sind selten und kaum jemand kennt und spielt sie.

Im Ausgangsbeitrag dieses Threads rede ich nicht über Spielsysteme, sondern über einen Spielstil. Dieser Spielstil ist meiner Meinung nach von DSA bis Vampire, von Star Wars d6 bis Buffy the Vampire Slayer, ein sowohl in den Anleitungstexten als auch in den Spielrunden absolut verbreiteter Spielstil. Mir ging es darum, mich für diesen Spielstil einer auf ethischen Überlegungen basierenden Definition anzunähern, wie man diesen „richtig“ spielt (denn anscheinend kann man ihn auch „falsch“ spielen, wobei wir alle nur raten können, die häufig das tatsächlich vorkommt). Die verwendeten Regelwerke sind dabei im Wesentlichen simulierend, setzen aber meist einige Akzente, die die Story-Orientierung erkennen lassen. Wie das zusammen passt, habe ich im Ausgangsbeitrag versucht zu erläutern.

Irgendwelche Forge-Spiele mit Erzählrechteverteilung und ähnlichem Schnick-Schnack sind in der Tat Exoten, und um die geht es mir hier auch nicht.

Zitat
Ersetze "Erzählspieler" durch ROLLENSPIELER.

Denn EGAL, ob es um Die Gute Geschichte (tm) geht oder um eine Knackige Herausforderung (tm) oder darum, ob etwas Realistisch (tm) ist, ohne eine gemeinsame Wellenlänge, ohne stimmende Gruppenchemie, ohne eine Rücksichtnahme zur Förderung der Gruppe, da kann man KEIN Rollenspiel betreiben.

Das stimmt natürlich. Letztendlich ist die Frage, was davon am Schwersten zu greifen ist, auch müßig.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Bad Horse am 2.03.2010 | 18:25
Es geht aber nicht um das moralische bzw. unmoralische Verhalten der Charaktere. In dieser Beziehung hast du nicht nur vollkommen recht, sondern das auch noch sehr schön auf den Punkt gebracht.

Es geht darum, welches Verhalten der Spieler in einer Erzählspielrunde moralisch bzw. unmoralisch ist.

In der Richtung wäre es z.B. unmoralisch, wenn der Schurke ohne Absprache wegschleicht und den großen Bösewicht im Alleingang meuchelt, obwohl der Rest der Gruppe einen anderen Plan hat - nicht, weil Meucheln unmoralisch ist, sondern weil er den Spannungsbogen unterbricht und den anderen Spielern die Möglichkeit nimmt, an der Konfrontation mit ihrem Erzfeind teilzunehmen. Er nimmt ihnen den dramatischen Höhepunkt des Spiels, gerade wenn seine Aktion von Erfolg gekrönt ist.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Blutschrei am 2.03.2010 | 18:42
Es geht aber nicht um das moralische bzw. unmoralische Verhalten der Charaktere. In dieser Beziehung hast du nicht nur vollkommen recht, sondern das auch noch sehr schön auf den Punkt gebracht.

Es geht darum, welches Verhalten der Spieler in einer Erzählspielrunde moralisch bzw. unmoralisch ist.

In der Richtung wäre es z.B. unmoralisch, wenn der Schurke ohne Absprache wegschleicht und den großen Bösewicht im Alleingang meuchelt, obwohl der Rest der Gruppe einen anderen Plan hat - nicht, weil Meucheln unmoralisch ist, sondern weil er den Spannungsbogen unterbricht und den anderen Spielern die Möglichkeit nimmt, an der Konfrontation mit ihrem Erzfeind teilzunehmen. Er nimmt ihnen den dramatischen Höhepunkt des Spiels, gerade wenn seine Aktion von Erfolg gekrönt ist.

Hm, ich hab den Eingangsthread wohl etwas zu schnell überflogen, währenddem sich meine Gedanken schon überschlagen haben xD

Okay, dann mal ein paar wenige Worte zum Topic^^

Solche "Egotrips" sind einer der Gründe, warum ich meine letzte Gruppe verlassen habe. Da gab es nicht nur Egotrips, weil sie gerade "plausibel" waren, sondern einfach, weil der Spieler das jetzt ganz allein herausfinden wollte. Einige SLs (wechselnd gemeistert) haben das auch voll und ganz unterstützt, mit der Aussage "Wenn ich mich besser auf einen Spieler konzentrieren kann wird das Rollenspiel besser".
Ich war teils kurz davor aufzustehen und zu gehen, wenn man als SC in Shadowrun nichtmal durch subvokale Mikro sagen kann "bin drin", sondern auf alle Fälle verhindern will, dass die "Mitspieler" auch auf irgend eine Weise Spotlight bekommen.

Also ich werde solche Spieler meiden und als Meister - je nach gerade angesagtem Spielstil - entweder entsprechende Chars tief runterputzen oder einfach die volle Konsequenz der Spielwelt spüren lassen.
Und wenn die Aussprache in der Pause nichts gebracht hat, wird er eben einfach nichtmehr zum Spielen eingeladen.
Denn mich als SL kotzt es auch an, wenn ich mir einen schönen Showdown erdacht habe, und ihn nur einer der Mitspieler aktiv erlebt.

Jedoch ist das doch eigentlich keine Eigenheit des Erzählspiels oder? Also ich erlebe es hauptsächlich im ARS...
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: D. M_Athair am 2.03.2010 | 19:06
Jedoch ist das doch eigentlich keine Eigenheit des Erzählspiels oder? Also ich erlebe es hauptsächlich im ARS...
Mir fehlt da vollkommen die Verbindung zu deinem restlichen Beitrag.

Was soll (k)eine Eigenheit des Erzählspiels sein?
Was hat ARS damit zu tun?


=> Am liebsten wäre mir, du stellst deine Frage/Beobachtung in einem neuen Thema vor. Vielleicht im Bereich "Allgemeines"?!
Mit Vermis ethischem Programm des Erzählspiels hat das nämlich nicht mehr viel zu tun, bzw. es verlässt den Bereich der Theorie.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: kirilow am 2.03.2010 | 19:42
Lieber Vermi,

da ich als ominöser "Initiator[en] einer solchen Rhetorik" (über den Deine Meinung wohl zu unfein zur Widergabe ist :D ) hier ja indirekt angesprochen bin, fühle ich mich zu einer kurzen Bemerkung genötigt

Freue mich, dass Du diesen Zugang zur Frage der Spielstile offenbar auch für nützlich/sinnvoll(?) erachtest und inhaltlich auch soweit übereinstimmst.

Lediglich hinsichtlich der Ausweitung der Ethik vom  SL auf die ganze Gruppe stimme ich nicht so ganz zu (ich denke, dass dessen Sonderrolle für diese Frage enorm wichtig ist), aber ich muss das nicht unbedingt nochmal diskutieren. :)

Grüße
kirilow
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Blutschrei am 2.03.2010 | 19:44
Ähm ja ... ähm... Sorry, ich habs nicht gerafft, vergesst einfach was ich geschrieben hab  ~;D

*jetzt aber schnell weg, ohne in noch ein Fettnäpfchen zu treten....*^^
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: verminlord am 2.03.2010 | 20:27
Denn EGAL, ob es um Die Gute Geschichte (tm) geht oder um eine Knackige Herausforderung (tm) oder darum, ob etwas Realistisch (tm) ist, ohne eine gemeinsame Wellenlänge, ohne stimmende Gruppenchemie, ohne eine Rücksichtnahme zur Förderung der Gruppe, da kann man KEIN Rollenspiel betreiben.

Das ist absolut unabhängig von der Zielsetzung, Spielweise, Stilausprägung und was auch immer!

Wo er recht hat, hat er recht.
Das große Problem, nicht nur im Rollenspiel, sondern auch bei allen anderen Dingen, ist es ein gemeinsame Kommunikationsbasis zu finden. Ich behaupte einmal, das diese im Vorfeld nur durch Erwartungen entsteht (im Sinne des Eingangspost), aber an dieser Stelle irrelevant ist, weil es keine gemeinsame virtuelle Umgebung gibt. Während ich den Ansatz des TE sehr lobenswert halte, so ist im praktischen erst nach dem ersten Spielen bestimmt ob es ein Erzählspiel gibt (oder überhaupt ein Spiel). Das bezieht sich natürlich nur auf Gruppen die neu gebildet werden, bei mir Bekannten ist der Gruppenvertrag ja bereits gebildet.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 20:41
Freue mich, dass Du diesen Zugang zur Frage der Spielstile offenbar auch für nützlich/sinnvoll(?) erachtest und inhaltlich auch soweit übereinstimmst.

Ich weiß jetzt nicht genau, worin und mit wem ich inhaltlich übereinstimmen soll, ehrlich gesagt.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Markus am 2.03.2010 | 20:47
Mich stört eigentlich nur ein Satz: Erzählspiel ist nicht Kunst, sondern Zerstreuung.

Ich finde Erzählspiel kann, wenn (1) die Spieler das wollen, wenn (2) sie entsprechend fähig sind, (3) sie harmonieren/sich Synergien entwickeln und (4) noch das berühmte Quentchen Glück dazu kommt durchaus Kunst* sein bzw. produzieren. Muss natürlich überhaupt nicht und ist auch wohl selten. Aber ich halte es für falsch, sowohl die Möglichkeit an sich als auch die gemeinsame Zielsetzung Kunst zu produzieren, auszuschließen.**


* hier mal nicht als "jede nicht primär funktionale kreative Tätigkeit" verstanden, sondern durchaus mit einem gewissen Anspruch. Naheliegendster Vergleich wäre IMO eine Gruppe guter Musiker bei einer Jam-Session.
** Ob es bei anderen Spielstilen Ähnliches gibt ist im Grunde erstmal egal. Die Gleichberechtigung der Spielstile bliebe davon ohnehin angetastet. Und für die Gleichwertigkeit bestünde in 99,9% der Fälle kein Unterschied. Ich könnte gut damit leben zu sagen, eine Ausrichtung hat theoretisch noch etwas zusätzliches Potential. Für diejenigen, denen das nicht reicht, könnte ich zumindest für das herausforderungsorientierte Spiel noch "Leistung" anbieten. Modul XY in 5 Stunden mit 4 Spielern und Z-Start-XP durchzuspielen ist eine strategische, taktische und kreative Leistung, die weltweit nur wenige Spieler erbringen können und in meinen Augen nicht weniger geistige Leistung als andere Dinge auch. Bei Realismus/Sim muss ich passen, aber da haben andere ohnehin ein besseres Gespür für.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: verminlord am 2.03.2010 | 21:38
Mich stört eigentlich nur ein Satz: Erzählspiel ist nicht Kunst, sondern Zerstreuung.
Ich finde Erzählspiel kann, ....

Abgesehen davon das dieses Thema bereits endlos durchgekaut wurde, hier nochmal ein Denkanstoss:
Geht deine Gruppe mit dem Ziel Kunst zu schaffen vor? Will sie damit eine Aussage treffen (also Botschaft durch Medium)? Und vor welchem Publikum tritt sie auf?

Ich habe viel im Rollenspiel erlebt - Flow (http://de.wikipedia.org/wiki/Flow_%28Psychologie%29), Inspiration und tiefe Emotionen bis hin zur Lebensänderung von Mitspielern, aber niemals, wirklich niemals habe ich Kunst erlebt.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Beral am 2.03.2010 | 22:15
Denn EGAL, ob es um Die Gute Geschichte (tm) geht oder um eine Knackige Herausforderung (tm) oder darum, ob etwas Realistisch (tm) ist, ohne eine gemeinsame Wellenlänge, ohne stimmende Gruppenchemie, ohne eine Rücksichtnahme zur Förderung der Gruppe, da kann man KEIN Rollenspiel betreiben.
Und ob man das kann. Viel mehr noch, das ist gar nicht so selten. Vermutlich ist das sogar sehr häufig.

Da wir in der Realität einen riesigen Batzen an Rollenspielrunden haben, in denen es mit dem Gruppenkonsens, der gegenseitigen Rücksichtnahme und der gemeinsamen Wellenlänge gewaltig hapert, ist die Forderung ebendieser Dinge gar nicht trivial. 

Die gemeinsame Wellenlänge ist außerdem nicht trivial, weil die Wellenlänge sich unterscheiden kann. Vermi hat nicht nur eine gemeinsame Wellenlänge gefordert, sondern die Wellenlänge des Erzählspiels eindeutig definiert. Das ist auf andere Spielstile nicht ohne weiteres übertragbar. Die konkrete Bennenung der Wellenlänge ist der Punkt, der einigen Lesern zu entgehen scheint.

Der Aufsatz enthält damit zwei Informationen. Die erste besagt, dass die Gruppe idealerweise an einem Strang ziehen sollte. Das ist in der Praxis nicht immer der Fall, aber zumindest würden mit dieser Forderung noch die allermeisten Rollenspieler übereinstimmen, egal welchen Spielstil sie präferieren. Die zweite Information beschreibt ziemlich exakt, wie der Strang aussieht, an dem Erzählspieler ziehen. Das ist die inhaltliche Ausgestaltung der ersten Information in eine bestimmte Richtung; und das ist nicht mehr jedermanns Geschmack. Diese zweite Information ist in meinen Augen die deutlich wichtigere.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Markus am 2.03.2010 | 22:21
Geht deine Gruppe mit dem Ziel Kunst zu schaffen vor? Will sie damit eine Aussage treffen (also Botschaft durch Medium)? Und vor welchem Publikum tritt sie auf?
Meine Gruppe? Es geht mir hier schlicht darum, ob das wirklich kategorisch auszuschließen ist. Ich meine Nein.
Deine drei Fragen halte ich für ziemlich unnütz. Die Aussage/Botschaft wäre sicher vorhanden, ursprüngliche Intention ist irrelevant, hatte ich aber als gegeben angenommen und Publikum ist auch unnötig, könnten aber bei Bedarf die anderen Spieler selbst oder Kibitze sein.

Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Maarzan am 2.03.2010 | 22:26
Bei gamistischen oder Simspielen stellen die Regeln und das weitere Hilfsmaterial des Spiels die Werkzeuge, mit denen sich die dort auftretenden Situationen dann halt behandeln lassen - und damit eigentlich auch direkt den Kompromiss was Vorstellungen dies bezüglich angeht.
Beim besseren Geschichtenerzählen ist aber nicht die Exploration selbst sondern der umfang der Ausarbeitung und am Schluss das richtige Ergebnis wichtig, dessen Idealbild aus den unterschiedlichen Vorstellungen, Idealen etc des jeweiligen Geschmacks entspringt. Und das ist deutlich schwerer den anderen Mitspielern zu vermitteln, wie auch einen entsprechenden Komprmiss zu finden.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.03.2010 | 22:55
Ich finde Erzählspiel kann, wenn (1) die Spieler das wollen, wenn (2) sie entsprechend fähig sind, (3) sie harmonieren/sich Synergien entwickeln und (4) noch das berühmte Quentchen Glück dazu kommt durchaus Kunst* sein bzw. produzieren. Muss natürlich überhaupt nicht und ist auch wohl selten. Aber ich halte es für falsch, sowohl die Möglichkeit an sich als auch die gemeinsame Zielsetzung Kunst zu produzieren, auszuschließen.**

Ich habe zwar keine Philosophie-Vorlesungen besucht, dafür aber welche im Verfassungsrecht, und weiß daher, welche Schwierigkeiten der Kunst-Begriff mit sich bringt. Für mich ist hier lediglich entscheidend, dass das Spiel, im Gegensatz zu z.B. Literatur oder Malerei, keine Bedeutung für irgend jemanden außer den Teilnehmern hat. Ob diese Teilnehmer selbst es dann als Kunst empfinden, ist mir eigentlich ziemlich Wumpe (auch wenn ich niemanden kenne, der mit einem künstlerischen Anspruch an seine Spielrunden rangeht). Aber von einem moralischen Blickwinkel bleibt es dabei, dass Rollenspiel nur die betrifft, die es gerade betreiben, und daher kein moralischer Anspruch an die Spieler zu richten ist, der sich auf Umstände außerhalb der konkreten Spielrunde gründet.

Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass P&P-Rollenspiel nicht in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 GG fällt. ;)
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: D. M_Athair am 2.03.2010 | 23:36
Mich stört eigentlich nur ein Satz: Erzählspiel ist nicht Kunst, sondern Zerstreuung.
Mich nicht, denn: Der Satz stimmt insofern, dass Rollenspiel per se nicht den Anspruch hat Kunst zu erschaffen.
Genauso wie weder eine Mal-Technik noch Gitarrenspiel oder Gesang aus sich Kunst erzeugt.

Um's kurz zu machen:
Die Kunst ist für eine Ethik des Erzählspiels nicht von Belang und deswegen in einem eigenen Thread besser ausgehoben.
 
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: ChristophDolge am 3.03.2010 | 09:24
Zitat
Lediglich hinsichtlich der Ausweitung der Ethik vom  SL auf die ganze Gruppe stimme ich nicht so ganz zu (ich denke, dass dessen Sonderrolle für diese Frage enorm wichtig ist), aber ich muss das nicht unbedingt nochmal diskutieren.

Was ist mit Erzählspielen ohne SL? Die Sonderrolle des SLs ist in Erzählspielen ja deutlich anders gelagert als z.B. im ARS. Der SL hat ja direkt die gleichen Ziele wie die Spieler. Während er bei herausforderungsorientiertem Spiel die Herausforderung liefert und die Spieler diese überwinden, liefert er hier Bausteine zur Story - genau wie jeder andere auch. Auch die Tatsache, dass GAM- und SIM-Aspekte der Story untergeordnet werden, zeichnet das gleiche Bild: Hier ist der SL in erster Linie Mitspieler, der genau das gleiche betreibt wie die Spieler, nur keinen "eigenen" Charakter führt, sondern eben den Rest.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 3.03.2010 | 09:38
Ganz kurz: Ich betrachte die SL-Rolle als eine abgeleitete Autorität, wie bei einem demokratisch legitimierten Staatsoberhaupt. Nach O.R.K.-Diktion ist die SL-Rolle eher ein Naturrecht, sozusagen der Monarch von Gottes Gnaden, um bei der Analogie zu bleiben. Das passt ins Bild einer Betrachtung, die moralische Pflichten eben nicht nur an die Spieler selbst, sondern an eine höhere Instanz anknüpft, ohne diese höhere Instanz freilich je zu begründen oder auch nur zu benennen (Edit: praktischer Weise verlangt diese höhere Instanz als sittliche Pflicht, ARS zu spielen). Gut, jetzt kann man sagen, ich habe meinen kategorischen Imperativ auch nicht begründet. Das möge jeder selbst beurteilen, welcher Ansatz ihm einleuchtender scheint.

Eben deshalb frage ich mich auch, wo kirilow hier eine Übereinstimmung sieht, abgesehen von der Tatsache, dass auch ich menschlichem Handeln grundsätzlich eine moralische Dimension beimesse (d’uh).
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Drudenfusz am 3.03.2010 | 14:34
Ganz kurz: Ich betrachte die SL-Rolle als eine abgeleitete Autorität, wie bei einem demokratisch legitimierten Staatsoberhaupt. Nach O.R.K.-Diktion ist die SL-Rolle eher ein Naturrecht, sozusagen der Monarch von Gottes Gnaden, um bei der Analogie zu bleiben. Das passt ins Bild einer Betrachtung, die moralische Pflichten eben nicht nur an die Spieler selbst, sondern an eine höhere Instanz anknüpft, ohne diese höhere Instanz freilich je zu begründen oder auch nur zu benennen (Edit: praktischer Weise verlangt diese höhere Instanz als sittliche Pflicht, ARS zu spielen). Gut, jetzt kann man sagen, ich habe meinen kategorischen Imperativ auch nicht begründet. Das möge jeder selbst beurteilen, welcher Ansatz ihm einleuchtender scheint.
Glaube das Settembrini immer nur durchdreht, weil er zuviele Spielleiter ihre Position missbrauchen. Das er sich selbst oder einen ARS Spielleiter über der Runde sieht ist so nicht gegeben (habe mit ihm vor Jahren ja auch gepielt, war recht normales Rollenspiel). Obwohl ein Preußen gehabe ja einem auf falsche Gedanken kommen lassen kann.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: kirilow am 3.03.2010 | 14:48
Eben deshalb frage ich mich auch, wo kirilow hier eine Übereinstimmung sieht, abgesehen von der Tatsache, dass auch ich menschlichem Handeln grundsätzlich eine moralische Dimension beimesse (d’uh).
Naja, in der Beschreibung der Ethik des Erzählspiels = Der Erzählspieler/SL hat seine Entscheidungen darauf zu begründen, dass diese von den anderen Mitspielern als gute Geschichte angesehen wird.

Ganz kurz: Ich betrachte die SL-Rolle als eine abgeleitete Autorität, wie bei einem demokratisch legitimierten Staatsoberhaupt. Nach O.R.K.-Diktion ist die SL-Rolle eher ein Naturrecht, sozusagen der Monarch von Gottes Gnaden, um bei der Analogie zu bleiben.
Das ist nun Quatsch.
1. das hat niemand je behauptet
2. es ist egal, ob der SL per Wahl(selten), Akklamation (meist),  Erbfolge (selten bis nie) oder Gewalt (selten bis nie) in seine Funktion geraten ist. Es geht nicht um die Legitimierung, sondern die Funktion. Aus dieser folgt eben auch ein spezieller ethischer Anspruch (vgl. Gesinnungsethik versus Verantwortungsethik[Weber])


Ich finde die Rolle des Spielleiters deshalb so speziell, da er im Zweifelsfall den Spielstil auch ohne das Wissen der Mitspieler bestimmen kann.

Liebe Grüße
kirilow

Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Blutschrei am 3.03.2010 | 14:54
Steht der SL denn überhaupt über den Spielern?

Kann er nicht auch "der Hofnarr" sein, der versucht, den Ansprüchen der Spieler gerecht zu werden, um diese zu unterhalten?
Die Spieler werden schließlich nicht dazu gezwungen mitzuspielen und wenn es ihnen nicht gefällt kommen sie vielleicht nichtmehr beziehungsweise werfen den Hofnarr raus.

Ist es nicht oft so, dass der Spielleiter auch stark von den Wünschen der Spieler "abhängig" ist?
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: kirilow am 3.03.2010 | 15:07
Steht der SL denn überhaupt über den Spielern?
Es geht überhaupt nicht um "über" oder "unter" oder rechts oder links, sondern um seine Rolle im Spiel. (Dass der SL meist mehrere Hüte auf hat, ist ja keineswegs zwingend, oft aber vorteilhaft.)

Grüße
kirilow
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Blutschrei am 3.03.2010 | 15:12
Zitat
Ich finde die Rolle des Spielleiters deshalb so speziell, da er im Zweifelsfall den Spielstil auch ohne das Wissen der Mitspieler bestimmen kann.

Wobei dieser Vorgang ja eindeutig ein "über den Rest der Gruppe hinwegsetzen" wäre, und gerade dies scheinst du ja als "speziell/beachtenswert" anzusehen.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 3.03.2010 | 15:45
Naja, in der Beschreibung der Ethik des Erzählspiels = Der Erzählspieler/SL hat seine Entscheidungen darauf zu begründen, dass diese von den anderen Mitspielern als gute Geschichte angesehen wird.

Und mit wem stimme ich da überein? Mein letzter O.R.K.-Stand (lese dort schon länger nicht mehr) war, dass ebendies „unsittlich“ sei. Siehe auch Jörgs ARS-Thread nebenan, wonach nur (!) beim ARS Spielerentscheidungen nicht entwertet werden, was diametral im Gegensatz zu meinen Aussagen steht.

Zitat
1. das hat niemand je behauptet
2. es ist egal, ob der SL per Wahl(selten), Akklamation (meist),  Erbfolge (selten bis nie) oder Gewalt (selten bis nie) in seine Funktion geraten ist. Es geht nicht um die Legitimierung, sondern die Funktion. Aus dieser folgt eben auch ein spezieller ethischer Anspruch (vgl. Gesinnungsethik versus Verantwortungsethik[Weber])

1. Ich war so frei, das zu interpretieren bzw. zwischen den Zeilen zu lesen. Ist aber in der Tat egal.

2. Weber zählt nicht zu meinem Westentaschenlatein, werde mich bei Gelegenheit mal auf Wiki-Stand bringen. Dass ein SL in der Regel mehr Einfluss auf das Spiel hat als ein Spieler, bestreitet keiner. Trotzdem sind beide an dieselben Handlungsanweisungen gebunden, möglicherweise ist es beim SL schlimmer, wenn er dagegen verstößt, aber das ist eine nachgeordnete Frage. (Es ist schlimmer, eine Million zu klauen, als 10 Euro, aber erstmal ist entscheidend, dass man nicht klauen darf.)

Ich habe die Hofrat’sche Diktion so im Kopf, dass es demnach allein auf die „Gesinnung“ des SL ankommt und die Spieler quasi zu Objekten der durch den SL verkörperten Spielphilosophie / Motivation werden. Auch das steht im diametralen Gegensatz zu meinen Aussagen.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Beral am 3.03.2010 | 19:37
Steht der SL denn überhaupt über den Spielern?
Er kann über den Spielern stehen, unter ihnen oder auf der gleichen Stufe. Daraus ergeben sich verschiedene Ausprägungen eines Spielstils, oder entstehen sogar neue Spielstile, je nachdem, wo man die Definitionsgrenzen ziehen möchte.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Skyrock am 3.03.2010 | 23:14
Der Berg kreißte und gebar eine Maus.

Wenn man die Garnierung mit den eher techniken- als ethikbezogenen Erzählspieleinwürfen ("Baut eure Beiträge aufeinander auf und ignoriert sie nicht!") vom Teller schiebt und dann gnadenlos alle Verschachtelungen, Verkleidungen, Abschweifungen und anderen Zierrat runterreißt, bleibt vom Artikel nur noch eine Binsenweisheit:

"Solange alle Beteiligten es so wollen und dabei keine Unbeteiligten stören, ist es koscher, und wenn der SL dann halt die Würfel für die bessere Geschichte dreht."

Das ist zweifellos richtig - und zielt ebenso an den Einwürfen der "Erzählspiel-Basher" vorbei, die hier adressiert werden sollten.
Sittlich gefestigtes Erzählspiel ist schon seit Jahr und Tag seit den ersten xErz-Artikeln des Gemüse-Ghouls eine geduldete und legitime andere Spielart, und wenn man in Ghouls alten Blogs zum Thema wühlt, findet man auch entsprechendes zur zielgerichteten und gleichbehandelnden Regelanwendung und -aussetzung.


Das Problem sind eher solche Leute, die entweder im Schummelzug festsitzen, weil sie nichts anderes kennen und denken, dass das schon das sein wird was zu den Spaßquellen im Hobby führt. Diese Leute schaden allenfalls sich selbst und sind so vielleicht tragisch, aber nicht schädlich.
Schädlich sind solche Leute, die uninformiert und/oder böswillig eben diese Werkzeuge als den "richtiges" oder "höheres" Rollenspiel propagieren, ob das jetzt den Betreffenden helfen würde oder nicht. Denn damit verwirren und verschlechtern sie das Spiel anderer, und behindern intelligenten Gedankenaustausch über das Hobby.
Damit sind wir voll im "Gewollt, aber nicht gekonnt"-Territorium, das schon andere angeschnitten haben, sowie das Territorium des "Nicht gewollt, aber doch gemacht, weil man halt denkt dass Rollenspiel so ist."

Die Streitfrage wird hier nun sein, ob diese schlechten Runden nun häufig, selten oder der Normalfall sind. Und du, Frank, weißt so gut wie ich dass hierauf niemand eine definitive Antwort geben können wird, solange wir die Szene nicht mit einer groß angelegten und teuren Forschungsgruppe analysieren.

Fakt ist aber: Diese Runden existieren, und sie haben schädliche Effekte auf sich und andere (und sei es nur, dass sie gezieltes und informiertes Anspielen von Spaßquellen hemmen).

Ich habe sie selbst oft genug gesehen und in solchen mitgespielt, ehe ich mir über meine Spaßquellen klar geworden bin, und einige Aussagen von "Konvertiten" wie Greifenklaue deuten in eine ähnliche Richtung.

Und auch die Feindbilder, die die Forge in ihrer Frühzeit aufbaute, müssen irgendwoher gekommen sein. Nicht umsonst sind viele der heutigen/früheren Forge-Konvertiten Erzählspieler gewesen (und zielte viel Überzeugungsarbeit der Forgies auf eben diesen Personenkreis ab), die durch die neuen Ideen, Techniken und Theorien Aha-Erlebnisse hatten.
Und selbst wenn sie sich heute wieder von der Schmiede abgewendet haben, so können sie doch informierter und zielgerichteter an ihr Spiel gehen, als es der Fall war als sie nur das alte Würfeldrehspiel kannten und das als einzig sinnvollen Normalfall des Rollenspiels einschätzten.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 4.03.2010 | 10:35
Dass irgendwo mal über xErz geschrieben wurde, ist mir wohl bekannt, die unsägliche Broch-Diskussion z.B. war aber deutlich später, und da war eben diese Differenzierung schmerzlich zu vermissen. Ich meine auch nicht, dass die von mir skizzierte Systematik des kreativen aufeinander Aufbauens in den Ghoul-Artikeln bereits angelegt war, einschließlich der Aufarbeitung, was eigentlich im Erzählspiel genau eine Entwertung bzw. Validierung konstituiert. Und mit Verlaub, Stefan, ich bin auch nicht sicher, dass dein Erfahrungshorizont dich überhaupt nachvollziehen lässt, was ich meine (mal auch deinen Kommentar im obligatorischen O.R.K.-Fingerzeige-Thread in Betracht ziehend).

Letztendlich bringt aber dieses „Du hast gesagt…“ – „Nein hab ich nicht!“ – „Wohl!“ – „Gar nicht!“ niemandem was, und ich will mich bestimmt nicht beklagen, wenn alle mir am Ende zustimmen und zukünftig dann auch sauber differenzieren, statt von der „Saat des Bösen“ zu schwadronieren oder „nichts wird entwertet“ als ARS-Definition zu postulieren.

Zitat
Schädlich sind solche Leute, die uninformiert und/oder böswillig eben diese Werkzeuge als den "richtiges" oder "höheres" Rollenspiel propagieren, ob das jetzt den Betreffenden helfen würde oder nicht. Denn damit verwirren und verschlechtern sie das Spiel anderer, und behindern intelligenten Gedankenaustausch über das Hobby.
Damit sind wir voll im "Gewollt, aber nicht gekonnt"-Territorium, das schon andere angeschnitten haben, sowie das Territorium des "Nicht gewollt, aber doch gemacht, weil man halt denkt dass Rollenspiel so ist."

Tja, und um dagegen vorzugehen, wählt halt jeder die Mittel, die seiner Persönlichkeitsstruktur entsprechen. Ich persönlich versuche es mit Aufklärung und Differenzierung.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 4.03.2010 | 11:11
P.S.:

Zitat
Wenn man die Garnierung mit den eher techniken- als ethikbezogenen Erzählspieleinwürfen ("Baut eure Beiträge aufeinander auf und ignoriert sie nicht!") vom Teller schiebt (…)

Hier missverstehst du, worauf ich eigentlich hinaus will. Verwerflichkeit wird landläufig mit der Entwertung von Spielerbeiträgen begründet, im Erzählspiel wird eine solche Entwertung aber – eben nach dem Prinzip des kreativen aufeinander Aufbauens – durch etwas anderes konstituiert, als (z.B.) beim ARS. Das ist meine Kernaussage, und nicht ein kleiner Tipp zu den Techniken.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: ChristophDolge am 4.03.2010 | 11:13
Zitat
im Erzählspiel wird eine solche Entwertung aber – eben nach dem Prinzip des kreativen aufeinander Aufbauens – durch etwas anderes konstituiert, als (z.B.) beim ARS

Klingt interessant, kannst du das konkretisieren?
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Maarzan am 4.03.2010 | 11:25
Ich sehe das Problem mit dem Erzählspiel darin, dass es in der storytechnisch unstrukturierten Umgebung des klassischen Spiels eben nicht möglich ist die angestrebten Qualitäten (die "bessere Story") zu Erreichen (außer zufällig) ohne den anderen die eigene Version aufzuzwingen - weil eben die klassiche Spielweise keine Absprache/Planung des Verlaufs im Spiel selbst vorsieht, sondern eine kontinuierliche Abarbeitung der Situationen.
Umgekehrt ist das klassische Spiel für den, der seine Vorstellungen durchzudrücken gewillt und in der Lage ist geeigneter als die klassischen Spiele sein Ideal zu realisieren, da die in echten Erzählspielen vorhandenen Abspracheregelungen zu Kompromissen zwingen.

Bliebe vielleicht im Zuge dieses Themas noch offen, wie denn das angestrebte Ziel bzw. die Defnition des "Spielspaß" hier aussehen soll. Da liegen möglicherweise noch verdeckte Unterschiede, welche z.B. dann Auswirkungen auf das Verständnis von "Entwertung" haben könnten.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: sir_paul am 4.03.2010 | 11:33
Verwerflichkeit wird landläufig mit der Entwertung von Spielerbeiträgen begründet, im Erzählspiel wird eine solche Entwertung aber – eben nach dem Prinzip des kreativen aufeinander Aufbauens – durch etwas anderes konstituiert, als (z.B.) beim ARS.

Wobei hier aber ein Schwachpunkt deiner Argumentation liegt, denn die bezüglich ARS genannten "Entwertungen" und die in deinem Artikel vorgebrachten "Entwertungen" sind nicht das gleiche.

Das gleiche vorgehen eines SLs könnte beim Erzählspiel OK sein, trotzdem beim ARS den Spielerbeitrag entwerten.

Des weiteren bin ich mir ziemlich sicher das in der allgemeinen ARS Diskussion von Spielerentscheidungen und nicht von Spielerbeiträgen gesprochen wird. Auch hier stellt sich mir die Frage in wie fern wir diese beiden Begriffe auf die gleiche Stufe stellen können.

Somit enthält deine Kernaussage, wenigstens beim jetzigen Stand der Diskussion, für mich nichts wirklich greifbares.

Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 4.03.2010 | 12:22
Wobei hier aber ein Schwachpunkt deiner Argumentation liegt, denn die bezüglich ARS genannten "Entwertungen" und die in deinem Artikel vorgebrachten "Entwertungen" sind nicht das gleiche.

Das gleiche vorgehen eines SLs könnte beim Erzählspiel OK sein, trotzdem beim ARS den Spielerbeitrag entwerten.

Ja, genau das ist mein Punkt. (Edit: Mir geht es hier vorrangig um "richtiges" vs. "falsches" Erzählsspiel per se, und nicht um Erzählspiel als "falsches" ARS, wenn du verstehst, was ich meine. Dass Erzählspiel kein "richtiges" ARS ist, na ja, klar.)

Zitat
Des weiteren bin ich mir ziemlich sicher das in der allgemeinen ARS Diskussion von Spielerentscheidungen und nicht von Spielerbeiträgen gesprochen wird.

Ich würde jetzt erstmal sagen, das ist mehr oder weniger Synonym, werde aber noch mal etwas drüber nachdenken.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 4.03.2010 | 12:24
Klingt interessant, kannst du das konkretisieren?

Ähm, wie viel konkreter geht es denn?

Zitat von: Eingangsbeitrag
Ein Beitrag wird nicht etwa dann entwertet, wenn eine unwahrscheinliche oder extreme Reaktion darauf erfolgt. Sondern er wird dann entwertet, wenn der weitere Handlungsverlauf an ihm vorbei entwickelt wird, ohne ihm Beachtung zu schenken. Umgekehrt wird ein Beitrag nicht dadurch validiert, dass strikt kausal bzw. stochastisch Konsequenzen adjudiziert werden. Sondern er wird vielmehr dadurch validiert, dass er in die Erzählung eingewoben, dass ihm Relevanz im Hinblick auf die „Geschichte“ zugestanden wird.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 4.03.2010 | 12:40
Ich sehe das Problem mit dem Erzählspiel darin, dass es in der storytechnisch unstrukturierten Umgebung des klassischen Spiels eben nicht möglich ist die angestrebten Qualitäten (die "bessere Story") zu Erreichen (außer zufällig) ohne den anderen die eigene Version aufzuzwingen

„Aufzwingen“ kann man etwas ja nur gegen den Willen des anderen. Was aber, wenn deine Mitspieler für deine Version total offen sind und diese mit Begeisterung aufnehmen? Und dann an einer anderen Stelle kommt die Version eines anderen Mitspielers zum Tragen, und du denkst dir, hey, cool, da wär ich nie drauf gekommen! Und am Ende entsteht daraus eine Geschichte, die kein einzelner von euch sich vorher so ausgedacht hätte, sondern die nur dadurch zustande kommen konnte, dass ihr alle daran mitgewirkt habt. Jeder hat vielleicht den ein oder anderen Punkt, den er anders besser gefunden hätte, aber alles in allem finden alle die Geschichte gut. Dann hast du erfolgreiches Erzählspiel.

Zitat
Bliebe vielleicht im Zuge dieses Themas noch offen, wie denn das angestrebte Ziel bzw. die Defnition des "Spielspaß" hier aussehen soll. Da liegen möglicherweise noch verdeckte Unterschiede, welche z.B. dann Auswirkungen auf das Verständnis von "Entwertung" haben könnten.

„Spielspaß“ ist ja letztendlich dann die „gute Geschichte“, das ist halt sehr individuell. Ich persönlich empfinde es z.B. als total entwertend, wenn Charaktere ohne glaubwürdige Motivation handeln. Andere Leute finden das nicht so schlimm, solange dabei coole Sprüche geklopft und Gegner spektakulär vermöbelt werden. Das ist dann eben Gruppenvertrag / Gruppenkonsens.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Pyromancer am 4.03.2010 | 12:56
„Spielspaß“ ist ja letztendlich dann die „gute Geschichte“, das ist halt sehr individuell.

Ist das wirklich so? Meiner Erfahrung nach korreliert die Qualität des Prozesses ("Spielspaß") nur sehr schwach mit der Qualität des Endergebnisses ("gute Geschichte").

Klar ist es hinterher schön, wenn man rückblickend auch eine gute Geschichte erschaffen hat. Das tritt aber (für mich!) klar in den Hintergrund des Erlebens im Augenblick. Was für krasse, spannende Dinge, welche haarsträubenden Aktionen und kritischen Entscheidungen passieren jetzt?
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: 6 am 4.03.2010 | 13:06
Ich glaube da müssten wir wieder ganz weit ausholen und diskutieren was eine "gute Geschichte" ist.
Normalerweise bedeutet eine gute Geschichte in Romanen oder Filmen, dass Du als Person während des Lesens oder des Sehens gefühlstechnisch mitgenommen wirst und uU auch danach etwas aus dem Geschehen mit nimmst. Wenn Vermi schreibt, dass eine "gute Geschichte" den Spielspass generiert, dann meint er damit nicht unbedingt das Empfinden nach einer Sitzung, sondern auch oder gerade das Empfinden während des Spiels.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Jiba am 4.03.2010 | 13:09
„Aufzwingen“ kann man etwas ja nur gegen den Willen des anderen. Was aber, wenn deine Mitspieler für deine Version total offen sind und diese mit Begeisterung aufnehmen? Und dann an einer anderen Stelle kommt die Version eines anderen Mitspielers zum Tragen, und du denkst dir, hey, cool, da wär ich nie drauf gekommen! Und am Ende entsteht daraus eine Geschichte, die kein einzelner von euch sich vorher so ausgedacht hätte, sondern die nur dadurch zustande kommen konnte, dass ihr alle daran mitgewirkt habt. Jeder hat vielleicht den ein oder anderen Punkt, den er anders besser gefunden hätte, aber alles in allem finden alle die Geschichte gut. Dann hast du erfolgreiches Erzählspiel.
Das wird aber wirklich schwierig auszumachen sein, was wer noch akzeptieren kann und was nicht.

Beispiel aus meiner Spielerfahrung: oWoD "Werwolf", wechselnder SL: Gruppe wurde von SL A ein paar Spielabende zuvor in die Wüste von Arizona gefahren, wo nichts war außer Steppe und einem einsamen Gehöft in der Pampa. Idee des SLs dahinter (aber natürlich nie ausgesprochen): die Gruppe sollte in der Einöde ohne Ablenkungen zueinander finden und sich vertrauen lernen. Nächster Spielabend: SL B übernimmt und setzt in die Wüste in ein Felsmassiv eine wichtige Werwolfversammlung voller krasser, wichtiger NSCs - das Rudel wird dorthin eingeladen. Schwierigkeit: Ich glaube dem Spieler war es unangenehm, dass es mit seinem eigenen Charakter (den er ja spielt, wenn er nicht leitet), so persönlich wird. Daher hat er die Idee des anderen SLs entwertet, indem er die menschenleere Wüste doch nicht so leer gestaltete. Das kann man aber auch nur vermuten, denn was sich ein Spieler bei einem Element, das er in die Story einfügt, denkt, das ist, finde ich, nicht immer so klar vermittelbar und häufig glauben Spieler auch, ein bestimmtes angestrebtes Flair durch eine Ergänzung zu unterstützen, torpedieren sie dadurch aber. Ich habe auch oft gedacht, dass ein anderer Spieler und ich dieselbe Idee der Geschichte haben, aber ich sollte mich irren, wenn es an die Details ging.
Wäre harmonisches Erzählspiel dadurch ein Spielstil, der besonders metagamingreich sein muss, um zu funktionieren?

Wie sieht das eigentlich mit der Erzählanteilsverteilung von SL und Spielern aus. Also die Annahmen, die du oben aufgestellt hast, zielen ja schon auf eine eher offene Aufgabenverteilung der Gruppe voraus: damit auch alle an der Geschichte teilhaben können muss es ja auch Spielern erlaubt sein, Details der Spielwelt, NSCs, vielleicht auch Plot aktiv mitzugestalten... hmm, oder vielleicht trügt der Gedanke, denn das kann man ja auch vor oder nach dem Spiel, statt während des Spiels machen ("Hey, SL, haben wir nächste Woche bitte wieder einen Kampf...", "Ich fände es cool, wenn der und der wieder auftauchen würde..."). Auch die Frage, wieweit ich in die (ich nenne das gerne so) Kontrollsphären meiner (Mit)spieler eingreifen darf, also Fakten an ihnen verändern darf, finde ich wichtig. Ich würde ja sagen, ich darf nicht einfach willkürlich Details hinzufügen, sondern muss das erst mit den anderen Spielern absprechen, sodass nichts aus Versehen entwertet wird. Muss dann nicht während des Spiels sehr viel diskutiert werden, ob der und der Fakt nicht grade die Idee eines anderen entwertet?
Aber wahrscheinlich sind diese Problem zu spielpraktisch, um hier eine Rolle zu spielen. :)

Sonst aber stimme ich dem Eingangspost in jeder Hinsicht zu; in der Praxis habe ich es aber noch nie umgesetzt vorgefunden (und ich bemühe mich schon sehr in diese Richtung).
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Markus am 4.03.2010 | 15:06
... Idee des SLs dahinter (aber natürlich nie ausgesprochen): .... Daher hat er die Idee des anderen SLs entwertet, indem er die menschenleere Wüste doch nicht so leer gestaltete.
Was du da beschreibst ist eine extreme Erweiterung des Konzepts. (Ich würde sagen sie kann im Rollenspiel - egal welcher Art - nicht funktionieren, aber das ist ein anderes Thema.)
Ethisch gesehen geht es nur darum, dass die Beiträge der Spieler nicht entwertet werden. Also das, was am Spielabend Teil des gemeinsamen Vorstellungsraums wird (Das können auch, je nach Absprache Chrakterbögen, Hintergrundquellen oder persönliche Ausarbeitungen sein.)
Demenstprechend ist jeder Spieler verpflichtet, seine Beiträge von seinen Plänen unterscheiden zu können und nur auf die Achtung der ersteren zu pochen. In deinem Beispiel liegt der Fehler klar bei der ersten SL. Sie muß entweder klar sagen was passieren soll, oder akzeptieren, dass ihre Idee nur ein Plan war, den die anderen Spieler weder kennen, noch berücksichtigen können/sollen. Im ersteren Fall würde dann nämlich klar, dass hier ein massiver inhaltlicher Eingriff mit Auswirkungen auf mehrere Sitzungen und die Arbeit eines anderen SL vorgenommen werden soll. Das kann man dann problemlos diskutieren, weil es ja eher selten vorkommt. Aber sozusagen "Besitzrechte" an unausgesprochenen Inhalten einfordern geht garnicht.
Auf Spielerebene funktioniert das genauso: Wenn ich meinen Onkel "don Pedro" einführe haben die Mitspieler erst mal nur das zu achten, was tatsächlich in meinem Beitrag vorkommt (außer man hat für Familien-NSCs Sonderregeln vereinbart). Wenn ich alle meine Ideen zu "don Pedro" als Beitrag einbringen will, muss ich dementsprechend lange reden, und dann ist auch sofort klar, dass ich heute schon ziemlich viel Redezeit/Einfluß hatte und jetzt mal die anderen dran sind. "don Pedro" kurz einzuführen und hinterher auf die Achtung meiner unausgesprochenen Pläne zu bestehen wäre ganz schlechter Stil, weil ich so durch die Hintertür massive Gesprächsanteile sichern könnte, ohne das die anderen was davon merken.

No secrets in roleplaying: http://www.lumpley.com/comment.php?entry=459
Beispiel: Secrets: the smelly chamberlain http://www.lumpley.com/comment.php?entry=460
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Maarzan am 4.03.2010 | 15:16
„Aufzwingen“ kann man etwas ja nur gegen den Willen des anderen. Was aber, wenn deine Mitspieler für deine Version total offen sind und diese mit Begeisterung aufnehmen? Und dann an einer anderen Stelle kommt die Version eines anderen Mitspielers zum Tragen, und du denkst dir, hey, cool, da wär ich nie drauf gekommen! Und am Ende entsteht daraus eine Geschichte, die kein einzelner von euch sich vorher so ausgedacht hätte, sondern die nur dadurch zustande kommen konnte, dass ihr alle daran mitgewirkt habt. Jeder hat vielleicht den ein oder anderen Punkt, den er anders besser gefunden hätte, aber alles in allem finden alle die Geschichte gut. Dann hast du erfolgreiches Erzählspiel.

Wenn alles Friedefreudeeierkuchen wäre, hätte es nie Spieltheorie gegeben, weil alle Leute eifrig und friedlich am Spielen wären.
Selbst die Begriffe hätte es nie geben brauchen, da sie nicht zur Abgrenzung der eigenen Ansichten, Ansprüche und Differenzen benötigt worden wären.

Und auch Ethikdiskussionen braucht man erst dann, wenn es Leute gibt, deren ethisches Verhalten nicht unbezweifelt ist.

Entsprechend ist mir "Story" auch nicht primär im Zusammenhang mit neuen kooperativen Spielen aufgefallen, sondern als Kampfbegriff in Meinungsverschiedenheiten in klassischen Spielen. Und dies vermutlich wegen der Bedeutung von Geschmack für diese Frage und die künstlerische Empfindlichkeit bezüglich des Gesamtwerkes für eine Fraktion, welche ich im Vergleich zu anderen Agenden als besonders schwer zu integrieren erlebt habe.

Des weiteren:
Wenn wie in einem Rollenspiel eine soziale Gemeisnachftsaktion von der Übereinstimmung der Vorstellungen der Beteiligten lebt, muss es entsprechende Werkzeuge und Richtlinien geben, um diese Elemente zu organisieren.
Für die Bedürfnisse der klassischen situationsbezogenen Spielinteressen gibt es diese Richtlinien in Form der Regeln. Für die neueren Erzählspiele gibt es diese inForm von Erzählrechtsverwaltung. Für die klassischen Systeme fehlen solche Leitlinien. Habt euch alle Lieb und wird schon hinhauen reichen da -ich würd schon sagen erwiesenermaßen -nicht.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: wjassula am 4.03.2010 | 16:00
Hallo,

ich muss jetzt doch mal was machen, was mich selbst in Theoriethreads immer nervt. Wenn es zu sehr nervt oder von Vermis Interesse im Thread ablenkt, bitte ignorieren, ich kann´s verstehen und gehe einfach weiter. Also.

Ich verstehe diesen Thread nicht und weiß nicht, warum im Zusammenhang mit Rollenspiel über Ethik gesprochen wird. Wenn mehrere Menschen sich zusammen hinsetzen um was auch immer zu tun, hoffe ich, dass sie sich eh nicht weh tun oder beschimpfen. So weit, so klar.

Dass man beim Rollenspiel einander zuhören muss, und die Beiträge der anderen aufnehmen, damit es Spaß macht - ist das eine Diskussion wert? Ich meine: Kant !? Das sind doch, ich meine, das sind doch, also, Binsenweisheiten?

Dass das alles in so mancher Rollenspielrunde nicht beachtet wird, klar. Aber kann man da nicht einfach aufstehen und gehen, wenn man es gar nicht mehr aushält?

Vielleicht fehlt mir einfach der Vorlauf aus anderen Diskussionen, die du ansprichst, Vermi, aber ich  raffe das einfach nicht. Vielleicht gebe ich jetzt aber auch wirklich nur den Trottel, der zuverlässig am Ende jedes Theorie-Threads auftaucht und sagt: "Wieso, mit der richtigen Gruppe sind doch die Regeln egal, man kann doch eh alles so hausregeln, wie man will." Wenn das so ist, habe ich die Rolle wenigstens auch mal gehabt  ;).
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Eulenspiegel am 4.03.2010 | 16:09
Zitat
Dass das alles in so mancher Rollenspielrunde nicht beachtet wird, klar. Aber kann man da nicht einfach aufstehen und gehen, wenn man es gar nicht mehr aushält?
Das wäre nicht sehr ethisch.
Ethischer wäre es, mit den Leuten zu reden und die Zustände abzustellen. In der Hoffnung, dass sich die Spieler in Zukunft zuhören.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: wjassula am 4.03.2010 | 16:11
Moment, das war jetzt ein Witz, oder? 
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 4.03.2010 | 18:45
Klar ist es hinterher schön, wenn man rückblickend auch eine gute Geschichte erschaffen hat. Das tritt aber (für mich!) klar in den Hintergrund des Erlebens im Augenblick. Was für krasse, spannende Dinge, welche haarsträubenden Aktionen und kritischen Entscheidungen passieren jetzt?

Ja, was schreib ich dann denn die ganze Zeit? Das Empfinden während des Spiels ist entscheidend. Aber auch während des Spiels denke ich, wenn ein Charakter ohne vernünftige Motivation was macht: "Blöde Story." (Natürlich ist "Spielspaß" die Summe der Spaßquellen und insofern komplexer, aber ich habe mich jetzt mal auf das zentrale Element konzentriert.)

@ Jasper: Das mir, von dir! ;D

Es ist ja offensichtlich so, dass immer alle alles was ich schreibe vorher schon wussten. Das ist ja nichts neues.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Pyromancer am 4.03.2010 | 18:54
Aber auch während des Spiels denke ich, wenn ein Charakter ohne vernünftige Motivation was macht: "Blöde Story."
Interessant!


Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 4.03.2010 | 18:54
@ Maarzan: Meine Erfahrungen sind da völlig andere als deine. Das hatten wir ja nun schon oft. Ich denke, wenn man die Ideen und Geschmäcker der Mitspieler doof findet, wird das kaum dadurch besser, dass es eine Regel gibt, die sagt, wer wann das Erzählrecht hat. Vom ethischen Standpunkt kann die Forderung nur sein, ernsthaft zu versuchen, sich auf die Ideen der anderen einzulassen. Wenn das nicht funktioniert, ja gut, dann kann man nur sagen, schade, spielen wir lieber was anderes, oder gar nichts. Daran kann keine Ethik, kein Regelwerk und auch sonst nichts etwas ändern.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: 1of3 am 4.03.2010 | 23:52
Demenstprechend ist jeder Spieler verpflichtet, seine Beiträge von seinen Plänen unterscheiden zu können und nur auf die Achtung der ersteren zu pochen.

Danke, Markus. Das ist eine ganz hervorragende Einsicht, die ich bei Gelgenheit zitieren werde.

Die Links sind auch sehr nützlich. Ich wusste die SiS-Klitsche war noch zu was gut.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 5.03.2010 | 10:07
Das stimmt, wobei man auch einfach mal vorher fragen kann, ob jemand mit einer bestimmten Sache etwas geplant hat, wenn man den Eindruck gewinnt. Gerade bei wechselnden SLs. ;)

Zitat
Wie sieht das eigentlich mit der Erzählanteilsverteilung von SL und Spielern aus. Also die Annahmen, die du oben aufgestellt hast, zielen ja schon auf eine eher offene Aufgabenverteilung der Gruppe voraus: damit auch alle an der Geschichte teilhaben können muss es ja auch Spielern erlaubt sein, Details der Spielwelt, NSCs, vielleicht auch Plot aktiv mitzugestalten...

Nicht unbedingt. Ich würde mal sagen, einen der Protagonisten zu lenken, ist bereits ein recht erheblicher Einfluss auf das Geschehen. Und selbst wenn der Spielleiter den Plot lenkt und wesentliche Ereignisse im Wesentlichen geskriptet sind, gibt es noch einen Unterschied zwischen dem Spielleiter, der das komplett über die Köpfe der Charaktere hinweg durchprügelt, und demjenigen, der die Handlungen der Charaktere aufnimmt und in einer Weise einbindet, die die Geschichte personalisiert und diese Handlungen für die Geschichte relevant macht.
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Ein am 5.03.2010 | 11:04
Vermi, du bist der Durchblicker. :d
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Dr.Boomslang am 5.03.2010 | 16:56
Es ist ja offensichtlich so, dass immer alle alles was ich schreibe vorher schon wussten. Das ist ja nichts neues.
Du sagst es einfach immer so wie die Leute es gerne hören wollen ohne dass sie es selber hätten so sagen können, oder überhaupt wussten dass sie es so hören wollten. Oder du formulierst nur so, dass jeder denkt das alles sei doch offensichtlich, obwohl dich in Echt keiner versteht. Alte Anwaltsangewohnheiten ;)
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Preacher am 5.03.2010 | 17:12
Es ist ja offensichtlich so, dass immer alle alles was ich schreibe vorher schon wussten. Das ist ja nichts neues.
Dass Du aber auch niemals einen neuen Gedanken haben kannst :P ;D
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Bad Horse am 6.03.2010 | 00:02
Das ist ja der Trick an der Sache: Etwas so aufschreiben, dass es genau das trifft, was alle (oder viele, oder wenigstens einige) schon immer so gewußt / empfunden / erahnt haben, aber nicht so recht ausdrücken konnten.  :)
Titel: Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
Beitrag von: Lord Verminaard am 10.03.2010 | 17:45
 
Ich finde die Rolle des Spielleiters deshalb so speziell, da er im Zweifelsfall den Spielstil auch ohne das Wissen der Mitspieler bestimmen kann.

Ist etwas OT, aber darauf wollte ich doch noch mal eingehen. Ich persönlich sehe das so: Jeder Mitspieler kann mit einem bestimmten Bild des Spielstils an das Spiel herangehen. Wenn diese Bilder übereinstimmen oder sich einander annähern, hat man so was wie einen Gruppen-Spielstil. Wenn man einen vom SL praktizierten Spielstil hat, der sich nicht mit dem Verständnis der Spieler deckt, dann hat man keinen Gruppen-Spielstil, sondern eine Kollision (in diesem Fall eine verdeckte Kollision, die sich vielleicht noch auflösen wird, wenn sie ans Tageslicht kommt, wahrscheinlich aber zu Problemen führt).

Der SL kann eben nicht den Spielstil „bestimmen“. Diese Denkweise ist genau dieses Naturrechts-Dingens, das ich zuvor bereits ansprach. Das ist natürlich nur eine Frage des Blickwinkels, aber der falsche Blickwinkel führt eben zu falschen Schlussfolgerungen, wie z.B. der falschen Schlussfolgerung, den SL isoliert statt im Kontext der Erwartungen und Reaktionen der Spieler betrachten zu wollen.