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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Bad Horse am 30.03.2010 | 19:01

Titel: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bad Horse am 30.03.2010 | 19:01
Hier (http://tanelorn.net/index.php/topic,54094.msg1079298.html#msg1079298) postet Tearmaster eine Definition von Literatur aus der Wiki, die ich der Einfachheit halber mal wiederhole:

Zitat
Literatur ist im weitesten Sinn der Bereich mündlich (etwa durch Versformen und Rhythmus) oder schriftlich fixierter sprachlicher Zeugnisse. In einem engeren Sinne wird unter Literatur der Bereich von Texten verstanden, die Gegenstand der Kunstdiskussion werden.

Daraufhin gab es eine kleine Diskussion, die sich leider vom Thema kaum trennen lässt, die ich aber trotzdem interessant finde.

Ist das Ergebnis einer Rollenspielsitzung Literatur im weitesten Sinn? Ich finde, ja. Die Erzählung einer Rollenspielsitzung ist ungefähr genauso "Literatur" wie die Erzählung von Rotkäppchen - sie variiert in ihren Elementen und den genauen Formulierung, aber letzten Endes wird jeder die Geschichte vom "Head of Vecna" oder dem "Gazebo-Monster" wiedererkennen, wenn er sie schon mal gehört hat und jetzt noch mal erzählt bekommt.

Rollenspielerzählungen und -anekdoten werden häufig oral weitergetragen ("Erzählungen vom Charakter"), aber hin und wieder auch schriftlich fixiert (erzählerische Diaries, Anekdoten, etc.).
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Joerg.D am 30.03.2010 | 19:05
Wenn ich die Diarys von einigen Sitzungen lese, dann kommt es schon recht nah an etwas ran, was man als Literatur bezeichnen könnte. Allerdings verfügt nicht jeder Schreiber über dieses Talent.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Blutschrei am 30.03.2010 | 19:05
Kommt ganz auf den Spielstil an.
Rollenspiel ist meiner Meinung nach "Entertainment" aber Literatur würde ich meine eher ARSigen Spielrunden nicht nennen, da geht es eher ums Spielen an sich als ums Erzählen.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bad Horse am 30.03.2010 | 19:11
Es geht nicht um die Spielsitzungen selbst, es geht darum, was dabei herauskommt.  :)

Spielsitzungen an sich sind keine Literatur, eben weil sie nicht fixiert sind. Wenn das, was passiert ist, weitererzählt wird, dann geschieht Literatur, denn da wird immer (ungefähr) das Gleiche erzählt.

@Jörg: Literatur im weitesten Sinne ist nicht wertend, sondern erst mal definierend. "Schundliteratur" ist auch Literatur, nur halt schlechte.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Zornhau am 30.03.2010 | 19:17
Das "Ergebnis" von Rollenspielsitzungen. - Was soll den das "Ergebnis" überhaupt sein?

Ein durchgespieltes Szenario. Erhaltene XP. Geänderte SC-Resourcen. Das Gefühl gute Unterhaltung genossen und geboten zu haben.

WAS ist das "Ergebnis"?

Wenn das in der Bedeutung des Threaderstellers KLAR DARGELEGT ist, dann lohnt es eigentlich erst darüber zu diskutieren, ob dieses "Ergebnis" Literatur sein kann. - Denn: Sind gesteigerte XP-Werte Literatur? Sind neue Level in einer Charakterklasse Literatur? Sind leergefutterte Chipstüten Literatur?

Die Erzählung einer Rollenspielsitzung ist ungefähr genauso "Literatur" wie die Erzählung von Rotkäppchen - sie variiert in ihren Elementen und den genauen Formulierung, aber letzten Endes wird jeder die Geschichte vom "Head of Vecna" oder dem "Gazebo-Monster" wiedererkennen, wenn er sie schon mal gehört hat und jetzt noch mal erzählt bekommt.
Aber genau das ist ja bei Rollenspielsitzungen gerade NICHT gegeben. - Rotkäppchen ist nur deshalb wiedererkennbar, WEIL es mündlich und - vor allem! - schriftlich ÜBERLIEFERT wurde.

Ohne die ÜBERLIEFERUNG bleibt eine Erzählung von Ereignissen eben nur eine Wiedergabe der persönlichen Eindrücke von etwas UNWIEDERHOLBAREM.

Die Erzählung einer Rollenspielsitzung ist ungefähr genauso "Literatur" wie die Erzählung vom Fußballspiel des örtlichen Vereins, bei dem der Erzählende anwesend war oder gar mitgespielt hat.

Es ist eine ERZÄHLUNG.

Die KANN man in literarische Form fassen, aber zunächst ist das nichts weiter als ein EINMALIGER Bericht einer EINMALIGEN, UNWIEDERHOLBAREN Begebenheit.

Rollenspielerzählungen und -anekdoten werden häufig oral weitergetragen ("Erzählungen vom Charakter"), aber hin und wieder auch schriftlich fixiert (erzählerische Diaries, Anekdoten, etc.).
Es ist ein ENORMER Unterschied, ob ich von jemandem die Begebenheiten der letzten Spielsitzung erzählt bekomme, oder ob sich jemand z.T. STUNDENLANG die Mühe gemacht hat die Begebenheiten nach seinem eigenen Eindruck AUSZUFORMULIEREN und ALS LITERATUR ABZUFASSEN.

"Wir haben am Wochenende endlich, nach über 10 Sitzungen Vorbereitung den Evil Overlord gestürzt! Mann, was war das für ein harter Kampf!" - Das ist KEINE Literatur.

Außer: Man weitet den Literatur-Begriff soweit auf, daß wirklich JEDE Art von menschlicher Äußerung als Literatur gewertet wird. Und wenn dann ALLES Literatur ist, dann ist auch das "Du bekommst 210 XP." - "Wow! Endlich Level 8!" AUCH Literatur.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Lord Verminaard am 30.03.2010 | 19:35
Es geht ja dabei um die Form. Natürlich wird im Rollenspiel eine fiktionale Handlung erspielt, die man aufschreiben kann. Und wenn man diese fiktionale Handlung als Prosa aufschreibt und veröffentlicht, ist das nach der obigen Definition gewiss Literatur im weiteren Sinne, auch wenn die Leser es noch so lausig finden.

Rollenspiel an sich, als Form, ist aber m.E. kein „fixiertes sprachliches Erzeugnis“, es geht nicht darum, es zu wiederholen und anderen weiterzugeben, sondern es geht darum, als Beteiligter dabei zu sein und es aus erster Hand zu erleben, während man es erspielt. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass man es später anderen erzählt. Sonst wäre jedes Erlebnis aus meinem Leben, das ich anderen Leuten erzähle, Literatur.

Natürlich ist das schwer mit einer griffigen Definition abzugrenzen, wenn man möchte, dass mündlich überlieferte Märchen und Mythen als Literatur im weiteren Sinne zählen sollen. Wo ist da der Unterschied zur Rollenspieler-Warstory? Ich denke aber, in dem Moment, wo die Erzählung einer aus dem Rollenspiel entlehnten Handlung Literatur in diesem Sinne darzustellen beginnt, hast du etwas eigenes geschaffen, was dann nicht mehr zum Spiel selbst dazu gehört, sondern von diesem lediglich inspiriert wurde.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Prisma am 30.03.2010 | 19:35
Ist das Ergebnis einer Rollenspielsitzung Literatur im weitesten Sinn?
Es kommt darauf an was das Ergebnis ist. Die bloße Teilnahme an einer Rollenspielsitzung ist keine Schaffung von Literatur, eher eine Art "Performance". Es muss zunächst ein Text produziert werden. "Irgendein" Text (z.B. Mitschrift, Notizen) läßt sich schnell herstellen, ihm eine literarische (künstlerische) Qualität zu geben ist aber eine ganz andere Sache. Dieser Text kann aber soweit bearbeitet werden, dass er zu einem literarischen Text wird.

aber letzten Endes wird jeder die Geschichte vom "Head of Vecna" oder dem "Gazebo-Monster" wiedererkennen, wenn er sie schon mal gehört hat und jetzt noch mal erzählt bekommt.
Was aber daran liegt, dass diese Geschichten bereits in künstlerischer, schriftlicher und/oder bildlicher Form weitererzählt wurden.

Rollenspielerzählungen und -anekdoten werden häufig oral weitergetragen ("Erzählungen vom Charakter"), aber hin und wieder auch schriftlich fixiert (erzählerische Diaries, Anekdoten, etc.).
Erzählerische Rundentagebücher in denen z.B. Anekdoten eingebaut sind, können literarisch sein.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Dr.Boomslang am 30.03.2010 | 20:26
Ich würde sagen der Bericht von Spielinhalten kann durchaus Literatur sein (sowas wie eine Nacherzählung), wenn auch meist keine gute, das was im Spiel selbst gesagt wird würde ich nicht als Literatur bezeichnen, da es dort, wie schon gesagt, nicht um eine sprachliche Fixierung und nicht mal in erster Linie um die Sprache geht.
Wenn man das Literatur nennen würde dann müsste man alles Literatur nennen was mit Sprache zu tun hat, z.B. auch jede beliebige Unterhaltung oder jedes Selbstgespräch. Ich finde die zitierte Definition von Literatur auch nicht sehr aussagekräftig.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 30.03.2010 | 20:42
Engramme, Memes und Erinnerungen an Ereignisse sind doch keine Literatur...

Wie kann etwas Literatur sein, das eigentlich nicht dazu bestimmt ist, niedergelegt zu werden?

Diaries/Mitschriften etc. sind vlt. "Sekundärliteratur", aber sie sind nicht das Rollenspiel selbst.

Da liegt mMn euer Denkfehler!
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bad Horse am 30.03.2010 | 21:09
Engramme, Memes und Erinnerungen an Ereignisse sind doch keine Literatur...
Natürlich nicht. Ist das alles, was nach einer Sitzung bleibt?

Zitat
Wie kann etwas Literatur sein, das eigentlich nicht dazu bestimmt ist, niedergelegt zu werden?
Literatur im weitesten Sinne umfasst auch Märchen, Legenden und Mythen, die auch nicht primär bestimmt sind, niedergelegt zu werden.

Zitat
Diaries/Mitschriften etc. sind vlt. "Sekundärliteratur", aber sie sind nicht das Rollenspiel selbst.
Hat auch nie jemand behauptet.

@Zornhau: Okay, das war vielleicht ein bißchen unklar. Mit "Ergebnis" meine ich die Geschichte, die dabei herausgekommen ist (wenn eine herausgekommen ist, aber das tut sie häufig), oder auch die Anekdoten, die hinterher im Gedächtnis haften geblieben sind.

"Literatur" im weitesten Sinne ist nach obiger Definition (zugegeben, die ist sehr weit gefasst) jede Art von fixierter Erzählung - es passiert immer wieder das Gleiche, der Wolf frisst die Großmutter, Herkules erschlägt die Hydra, der Schurke köpft sich selbst, um den Kopf des Vecna aufzusetzen.

Kann man nun die Heldengeschichte von Bob dem Baladin, der Dave den Drachen erschlug, mit der Erzählung eines Märchens gleichsetzen? Ich finde schon. Die Geschichte, wie drei einfache Wachmänner ein Pandabärchen aus den Händen eines Schurken retteten, kann ich auch meinem Kind als Gutenachtgeschichte erzählen.

Warum sollte eine Geschichte weniger literarisch sein, nur weil sie erspielt wurde anstelle von einer Person ausgedacht? Wenn jemand eine spannende Geschichte über das Wunder von Bern erzählt ("Rahn könnte schießen... Rahn schießt!"), dann wird die doch auch nicht dadurch weniger literarisch, weil es sich um die Nacherzählung eines Fussballspiels handelt.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 30.03.2010 | 21:34
Natürlich ni
Natürlich nicht. Ist das alles, was nach einer Sitzung bleibt?
Literatur im weitesten Sinne umfasst auch Märchen, Legenden und Mythen, die auch nicht primär bestimmt sind, niedergelegt zu werden.
Hat auch nie jemand behauptet.
1. Ja, klar. Ausser der "Sekundärliteratur" existiert ja materiell nichts.
2. Märchen, Sagen&Legenden haben exakt eine Version, in der Art und Weise wie sie erzählt und überliefert werden. Der "Stille Post"-Effekt kann diese zwar verfälschen, aber es bleibt grundlegend der gleiche, gleich gesprochene Text. 
Bei RPG-Sitzungen ist das mMn überhaupt nicht gegeben, nicht einmal näherungsweise. Das gleiche Phänomen wie bei Zeugenaussagen.
3. Doch, von Joerg D. z.B.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bad Horse am 30.03.2010 | 21:45
Na, wenn ich Rotkäppchen erzähle, klingt das anders, als wie wenn du das erzählst. Es passiert das gleiche (Kind, kranke Großmutter, Wolf, Haps, Jäger, Wackersteine - oder auch keine Wackersteine, ich glaube, die sind kein Kanon), aber mit ganz anderen Worten. Das Rotkäppchen-Original aus dem Französischen geht noch mal ein Stück anders.

Und es gibt Rollenspielgeschichten, die immer wieder und wieder erzählt werden, da passiert auch immer das gleiche.

Wo hat Jörg behauptet, dass Diarys / Mitschriften Rollenspiel wären? Er hat gesagt, sie wären eventl. Literatur.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Minne am 30.03.2010 | 21:51
Ich würde sagen, eine Erzählung von einer Rollenspielrunde, also das, was nach dem Spiel kommt, kann man als eine Art von Literatur begreifen, sei sie nun mündlich oder in einem Diary fixiert. Das Spiel selber aber nicht. Wenn man das Spiel selbst als Literatur fasst, entgeht einem imho das, was am Rollenspiel wesentlich ist, nämlich dass es keine irgendwo schon vorhandene Geschichte ist, die erzählt wird, sondern dass es eben ein Spiel ist das durch die komplexe Interaktion der Spielenden entsteht. Das muss man mit ganz anderen Begriffen fassen. Dass viele Rollenspielrunden recht stereotyp ablaufen hat damit IMHO erstmal nicht viel zu tun, wenn das ein Kriterium für Literatur wäre, dann wären noch ganz andere formen der Interaktion Literatur. Rollenspiel heißt (in der Regel) nicht Geschichten erzählen, auch wenn es narrative Elemente hat, lassen sich die Ereignisse der Runde erst nach dem Ende des Spiels als Geschichte erzählen.  Ich bemühe mich um einen Vergleich: Ist Fußball Literatur? Wohl kaum. Kann die Nacherzählung eines Fußballspiels Literatur sein? Sicherlich.

Edit: Ich hätte vielleicht die letzten Beiträge vor dem Schreiben auch noch lesen sollen.  :P Naja, besser etwas einmal zu oft gesagt, als einmal zu wenig ;)
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 30.03.2010 | 22:03
Na, wenn ich Rotkäppchen erzähle, klingt das anders, als wie wenn du das erzählst. Es passiert das gleiche (Kind, kranke Großmutter, Wolf, Haps, Jäger, Wackersteine - oder auch keine Wackersteine, ich glaube, die sind kein Kanon), aber mit ganz anderen Worten. Das Rotkäppchen-Original aus dem Französischen geht noch mal ein Stück anders.

Und es gibt Rollenspielgeschichten, die immer wieder und wieder erzählt werden, da passiert auch immer das gleiche.

Wo hat Jörg behauptet, dass Diarys / Mitschriften Rollenspiel wären? Er hat gesagt, sie wären eventl. Literatur.
Nunja, Joerg hat zuvor IIRC behauptet, dass Diaries zum RPG gehören würden.
Und dann hat er behauptet, Diaries seien evtl. Literatur.
Ergo: Joerg D. sagt "Diaries = Literatur".
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bad Horse am 30.03.2010 | 22:09
Nunja, Joerg hat zuvor IIRC behauptet, dass Diaries zum RPG gehören würden.
Und dann hat er behauptet, Diaries seien evtl. Literatur.
Ergo: Joerg D. sagt "Diaries = Literatur".


Das ist ein logischer Trugschluß.

Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 30.03.2010 | 22:15
Naja, er hat dem ja nicht widersprochen, oder?
Warum hätte ich also den Schluß nicht ziehen sollen, wenn er offensichtlich logisch ist?
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Blutschrei am 30.03.2010 | 22:18
Wenn die Erzählung von einem Rollenspielabend also Literatur wäre... Dann wäre es auch Literatur, wenn ich von meinem Arbeitstag erzähle.. ?
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bad Horse am 30.03.2010 | 22:32
Wenn die Erzählung von einem Rollenspielabend also Literatur wäre... Dann wäre es auch Literatur, wenn ich von meinem Arbeitstag erzähle.. ?

Natürlich. Es gibt Romane, in denen passiert auch nichts anderes (James Joyce, soweit ich weiß).

Literatur als Begriffe an sich ist erstmal nicht wertend. Mit deiner Erzählung fixierst du die Ereignisse deines Arbeitstags mündlich, und wer weiß, vielleicht bist du ja CIA-Agent, der heute Osama Bin Laden fasst, oder Fussballspieler, der ein tolles Tor schießt. Oder du hast heute die Liebe deines Lebens getroffen, und du wirst diese Geschichte deinen Kindern oder Enkeln immer noch erzählen, und einer von denen schreibt sie auf und erzählt sie seinen Enkeln und Urenkeln... und in 2.000 Jahren ist das die Geschichte des 21. Jahrhunderts.

Ja, nach der Definition könnte es sogar Literatur sein, wenn du 700x "Brumli" sagst.  ;) Dadaistische Literatur halt.

@Diarys: Ich habe zu einer Runde ein Diary geschrieben, findet sich auch irgendwo in dem Channel. Nachdem die Runde mehr oder weniger zu Ende war, habe ich weitergeschrieben, auch wenn ich die Ereignisse ab diesem Zeitpunkt frei erfunden habe. Ich will nicht behaupten, dass das großartige Literatur ist, aber es ist definitiv das, was andere Schriftsteller auch machen. Wo ist jetzt der Unterschied? Gelesen worden ist das Diary übrigens auch - hm. Braucht Literatur einen Zuhörer / Leser?
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Minne am 30.03.2010 | 22:34
Zitat
Naja, er hat dem ja nicht widersprochen, oder?
Warum hätte ich also den Schluß nicht ziehen sollen, wenn er offensichtlich logisch ist?
Häää? Der von Bad Horse zitierte Schluss ist offensichtlich nicht logisch. Oder was meinst du?

Zitat
Wenn die Erzählung von einem Rollenspielabend also Literatur wäre... Dann wäre es auch Literatur, wenn ich von meinem Arbeitstag erzähle.. ?
Literatur setzt eine gewisse Fixierung voraus. Wenn du also von einem bestimmten Tag immer wieder erzählst, dann kann man das durchaus als (orale) Literatur betrachten.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 30.03.2010 | 22:42
@Minne: Ich sagte, dass Joerg D. sagt "Diaries sind Teil des Rollenspiels" und "Diaries sind Literatur". Ich ziehe den Schluß, der sich logischerweise dann ja aufdrängt, und äussere diesen. Da Joerg D. meinem gezogen Schluß seiner eigenen Aussagen nicht widersprochen hat, bleibt mein Schluß weiterhin gültig und steht.


@Bad Horse: Warum ist es dMn ein logischer Trugschluß?
(Siehe auch meine Antwort an Minne!)
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bad Horse am 30.03.2010 | 22:44
Nunja, Joerg hat zuvor IIRC behauptet, dass Diaries zum RPG gehören würden.
Und dann hat er behauptet, Diaries seien evtl. Literatur.
Ergo: Joerg D. sagt "Diaries = Literatur".


Schuhe gehören zum Fussball.
Schuhe sind eventl. Mode.
Ergo: Fussball = Mode. 
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 30.03.2010 | 22:46
Schuhe gehören zum Fussball.
Schuhe sind eventl. Mode.
Ergo: Fussball = Mode. 

Kannst du das Gegenteil beweisen?
Zwischen Fußball und Mode gibt es eine untrennbare Verbindung, diese muss man ja nicht ausdefinieren, trotzdem wird die Aussage nicht unwahrer.

Oder doch?

 
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Callisto am 30.03.2010 | 22:47
@Minne: Ich sagte, dass Joerg D. sagt "Diaries sind Teil des Rollenspiels" und "Diaries sind Literatur". Ich ziehe den Schluß, der sich logischerweise dann ja aufdrängt, und äussere diesen. Da Joerg D. meinem gezogen Schluß seiner eigenen Aussagen nicht widersprochen hat, bleibt mein Schluß weiterhin gültig und steht.


@Bad Horse: Warum ist es dMn ein logischer Trugschluß?
(Siehe auch meine Antwort an Minne!)
Der Trugschluss besteht darin, zu sagen Diaries=RPG. Aber Diaries sind nur ein Bruchteil von RPG. RPG findet am Tisch statt, Diaries werden danach geschrieben. Also, aus RPG kann Literatur entstehen, muss aber nicht. Über die Qualität sagt das noch nichts aus.

Zitat
Wenn die Erzählung von einem Rollenspielabend also Literatur wäre... Dann wäre es auch Literatur, wenn ich von meinem Arbeitstag erzähle.. ?
Ja, natürlich. Wenn du es fixierst, also zum Beispiel einen Blog über deine Arbeit schreibst. Wie gesagt, über die Qualität sagt das noch nichts aus.


Und Jörg hat vielleicht noch gar nicht hier gelesen und deswegen keine Antwort gegeben.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 30.03.2010 | 22:53
Hm, nö.
Der Punkt ist, dass ich sagte "Nö, RPGs sind keine Literatur." woraufhin Joerg das Beispiel mit dem Diary brachte.
Was für Joergs Argumentation gilt, muss auch für meine gelten. Ansonsten greift mein zweites Argument, dass Diaries bestenfalls sekundär zu betrachten sind, und *puff" löst sich Joerg Argument in ein Logikwölkchen auf, weil er sich mit der Aussage selbst ad absurdum geführt hat.

 
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Callisto am 30.03.2010 | 22:56
Hm, nö.
Der Punkt ist, dass ich sagte "Nö, RPGs sind keine Literatur." woraufhin Joerg das Beispiel mit dem Diary brachte.
Was für Joergs Argumentation gilt, muss auch für meine gelten. Ansonsten greift mein zweites Argument, dass Diaries bestenfalls sekundär zu betrachten sind, und *puff" löst sich Joerg Argument in ein Logikwölkchen auf, weil er sich mit der Aussage selbst ad absurdum geführt hat.

 

Die zwei Arguemente haben durchaus beide gleichzeitig Bestand. RPG's an und für sich sind keine, aber sie können Literatur bieten, zum  Beispiel durch die Diaries oder meinetwegen durch seitenlange Hintergrundgeschichten. Ich sehe da keinen Konflikt.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: WeeMad am 30.03.2010 | 22:58
Wie man hier sieht gibt es noch jede Menge andere Definitionen des Begriffs Literatur telekolleg: Was ist Literatur? (http://www.br-online.de/wissen-bildung/telekolleg/faecher/deutsch/literatur/folge_1/fakten.shtml).

Ich persönlich würde die Nacherzählung von erspielten Geschichten oder Ereignissen im Rollenspiel nicht als Literatur sehen, da ich Literatur auf das schriftlich fixierte begrenzen würde, da der Literaturbegriff dadurch für mich zu weit gefasst wäre, um noch irgendetwas abzugrenzen und das sollen Begriffe tun. Deshalb würde ich hier auch eher den Begriff "Erzählung" oder Ähnliches verwenden.

Ein Spielbericht ist Literatur, wenn Literatur alles schriftlich fixierte ist. Ich würde Literatur so definieren. Damit sind zwar theoretisch auch Bedienungsanleitungen und Kochrezepte Literatur, aber eine Beschränkung auf ästhetisch ansprechendes oder unterhaltendes würde z.B. Fachliteratur wieder ausschließen.

Was ich mal gern lesen würde, wäre ein Spielbericht, der nur aus der Beschreibung der Handlungen der Spieler und der Anwendung der Regeln besteht und versucht wird die erspielte Geschichte und deren Charaktere vollständig auszublenden (falls das überhaupt geht).

Wie man sieht bin ich eher für eine engere Definition von Literatur.

Noch ne Frage an Bad Horse: Weshalb interessiert dich die Frage? Gibt es da einen weiterführenden Gedanken?
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bad Horse am 30.03.2010 | 23:07
Nein, bisher nicht. Ich bin einfach neugierig, was bei so einer Diskussion herauskommen kann.  ;)
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 30.03.2010 | 23:13
Die zwei Arguemente haben durchaus beide gleichzeitig Bestand. RPG's an und für sich sind keine, aber sie können Literatur bieten, zum  Beispiel durch die Diaries oder meinetwegen durch seitenlange Hintergrundgeschichten. Ich sehe da keinen Konflikt.
Es ging aber ursprünglich um die Frage, ob RPGs im gespielten Zustand Literatur sind, und nicht, ob durch RPG-Sitzungen Diaries entstehen und diese dann Literatur sind.   
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Callisto am 30.03.2010 | 23:18
Es ging aber ursprünglich um die Frage, ob RPGs im gespielten Zustand Literatur sind, und nicht, ob durch RPG-Sitzungen Diaries entstehen und diese dann Literatur sind.   


Die Frage war Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Und da würde ich unterscheiden ob es ein Diary gibt. Wenn ja, dann ja, wenn nein, dann nein. Easy.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Joerg.D am 30.03.2010 | 23:20
So, sehen wir mal.

Ich habe geschrieben, das für mich die Diarys zu meinen Runden schon so eine Art Literatur sind und Bad Horse hat treffender weise angemerkt, dass nicht die Qualität des Textes entscheidend ist ob es  Literatur ist.

Kommen wir aber noch einmal zu der Definition von Literatur zurück, die hier gepostet worden ist:

Literatur ist im weitesten Sinn der Bereich mündlich (etwa durch Versformen und Rhythmus) oder schriftlich fixierter sprachlicher Zeugnisse. In einem engeren Sinne wird unter Literatur der Bereich von Texten verstanden, die Gegenstand der Kunstdiskussion werden.

Nun, beim Rollenspiel benutze ich selten Ferse (Sind die Reime bei DSA dann Literatur?) oder benutze Rhytmus um zu spielen. Rollenspiel ist für mich nach der Definition also keine Literatur. Gutes Rollenspiel ist für mich eher eine Art Kunstform. Diese Kunstform wird dann zur Literatur, wenn sie abseits des Spieles nacherzählt wird, also vom aktiven Prozess zu Geschichte wird. Da ist es wie mit den Legenden vieler Urvölker, die sich durch mündliche Überlieferung erhalten haben. Es gibt diverse Versionen von Runden, die in meinem Bekanntenkreis immer weiter erzählt werden.

Ein Diary ist kein Rollenspiel, sondern das schriftliche Zeugnis eines sprachlichen Prozesses während eines Spieles. Ich folgere also, das ein Diary für mich Literatur ist, aber das Rollenspiel selber nicht. Wenn man meine Diarys zu der Runde im Schattental sieht ist das Ganze auf jeden Fall Literatur. Die Diarys sind so geschrieben worden, das sie ein großes Publikum ansprechen (sie haben einen Anspruch)  und es ist rege über sie diskutiert worden. (sie haben zu einer Diskussion über eine Kunstform geführt, darüber wie in dieser Runde gespielt wird)

Rollenspiel selber ist für mich also keine Literatur, kann aber zur Erschaffung derselbigen führen. Sei es im Sinne von Nacherzählungen, Diarys oder Diskussionen. Das Spiel wird oder kann also ab einem bestimmten Punkt zur Literatur transformieren.

Der eigentliche Akt ist es für mich aber nicht.

(Nen dicken Schmatz an Callisto, die einem aktiven SL den Rücken freigehalten hat)

Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bad Horse am 30.03.2010 | 23:22
Es ging aber ursprünglich um die Frage, ob RPGs im gespielten Zustand Literatur sind, und nicht, ob durch RPG-Sitzungen Diaries entstehen und diese dann Literatur sind.   

Nein. Das ist einfach falsch:

Es geht nicht um die Spielsitzungen selbst, es geht darum, was dabei herauskommt.  :)

Spielsitzungen an sich sind keine Literatur, eben weil sie nicht fixiert sind. Wenn das, was passiert ist, weitererzählt wird, dann geschieht Literatur, denn da wird immer (ungefähr) das Gleiche erzählt.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 30.03.2010 | 23:28
Das war aber nicht die Ausgangsfrage im ursprünglichen Thread.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Minne am 30.03.2010 | 23:31
Ich bin gerade zwar schon ein bisschen betrunken aber trotzdem muss ich mal folgendes loswerden:

Heretic, du hast scheinbar nicht sonderlich viel Ahnung von Logik. Da ist es auch ganz egal, was Jörg dazu sagt.  Abgesehen davon, dass das logische Schema "A ist Teil von B, und A ist gleich C also B ist gleich C" falsch ist, kannst du von einem Wahrscheinlichkeitsargument (evtl.) keine Gleichsetzung ableiten. "Morgen wird es eventuell regnen also wird es morgen regnen" ist offensichtlich Unsinn.

Das Schema noch mal auf einen anderen Gegenstand angewende, damit du deinen Fehler vielleicht verstehst:

Das Quadrat gehört zu den geometrischen Formen
Das Quadrat ist ein Polygon mit vier gleich langen Seiten
Ergo: Geometrische Formen sind Polygone mit vier gleich langen Seiten

Womit nach deiner Logik ein Rechteck keine geometrische Form mehr wäre  :P
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Callisto am 30.03.2010 | 23:31
Das war aber nicht die Ausgangsfrage im ursprünglichen Thread.


Aber in diesem Thread.  ;)
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Joerg.D am 30.03.2010 | 23:38
Jap.

Bad Horse hat die Definition dieses Threads präzise ausgedrückt.

Edit@ Minne

Jetzt bist Du aber gemein zu mir.......
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 30.03.2010 | 23:39
Dieser Thread ist nur ein Hilfskonstrukt zur Klärung der ursprünglichen Frage.

"Moral von dr Geschicht":
RPG-Sitzungen an sich sind im engeren Sinn keine Literatur, aber können "Sekundärliteratur" nach sich ziehen.

Die ursprüngliche Frage war die nach der "Geschichte", dem "Plot", und ich argumentierte, dass literarische Stilmittel im RPG eigentlich nichts zu suchen haben, worauf man mir widersprach und behauptete, RPG sei genau dies, nämlich Literatur.

Aber da RPGs im engeren Sinne keine Literatur sind, kann man auch keine literarischen Stilmittel anwenden, die nur bei Literatur im enger definierten Sinne greifen.

Das ist ein logisch argumentierter Schluß, zumindest solange man keine Begriffsaufweichung betreibt.  


Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Joerg.D am 30.03.2010 | 23:41
Nö, dieser Thread ist, was sein Ersteller mit dem Anfangspost und seinen weiteren Darstellungen definiert hat.


Edit: Schlecht ausgedrückt.

In diesem Thread geht es um das, was sein Ersteller mit dem Anfangspost und seinen weiteren Darstellungen definiert hat. Die Zielsetzung ist für mich relativ deutlich zu erkennen und die weiteren Posts zeigen auch, in welche Richtung die Diskussion gehen soll.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bad Horse am 30.03.2010 | 23:41
Danke, Jörg.  :)

Nein, dieser Thread ist da, um genau die Frage zu diskutieren, die ich gestellt und präzisiert habe. Ich bitte dich, meine Wünsche darüber, was in diesem Thread diskutiert werden soll, zu respektieren.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Callisto am 30.03.2010 | 23:41
Dieser Thread ist nur ein Hilfskonstrukt zur Klärung der ursprünglichen Frage.



Die ursprüngliche Frage war dann, ob die Stimme aus dem Off im RPG funktioniert. Und da kommts auf die Spielweise an. Und das kann im andren Thread diskutiert werden ;) Gib deine gegnerische Haltung doch mal auf *knuff*

Abgesehen davon hat Jörg D recht. Und Bad Horse natürlich auch.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 30.03.2010 | 23:45

Dieser Thread ist nur ein Hilfskonstrukt zur Klärung der ursprünglichen Frage.

"Moral von dr Geschicht":
RPG-Sitzungen an sich sind im engeren Sinn keine Literatur, aber können "Sekundärliteratur" nach sich ziehen.

Die ursprüngliche Frage war die nach der "Geschichte", dem "Plot", und ich argumentierte, dass literarische Stilmittel im RPG eigentlich nichts zu suchen haben, worauf man mir widersprach und behauptete, RPG sei genau dies, nämlich Literatur.

Aber da RPGs im engeren Sinne keine Literatur sind, kann man auch keine literarischen Stilmittel anwenden, die nur bei Literatur im enger definierten Sinne greifen.

Das ist ein logisch argumentierter Schluß, zumindest solange man keine Begriffsaufweichung betreibt. 
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bad Horse am 30.03.2010 | 23:47
Heretic, ich habe dich freundlich darum gebeten, dich an die Themenvorgabe des Threads zu halten. Ich bitte dich jetzt noch mal, wenn auch nicht mehr so freundlich.

Anderes Thema - anderer Thread. Dieser Thread - mein Thema. Keine Debatten mehr, bitte.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Minne am 30.03.2010 | 23:48
@Heretic: Vielleicht den Eingangspost gründlicher lesen? Da steht ganz klar  die Fragestellung "Ist das Ergebnis einer Rollenspielsitzung Literatur im weitesten Sinn?" und was Ergebnisse einer Rollenspielsitzung sind, wurde später präzisiert.

@Jörg: Oh Warum? Ich bezog mich doch gar nicht auf dich, ich meinte nur, dass Heretics Schluss einfach weder "valid" noch "sound" war.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 30.03.2010 | 23:50
Minneyar, DIESER Thread hier diente nur der Entscheidungsfindung der ursprünglich gestellten Frage, ob
es Sinn macht, literarische Stilmittel bei etwas anzuwenden, was keine Literatur ist, da ist es völlig unerheblich, was in dem Eingangspost DIESES Threads hier steht.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Callisto am 30.03.2010 | 23:53
Minneyar, DIESER Thread hier diente nur der Entscheidungsfindung der ursprünglich gestellten Frage, ob
es Sinn macht, literarische Stilmittel bei etwas anzuwenden, was keine Literatur ist, da ist es völlig unerheblich, was in dem Eingangspost DIESES Threads hier steht.


In DIESEM Thread sollte man aber drauf antworten, was die Fragestellung von DIESEM Thread ist. Nicht was im anderem Thread steht. Wenn du das Thema beackern willst, mach einfach einen NEUEN Thread auf mit dieser Fragestellung. Sonst ärgerst du hier nur Bad Horse und diverse andere User ;)
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bad Horse am 30.03.2010 | 23:54
Heretic, dieser Thread dient genau dem, was darauf steht. Bitte hör auf, ihn mit deinen Behauptungen darüber, warum ich ihn gestartet habe, vollzuspammen.

Meldung an die Redax ist bereits ergangen.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 30.03.2010 | 23:56
Aye.
Also sind RPG-Sitzungen keine Literatur, ergo Cutscene-Technik fehl am Platz bei normalem, klassisch aufgebautem RPG mit charakterzentrierter Sicht.

Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Joerg.D am 30.03.2010 | 23:58
Heretic, du lässt neben einer bemerkenswerten Gabe Inhalte nicht zu erfassen auch die wiederholten Ansagen beim Thema zu bleiben auf eine äußerst unhöfliche Weise an dir abperlen. Ich empfehle dir, noch einmal einen Blick in die Hausordnung zu werfen und Respekt vor dem Threadstarter zu zeigen.

Das Thema dieses Threads wurde ausdrücklich und nachhaltig vom Bad Horse definiert und wiederholt präzisiert, worauf Du nicht im Geringsten eingehst.

Du bist also unhöflich und Bad Horse hat eine Entschuldigung für dein Verhalten verdient. (für eine offensichtlich mangelnde Auffassungsgabe kann man sich ja nicht entschuldigen)


(Text wird gegen Aufforderung von Bad Horse genau wie alle anderen nicht zum Thema passenden Inhalte von mir gelöscht)
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bad Horse am 30.03.2010 | 23:59
Minneyar, DIESER Thread hier diente nur der Entscheidungsfindung der ursprünglich gestellten Frage, ob
es Sinn macht, literarische Stilmittel bei etwas anzuwenden, was keine Literatur ist, da ist es völlig unerheblich, was in dem Eingangspost DIESES Threads hier steht.

Aye.
Also sind RPG-Sitzungen keine Literatur, ergo Cutscene-Technik fehl am Platz bei normalem, klassisch aufgebautem RPG mit charakterzentrierter Sicht.

Heretic, ich habe dich mehrfach gebeten, beim Thema zu bleiben - und zwar bei dem vom OP vorgegebenen Thema. Bitte unterlasse weitere nicht themenbezogene Posts in diesem Thread. Literarische Techniken im Rollenspiel gehören nicht zum Thema.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Zornhau am 31.03.2010 | 03:41
In der Fragestellung dieses Threads werden leider gleich ZWEI sehr problematische Begriffe mit dem Begriff "Rollenspielsitzung" in Verbindung gebracht.

Zum einen der - je nach Definitions-Schwammigkeit - bis zur begrifflichen UNBRAUCHBARKEIT dehnbare Begriff "Literatur", für den wenigstens eine (zwar meinem Empfinden nach immer noch viel zu weite, aber immerhin KONKRETE) Definition im Eingangsbeitrag gegeben wird.

Und zum anderen der Begriff der "Ergebnisse einer Spielsitzung". - Hier hatte ich ja schon nachgefragt, ob z.B. der Level-Zuwachs eines Charakters, der je unabstreitbar ein ERGEBNIS einer Spielsitzung ist, zu den hier als "Literatur" zu zählenden Ergebnissen gehören soll, oder nicht.

Dazu hatte Bad Horse dann ein paar Konkretisierungen gegeben, zu denen ich etwas anmerken möchte.

Zu den "Ergebnissen" von Rollenspielsitzungen:
@Zornhau: Okay, das war vielleicht ein bißchen unklar. Mit "Ergebnis" meine ich die Geschichte, die dabei herausgekommen ist (wenn eine herausgekommen ist, aber das tut sie häufig), oder auch die Anekdoten, die hinterher im Gedächtnis haften geblieben sind.
Eine Rollenspielsitzung ist ein "Happening", ist eine fortlaufende, einmalige, UNWIEDERHOLBARE und noch nicht einmal durch Mitlaufen einer Videokamera wirklich für weiteres Rollenspiel relevant fixierbare Art von gemeinschaftlicher Beschäftigung zur Unterhaltung der AKTIVEN. - Also NICHT für Publikum gedacht, sondern für die "Selbstunterhaltung" der Ausführenden.

Das unterscheidet Rollenspielsitzungen schon einmal sehr stark von Theater-Aufführungen (selbst von Improvisationstheater!) und von (Märchen-)Erzählungen. Diese sind - unabhängig von der Wiederholbarkeit, der Fixierbarkeit - einfach grundsätzlich für ein Publikum gedacht.

Was sind denn nun KONKRETE ERGEBNISSE von Rollenspielsitzungen?

Du erwähnst eine Geschichte, die es geben kann, die es aber nicht geben muß. Und Du erwähnst Anekdoten. Also kleine Geschichtchen vor dem Spiel, im Spiel, rund um das Spiel, nach dem Spiel.

Aber Du WEICHST meinen Fragen AUS!

Ich kann SEHR KONKRETE ERGEBNISSE von Rollenspielsitzungen benennen.

Ein Charakter hat 340 XP mehr als noch bei Beginn der Sitzung.
Ein Charkater ist tot.
Ein Charakter hat sich in-game ein Schiff gekauft.
Ein Charakter ist einen Level aufgestiegen.

Ein Spieler hat keinen Charakter mehr, weil seiner gestorben ist. Er muß sich bis nächstes Mal einen neuen ausdenken.
Ein Spieler hat den höchsten Schadenswurf des Spielabends gemacht.
Ein Spieler hat eine tollen Plan zur Bewältigung eines Problems entworfen, der auch genau so wie geplant funktioniert hat.
Ein Spieler hat sich mit einem anderen Spieler über die korrekte Spielweise des Nachteils "Blutrünstig" gestritten und beide sind angesäuert heimgefahren.

Das sind ALLES sehr konkrete Ergebnisse von Spielrunden.

Und da sind sogar FIXIERBARE Ergebnisse darunter: Level-Aufstieg, XP-Zugewinn, alter Charakter hopps, Schiff gekauft. - Es ist sogar ABSICHT, daß diese Ergebnisse fixiert werden können: sie SOLLEN auf dem Charakterbogen stehen! Da stehen dann mehr XP, ein neuer Level, ein Schiff, usw.

Ist das, was man auf einem Charakterbogen notiert, also SCHRIFTLICH FIXIERT,  auch "Literatur"?

Immerhin sind das die im Spiel durch die Spieler erspielten, konkreten, und sogar absichtsvoll fixierbaren ERGEBNISSE der Spielrunde. - Diese Ergebnisse gelten bei Beginn der nächsten Spielrunde immer noch. Sie werden also GESPEICHERT und ÜBERLIEFERT und sind sogar UNABSTREITBAR.

Was ist mit den Spielleiter-Notizen? - Der Spielleiter notiert sich, daß die Charaktere in Gang 13 nur 9 der 14 Orks getötet hatten, der Rest ist in Höhle B3 geflohen und konnte dort Alarm auslösen. - Das ist ein ERGEBNIS einer Spielsitzung. Es ist vom Spielleiter sogar fixiert worden, und es ist gespeichert und IDENTISCH WIEDERGEBBAR bei der nächsten Spielsitzung.

"Literatur" im weitesten Sinne ist nach obiger Definition (zugegeben, die ist sehr weit gefasst) jede Art von fixierter Erzählung
Die Notizen von Spielern auf dem Charakterbogen und auf Notizzetteln, die den Spielern ausgehändigten Handouts, Kartenzeichnungen, Bilder, die Spielleiternotizen, usw. - das sind alles DIREKT mit der Rollenspielsitzung verbundene, SCHRIFTLICHE bzw. graphische DOKUMENTE. Diese müßten unter den im Eingangsbeitrag definierten "Literatur"-Begriff fallen.

Sie sind aber NICHT ERZÄHLERISCH!

Es ist sogar so, daß die MEISTEN ERGEBNISSE einer Spielsitzung eben NICHT ERZÄHLERISCHER Natur sind!

Es kommen nämlich noch die Ergebnisse aus dem Umfeld hinzu: Bierkasten geleert, Chipstüten leergefuttert, Kaffeetasse verschüttet, Würfel verloren, in Spielleiterschirm gebissen (Zahnabdrücke belegen dies!), bis 5 Uhr Morgens durchgespielt, danach noch zwei Stunden gequatscht, wie ein Zombie am nächsten Tag herumgeschlurft, den verdammten Dreck, der immer in die Bude reingeschleppt wird, weggesaugt.

Das sind AUCH alles NICHT-ERZÄHLERISCHE Ergebnisse einer Spielsitzung.

Warum sollte eine Geschichte weniger literarisch sein, nur weil sie erspielt wurde anstelle von einer Person ausgedacht?
Du gehst hier immer wieder von der leider UNZUTREFFENDEN Annahme aus, daß Ergebnisse einer Spielsitzung vornehmlich ERZÄHLERISCHER Natur seien.

Sind sie NICHT. - Genauer: Es GIBT KEINERLEI ERZÄHLUNG am Ende einer Spielsitzung!

Es existieren KEINE Anekdoten, die man auch noch nach Jahrzehnten erzählen wird (wie das Beißen in den Spielleiterschirm). Es existieren KEINE Spielberichte, die ausformuliert, aufgehübscht, und niedergeschrieben wären. Es gibt nicht einmal eine ERZÄHLUNG eines Mitspielers, was denn heute in den 8 Stunden Spielzeit passiert ist. - Braucht es auch nicht! Er war ja DABEI! Er hat es ja ERLEBT! Und alle anderen AUCH!

Wem sollen sie all das gemeinsam Erlebte denn überhaupt erzählen? - Es waren ja ALLE dabei!

Was DU als "Ergebnis einer Spielsitzung" auffaßt, das ist eine BEWUSST GESCHAFFENE und zwar BEWUSST NACH der Spielsitzung geschaffene Erzählung.

Eine Erzählung mit einem PUBLIKUM im Sinne!

Und das können auch durchaus die eigenen Mitspieler sein, denen ein Kampagnentagebuch hilft, leichter beim nächsten Mal den Anschluß an die aktuelle Situation zu finden. - Aber es ist ein Publikum ABSEITS der Zeit und des Ortes, an dem der INHALT des Erzählten ERSPIELT wurde!

Man hat am Ende einer Spielsitzung etwas ERLEBT. - Selbst, oder andere Spieler deren SC-Schicksal man miterlebt hat. - Und das ERLEBTE kann man, wenn man will, NACHERZÄHLEN.

Ich erzähle meiner Frau, wenn ich von einem Con komme, IMMER in aller Breite (und Länge), was ich alles gespielt habe, wen ich getroffen habe, wie die Würfel gefallen sind, ob das Essen gut war, usw.

Ist das "Literatur"? - Nein, natürlich nicht!

Was, wenn ich jetzt in meinem Interesse vornehmlich die Con-Umgebung einem Publikum nahebringen wollte?

Ich berichte von den Spielrundenaushängen, deren (meist mieser) Aufmachung, der Unübersichtlichkeit, den netten Orga-Leuten, die mir einen Tisch besorgten, der ALLE meine Figuren fassen konnte, dem günstigen Essen, dem miesen Kaffee, dem blöden Wichser, der mir eine Runde schier zerschossen hätte, der Durchhaltefähigkeit der Mitspieler bei der Übernachtrunde, der Sauberkeit der Toiletten, usw.

Das kann ich aufschreiben. Dann ist es - nach obiger Definition - Literatur. - Ein Con-Besuchsbericht. Einer, in welchem auch Spielrunden und deren Ergebnisse vorkommen!

"Ich konnte fünf neue Leute für Barbarians of Lemuria begeistern." (Ergebnis!)
"Ich habe nun endlich einmal das neue Warhammer FRP spielen können." (Ergebnis!)
"Mit dem blöden Wichser spiele ich NIE wieder irgendwas!" (Ergebnis!)

Aber obschon dies ERZÄHLERISCHE ERGEBNISSE sind, die sogar in schriftlicher Form abgefaßt, fixiert, überliefert wurden, wäre ich hier NICHT der Meinung, daß es sich um Literatur handelt.


Was, wenn ich jetzt in meinem Interesse vornehmlich die IN-GAME-HANDLUNG einem Publikum nahebringen wollte?

Das ist es doch wohl eher, was Dir unter dem "Ergebnis" vorschwebt, welches "Literatur" sein kann, nehme ich mal an.

Nun, wenn ich mich z.B. bei einem Spielbericht darauf beschränke die In-Game-Handlung darzulegen, dann habe ich sehr unterschiedliche Möglichkeiten dies zu tun. Ich greife einfach mal ein IN-GAME-TAGEBUCH heraus. - Hier schreibe ich aus der Sicht meines CHARAKTERS, was sich alles so zugetragen hat, natürlich GEFILTERT um die Dinge, die der SC nicht mitbekommen konnte, die ich als Spieler aber sehr wohl am Tisch erleben konnte. Dieses in-game in-character diary kann ich sogar literarisch sehr anspruchsvoll ausarbeiten, es ordentlich mit Layout und Illustrationen versehen und habe so ein auch nach Jahren noch lesbares Stück LITERATUR geschaffen.

"Literatur geschaffen"

Nochmal: LITERATUR GESCHAFFEN!

Aus dem beim Spiel ERLEBTEM, aus dem Spielerlebnis heraus, kann man als BEWUSSTEN SCHAFFENSAKT tatsächlich Literatur schaffen.

Das ist aber eine völlig separate, sogar dem Rollenspielhobby eher sehr ferne (und der Fan-Fiction usw. viel nähere) Beschäftigung. - Jemand kann mehrere Jahrzehnte Rollenspiele spielen ohne auch nur einmal ein solches Stück "dramatisierter Spielrundennacherzählung" gelesen oder gar geschrieben zu haben.

Diese Art der Literatur BRAUCHT NIEMAND, der Rollenspiele als Hobby betreiben möchte.

Andersherum: Jemand der GERNE GESCHICHTEN SCHREIBT, kann sich von Rollenspielerlebnissen INSPIRATIONEN für seine Geschichten holen. Oder vom Fußballspielen. Oder vom Spazierengehen am Deich. Oder vom stundenlang im Straßencafe sitzen. ...

Hier überschneiden sich ZWEI VERSCHIEDENE Hobbys. Das Geschichtenschreiben und das Rollenspielen. - Das kann qualitativ mies oder sehr ansprechend ausgehen - je nach Begabung, Ausarbeitung, Handwerkszeug, und natürlich dem Auge des Betrachters.

Aber: Jemand der BEWUSST als Spielrundennacherzählung einen Text schreibt, der FILTERT aus der GESAMTHEIT der Eindrücke des ERLEBTEN das heraus, was er WEITERERZÄHLEN möchte!

Man bekommt also in der "in-game" Erzählung mit, daß Ritter Robert den Drachen Dragomir mit einem einzigen Hieb den Kopf abgesäbelt hat. Aber man bekommt (meist) NICHT mit, daß der Spieler von Ritter Robert beim Angriffswurf erst einen Kritischen Fehler, dann noch einen und dann - nach Ausgabe des zweiten Bennies! - einen krass explodierenden Kritischen TREFFER gelandet hat, dessen Schadenwurf der höchste der gesamten Spielsitzung war und gegen den der Drache wirklich nichts mehr machen konnte außer zu sterben. Es wird NICHT drinstehen: "Und dann würfelte der Spieler des Ritters einen Treffer mit Raise für satte 85 Punkte Schaden! Das waren 16 Wunden für den Drachen, der das nicht soaken konnte oder wollte, und dann vergeigte er auch gleich noch den Vigor-Wurf wegen Incapacitation und damit war er hin."

Spielberichte mit "Regelsystem-Sprache" finde ich eigentlich VIEL INTERESSANTER als die - zumeist nicht über einen Deutsch Vier-Minus Aufsatz hinauskommenden reinen In-Game-Geschichten. - Oft sind es mehr die SPIELLEITER, die diese auch für die Praktiker des Hobbys weit interessanteren Spielberichte anfertigen. Hier ist auch das ZIELPUBLIKUM sehr klar umrissen. ANDERE Spielleiter.

Die Navero-Chroniken enthalten eine Mischung aus In-Game-Handlung, aus Spieler-Gesprächen, aus Kommentaren des Autors, aus Würfelwurf-Ergebnissen, usw. - Und sie sind GENIAL! - Verdiente Klassiker, die JEDER, der Spielrundenaufschriebe zu schreiben beabsichtigt, kennen sollte.



Für mich ergibt sich als Fazit:

Die MEISTEN Ergebnisse von Spielrunden sind NICHT erzählerischer Natur und eignen sich auch nicht direkt in eine Erzählung aufgenommen zu werden.

Es werden VIELE Ergebnisse von Spielrunden formal (Charakterbogen, Spielwerte) und nichtformal (Handouts einstecken, Notizen an Abenteuer-Seitenrand kritzeln) schriftlich fixiert.

Die Nacherzählungen von Spielrunden können aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln erfolgen: Wie waren die Mitspieler? Taugte das Kauf-Szenario was? Mag ich das Regelsystem? Was ist in-game passiert? - Die In-Game-Handlung ist nur eine von vielen möglichen "Filterungen" all der Erlebnisse während einer Spielsitzung.

Ein Spielbericht wird BEWUSST (als Literatur!) GESCHAFFEN.
- Das ist ein kreativer Prozess, der die ERLEBNISSE der Spielrunde nur als Inspiration verwendet. - Selbst wenn man sich bemüht so akkurat wie möglich mitzuprotokollieren, so wird man IMMER den subjektiven Wahrnehmungsfilter des Autoren verwenden. Daher können sich die Spielberichte von zwei Spielern DERSELBEN Runde auch z.T. KRASS in der Wahrnehmung und Bewertung der Ereignisse im Spiel unterscheiden! (Das kann man bei den hiesigen Session Diaries auch immer wieder feststellen - da meldet sich ein anderer Spieler als derjenige, der den Text verfaßt hatte, zu Worte - und dieselben Szenen stellen sich ANDERS dar, weil eben ein anderer Mensch das alles ANDERS aufgenommen hat, auch wenn die Würfelwürfe und Spielwerte-Änderungen exakt dieselben sein mögen).

Somit: Ist das Rollenspiel VORBEI, dann kann man - wenn man will - ans bewußte SCHAFFEN von Literatur gehen, die auf den Erlebnissen im Rollenspiel basiert.

Aber: Das Ergebnis einer Rollenspielsitzung ist NIEMALS Literatur.

Literatur wird es erst, wenn jemand BEWUSST Literatur SCHAFFEN möchte.

Literatur ist somit KEIN "Abfallprodukt" von Rollenspielen.

Nicht einmal von denen, die sich selbst gerne in die Nähe von Erzählungen (Narrationen) stellen! - Im Spiel ist nämlich auch die in-game-Erzählung so sehr im Fluß, daß man erst HINTERHER wirklich erzählen kann, was eigentlich nun gespielt wurde.

Daher ist es auch völlig irrig zu meinen, man könnte durch Regeltechnik und "erzählerische Vorgaben" die NACH der Spielsitzung aufschreibbare ERZÄHLUNG in bestimmte Bahnen lenken. - Das geht nicht, weil die Erzählung NUR VOM AUTOREN SELBST gesteuert wird. Und auf den hat das Regelsystem nach Spielende KEINEN Einfluß mehr.

Besonders nicht, wenn es um Erzählungen ohne die Regelsystem-Einschübe eines Spiel-TESTS handelt.

Reine In-Game-Handlungen sind nämlich "regelsystemneutral".

Literatur ist also KEIN "Abfallprodukt" von Spielsitzungen und es ist noch nicht einmal das Produkt von "narrativen Rollenspielen", sondern NUR und AUSSCHLIESSLICH das Produkt des bewußten Willens eines "Literaturschaffenden", eines Autors. - Daß der Autor wirklich bei einer Spielsitzung mitgespielt haben muß, ist nicht einmal eine Voraussetzung. Er könnte auch als "Ghost Writer" sich nur die Nacherzählungen der einzelnen Spieler und des Spielleiters angehört haben, und dann seinen Text verfaßt haben.

Literatur bekommt man also nur dann, wenn man LITERATUR SCHAFFEN MÖCHTE. - Sonst nicht.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: korknadel am 31.03.2010 | 09:21
Ich halte die Wiki-Definition für nicht ganz zutreffend. Klar ist, dass Literatur nicht wertend ist, weshalb sich Literaturwissenschaft ja theoretisch auch mit Einkaufszetteln befassen kann (und dies im Falle von Goethes Gattin wahrscheinlich auch tut). Darum sind hier Begriffe wie "Sekundärliteratur" auch vollkommen fehl am Platz, nur so nebenbei.

Dass Rollenspiel insgesamt zu enem Großteil Literatur ist, beweisen die erschlagenden Massen an Druckerzeugnissen. Was am Spieltisch abgeht, ist dagegen freilich erstmal anders zu bewerten. Aber -- vor dem Aber jedoch noch eine Bemerkung:

So wie mir Literatur während des Studiums begegnet ist, rechnet man da durchaus auch die "mündliche" Literatur hinein. Vor allem deswegen bin ich mit der Wiki-Def so unglücklich und gebe Bad Horse weitgehend recht.

Und damit sind wir an dem entscheidenden Punkt: Die Art und Weise, wie eine Rollenspielrunde organisiert ist, ist bereits quasi-literarisch: die festen Rollenzuweisungen, die gedachte theatralische Grundstruktur und das gewünschte erzählerische Ergebnis. Zwar spricht kaum einer in Reimen oder in einem Rhythmus, aber das sind dennoch lauter Dinge, die die Sprache, den Dialog durchaus strukturieren und anders organisieren als auf einer Party. Dazu kommt, dass eigentlich sämtliche Inhalte (abgesehen von den Gesprächen und Witzen am Rande) in irgendeiner Weise aus Literatur gespeist sind: Aus Rollenspielbüchern, Geschichten, Fabeln, Filmen, etc. Das Erschaffen und Ausspielen einer Figur ist mehr literarischer Akt als sonst irgendetwas, weil es erstens dem Theater sehr nahe ist und zweitens auf derselben Grundidee beruht wie die Erschaffung zum Beispiel einer Romanfigur. Die fiktive Figur wird ja nicht erfunden, um zum Beispiel als Spion in China zu arbeiten oder sich in oben genannte Party einzuschleichen, sondern aus rein erzählerischem Anlass.

Desweiteren werden während einer Rollenspielsitzung für gewöhnlich sehr viele Stereotype angespielt, wenn nicht sogar Kaufabenteuer gespielt werden. Die allermeisten Situationen und Konflikte sind in irgendeiner Form literarisch vorgebildet und werden nachgestellt, nacherzählt, nachgespielt. Das ist lkaum anders, als wenn die Räuber neu inszeniert werden, als wenn Wolfram und Muschg den Parzival neu dichten oder die Geschichte vom tapferen Schneiderlein erzählt wird.

Freilich ist das Erleben eines Spielabends an sich keine Literatur (wobei das Argument mit dem Bierkasten und der Chipstüte nicht zieht, denn ich kann auch mampfen und saufen, wenn ich einen Film, ein Theaterstück anschaue, ein Buch lese oder während ich ein Gedicht schreibe. Es gibt quasi ein außerliterarisches Erleben und ein innerliterarisches. Und ich würde meinen, dass beides beim Rollenspiel Hand in Hand geht. Während einer Spielsitzung wird einerseits tatsächlich Literatur geschaffen (man nimmt Rollen ein, entwickelt fiktive Figuren, erschafft eine Handlung, folgt gewissen Strukturen, Formen, Regeln, ähnlich wie im Improvisationstheater, gestaltet bekannte literarische Versatzstücke neu, erfüllt oder dekonstruiert Genrekonventionen, etc.), andrerseits existiert gleichzeitig sehr viel außerliterarisches Erleben. Das Argument, dass man dabei Spaß hat, spricht ganz eindeutig nicht gegen Literatur :). Man erinnere sich: Literatur kann durchaus der Unterhaltung dienen.

So, das wäre meine Meinung zu dem Thema aufgrund dessen, was mir seinerzeit die Herren Professoren und Dozenten über Literatur erzählt haben.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Nørdmännchen am 31.03.2010 | 16:03
[Labermodus]

Ich würde Literatur als Medie definieren - und unter Medie verstehe ich wiederum eine Einrichtung (Instrument, Methode) zur Vermittlung von Informationen (Inhalten) zwischen Menschen. Wesentlich zu unterscheiden in den gegeben technischen Mitteln und damit ihren spezifischen Möglichkeiten.

Also... Medien sind dann z.B.:
Literatur - nach MEINER Auffassung fest (wird in diesem Thread gerne als fixiert bezeichnet) und rein sprachlich. Etymologisch ist Literatur mit Letter verwandt, ich würde (angesichts der technischen Mittel) soweit gehen, Literatur vorrangig als schriftsprachliches Zeugnis aufzufassen.
Fotos und Bilder - technisch relativ klar definiert...
Tonaufzeichnungen - im heutigen Zeitalter ziemlich vielseitig, digital oder analog... blabla (ist mein Beruf, Schwafelgefahr ;) )
Film - im weiteren Sinne also bewegte Bilder, meist einhergehend mit Ton
Computer gestützte Medien - Internet, Computerspiele, interaktive Präsentationen etc.

Medien sind aber auch: Gespräche, Vorführungen (z.B. Theater) und z.B. Lernspiele (in der Schule).

Für mich ist damit auch Rollenspiel (in seinen wundervoll manigfaltigen Formen und Varianten) eine Medie... die ich mit Inhalt füllen kann und die ihre eigenen technischen Vorgaben hat!

Wenn wir Literatur im alltäglichen Sprachgebrauch mit Erzählungen oder sogar guten Geschichten gleichsetzen, so sprechen wir dabei aber eher von Inhalten, die die Medie Literatur transportiert. Und hier kann es tatsächlich zu Deckungen mit den Inhalten der Medie Rollenspiel kommen.
So findet sich z.B. der gleiche Inhalt im Drehbuch (Medie: Literatur) wie im fertigen Blockbuster (Medie: Film) oder auch im Abenteurquellbuch (Medie: Literatur) wie (wenn auch in Variation) am Spielabend (Medie: Rollenspiel).

[/Labermodus]

So und um meinen weiterführenden Gedanken Raum zu bieten, eröffne ich jetzt einen neuen Thread!

EDIT: Der Link zum neuen Thread...
http://tanelorn.net/index.php/topic,54162.0.html (http://tanelorn.net/index.php/topic,54162.0.html)
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Funktionalist am 31.03.2010 | 16:31
@Zornhau

Das Ergebnis einer Rollenspielsitzung habe ich, jetzt mal instinktiv, als die am Spieltisch, direkt mit dem Spiel verknüpften Dialoge verstanden.
Das kam mir dann aber komisch vor, da hier nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Verhandlung dazugehören.

Ich würde als Ergebnis die bei der Sitzung gemeinsam entwickelten Information sehen.

@Topic
Das heißt, nach Ende der Sitzung gibt es eine durch die mündliche Sprache sachlich fixierte Geschichte.

Das fällt somit in die gleiche Klasse von Literatur, wie Märchen, die mündlich überliefert werden. Es ist egal, mit welchem Wortlaut sie erzählt werden, solange die Information die gleiche ist.
Das stimmt jetzt natürlich nur, wenn es bei Literatur nicht auf den genauen Wortlaut ankommt.
(Reproduzierbarkeit scheint auch ein Faktor zu sein...was Theaterstücke ausscheiden ließe, denn die Interpretation und die genaue Vorführung ändert sich ja auch häufig,wenn nicht gar zufällig.)

sers,
Alex
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 31.03.2010 | 16:45
Ich finde die Threadfrage als "Ist"-Frage nicht richtig zielführend ... korknadel hat zwar m.E. Recht, dass Rollenspielsitzungen Aspekte aufweisen, die man auch von der Literatur kennt, aber ich bin mir nicht so sicher, ob es dadurch gerechtfertigt ist, den Literaturbegriff so zu dehnen, bzw. ob das nötig ist.
Ich denke aber schon, dass man literaturwissenschaftlich an die Untersuchung einer Rollenspielsitzung herangehen kann, ob sie nun niedergeschrieben ist oder nicht (Genau wie an einen Einkaufszettel). Genauso kann man ja auch einen Film mit literaturwissenschaftlichen Mitteln untersuchen (auch, wenn manche Filmwissenschaftler dabei vielleicht das klate Grausen kriegen ...).
Meine Magisterarbeit ist eigentlich ein ziemlich gutes Beispiel dafür: Die hat sich auf Filme konzentriert, die ich mit literaturwissenschaftlichen Mitteln untersucht habe. Da es aber eine Arbeit in der Literaturwissenschaft war, wurde es mir zur bedingung gemacht, dass mindestens ein Drittel der Arbeit sich mit Literatur im engeren Sinne, als mit geschriebenem Text, befasst.

Von daher finde ich, es kann schon interessant sein, eine Rollenspielsitzung "wie Literatur" zu betrachten und zu gucken, was man rausfindet. Aber ich finde, dass nur die Einnahme dieser Betrachterperspektive aus der Rollenspielsitzung noch kein Literaturereignis macht.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Teylen am 31.03.2010 | 16:48
Woher kommt die Annahme das Literatur muendlich sein kann und keiner schriftlichen Fixierung bedarf?
Aus dem Satzfragment vom deutschen Wikipedia das aus dem Kontext gerissen wurde?

Literatur kommt doch vom lateinischen litteratura = Buchstabenschrift
Das heisst etwas das nur muendlich weiter gegeben wird kann keine Literatur sein.

Egal ob es eine Rollenspiel Sitzung, ein Lied oder ein Maerchen ist.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 31.03.2010 | 16:56
Literatur kommt doch vom lateinischen litteratura = Buchstabenschrift
Das heisst etwas das nur muendlich weiter gegeben wird kann keine Literatur sein.

Die Grenzen sind da aber fließend - die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einem Stoff setzt ja meistens voraus, dass er irgendwie festgehalten wird, und bis vor gar nicht allzu langer Zeit war das eben nur schriftlich sinnvoll möglich, und schon hat man Literatur ...
Mit Film und allgegenwärtigen Tonaufzeichnungsmöglichkeiten in Handys und sonstwo ändert sich das natürlich. Wenn jetzt jemand eine Rollenspielsitzung mitschneidet, kannst du dir die natürlich auch unter literaturwissenschaften Gesichtspunkten ansehen, und dann stellt sich die Frage, wo der Unterschied zum Volksmärchen ist, das erzählt und dann irgendwann in verschiedenen Fassungen auch aufgeschrieben wurde.

Wobei ich trotzdem dabei bleiben würde, den Begriff Literatur für das Niedergeschriebene zu verwenden, weil der Begriff sonst so schwammig wird, dass er nicht mehr zu viel taugt. Wenn ich mich in der Literaturwissenschaft mit einem Theaterstück befasse, dann ja meistens auch eher mit dem Text als mit einer Inszenierung (wobei auch da die Inszenierungsuntersuchung eine Option ist ...).

Andererseits: Was ist mit Hörbüchern? Sind das "nur" Literaturadaptionen?

es ist halt alles zu kompliziert ...
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Zornhau am 31.03.2010 | 17:05
@Zornhau

Das Ergebnis einer Rollenspielsitzung habe ich, jetzt mal instinktiv, als die am Spieltisch, direkt mit dem Spiel verknüpften Dialoge verstanden.
Das kam mir dann aber komisch vor, da hier nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Verhandlung dazugehören.

Ich würde als Ergebnis die bei der Sitzung gemeinsam entwickelten Information sehen.
Und zu der gehören Spielwerteänderungen, Notizen, Handouts, Battlemap-Positionen, die man für das nächste Mal per Foto festhält, usw. ebenso, wie die Verärgerung zweier Spieler, die miteinander in Streit geraten sind, oder eine spontan eingeführte Hausregel.

Was heißt "direkt mit dem Spiel verknüpfte Dialoge"? - Wie DIFFERENZIERT man denn für das "gültige Ergebnis" einer Spielsitzung zwischen ALLEM, was gesagt - aber eben auch GETAN! - wurde, und dem, was "direkt mit dem Spiel verknüpft" sein soll?

Für mich ist das Spielen in einer Spielsitzung ein GESAMTERLEBNIS. - Dazu gehört ALLES. Und nichts darf fehlen!

@Topic
Das heißt, nach Ende der Sitzung gibt es eine durch die mündliche Sprache sachlich fixierte Geschichte.
Aber genau die gibt es doch NICHT! - Die gäbe es, wenn sich alle Spielenden nach der Sitzung die erspielten Erlebnisse gegenseitig nochmals erzählen würden, Unstimmigkeiten hervorgerufen durch die individuelle FILTERUNG des Erlebten ausdiskutieren und ausbügeln würden, und dann wirklich genau EINE "sachlich fixierte Geschichte" SCHAFFEN würden.

Das Erspielte ist ein ERLEBNIS. Und - wie auch bei Zeugenaussagen oder Nacherzählungen - hier WERDEN die unterschiedlichen Wahrnehmungen, Filterungen, Sichten der einzelnen Spieler MASSIV DIFFERIEREN.

Im Extremfall kommt als einziger, gemeinsamer Nenner heraus: "Wir gingen zum Evil Overlord. Und nun ist er tot." Und ALLES drumherum hat jeder irgendwie anders in Erinnerung!

Das liegt daran, daß ja NICHT ALLES IM DETAIL wirklich im Spiel ausgebreitet wird. - All das, was sich die einzelnen Spieler durch ihre VORSTELLUNGSKRAFT an Details hinzu-IMAGINIERT haben, ist INDIVIDUELL VERSCHIEDEN.

Da kann man sogar erwarten, daß die einzelnen Wahrnehmungen des Erspielten differieren, denn einen wirklich IDENTISCHEN, bis in ALLE DETAILS IDENTISCHEN gemeinsamen Vorstellungsraum bekommt man nicht hin, solange man mit Menschen spielt. - Wenn ich eine Geschichte abfasse, dann ist zumindest der TEXT für ALLE Leser der identische. Auch hier wird beim Lesen die Vorstellungskraft des Einzelnen die Geschichte, die ICH als Autor in MEINEM Kopf hatte, ganz ANDERS im Kopf des Lesers ankommen lassen.

Warum meinst Du, ist dies beim Rollenspiel anders?

(Reproduzierbarkeit scheint auch ein Faktor zu sein...was Theaterstücke ausscheiden ließe, denn die Interpretation und die genaue Vorführung ändert sich ja auch häufig,wenn nicht gar zufällig.)
Ich sehe das Theaterstück, also die Niederschrift, als Literatur an. - Eine Theater-AUFFÜHRUNG ist eine KÜNSTLERISCHE DARBIETUNG.

Das trifft auch auf Dichterlesungen zu. Ist es NUR volatil, d.h. wird es NICHT niedergeschrieben, dann mag es immer noch ein Gedicht sein, aber es ist KEINE Literatur!

Auch die über Generationen weitergegebenen mündlichen Erzählungen sind ja nur Erzählungen, aber ihnen fehlt das Literarische: Die schriftliche Fixierung, die eine unveränderte Weitergabe ermöglicht.

Jedes "Aufführen" einer Märchenerzählung ist eine DARBIETUNG. Woher der Erzählende den Stoff hat, ist im Moment der Darbietung EGAL. - Er könnte ihn selbst einmal erzählt bekommen haben, oder er könnte ihn gelesen haben, also der Literatur entnommen haben.

Im Rollenspiel wird zwar auch jede Menge niedergeschrieben, aber zu welchem ZWECKE?

Literatur wird es nur, wenn jemand sich hier schriftstellerisch betätigt, d.h. mit BEWUSSTEM WILLEN Literatur schafft.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Minne am 31.03.2010 | 17:06
Woher kommt die Annahme das Literatur muendlich sein kann und keiner schriftlichen Fixierung bedarf?
Aus dem Satzfragment vom deutschen Wikipedia das aus dem Kontext gerissen wurde?

Literatur kommt doch vom lateinischen litteratura = Buchstabenschrift
Das heisst etwas das nur muendlich weiter gegeben wird kann keine Literatur sein.

Egal ob es eine Rollenspiel Sitzung, ein Lied oder ein Maerchen ist.
Es ist etwas naiv, Wortbedeutungen aus irgendwelchen historischen Wurzeln ableiten zu wollen. Dass ein Wort irgendwas bedeutet ist eine Konvention, und Konventionen können sich ändern. Der Literaturbegriff der modernen Literaturwissenschaften ist eben ein weiterer und umfasst nicht nur schriftliche Zeugnisse. Dies ist für uns vielleicht auch deshalb nicht mehr so selbstverständlich, weil in unserer Gesellschaft schriftliche Zeugnisse die orale Tradierung an vielen Stellen abgelöst haben. Aber früher, und in vielen Regionen heute noch, wurden selbst extrem umfangreiche Verserzählungen nur memoriert und rezitiert.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Zornhau am 31.03.2010 | 17:10
Andererseits: Was ist mit Hörbüchern? Sind das "nur" Literaturadaptionen?
Sind sie gekürzt, dann sind es Adaptionen.

IMMER, d.h. egal ob gekürzt oder ungekürzt, sind es DARBIETUNGEN. Als Audio-Datei zwar in reproduzierbarer Form, aber es sind IMMER Interpretationen des jeweiligen Vortragenden. - Wie eine Lesung halt auch.

Das ist eine DARSTELLENDE (eventuell sogar künstlerische) Aktivität. Man trägt den Text, den INHALT der Literatur, vor.

Auch Hörspiele haben ein DREHBUCH. - Solche Hörspieldrehbücher habe ich immer gerne GELESEN - als Literatur. - Hört man das Hörspiel, dann ist es eine AUFFÜHRUNG, eine DARBIETUNG. - KEINE Literatur.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Minne am 31.03.2010 | 17:15
Beitrag entfernt.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 31.03.2010 | 17:16

Auch Hörspiele haben ein DREHBUCH.

Deshalb fragte ich ja auch nach Hörbüchern.

Aber wie gesagt, insgesamt finde ich die Definitionsfrage eigentlich müßig, weil es ja nichts daran ändert, dass ich mich mit Rollenspielsitzungen, Theaterinszenierungen, Filmen und Hörspielen trotzdem ähnlich befassen kann wie mit Literatur, ohne sie dafür unbedingt zu Literatur zu erklären. Schließlich kann auch ein Musikwissenschaftler die Geräuschkulisse in einem Stahlwerk aufnehmen und als quasi-musikalisches Artefakt untersuchen, ohne dass die Maschinen deshalb ein Orchester wären.

EDIT:
@nnhndrtzwlf:
Nanu, wo kommt das denn her?
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Teylen am 31.03.2010 | 17:23
@nnhndrtzwlf
Naiv finde ich den Ansatz sich ueber jegliche Konventionen welche die etablierte Wortbedeutung betreffen hinwegzusetzen und zu unterestellen es bestuende eine neue.
Ich habe keine Quelle finden koennen die ernsthaft behauptet das nicht schriftlich festgehaltenes Literatur ist. Es da der moderenen Literaturwissenschaft zu unterstellen erscheint mir absurd.

Die Grenzen sind da aber fließend - die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einem Stoff setzt ja meistens voraus, dass er irgendwie festgehalten wird, und bis vor gar nicht allzu langer Zeit war das eben nur schriftlich sinnvoll möglich, und schon hat man Literatur ...
Ich sehe nicht wo die Definition fuer Literatur fliessend ist.
Wie geschrieben bezieht sich Literatur auf geschriebenes, wenn man es weit fast, wie es die moderne Literaturwissenschaft macht, auf alles geschriebene unabhaengig vom Inhalt oder der Intention.

Ich sehe nicht in wie weit der Begriff der Literatur auf weitere ausgedehnt geworden waere oder ausgedehnt werden muss. Denn,...

Zitat
Mit Film und allgegenwärtigen Tonaufzeichnungsmöglichkeiten in Handys und sonstwo ändert sich das natürlich.
Nein. Wieso sollte es am Begriff der Literatur, gar natuerlich, etwas aendern?
Es betrifft ihn doch gar nicht denn was dort aufgezeichnet wird zaehlt zum Theater.

Zitat
Wenn jetzt jemand eine Rollenspielsitzung mitschneidet, kannst du dir die natürlich auch unter literaturwissenschaften Gesichtspunkten ansehen, [..]
Ich kann es mir auch unter statistischen Gesichtspunkten ansehen oder es versuchen ueber die Mathematik zu formalisieren oder mit Naturwissenschaftlichen Methoden betrachten. Dennoch ist eine Rollenspielsitzung keine Statistik oder Mathematik oder Naturwissenschaft.

Heisst ich streite nicht ab das man es literaturwissenschaftlich untersuchen kann.
Ich streite ab das es Literatur ist.

Zitat
[..] dann stellt sich die Frage, wo der Unterschied zum Volksmärchen ist, das erzählt und dann irgendwann in verschiedenen Fassungen auch aufgeschrieben wurde.
Die wurden aufgeschrieben.
Waeren sie nicht aufgeschrieben worden, waeren sie keine Literatur.

Urban Myth sind ja auch keine Literatur solange sie nicht schriftlich festgehalten werden/wurden.
Zitat
Wobei ich trotzdem dabei bleiben würde, den Begriff Literatur für das Niedergeschriebene zu verwenden, weil der Begriff sonst so schwammig wird, dass er nicht mehr zu viel taugt.

Einerseits das, anderseits faende ich es bizarr nun im kleinen Kreis Literatur umzudefinieren nur damit Rollenspiele drunter passen. @_@

Zitat
Wenn ich mich in der Literaturwissenschaft mit einem Theaterstück befasse, dann ja meistens auch eher mit dem Text als mit einer Inszenierung (wobei auch da die Inszenierungsuntersuchung eine Option ist ...).
Letzteres waere doch Theaterwissenschaft? Oder gibt es die nicht mehr?

Zitat
Andererseits: Was ist mit Hörbüchern? Sind das "nur" Literaturadaptionen?
Ja.
Wenn du ein Stueck von Shakespeare wortwoertlich wie es niedergeschrieben da steht vorliest ist es das was dort geschieht ja auch Theater bzw. eine Literaturadaption und keine Literatur. Auch wenn du es aufzeichnest. Es sei denn du schreibst es nieder - und dann waere das Schriftstueck Literatur und nicht der Vorgang.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 31.03.2010 | 17:32
@Teylen:

"Schwammig" ist es deshalb, weil alle möglichen unterschiedlichen Formen in der Literaturwissenschaft behandelt werden - natürlich gibt es literaturwissenschaftliche Arbeiten zuhauf, die Inszenierungen und Adaptionen einbeziehen oder sich sogar auf sie konzentrieren. Ich sage gar nicht, dass man deshalb die Definition erweitern muss, habe aber den Eindruck, dass so ein Erweiterungsprozess ohnehin im Gange ist. Das liegt zum Teil schlicht und einfach daran, dass viele Medienübergreifende Themen in der Literaturwissenschaft anbieten, und wenn man ganz eng definiert, müssen LiteraturwissenschaftsstudentInnen jedes Mal durchkämpfen, dass es jetzt nebenher auch noch um Filme, Inszenierungen und Handyklingeltöne gehen darf.

Meiner Erfahrung nach definiert da eh jeder Prof, wie's ihm beliebt. Wenn das Thema gefällt, ist es schon irgendwie Literatur ...
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Funktionalist am 31.03.2010 | 17:36
Für mich ist das Spielen in einer Spielsitzung ein GESAMTERLEBNIS. - Dazu gehört ALLES. Und nichts darf fehlen!
Das hat alles seinen Einfluss, das stimmt.
Wenn man mich allerdigns fragt, was das der Sitzung Ergebnis ist, dann fällt mir nicht als erstes "+3Level" ein, sondern Gespräche zwischen Charakteren, lustige Momente oder dramatische Wendungen oder der Handlungsfaden.
Die Geschichte, also.

Das Schöne ist, ab und an kommt es in meinen Gruppen zu Momenten, in denen einer anfängt eine alte Runde zu rezitieren und alle mit einstimmen.
Da scheint etwas gemeinsames vorhanden zu sein, auch wenn die exakten Aufzeichnungen längst verloren sind. (Mit ihnen wären alle Aussagen wahrs. sehr viel exakter.)

Zitat
Aber genau die gibt es doch NICHT! - Die gäbe es, wenn sich alle Spielenden nach der Sitzung die erspielten Erlebnisse gegenseitig nochmals erzählen
Selbst dann hätte man noch nicht eine vollständig gleiche GEschichte, aus den gleichen GRünden, die Du weiter unten ausführst.

Zitat
Warum meinst Du, ist dies beim Rollenspiel anders?
Das meine ich nicht. Jeder sieht die Geschichte anders. Jeder hat die Brille seines Chars auf und der eine stellt sich die Prinzessin blond vor und für dne anderen hat sie rote Locken. (War sie jetzt glatt blond, oder lockig blond?)
Das ist aber bei einem Märchen auch nicht anders.

Ich sehe halt, dass Sagen als Literatur verstanden werden, obwohl sie im Kern mündliche Überlieferungen sind. Das heißt, sie sind Geschichtskerne, die jedes Mal in neue Formulierungen gegossen werden und Interpretationen der Erzähler beinhalten.
Wenn ich die Geschichte einer Runde wiedergebe, dann unterscheidet sich das aus meiner Sicht nicht vom Erzählen eines mir bekannten Märchens...Ich mache dann die Prinzession vielleicht rotgelockt und halte mich nicht an die Disneyvariante mit dem glattblonden vorpubertären Fraumädchen. ;D

Zitat
Ich sehe das Theaterstück, also die Niederschrift, als Literatur an. - Eine Theater-AUFFÜHRUNG ist eine KÜNSTLERISCHE DARBIETUNG. +Begründung
Ist eine valide Sichtweise.

Ich persönlich habe meine Probleme mit dem Literaturbegriff und weiß auch nciht so recht, was er einem bringt. Ich hätte keine Skrupel den Mitschnitt einer Sitzung mit Literarischen Werkzeugen zu bearbeiten (und wenn ich Wortfelder erstelle und Alliterationen zähle...urgs) auch hätte ich keine Skrupel mit Cineastischen Werkzeugen an die Sache heranzugehen und die Spieler zu fragen, aus welchen Winkeln sie sich die Szenen vorgestellt haben und ob und wie Cutscenes vorkamen, cliffhanger etc...

Zitat
Zweck und Absicht
darüber muss ich nachdenken. Das wäre ein interessanter Aspekt.
Zufällige LIteratur wäre möglich, wenn sie mit Absicht erstellt wird (Notationen von John Cage-"Werken"). Zufälliges Schaffen von Literatur demnach nicht... das nachträgliche Deklarieren als LIteratur mpsste allerdings möglich sein.
Ich denke jetzt hier an Witze, die spontan entstanden, oder unbeabsichtigt (meist peinlich) waren, dann aber weitererzählt werden/angewandt werden.
Sie wären in dem Moment Literatur, in dem sie als solche erkannt werden und nicht erst, nachdem sie ein zweites Mal reproduziert wurden oder notiert wurden...

Denn mit Absicht könnte man eine Rollenspielrunde zum Literaturschaffen verwenden. Wenn zweiteres gilt, könnte man die erspielte Information im Nachhinein, wie den Witz, als Literatur deklarieren...

Das komische ist ja, dass sich an Anwendbarkeit der literarischen Werkzeuge nichts ändert, wenn ich die Geschichte erzähle oder nur im Kopf durchspiele... Diese Bedingung kann also diskriminieren, aber ich halte sie nciht für sinnvoll.

Das thema ist so unsicher, da 1. der LIteraturbegriff so schwammig ist, selbst, mit der Definition im OP, 2. Das Ergebnis einer Runde als Begriff nicht klar ist und 3. jeder eine andere INtuition hat UND 4. es nciht klar ist, was der Begriff Literatur hier eigentlich bezwecken soll ...
davon bekommt man ja Kopfschmerzen.

Ich gehe mal davon aus, dass man eine Rechtfertigung sucht, mit den literarischen Werkzeugen an Rollenspiele heranzugehen und die Erkenntnisse lustbringend nutzen zu können.

Ich göaube, dass man diese Werkzeuge auf Rollenspiele ausrichten und sinnvoll einsetzen kann. Ich glaube auch, dass man sich hier an der Cineastik, der LIteratur im engeren Sinne und auch bei der Theaterkritik, sowie bei den Wirtschaftswissenschaften und der Motivationforschung bedienen kann, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
Der Grund sind die Ähnlichkeiten in den Strukturen.
Über die Gewichtung und Aussagekraft der Erkenntnisse, die man mit den Werkzeugen erhält lässt sich mMn nicht pauschal klären, indem man das RSP der Literatur zuordnet. Das funktioniert ja schon in selbiger nur von Fall zu Fall.

sers,
Alex

Edit:
Achamanian triffts kürzer.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Zornhau am 31.03.2010 | 17:39
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Was legst Du mir da für einen SCHEISS in ein MIR zugeschriebenes Zitat?

LASS DAS! - Der beste Weg: LÖSCHE zumindest jeglichen Verweis, der MICH fälschlicherweise als Autor des von DIR schmählich mir untergeschobenen Textes darstellt.

Möchtest Du diesen Thread hier WIRKLICH eskalieren lassen? - Warum? - Bisher ging es doch hier nur um die Sache, und jetzt fängst Du mit PERSÖNLICHEN PROVOKATIONEN an?
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Funktionalist am 31.03.2010 | 17:41
@Zornhau

das sollte Dich, glaube ich, mit dem hier bekanntesten Literaturkritiker vergleichen.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

"Sechzig Seiten geläsen und kein SEX. Ich habe das Buch weggeschleudert. Es hat mich gelangweilt!" ;D

Edit:
@DK: Schmähung bleibt Schmähung, auch wenn sie "lustig" gemeint ist. Ich kann den ZH da schon verstehn.
joa...ich würde auch auf eine Umformatierung bestehen.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 31.03.2010 | 17:44
Ich hab Minneyars Beitrag gemeldet, und ich hoffe, dass die Redaktion das ernstnimmt.

@DK: Schmähung bleibt Schmähung, auch wenn sie "lustig" gemeint ist. Ich kann den ZH da schon verstehn.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 31.03.2010 | 17:45
@Zornhau:
Okay, das hab ich mir gedacht ... wo es hier doch derzeit angenehm zivilisiert zugeht!
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Humpty Dumpty am 31.03.2010 | 17:53
Meine Güte, da kochen die Emotionen ja mal wieder ganz schön hoch.

5 Cent am Rande: Das hier ist nach meinem Eindruck der 800. Aufguss des Kampfes um Deutungshoheit. Literatur ist eine Kunstform. Insofern müsste, wer das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur zu nennen akzeptiert, auch mit einer Spielart von Rollenspiel leben, die sich in Begriffen der Kunst verstanden sehen möchte.

Das mag insbesondere dann absurd wirken, wenn sich die wesentlichen Ergebnisse eines Spieleabends in ausgesprochen crunchigen Begrifflichkeiten fassen lassen. Das mag andererseits aber dann angemessen sein, wenn das Element spielerischer Unterhaltung gegenüber einem kreativen Schaffensprozess zurücktritt. Dabei ist wohlgemerkt nichts über die Qualität des Ergebnisses jenes Prozesses ausgesagt. Ich vermute sogar, dass in den meisten Fällen, so man denn ästhetische Bewertungskriterien unbedingt anlegen möchte, furchtbarer Schrott resultiert. Dennoch halte ich ein wie auch immer tradiertes Ergebnis einer langen Session Polaris durchaus für Literatur. Warum auch nicht?

Wenn man einmal klar kommuniziert hat, dass die Auffassung, Rollenspiel in bestimmten Spielarten sei eine Kunstform, in keinerlei Weise eine Herabsetzung der alternativen Spielarten beinhaltet (denn sonst würde es in der Tat unsinnig), kann ich den ebenso vehementen wie aggressiven Widerstand gegen den Literatur- bzw. Kunstbegriff in Bezug auf den Prozess oder das Ergebnis von Rollenspielen nicht nachvollziehen.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Heretic am 31.03.2010 | 17:56
Rollenspiel ist keine Kunstform, Rollenspiel dient vorrangig der Unterhaltung, das sagt bereits das Wort "Game" im Originalbegriff aus.
Nimmt man das "Game" raus, dann hat man Role Playing, aber kein RPG mehr.

Alle Elemente müssen befriedigt werden und in Einklang gebracht. Wie bei den 5 Ringen.... xD
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Humpty Dumpty am 31.03.2010 | 17:57
Rollenspiel ist keine Kunstform, Rollenspiel dient vorrangig der Unterhaltung, das sagt bereits das Wort "Game" im Originalbegriff aus.
Nimmt man das "Game" raus, dann hat man Role Playing, aber kein RPG mehr.

Alle Elemente müssen befriedigt werden und in Einklang gebracht. Wie bei den 5 Ringen.... xD
Vielen Dank für die Diskussion. Du hast recht. Ciao.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Funktionalist am 31.03.2010 | 18:00
@Heretic
Wie hängen denn Unterhalung und Kunst zusammen, dass sie sich hier ausschließen?
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Minne am 31.03.2010 | 18:02
Zitat
Naiv finde ich den Ansatz sich ueber jegliche Konventionen welche die etablierte Wortbedeutung betreffen hinwegzusetzen und zu unterestellen es bestuende eine neue.
Ich habe keine Quelle finden koennen die ernsthaft behauptet das nicht schriftlich festgehaltenes Literatur ist. Es da der moderenen Literaturwissenschaft zu unterstellen erscheint mir absurd.
Wenn man die Konventionen nicht kennt, sollte man sich nicht so sehr aufs hohe Ross setzen und anderen unterstellen sich willkürlich über die Konventionen hinweg zu setzen. Du willst eine Quelle? Bitteschön: Der Literaturbegriff wird in "Einladung zur Literaturwissenschaft" von Jochen Vogt (Willhelm-Fink-Verlag 1999) im 8. Kapitel diskutiert. Da wird ein Literaturbegriff, der mündliche Dichtung ausschließt als zu eng verworfen.

Zitat
Möchtest Du diesen Thread hier WIRKLICH eskalieren lassen? - Warum? - Bisher ging es doch hier nur um die Sache, und jetzt fängst Du mit PERSÖNLICHEN PROVOKATIONEN an?

Hm, ich hätte ja gedacht, dass der Abschnitt für meisten sofort als ein (literarischer ;) ) Scherz erkennbar sein müsste. Aber wenn du dich so darüber ärgerst, dann lösche ich ihn halt *schulterzuck* Worauf ich hinaus wollte, ist dass mir deine Argumentation (Verkürzt: Literatur ist, wenn man bewusst Literatur schafft) an den Ausspruch des Hauptmanns im Woyzeck erinnert. "Moral ist, wenn man moralisch ist"
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Teylen am 31.03.2010 | 18:06
@Zornhau

das sollte Dich, glaube ich, mit dem hier bekanntesten Literaturkritiker vergleichen.
Nein, er hat ein Zitat aus Woyzeck von Buechner verfremdet:
HAUPTMANN: Ha! ha! ha! Süd-Nord! Ha! Ha! Ha! O Er ist dumm, ganz abscheulich dumm. <Gerührt> Woyzeck, Er ist ein guter Mensch, ein guter Mensch – aber <Mit Würde> Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral das ist wenn man moralisch ist, versteht Er. Es ist ein gutes Wort. Er hat ein Kind, ohne den Segen der Kirche, wie unser hochehrwürdiger Herr Garnisonsprediger sagt, ohne den Segen der Kirche, es ist nicht von mir.
WOYZECK. Herr Hauptmann, der liebe Gott wird den armen Wurm nicht drum ansehn, ob das Amen drüber gesagt ist, eh' er gemacht wurde. Der Herr sprach: Lasset die Kindlein zu mir kommen.

http://www.zeno.org/Literatur/M/B%C3%BCchner,+Georg/Dramen/Woyzeck/Vorl%C3%A4ufige+Reinschrift+(H4)/%5BH4,+Szene+5%5D

Ich finde es passt nicht bzw. geht nicht als literarischer Scherz durch.
Ist ja auch nicht witzig wenn man wem sagt wo er einen alles lecken kann, auch wenn man sich damit auf Goethe bezieht.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: korknadel am 31.03.2010 | 18:07
Literatur ist nicht automatisch eine Kunstform, wirklich, wirklich, tatsächlich nicht.

Wenn man so an die Frage rangeht, kommt man zwangsläufig nicht weit. Schließlich ist auch die Mehrheit der in der Welt produzierten Texte keine Kunst.

Dummerweise habe ich nun seinerzeit, lang ist's her, Mediävistik studiert, und da hat man mündliche Stoffe immer als Literatur behandelt. In diesem Sinne biin ich bei meinen Ausführungen zum Rollenspiel auch vorgegangen.

Es kann natürlich auch gut sein, dass die hier versammelte Tanelorn-Gemeinde es besser weiß als die ollen Profs von damals, zumal die sich nicht so lange mit derlei Definitionen aufgehalten haben. Ich will auch mal den NDLer sehen, der behaupten würde, es im Theater nicht mit Literatur zu tun zu haben. Genauso im Film. Da werden doch überall Texte geschaffen, eben oft auch welche, die mit mehr Zeichensystemen als nur der Schrift/Sprache arbeiten. Und freilich kann man da auch von anderen Disziplinen her rangehen. Und ich bleibe für mich dabei: Die Organisation der diversen beteiligten Zeichensysteme ist beim Rollenspiel meist derart, dass man durchaus von einer Art von Literaturhaftigkeit sprechen kann.

Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Funktionalist am 31.03.2010 | 18:08
@Teylen
Man lernt nie aus. ;)
Danke.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Humpty Dumpty am 31.03.2010 | 18:11
Erster Satz aus Wikipedia:

"Literatur ist im weitesten Sinn der Bereich mündlich (etwa durch Versformen und Rhythmus) oder schriftlich fixierter sprachlicher Zeugnisse. In einem engeren Sinne wird unter Literatur der Bereich von Texten verstanden, die Gegenstand der Kunstdiskussion werden."

korknadel: weitester Sinn. TAFKAPPE: engerer Sinn.

EDIT: Ansonsten stimme ich Dir übrigens vollkommen zu. Das soll nicht unerwähnt bleiben. Aber das war vermutlich ohnehin klar.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Teylen am 31.03.2010 | 18:19
Erster Satz aus Wikipedia (englisch):
Literature is the art of written works. Literally translated, the word means "acquaintance with letters" (from Latin littera letter), and therefore the academic study of literature is known as Letters (as in the phrase "Arts and Letters"). In Western culture the most basic written literary types include fiction and nonfiction.

^^;

Wobei die niederlaendische Fassung es wieder wie die deutsche erklaert.
"Het woord literatuur (ook wel litteratuur of (de) letteren) heeft verschillende, dicht bij elkaar liggende betekenissen. In de ruimste zin is literatuur de verzameling van alle teksten, zowel geschreven als in mondelinge vorm."


Wobei das Hauptmotiv hinter der Auslegung zu sein scheint das wie Achmanian schrieb die Literaturwissenschaftler gerne auch Theater Stuecke literarisch Analysieren wollen, das aber wohl nicht geht wenn sie es Theater nennen muessen. (Was halten die Theaterwissenschaftler eigentlich von solchen wildern in ihren Gehegen?)


Ein Grund wieso Rollenspiel dennoch keine Literatur ist, waere das es sich dabei um Kommunikation bzw. den Dialog mehrere Menschen handelt. Waere das Literatur wuerde es kein Theater mehr geben da dieses ebenfalls Literatur waere.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Humpty Dumpty am 31.03.2010 | 18:28
Na, dann geben mir meinetwegen auch die Amis recht. In Gottes Namen. Ich fand korknadels Einwurf eigentlich trotzdem nicht falsch, aber für die Diskussion eben nicht zielführend. Noch kurz zu Deinem Argument, Teylen:

Ein Grund wieso Rollenspiel dennoch keine Literatur ist, waere das es sich dabei um Kommunikation bzw. den Dialog mehrere Menschen handelt. Waere das Literatur wuerde es kein Theater mehr geben da dieses ebenfalls Literatur waere.
Da besteht meiner Meinung nach bei Dir ein Denkfehler. Niemand und insbesondere nicht ich hat Kommunikation als Literatur bezeichnet. Wohl aber das tradierte (und meinetwegen dramaturgisch aufbereitete) Ergebnis von Kommunikation. Und wenn man das dann wieder aufführt, hat man Theater, aber keine Literatur. So zumindest ergäbe das für mich Sinn. Ich will mich aber ehrlich gesagt nicht so sehr in Definitionskriegen verzetteln, denn der gesunde Menschenverstand nötigt mir als Antwort auf die Ausgangsfrage des Threads ein vollkommen eindeutiges Ergebnis auf, dessen Leugnung ich mir eigentlich nur mit politischer Motivation im Kampf um Deutungshoheiten erklären kann. Siehe oben.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Minne am 31.03.2010 | 18:30
Teylen, in dem Fall ist glaube ich nicht nur der Wunsch die Mutter des Gedankens, sondern es hat, wenn ich mich richtig erinnere auch was mit dem "linguistic turn (http://de.wikipedia.org/wiki/Linguistische_Wende)" und der modernen Semiotik, zu tun, die beide zu einem weiteren Verständnis davon geführt haben, was ein Text (und damit auch Literatur) sein kann.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder) am 31.03.2010 | 19:04
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

EDIT/ Das nur zur Klarstellung meiner Position, die ja als Ausgangspunkt zu dienen schien, aber wohl mißverstanden wurde. Ansonsten bitte weitermachen und gar nicht stören lassen.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: WeepingElf am 31.03.2010 | 20:42
Oh hä, hier schlagen die Wellen ja hoch.

Bevor man die Frage beantworten kann, ob die Ergebnisse von Rollenspielsitzungen nun Literatur sind, ist zunächst zu klären, was denn unter "Ergebnissen" zu verstehen ist. 

Zweifellos passiert in einer Rollenspielsitzung so einiges, da werden Werte auf Charakterzetteln verändert, Figuren auf einer Battlemap hin und her geschoben, es entspinnen sich Dialoge, etc.  Zweifellos sind Werte auf Charakterzetteln oder Figurenbewegungen auf der Battlemap keine Literatur, ich denke, da sind wir uns einig.  ABER...

Das wichtigste Ergebnis einer Rollenspielrunde lässt sich nur ansatzweise in solchen Dingen festhalten - die Spieler erleben eine Geschichte, und dieses Erlebnis nehmen sie in Form von Erinnerungen im Kopf mit nach Hause, und das ist zu einem wesentlichen Teil der Grund, warum man überhaupt ein Rollenspiel spielt.  Das ist, denke ich, auch noch keine Literatur, es fehlt die sprachliche Fixierung.  Aber man kann, wenn man sich gut erinnert oder besser noch während des Spiels Notizen macht, die Geschichte, die sich in der Spielwelt ereignet, aufschreiben - und spätestens dann ist sie Literatur.  Ob sie gute oder schlechte Literatur ist, steht auf einem anderen Blatt - aber Literatur ist eine solche Niederschrift allemal.

Insofern kann das Ergebnis der Rollenspielsitzung durchaus Literatur sein.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: wjassula am 3.04.2010 | 20:00
Liteartur ist, was an Universitäten als Literatur gehandelt wird (ist also so ähnlich wie bei "Kultur" oder "Gesellschaft"). Materialästhetische Merkmale gibt es dabei nicht, das ist ein reiner Handhabungsbegriff. Okay, es gibt irgendwo eine diffuse Grenze: Ein Schraubenschlüssel ist wohl keine Literatur. Obwohl, wenn er in einer Installation auftaucht, die ein Zeichensystem aus Handwerkszeug bildet, dann vielleicht doch. Insofern, wenn sich eine kritische Masse an genügend einflussreichen WissenschaftlerInnen findet, könnten auch Rollenspielsitzungen (zeitweise oder dauerhaft) unter den Literaturbegriff fallen; im Moment tun sie es so weit ich weiß nicht. Mehr kann man dazu wohl nicht sagen.

Zum breiteren Themenkreis: Zu meiner Zeit wurden in der amerikanischen Literaturwissenschaft Bücher, Fernsehserien, Kinofilme, Fotos, oral history, Kochrezepte, Alltagsgespräche, Hinweisschilder, Gestik und Mimik und Geschlechtsteile behandelt. Okay, das meiste waren alte Bücher von alten Männern, gefolgt von neuen Büchern von jungen Frauen. Aber dann kam gleich das ganze andere Zeug ;). Um mal ein weniger entlegenes Beispiel zu nehmen: Lange Zeit galten Briefe und Tagebücher auch nicht als Literatur, und im Zuge der feminstischen Literaturwissenschaft hat man sie dazu erklärt, woran eine politische Kritik am Literaturbegriff geknüpft war, der vorher eine Menge weibliches Schreiben einfach nicht betrachtet hatte. Insofern ist das, was man für Literatur hält/halten darf, auch immer ein Kampf um die Deutungshoheit und eine Abgrenzungsbewegung. Wo diese Grenze aktuell verläuft, hat eher etwas mit politischen als mit materialästhetischen Fragen zu tun - woran man schön sieht, dass Literaturwissenschaft halt eine Geisteswissenschaft ist, wo es ja letztendlich immer um Politik geht.

Wie auch immer man den Begriff aber gerade auslegt: wohin soll die Frage denn führen? Es ist ja eigentlich herzlich egal, ob Rollenspiele oder Rollenspielsitzungen "Literatur" sind. Ganz egal, ob man die Frage nun mit ja oder nein beantwortet, man weiß hinterher trotzdem nicht mehr. Viel wichtiger ist doch, ob etwas interessant ist und warum. Welches Etikett man draufklebt, kann man ja hinterher überlegen bzw. wenn es ans Beantragen der Forschungsgelder geht, was ja traditionell der Grund für die allermeisten Definitionen ist.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: korknadel am 9.04.2010 | 08:07
Jaja, also erst mal dem Jasper: Egal, wozu es gut sein soll, ging es mir doch um den Punkt, dass man Theater, Einkaufszettel, Witze etc. nicht einfach aus der Literatur ausklammern kann, nur weil Leute "finden", Literatur sei etwas in drei schönen Hardcoverbänden, wo J.R.R. Tolkien draufsteht. Sondern dass Literatur Zeichensysteme sind, die mit den Hilfsmitteln der Literaturwissenschaft betrachtet werden können.

Und die Frage, ob sich das "Ergebnis" einer Rollenspielseitzung neben einem Roman von Salvatore sehen lassen kann oder nicht, ist natürlich kaum zu beantworten und je nach Geschmack auch müßig.

Was mich dabei aber tatsächlich fasziniert, ist ein anderer Punkt, der mit der Threadfrage zwar sehr wohl zu tun hat, ansonsten aber vielleicht niemanden hier interessiert: Dass wir beim Rollenspiel eine ganz eigene Redeform haben, die von sehr vielen Elementen in unterschiedlicher Gewichtung durchorganisiert wird. Schon allein das Vokabular (wo sonst wird der Begriff "Patzer" noch mit einer ähnlichen Selbstverständlichkeit gebraucht?) ist besonders, wobei man das natürlich auch beim Juristenstammtisch oder in der Theatergarderobe hat. Doch im Gegensatz zu den meisten anderen Arten des Gesprächs hat das Rollenspiel eine ganz eigene Dynamik und Regelhaftigkeit entwickelt. So wie ein Witz einen bestimmten sprachlichen Gestus und Rhythmus hat, so hat auch die Rollenspielsitzung ihren eigenen Modus, wird rhythmisiert durch den recht lockeren Wechsel aus ingame- und outgame- Kommentaren, aus Erzählpassagen, technischen Passagen (wenn's um Regeln geht), Nachfragen, fiktiven Dialogen und Nebenbeikommentaren oder Witzen. Gibt es überhaupt eine andere Art des mündlichen Erzählens, in der so penetrant das Präsens und die zweite Person genutzt wird?

Dazu kommt, dass die Inhalte fast ausschließlich von literarischen Topoi gespeißt sind.

Insofern weist eine Rollenspielsitzung doch eine ähnliche Reghelhaftigkeit auf wie der Witz, das Märchen, die urban legend oder andere orale Literaturgattungen. Auf jeden Fall ist es eine künstliche Redeform (bitte, bitte nicht verwechseln mit kunstvoll oder künstlerisch!!!). Und damit will ich hier eigentlich nur noch mal sagen, dass mich dieser Umstand total fasziniert, dass ich ihn sehr wohl beachtenswert finde, auch wenn es keine Forschungsgelder dafür gibt, dass ich mir ansonsten aber durchaus bewusst bin, dass darauf wahrscheinlich keiner hier hinaus wollte und dass ich es auch hätte sein lassen können. Und das mit dem Sein-lassen-können trifft ja auf viele Dinge im Leben zu ....
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Callisto am 9.04.2010 | 08:25
Wenn du Theater und Kunst auch als Literatur bezeichnest weichst du nur den literarischen Begriff auf. Wieso nicht gleich alles  als Kunst äh— entschuldigung - Literatur bezeichnen? Wozu überhaupt Kategorien bilden, wenn sie nachher für alles gelten sollen? Wozu gibt es einen Begriff, wenn der immer mehr aufgeweicht wird? Wieso sind Einkaufszettel Literatur? Bin ich jetzt Literat weil ich Einkaufszettel schreibe?

Diese Begriffsaufweichung ist echt  ::)

Das hätte man echt sein lassen können.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: korknadel am 9.04.2010 | 09:01
Sorry, Callisto, aber du kommst immer noch mit dem Begriff "Kunst", und der hat mit dem Begriff "Literatur" erst mal gar nix zu tun. Und es gibt einen wirklich toll zu lesenden Essay über Goethe von Beutler, der tatsächlich einen Einkaufszettel von Goethes Frau zum Ausgang nimmt. Es gibt literaturwissenschaftliche Untersuchungen zu dem schrottigsten Zeug, das jemals zu Papier gebracht wurde, und da ist von Kunst weit und breit keine Spur. Denn im Unterschied zum Literaturkritiker geht es dem Literaturwissenschaftler ja nicht um die Qualität von Literatur im Sinne ihrer "Güte" oder "Kunstwertigkeit", sondern im Sinne von Eigenschaften, die sich ganz nüchtern und nicht wertend beschreiben lassen.

Und bitte schau dir an, wieviele Literaturpreise jährlich ausgeschrieben werden für Theaterstücke, schau dir die Lehrpläne der Schulen an -- ist Shakespeare etwa kein Literat, nur weil er außer ein paar Sonettchen bloß Theater gemacht hat? Nachdem sich Literatur seit vier- bis fünfhundert Jahren zu einem Großteil mit Theater beschäftigt hat, nachdem sie in der Goethe-Zeit aus fast nichts anderem bestanden hat (lies einmal Anton Reiser oder Wilhelm Meister), finde ich es ziemlich abstrus, nun zu "finden", dass Theater keine Literatur sei. Bei der Performanz spielen die bildende Kunst und die darstellende Kunst freilich auch eine Rolle, genauso wie der Verwaltungsapparat und die Garderobiere, aber wenn das nicht Literatur ist, was da performt wird, dann weiß ich auch nicht.

Sind denn Songtexte deiner Meinung nach auch keine Literatur, nur weil sie performt werden?
Oder Reden, Vorlesungen oder Predigten?

Verwundert bin ich doch sehr, dass die "Aufweichung" eines Begriffs hier so streng geahndet wird. Ich "finde" nun ausnahmsweise auch mal, und zwar, dass man das auch hätte lassen können  ;)
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Callisto am 9.04.2010 | 09:08
Ich liebe Shakespeare und lese seine Stücke gern. Dann ist es auch Literatur. Aber wenn ich mir eine Aufführung seiner Stücke ansehe, geniesse ich möglicherweise immer noch seine Sprache, aber ich schau mir Theater und nicht Literatur an.
Kann durchaus sein, dass ich im Moment etwas empfindlich bin, weil ständig irgendjemand irgendeinen Begriff nimmt und sagt "aber ich verwende diesen Begriff so, weil" Heiligsblechle, auf einmal steht plotorientiert für Railroading(ohne negative Aspekte) und Aggressive Sceneframing bedeutet eigentlich Railroading!evil und plötzlich kann ich plotorientiert nicht mehr im neutralen Licht sehen, weil jemand meint, den Begriff als Euphemismus für Railroading verwenden zu müssen. Und die Diskussion ob Rollenspiel Kunst ist, hatten wir erst neulich. Man. Ich glaub ich halt mich in Zukunft aus diesen doofen Diskussionen raus. Und lese auch nicht mehr mit. Muss wohl noch mein Brain einstellen auf "ignore stupid definition-discussions"
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: ErikErikson am 9.04.2010 | 09:32
Es gibt nen engen und weiten Literaturbegriff, zumindest nach Wikipedia. Der eine umfasst Wertung, also Kunst.

Die Begriffsdiskussionen sind IMHO immer schwachsinnig, sorry an die Leute, die sie ernstnehmen, aber so ist es.
Weder kommt was praktisch relevantes raus, noch ist es sonderlich unterhaltsam.
Genauso die Diskussion, ob man Angst im Rollenspiel will. Das einzige was da rauskommt ist, das sich die Leute gegenseitig ihre Definitionen von Angst erklären. Schön ist nur, das dies irgendwie viel netter abläuft als früher.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Merlin Emrys am 9.04.2010 | 09:38
@ Korknadel: Ich finde Deine Überlegungen nachvollziehbar und interessant.

Das einzige, was mir da (wie ErikErikson ja, während ich hier vor mich hin getextet habe, auch schon geschrieben hat) aus meiner Laiensprache abhanden kommt, ist ein Begriff für "Literatur im engen Sinne", d.h. das, was normalerweise zwischen zwei Buch(!)deckeln zu finden ist, aber nicht zwischen dem Deck- und dem Abschlußblatt von Telefon- oder Kursbüchern, Liederbüchern, Vorlesungsskripten und texthaltigen Kinderbüchern. Hast Du da einen, oder entfällt diese laienhafte Kategorisierung einfach?

@ ErikErikson: Lies mal, falls Du nicht eh mitliest, in der Diskussion zur Angst die Beiträge ab dem vorletzten auf der dritten Seite (http://tanelorn.net/index.php/topic,54291.msg1085078.html#msg1085078). Ach ja, und unbedingt diesen (http://tanelorn.net/index.php/topic,54291.msg1084960.html#msg1084960) ;-) .
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: korknadel am 9.04.2010 | 10:15
@Merlin Emrys: Für die Überlegungen und Punkte, die ich ich hier überflüssigerweise als interessant und faszinierend genannt habe, entfällt ein "laienhafter" Literaturbegriff selbstverständlich. Ich gebe zu, dass ich das netterweise hätte deutlicher klarstellen sollen, um nicht den Schlamm, der durch die mir vorgeworfene Begriffsaufweichung entsteht, auch noch unnötig aufzuwirbeln.

Wenn wir den Begriff Literatur als Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung sehen, dann haben wir das weite Feld fast aller sprachlichen Äußerungen, teilweise auch in Kombination mit anderen Zeichensystemen (siehe Jaspers Beitrag) vor uns.

Daneben gibt es freilich auch den Begriff Literatur, wie er auch in dem Kompositum "Literaturbetrieb" gemeint ist. Da geht es natürlich nur um Schriftstellerisches (aber auch um Theaterstücke, hier jedoch tatsächlich die Betonung auf "-stücke"). Da ist man aber mit dem Laien-ABC des Begriffs schon am Ende. Denn was fördert der Literaturbetrieb nicht alles zu Tage? Wie viele Vorlesungen sind nicht in Buchform veröffentlicht und weitaus "literarischer" als "Die Drachenklinge der Zauberschatten Band 61". Ist nicht manches Kursbuch gehaltvoller als der siebte Ich-ficke-einen-breitschultrigen-Vampir-Sabber-Roman von links? Natürlich zählen zum Literaturbetrieb auch Lieder- und Kinderbücher. Dann die abermillionen Sach- und Kochbücher. Und die lassen sich auch selbst dann nicht kategorisch ausklammern, wenn man zusätzlich zum "Laien"-Literaturbegriff noch einen Kunstbegriff ansetzt, denn wie wir wissen, gibt es Kochbücher, die einen weitaus größeren künstlerischen Gehalt haben als die Ergüsse so manchen Vorstadtlyrikers. Und ich würde ungefähr achtzig Prozent der mir bekannten Fantasy-Literatur stehen lassen gegen Runcimans "Geschichte der Kreuzzüge" oder Norwichs "History of Venice", weil die auch schriftstellerisch viel besser sind als ... na ja, ich will jetzt keine Namen nennen.

Vor einem knappen Monat war ja wieder die Leipziger Buchmesse, wo es ja um "Literatur" geht, und ja, freilich um "Literatur" im engeren Sinne, nämlich um solche, die von Autoren verfasst und in Buchform veröffentlicht wird. Ein Besuch dort ist so heilsam wie ernüchternd, denn wahrlich ich sage euch, bei mindestens siebzig Prozent der dort vorgestellten Literatur könnt ihr getrost ein Telefonbuch daneben stellen, es dürfte künstlerisch kein Unterschied zu merken sein. Von daher tue ich mir sehr schwer mit einer engeren Kategorisierung des "laienhaften" Literaturbegriffs. Entweder man sagt, Literatur sind alle meine Lieblingsbücher plus die Klassiker, die man halt lesen muss. Oder man sagt, scheiß drauf, bevor ich noch so einen vorhersehbaren Schmacht-Vampir-Quark lese, gib mir lieber die gesammelten Einkaufszettel von Goethes Mammi.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Teylen am 9.04.2010 | 11:05
<Kleiner OT Ein Wurf>
[..], weil ständig irgendjemand irgendeinen Begriff nimmt und sagt "aber ich verwende diesen Begriff so, weil" Heiligsblechle, auf einmal steht plotorientiert für Railroading(ohne negative Aspekte)[..]
Allez,
ich benutze plotorientiert gerade weil ich Railroading von der Begriffsbedeutung her nicht zu etwas ohne negativen Aspekt verschwammerln will @_@
</Kleiner OT Ein Wurf>
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Minne am 9.04.2010 | 11:46
@ Callisto
Hey Callisto. Ich kann verstehen, dass dich die ständige Begriffsverwirrung und Verschiebung im Rollenspielbereich nervt. Aber so wie ich das hier sehe, ist das hier überhaupt nicht der Fall. Hier verläuft es doch eher so, dass Personen, die vermutlich zu einem großen Teil irgend eine Kulturwissenschaft studiert haben, ihren (weiteren) akademischen Begriff von Literatur, der vielleicht mal etwas weiter und mal enger gefasst ist, aber sich in der Regel doch dadurch, dass er weder wertend noch an irgend ein Medium gebunden ist, von dem Umgangssprachlichen Gebrauch unterscheidet, erklären oder einfach voraussetzen. Anders als die Rollenspielbegriffe, die immer wieder durch den Raum fliegen, ist dieser Literaturbegriff aber nicht einfach mal nach Gusto ad hoc ausgedacht sondern gehört mit zu dem, was man eben gerade an der Uni lernt. Verschiedene Leute hier im Thread wollen unter Literatur teilweise gerne was anderes verstanden wissen, und das können sie ja auch gerne tun, aber im Bezug auf diesen Thread find ich das etwas destruktiv immer wieder damit an zu kommen, denn mit dem engeren Literaturbegriff ließe sich das Thema wohl nur abhaken und schließen, außerdem hat Bad Horse schon im Eingang klar gemacht, dass sie das Thema unter dem weiteren Literaturbegriff betrachtet haben möchte.

Zitat
Was mich dabei aber tatsächlich fasziniert, ist ein anderer Punkt, der mit der Threadfrage zwar sehr wohl zu tun hat, ansonsten aber vielleicht niemanden hier interessiert: Dass wir beim Rollenspiel eine ganz eigene Redeform haben, die von sehr vielen Elementen in unterschiedlicher Gewichtung durchorganisiert wird. Schon allein das Vokabular (wo sonst wird der Begriff "Patzer" noch mit einer ähnlichen Selbstverständlichkeit gebraucht?) ist besonders, wobei man das natürlich auch beim Juristenstammtisch oder in der Theatergarderobe hat. Doch im Gegensatz zu den meisten anderen Arten des Gesprächs hat das Rollenspiel eine ganz eigene Dynamik und Regelhaftigkeit entwickelt. So wie ein Witz einen bestimmten sprachlichen Gestus und Rhythmus hat, so hat auch die Rollenspielsitzung ihren eigenen Modus, wird rhythmisiert durch den recht lockeren Wechsel aus ingame- und outgame- Kommentaren, aus Erzählpassagen, technischen Passagen (wenn's um Regeln geht), Nachfragen, fiktiven Dialogen und Nebenbeikommentaren oder Witzen. Gibt es überhaupt eine andere Art des mündlichen Erzählens, in der so penetrant das Präsens und die zweite Person genutzt wird?

Das wäre wohl eine Möglichkeit um Jaspers Frage nach dem "wozu" zu beantworten. :d Ich finde die Fragestellungen sehr interessant. Was imho auch interessant wäre, ist den "Wahrheitsstatus" unterschiedlicher Sätze im Spiel nachzuvollziehen. Damit meine ich, dass Sätze (Handlungen oder Sachverhalte) im Rollenspiel häufiger revidiert werden, sich zeitweise in der Schwebe befinden, gezielt ignoriert oder dann wieder hervorgehoben werden. Und zwar von allen SpielteilnehmerInnen.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Merlin Emrys am 9.04.2010 | 12:42
@ korknadel: Danke für die Erklärungen. Was mich jetzt interessiert hätte, wäre:
Entweder man sagt, Literatur sind alle meine Lieblingsbücher plus die Klassiker, die man halt lesen muss.  
Hat die Fachsprache dafür einen treffenden Begriff, den man benutzen kann, wenn man z.B. einem Literaturfachmann sagen möchte, daß man im Moment gerade darüber reden will?

@ nnhndrtzwlf
Das wäre wohl eine Möglichkeit um Jaspers Frage nach dem "wozu" zu beantworten. :d Ich finde die Fragestellungen sehr interessant.
Wenn sich noch ein paar andere finden, könnte man ein eigenes Thema dazu aufmachen.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Funktionalist am 9.04.2010 | 12:47
@912

sehr interessant!
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: korknadel am 9.04.2010 | 13:01
@Merlin Emrys: Man könnte vielleicht eingrenzen mit Begriffen wie Belletristik, Lyrik, schöngeistiger Literatur, Romane, erzählende Prosa/Literatur. Aber sehr wahrscheinlich käme man nicht drumrum, das mühsam zu umschreiben. In den allermeisten Diskursen ist das ja nicht nötig, da man mit Literatur ja meistens einfach das meint, was in den Feuilletons und auf dem Buchmarkt abgeht. In diesem Thread wurde eben sehr viel durcheinander geschmissen wegen der seltsamen Wiki-Def.

@nnhndrtzwlf: Meinst du, dass Aussagen in der Rollenspielsitzung einen anderen Stellenwert haben als in anderen Erzählformen? Oder meinst du einfach nur die Tatsache, dass die Rede im Rollenspiel viel mehr Nachfragen über Details beinhaltet als zum Beispiel beim Witz oder der Anektdote. "Was sagtes du, der Oger ist grün? Also ist er ein Weibchen? Wie groß ist der denn genau und was hat er für eine Waffe?  Ich nehme an, er ist fünf Schritt von mir entfernt, sodass ich seinen Mundgeruch riechen kann, oder?"
Ich wittere bei deinem Gedanken etwas sehr Interessantes, bin mit aber nicht sicher, was genau oder welchen Komplex du da meinst.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Yvo am 9.04.2010 | 13:19
Wenn das Ergebnis von Rollenspielsitzungen nicht fixiert ist, d. h. nicht aufgeschrieben wird (denn ich glaube kaum, dass jemand seine Rollenspielsitzungen in Reimen und Versen spielt und sich das ganze dann komplett auswendig merkt), ist es keine Literatur.

Wenn es aufgeschrieben wird, ist das Aufgeschriebene natürlich Literatur im weiteren Sinne. Wenn man das Aufgeschriebene dann veröffentlicht und diskutiert (z. B. hier im Forum im "Diary of Sessions") ist es sogar Literatur im engeren Sinne.

Punkt.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 9.04.2010 | 13:38

Kann durchaus sein, dass ich im Moment etwas empfindlich bin, weil ständig irgendjemand irgendeinen Begriff nimmt und sagt "aber ich verwende diesen Begriff so, weil"

Ich verstehe diesen Ärger ja auch, nur muss ich sagen, dass ich viel mehr den Eindruck habe, dass das Problem da auf der Seite derejnigen liegt, die absolut nichts außer dem Geschriebenen als Literatur gelten lassen wollen (Punkt). Das ist eben eine Privatdefinition, die so von der Literaturwissenschaft nicht mitgetragen wird. Man muss sich - wie meistens in den Geisteswissenschaften - damit abfinden, dass der Streit um Begriffe erst an dem Punkt ernsthaft Sinn ergibt, wo man sich mit der Frage beschäftigt, was mit der Verwendung eines bestimmten Begriffs bezweckt werden soll und in welchem Kontext er Gültigkeit beansprucht.

Also: Warum eigentlich die Frage nach dem Literaturstatus des Ergebnis von RSP-Sitzungen? Geht es darum, einen Diskurs zur kulturellen "Aufwertung" des RSPs zu starten, indem man sich die traditionelle Vorstellung, Literatur sei etwas "Lehrreiches" oder "Künstlerisches", zunutze macht? Das fände ich relativ witzlos, erstens bezieht man sich damit auf einen tendenziell überholten (und seit jeher umstrittenen) wertenden Literaturbegriff, zweitens zieht man sich damit den Schuh an, vielleicht doch irgendwie "minderwertige" Kulturproduktion zu betreiben und sich gegen diesen Vorwurf verteidigen zu müssen. Interessant wird es, wenn man den Literaturbegriff dagegen einfach mal an RSP-Sitzungen anlegen möchte, um zu sehen, ob sich damit eine interessante Erkenntnis zutage fördern lässt (z.B. darüber, ob es bestimmte typische Strukturen von Geschichten gibt, die im freien Spiel tendenziell häufiger spontan generiert werden, oder ob es im RSP häufig dazu kommt, dass Handlungsbögen für einzelne Figuren entstehen, die denen in Romanen oder Fernsehserien ähneln, oder ob Rollenspielsitzungen/Abenteuer zu einer Aktstruktur tendieren ...).
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: WeepingElf am 9.04.2010 | 15:07
Wenn das Ergebnis von Rollenspielsitzungen nicht fixiert ist, d. h. nicht aufgeschrieben wird (denn ich glaube kaum, dass jemand seine Rollenspielsitzungen in Reimen und Versen spielt und sich das ganze dann komplett auswendig merkt), ist es keine Literatur.

Wenn es aufgeschrieben wird, ist das Aufgeschriebene natürlich Literatur im weiteren Sinne. Wenn man das Aufgeschriebene dann veröffentlicht und diskutiert (z. B. hier im Forum im "Diary of Sessions") ist es sogar Literatur im engeren Sinne.

Punkt.

Ganz genau.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 9.04.2010 | 15:11
Aber woher wissen Yvo und WeepingElf das nun? Aus augustinischer Innenschau?
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: korknadel am 9.04.2010 | 15:33
@Yso und WeepingElf: ich frage mich, was ihr von dieser Privatdefinition habt? Wollt ihr Unterschriften sammeln, um das, was in der Literaturwissenschaft üblich ist, zu stürzen, nur um nachher sagen können, jippie, Sessiondiaries sind je nach dem, ob sie veröffentlicht sind oder nicht, engere oder weitere Literatur?

Freilich haben sich die Überlegungen in diesem Thread davon entfernt, einfach nur festzustellen, ob man die schwammige und wenig brauchbare Frage des Threadtitels mit Ja oder Nein beantworten kann. Mittlerweile ist sie dort angelangt, wo Leute mit einem eher wissenschaftlichen Literaturbegriff sich Gedanken machen, mit welchen literarischen Fragestellungen man einer Rollenspielsitzung zuleibe rücken kann. Achamanian geht es dabei mehr um Plotaufbau und Handlungs-/Spannungsbögen, nnhndrtzwlf geht es um den Wahrheitsanspruch von Ausssagen, und mich faszinieren vor allem die strukturellen Sachen (die übrigens mit Reim und Versmaß völlig gleichwertig sind, wie man weiß, wenn man schon mal über den Begriff Textanalyse gestolpert ist. Ob ein Text nun durch Reime, Verse oder Sprecherwechsel oder sonst etwas strukturiert ist, macht für die Feststellung, dass er strukturiert ist, keinen Unterschied).

Von daher frage ich mich, was ihr euch mit euren Punkten und Genaus kaufen wollt? Zumal das alles schon mal durchgekaut und oft genug klargestellt worden ist. Wieso sagt ihr nicht einfach, dass euch dieser im weitesten Sinne literarische Aspekt der Diskussion nicht interessiert, als mit selbstgemachten Definitionen zu kommen, die doch irgendwie nicht weiterführen und eigentlich nur bekunden, dass ihr euch dafür nicht interessiert, was ja auch völlig legitim ist.  

Ich habe ja auch offen zugegeben, dass diese Fragestellungen sehr speziell sind, von daher möchte ich ja niemanden davon überzeugen, da mitzumachen.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Teylen am 9.04.2010 | 15:40
Das heisst ihr drei seit im Grunde sowas von komplett am Thema des eigentlichen Threads vorbei?

Weil hier geht es darum ob Rollenspiel Literatur ist oder nicht.
Wobei so wie ich Wiki verstehe und auch die Diskussion die Ausbreitung auf alle oralen Ueberlieferungen ja auch in der Wissenschaft nicht so komplett durch ist [wenn man z.B. nicht problemlos rein eine Fernsehserien als Grundlage fuer eine Haus/Doktor/Sonstwas Arbeit in dem Bereich heranziehen kann].

Nicht um die Frage welche Erkenntnisse man gewinnen kann wenn man Rollenspielsitzungen mit Methoden der Literatur Wissenschaft untersucht oder welche Methoden anwendbar sind.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 9.04.2010 | 16:24
Das heisst ihr drei seit im Grunde sowas von komplett am Thema des eigentlichen Threads vorbei?

Weil hier geht es darum ob Rollenspiel Literatur ist oder nicht.


Das Problem ist eben, dass diese Ist-Fragen in den Geisteswissenschaften kaum losgelöst vom Erkenntnisinteresse diskutiert werden können. Was Literatur "ist", ist eine Übereinkunft, und ob diese Übereinkunft in einer gewissen Form sinnvoll ist, kann sich erst klären, wenn man mit der entsprechenden Definition arbeitet.
Das ist ja nicht mal nur in den Geisteswissenschaften so: Je mehr ein Mikrobiologe über Genetik weiß, desto weniger wird er dir sagen können, was nun genau ein Gen ist.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: WeepingElf am 10.04.2010 | 01:03
Aber woher wissen Yvo und WeepingElf das nun? Aus augustinischer Innenschau?

Daraus, was ich unter "Literatur" verstehe.  Aber ich bin kein Literaturwissenschaftler, und kann daher auch nicht so genau sagen, was denn die gültige Definition von "Literatur" ist.  In der Postmoderne ist es ja in, alles was nicht niet- und nagelfest ist, zum "Text" zu erklären, was auch immer das für einen Sinn ergeben soll.

Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: carthoz am 10.04.2010 | 01:24
Weil hier geht es darum ob Rollenspiel Literatur ist oder nicht.
Ich dachte, die Frage war, ob das Ergebnis von Rollenspiel Literatur ist, nicht Rollenspiel selbst?!

Daraus, was ich unter "Literatur" verstehe.
:bang:
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder) am 10.04.2010 | 01:34
Ich dachte, die Frage war, ob das Ergebnis von Rollenspiel Literatur ist, nicht Rollenspiel selbst?!

Bad Horse hat diese Frage gestellt, ja. Allerdings war der Ursprung meine Aussage, daß Rollenspiel Literatur sei, nicht der Ausfluß (daran hab ich noch nicht mal gedacht). Insofern, Chapeau, und zwar zweimal, vor Korknadel, der die Mühe auf sich nahm, auf orale Literaturtraditionen hinzuweisen und hier einiges an Definitionsarbeit zu leisten. Ich hatte wirklich weder Zeit noch Lust, eigentlich Selbstverständliches auszuführen.

Ich möchte auch noch ergänzen, daß sich der Literaturbegriff nur außerhalb auf "Dinge zwischen Buchdeckeln" beschränkt, und (auch wenn Callisto das vielleicht nicht mag), in Disziplinen wie Sprachwissenschaft, Kulturanthropologie, Ethnologie, Geschichte und, ja, auch Literaturwissenschaft sehr viel weiter gefaßt Verwendung findet, je nach Kontext, wie Achamanian ausführte. Vielen Dank an all die, die die Definitionsstarre hier aufgebrochen haben. (EDIT/ Und nein, das ist kein Phänomen der Postmoderne.)

Ja Rollenspiel-Sitzungen sind eine moderne, kooperative Variante erzählender Literatur.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Eulenspiegel am 10.04.2010 | 03:56
@ Tearmaster
Literatur muss nicht unbedingt schriftlich sein. Insofern stimme ich mit dir überein. Aber Literatur muss fixiert sein. (Ob jetzt schriftlich fixiert oder mündlich fixiert oder auf einem Video fixiert, ist egal. Hauptsache es ist in einer festen Form.)

Ansonsten:
Autoren, die sich zusammensetzen und ein Buch schreiben, sind keine Literatur.
Das Buch, das dabei herauskommt, ist dagegen Literatur.

Das heißt, du könntest beim RPG höchstens sagen: "Es erschafft Literatur.", aber es ist selber keine Literatur. Und damit es Literatur erschafft, muss das Ergebnis (also die Rollenspielsitzung) auch irgendwie festgehalten werden. Man muss die Rollenspielsitzung nicht unbedingt schriftlich fixieren. Man kann die Rollenspielsitzung auch filmen, dann wäre der Film Literatur. Oder jemand macht sich die Mühe, die Rollenspielsitzung auswendig zu lernen. Dann wäre seine Rezitation der Rollenspielsitzung Literatur.

Egal, ob du einen Sachverhalt nun schriftlich, mündlich oder per Videokamera übermittelst: Wichtig ist, dass der Sachverhalt fixiert ist. (Wenn ich also ein und die gleiche Literatur zwei verschiedenen Menschen an zwei verschiedenen Orten zu zwei verschiedenen Zeiten vorlege, dann müssen beide den gleichen Inhalt erfahren.)
Und wichtig ist ebenfalls, dass die Erschaffung von Literatur selber keine Literatur ist.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder) am 10.04.2010 | 04:02
Das spezielle in diesem Falle ist, daß die Erschaffung eben doch die Literatur ist (beim Romanschreiben etc. stimme ich Dir natürlich zu). Ganz einfach: Du, ich und zwei weitere Hansels haben eine Session. Jeder erschafft für die drei anderen eine Erzählung, die Prozesse von Schöpfen und Rezipieren fließen ineinander, sie sind nicht mehr getrennt.

Das ist das Besondere und Einmalige. Jeder Rezipient ist Schöpfer, Schöpfung und Rezeption sind eins.

EDIT/ Falls die Geschichte, die bei einer Sitzung für die Beteiligten (für diese und nur diese) herauskommt, für Dich keine Literatur ist, wie würdest Du die Geschichte sonst bezeichnen?
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Eulenspiegel am 10.04.2010 | 04:14
Wie du schon sagst: Sie erschaffen eine Erzählung. (RPG kann eine Erzählung erschaffen, aber es kann keine Erzählung sein.)

Das ist das gleiche wie mit dem Roman schreiben:
Wenn der Autor einen Roman schreibt und der Lektor ihm dabei über die Schulter schaut, ist das keine Literatur. (Auch wenn der Lektor die Entstehung der Literatur mitbekommt.)

Und das gleiche beim Rollenspiel:
Wenn wir einen Erzählonkel-SL haben, der den Spielern seinen Plot präsentiert, in dem die gerailroadeten Spieler ihre SCs spielen dürfen,dann erleben sie die Entstehung der Literatur zwar hautnah mit. Aber die Sache an sich ist noch keine Literatur. (Hierbei wäre der SL dann der Autor und die Spieler wären die Lektoren.)

Wenn du jetzt ergebnisoffener und ohne Railroading spielst, kann quasi jeder Spieler die Autorenrolle einnehmen. Aber trotzdem erschaffen sie dabei höchstens eine Literatur, aber die Sitzung selber ist keine.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bitpicker am 10.04.2010 | 07:45
Meine Güte, schon fünf Seiten. Ich sage dazu nur Folgendes: ich habe meine Magisterarbeit im Fachbereich der Anglistik über das Thema "Das Rollenspiel als interaktive Erzählform - ein neuartiges Genre der Literatur?" geschrieben und dafür eine Eins bekommen, ich konnte also auch meine Prüfer von meiner Ansicht, dass es sich um eine Literaturform handelt, überzeugen.

Das ist bald zehn Jahre her, aber die heutigen von den klassischen Rollenspielen abweichenden Erzählspiele wie Prime Time Adventures usw., die da natürlich noch keine Rolle spielten (no pun intended), würden heute ihr eigenes Kapitel darin erhalten und die Annahme eher stützen als widerlegen.

Wenn als Argument angeführt wird, dass das Rollenspiel keine Literatur sei, weil die Erzählung nicht fixiert wird, oder weil irgend ein anderes Element des Rollenspiels nicht in einer anderen Literaturform vorkommt, dann muss ich erwidern, dass es doch etwas geben muss, was dieses literarische Genre von den anderen unterscheidet.

Beispiel: als es noch keine Romane gab, gab es bereits Theaterstücke. Theaterstücke sind Literatur. Als die ersten Romane erschienen, wichen sie deutlich von der etablierten Gattung 'Theaterstück' ab. Sie bestanden nicht nur aus Dialogen und Regieanweisungen, waren nicht dazu bestimmt, vorgespielt zu werden, und trotzdem gehören sie heute mit zur Literatur.

Auch die mündliche Erzählung gehört zur Literatur. Märchen sind ein gutes Beispiel, sie sind nicht erst durch die schriftliche Fixierung zu Literatur geworden. Nein, sie haben dadurch sogar einen wesentlichen Bestandteil, nämlich ihre Veränderbarkeit, verloren. Niedergeschriebene Märchen sind eine andere Literaturform als erzählte Märchen.

Es gibt auch heute noch Kulturen, in denen mündliches Erzählen die primäre Literaturform ist. Es gibt Erzähler, die dieselbe Geschichte in völlig unterschiedlicher Form und Länge präsentieren. Sie schmücken aus, lassen weg, folgen dabei allgemeinen und persönlichen Regeln. Und alle sind Literaturschaffende.

Im Falle des Rollenspiels (damit meine ich jetzt die Spielsitzung, nicht die Regelwerke und nicht Diaries usw., die ganz klassisch lesbar sind) liegt die Sache so: statt einen überlieferten Stoff weiterzutragen, wird -ganz postmodern- einfach ein neuer erschaffen oder existierende Versatzstücke werden neu zusammengesetzt. Dabei fließt die Information nicht von einem Erzähler zu einer Zuhörerschaft, sondern jeder Anwesende ist, wenn auch meist in unterschiedlichem Maße, sowohl Erzähler als auch Zuhörer. Das Werk wird für die einmalige gleichzeitige Rezeption erschaffen. Es ist unwiederholbar, und selbst dasselbe Abenteuer ist mit zwei unterschiedlichen Gruppen nicht identisch. Erschafunng und Rezeption dieser Literaturform sind eins. Diaries, mündliche Nacherzählungen, das sind eher klassische Literaturformen, die sich dazu verhalten wie z.B. 'das Buch zum Film' - ein Spin-Off.

Wenn also etwas am Rollenspiel anders ist als in einer bereits etablierten Literaturform, dann ist das kein Argument dagegen, sondern ein definierendes Element für eben diese Gattung zur Abgrenzung von den anderen.

Robin
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Eulenspiegel am 10.04.2010 | 13:41
Beispiel: als es noch keine Romane gab, gab es bereits Theaterstücke. Theaterstücke sind Literatur.
Theaterstücke sind auch fixiert:
Du kannst das gleiche Theaterstück an zwei verschiedenen Orten zu zwei verschiedenen Zeiten vorspielen und es transportiert den gleichen Inhalt.

Zitat
Auch die mündliche Erzählung gehört zur Literatur. Märchen sind ein gutes Beispiel, sie sind nicht erst durch die schriftliche Fixierung zu Literatur geworden. Nein, sie haben dadurch sogar einen wesentlichen Bestandteil, nämlich ihre Veränderbarkeit, verloren.
1) Märchen waren vorher mündlich fixiert.
2) Es ist egal, ob etwas schriftlich oder mündlich fixiert wurde, es lässt sich beide Male verändern. (Alleine die Märchen von den Gebrüdern Grimm wurden später auch häufig aufgegriffen und als GuteNacht Geschichte bzw. als Verfilmung geändert.)

Zitat
Es gibt Erzähler, die dieselbe Geschichte in völlig unterschiedlicher Form und Länge präsentieren. Sie schmücken aus, lassen weg, folgen dabei allgemeinen und persönlichen Regeln. Und alle sind Literaturschaffende.
Wenn zwei verschiedene Erzähler die gleiche Geschichte in unterschiedlicher Form und Länge präsentieren, dann sind es zwei verschiedene Literaturen:
Das ist wie der Walt Disney Film Robin Hood und "Robin Hood-Helden in Strumpfhosen":
Beides behandelt zwar die gleiche Geschichte, aber trotzdem sind beides zwei unterschiedliche literarische Werke.

Ein literarisches Werk wird eben nicht nur über die Geschichte (z.B. Robin Hoods Taten) definiert,sondern auch über die Art und Weise, wie diese präsentiert wird.
Wenn ich Robin Hoods Geschichte jetzt einmal als Zeichentrick-Version und einmal als Spielfilm präsentiere, sind das zwei verschiedene literarische Werke.(Beide Filme sind Literatur, aber es ist nicht die gleiche Literatur, obwohl sie die gleiche Geschichte beinhalten.)

Zitat
Wenn also etwas am Rollenspiel anders ist als in einer bereits etablierten Literaturform, dann ist das kein Argument dagegen, sondern ein definierendes Element für eben diese Gattung zur Abgrenzung von den anderen.
Wenn irgendetwas anders wäre, würde ich dir ja zustimmen.
Wenn aber das definierende Element anders ist, dann ist es per definitionem keine Literatur.

(Sonst kommt noch jemand und behauptet, Fußball sei Literatur: Fußball unterscheidet sich zwar von der klassischen Literatur, aber das dient nur dazu, die Fußball-Literatur von der klassischen Literatur abzugrenzen.)
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Glgnfz am 10.04.2010 | 13:43
Theaterstücke sind auch fixiert:
Du kannst das gleiche Theaterstück an zwei verschiedenen Orten zu zwei verschiedenen Zeiten vorspielen und es transportiert den gleichen Inhalt.

Vorsicht! Du hast es mit einem "cunny linguist" zu tun! Der sagt dir, dass es einen geschriebenen Text so oft gibt, wie er Leser hat. Das gilt natürlich für Theaterstücke noch locker mit!
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bitpicker am 10.04.2010 | 13:57
1. Habe ich in irgendeiner Form behauptet, dass Theaterstücke nicht fixiert seien?

2. Nein, Märchen waren mündlich nicht fixiert. Jeder Erzähler erzählte seine persönliche Variante. Von späterer Abwandlung eines Werkes war nicht die Rede, das geht natürlich immer.

Es ist ganz einfach: wenn ein Literaturwissenschaftler sich im Rahmen seiner Tätigkeit mit etwas auseinandersetzt, ist es Literatur, sonst ist er am Thema vorbei. Fußball ist am Thema vorbei. Rollenspiel nicht.

Robin

Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 10.04.2010 | 14:05
Sorry, Eulenspiegel, aber jetzt verwickelst du dich völlig in Widersprüche. Wenn Märchen mündlich "fixiert" sein können, dann gilt das Gleiche für Rollenspielsitzungen. Und ein Märchen, das zwei mal unterschiedlich erzählt wird, stellt das keine zwei "Literaturen" dar, sondern höchstens zwei verschiedene Werke.
Und das definierende Element von Literatur ist nunmal nicht Fixiertheit. Vielleicht kann man noch sagen, dass irgendeine Form der Tradierung nötig ist, und dann hast du RSP potentiell schon wieder mit im Boot ...

Wie gesagt: es hilft wenig, sich einfach selbst eine Definition auszudenken.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 10.04.2010 | 14:49
Ich glaube, die diskussion ist tatsächlich sinnlos. Es kommt eben darauf an, ob man ein Begriff als Arbeitswerkzeug versteht oder ob als Schublade. Ich finde eben ersteres sinnvoller, aber dann muss man mit einer gewissen Unschärfe und mit themenbezogener Neuaushandlung der genauen Bedeutungen leben. Das betrifft ja nicht nur die Geisteswissenschaften, sondern auch Hard Sciences: Das "Gen" des Molekularbiologen ist etwas anderes als das "Gen" des Evolutionsbiologen, und das "Gen" des populären Diskurses ist noch mal was anderes.

Mal anders gefragt: Würdest du sagen, eine Arbeit, die RSP als Literaturform behandelt, ist von vorneherein automatisch Bullshit, weil RSP eben keine Literatur ist? Oder würdest du nicht vielleicht doch eher sagen: "Hm, bin ja mal gespannt, welche Literatur-Aspekte der da im RSP findet?"

Und um dann doch noch mal selber Schubladen aufzumachen: Von "Literaturen" im Plural wird für gewöhnlich gesprochen, wenn man damit eingrenzbare Literaturtraditionen meint (wie z.B. angloamerikanische Literatur, deutschssprachige Literatur ...)
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Eulenspiegel am 10.04.2010 | 14:50
1. Habe ich in irgendeiner Form behauptet, dass Theaterstücke nicht fixiert seien?
Jain. Du hast geschrieben:
"Wenn als Argument angeführt wird, dass das Rollenspiel keine Literatur sei, weil die Erzählung nicht fixiert wird,[...]
Beispiel: als es noch keine Romane gab, gab es bereits Theaterstücke."


Du hast es zwar nicht explizit geschrieben, aber die Tatsache, dass du Theaterstücke als Beispiel für "weil die Erzählung nicht fixiert wird", nennst, lässt den Schluss zu. (Falls du das anders meinst: Wofür war die Sache mit den Theaterstücken dann ein Beispiel?)

Zitat
2. Nein, Märchen waren mündlich nicht fixiert. Jeder Erzähler erzählte seine persönliche Variante. Von späterer Abwandlung eines Werkes war nicht die Rede, das geht natürlich immer.
Wenn jeder Regisseur/Autor also in der Lage ist, ein Werk abzuwandeln, dann war im Mittelalter auch jeder Erzähler in der Lage, ein Stück abzuwandeln.

Wiegesagt: Das abwandeln im Mittelalter unterscheidet sich nicht wirklich vom Abwandeln in der Moderne: In beiden Fällen hat der Rezipient ein literarisches Werk gehört und ist der Meinung, dass es mit ein paar Abänderungen noch besser rüberkommt.
Der Rezipient wird also selber zum Autoren, indem er das gehörte Stück abändert und sein abgeändertes Stück dann unters Volk bringt.
Kein Unterschied zwischen Moderne und Mittelalter.

Zitat
Es ist ganz einfach: wenn ein Literaturwissenschaftler sich im Rahmen seiner Tätigkeit mit etwas auseinandersetzt, ist es Literatur, sonst ist er am Thema vorbei. Fußball ist am Thema vorbei. Rollenspiel nicht.
Und wieso kann sich der Literaturwissenschaftler im Rahmen seiner Tätigkeit nicht mit Fußball auseinandersetzen?

Ansonsten: War das tatsächlich die Begründung deiner Magisterarbeit?
"Rollenspiel ist Literatur, weil sich ein Literaturwissenschaftler (nämlich ich) mit diesem Thema auseinandersetzt?"

Falls das wirklich die Begründung deiner Magisterarbeit war, wäre das ein ziemlicher Zirkelschluss.

Sorry, Eulenspiegel, aber jetzt verwickelst du dich völlig in Widersprüche. Wenn Märchen mündlich "fixiert" sein können, dann gilt das Gleiche für Rollenspielsitzungen. Und ein Märchen, das zwei mal unterschiedlich erzählt wird, stellt das keine zwei "Literaturen" dar, sondern höchstens zwei verschiedene Werke.
1) Ja, es sind zwei verschiedene literarische Werke.
Und was der Unterschied zwischen "literarischem Werk" und "Literatur" ist, muss du mir erklären. Ich benutze diese beiden Begriffe synonym. (Aber ich bin durchaus lernwillig, falls du mir den Unterschied erklärst.)

2) Der Unterschied zwischen RPG und Märchen liegt im Wort "fixiert":
Bei einem Märchen ist die Geschichte fixiert. (Ich kann das Märchen an zwei verschiedenen Orten zu zwei verschiedenen Zeiten erzählen und es kommt das gleiche dabei heraus.)

Bei einem RPG ist die Geschichte nicht fixiert: (Wenn ich das RPG an zwei verschiedenen Orten zu zwei verschiedenen Zeiten erzähle, dann kommen zwei völlig verschiedene Sachen dabei heraus.)

Disclaimer: Ausnahme sind Railroading-Abenteuer. Diese würde ich durchaus als Literatur bezeichnen, da diese tatsächlich fixiert sind. (Im Sinne von: Wenn ich das Railroading-AB an zwei verschiedenen Orten zu zwei verschiedenen Zeiten spiele, kommt beide Male das gleiche dabei heraus.)
In diesem Fall ist aber nicht das RPG selber die Literatur, sondern das Railroading-AB ist die Literatur. Und das RPG selber ist eher eine Art Lesung, in der ich die Literatur dann präsentiere.

Zitat
Und das definierende Element von Literatur ist nunmal nicht Fixiertheit.
Sondern? Was ist dann das definierende Element von Literatur?
Was unterscheidet Literatur von z.B. einem Gespräch? Oder was unterscheidet Literatur von einer Schulstunde? (Was ja im Prinzip ein Gespräch zwischen Lehrern und Schülern ist.)

Imho hat RPG mehr mit einem Gespräch als mit Literatur gemein.

Zitat
Wie gesagt: es hilft wenig, sich einfach selbst eine Definition auszudenken.
Ich denke mir keine Definition aus,sondern ich benutze die Definition von Wikipedia.
Aber du kannst mir ja gern deine Definition von Literatur nennen. (Bzw. was das Merkmal ist, dass Literatur von einem gewöhnlichen Gespräch unterscheidet. - Oder sind für die Gespräche zwischen zwei Leuten auch Literatur?)

EDIT:
Hmm, irgendwie ist mein Post beim editieren hinter Achamanians gerutscht.
Zum Verständnis: Achamanians letzter Post #112 bezieht sich eigentlich auf diesen Post hier.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 10.04.2010 | 14:58
Wiegesagt: Das abwandeln im Mittelalter unterscheidet sich nicht wirklich vom Abwandeln in der Moderne: In beiden Fällen hat der Rezipient ein literarisches Werk gehört und ist der Meinung, dass es mit ein paar Abänderungen noch besser rüberkommt.
Der Rezipient wird also selber zum Autoren, indem er das gehörte Stück abändert und sein abgeändertes Stück dann unters Volk bringt.
Kein Unterschied zwischen Moderne und Mittelalter.

Ich glaube, der Autorenbegriff ist bei Volkserzählungen doch nur sehr schwer anzuwenden. Dass Literatur unbedingt einen Autor haben muss, ist doch eher eine Idee, die mit dem Roman aufgekommen ist. Von daher ist nicht viel gewonnen, indem man dieseb Begriff auf eine Literatur rückprojiziert, die ihn in dieser strengen Form überhaupt nicht kannte.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bitpicker am 10.04.2010 | 15:31
@Eulenspiegel: du hast das Theaterzitat aus dem Zusammenhang gerissen. Das Beispiel diente dazu, zu illustrieren, wie man beim Aufkommen des Romans auch hätte argumentieren können, dass das keine Literatur sei, weil Literatur ja in Dialogform mit Szenen- und Regieanweisungen daherkommt (Theaterstück). Dem Rollenspiel wurde vorgeworfen, Nicht-Fixiertheit sei ein Ausschlusskriterium, was ich für genau so falsch halte - nicht zuletzt weil Literaturwissenschaftler über mündliche Erzählkunst ganze Regalmeter geschrieben haben. Und egal, was du behauptest (hast du eigentlich was fürs Thema Relevantes studiert oder rätst du hier nur?), mündliche Erzählkunst ist nicht fixiert.

Und was den Zirkelschluss angeht - die Urkunde an meiner Wand beweist, dass andere Literaturwissenschaftler meine These zumindest für diskussionswürdig hielten und nicht am Thema vorbei, sonst hätte ich den Titel nicht.

Mir liegt übrigens auch eine wissenschaftliche Arbeit über das Rollenspiel-Charakterblatt als neuartige Textgattung vor, es gibt also noch jemanden, der das Thema im Rahmen der Literaturwissenschaft interessant genug fand.

Ich weiß nicht, wieso so viele Leute allergische Reaktionen bekommen, wenn man dem Rollenspiel unterstellt, Kunst oder Literatur zu sein. Vielleicht liegt es an dem kranken elitären Begriff, den wir in Deutschland von Kunst haben - wenn die Masse es mag, ist es trivial, keine Kunst, und wenn es Kunst ist, darf man es nicht mögen, sonst gehört man zu diesen Idioten aus dem Elfenbeinturm. Igitt.

Die Diskussionen hier sind übrigens auch literaturwissenschaftlich auswertbar. Wer also mit dem Vorwurf, Literatur zu schaffen, nicht leben kann, der lösche bitte sofort sein Benutzerkonto.

Robin
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Eulenspiegel am 10.04.2010 | 16:02
Mal anders gefragt: Würdest du sagen, eine Arbeit, die RSP als Literaturform behandelt, ist von vorneherein automatisch Bullshit, weil RSP eben keine Literatur ist? Oder würdest du nicht vielleicht doch eher sagen: "Hm, bin ja mal gespannt, welche Literatur-Aspekte der da im RSP findet?"
Also von vornherein würde ich nichts als Bullshit bezeichnen. (Von vornherein würde ich als Fußballfan auch sagen: "Hm, bin ja mal gespannt, welche Literatur-Aspekte der da im Fußball findet.")
Ich gebe Neuem grundsätzlich eine Chance. Ich bezweifle bloß, dass viel damit gewonnen wird, wenn man krampfhaft versucht, irgendwelchen literarischen Aspekte aufs RPG übertragen zu wollen. (Ich will nicht sagen, dass es überhaupt keine literarischen Aspekte gibt. Irgendwelche Gemeinsamkeiten lassen sich immer zwischen zwei beliebigen Sachen finden.)

Gegenfrage: Würdest du eine Arbeit, die einen mittelalterlichen Geschichtenerzähler als Autoren behandelt als Bullshit bezeichnen? Oder würdest du sagen: "Hm, bin ja mal gespannt, welche Autoren-Aspekte der da im mittelalterlichen Geschichtenerzähler findet?"

Ansonsten: Es gibt sicherlich auch sportliche Aspekte, die man aufs RPG übertragen kann. Trotzdem ist RPG ken Sport.
Es gibt auch eine Menge psychologischer Aspekte, die man aufs RPG übertragen kann. Trotzdem ist RPG keine Psychologie.
Und es gibt sogar ein paar politische und staatstheoretische Aspekte, die man aufs RPG übertragen kann. Trotzdem ist RPG kein Staat.
Nur weil ich also literarische Aspekte auf das RPG übertragen kann, ist es noch lange keine Literatur.

Zitat
Ich glaube, der Autorenbegriff ist bei Volkserzählungen doch nur sehr schwer anzuwenden. Dass Literatur unbedingt einen Autor haben muss, ist doch eher eine Idee, die mit dem Roman aufgekommen ist. Von daher ist nicht viel gewonnen, indem man dieseb Begriff auf eine Literatur rückprojiziert, die ihn in dieser strengen Form überhaupt nicht kannte.
Wieso ist der Autorenbegriff auf Volkserzählungen schlecht anzuwenden?
Man muss eine Sache nicht unbedingt schriftlich fixieren, um ein Autor zu sein. Um Autor zu sein, muss man ein sprachliches Konstrukt fixieren. Ob das schriftlich oder mündlich erfolgt, ist dabei irrelevant.

Wichtig bei Literatur und Autor sind zwei Sachen:
a) Es handelt sich um Sprache
b) Diese wird fixiert.

Falls diese beiden Sachen zutreffen gilt: Die Sache, die fixiert wird, wird als "Literatur" definiert und derjenige, der die Fixierung vornimmt, wird als "Autor" definiert.

Ansonsten finde ich es etwas seltsam:
Bei Literatur predigst du, dass man den Begriff nicht so eng sehen soll sondern diesen möglichst weit sehen soll.
Und bei Autor predigst du das Gegenteil, dass man diesen Begriff möglichst eng sehen soll.

Und was den Zirkelschluss angeht - die Urkunde an meiner Wand beweist, dass andere Literaturwissenschaftler meine These zumindest für diskussionswürdig hielten und nicht am Thema vorbei, sonst hätte ich den Titel nicht.
Deswegen glaube ich ja auch, dass das Argument für deine These nicht war:
"Ein Literaturwissenschaftler hat sich mit Rollenspielen beschäftigt, also ist Rollenspiel Literatur."

Ich hoffe inbrünstig, dass du ein besseres Argument in deiner Magisterarbeit vorgebracht hast.

Zitat
Mir liegt übrigens auch eine wissenschaftliche Arbeit über das Rollenspiel-Charakterblatt als neuartige Textgattung vor, es gibt also noch jemanden, der das Thema im Rahmen der Literaturwissenschaft interessant genug fand.
Und wie hat dieser jemand begründet, dass Rollenspiel Literatur sei?
Bitpicker: "RPG ist Literatur, weil Mr. X Naturwissenschaftler ist und sich damit beschäftigt."
Mr. X: "RPG ist Literatur, weil Mr. Bitpicker Literaturwissenschaftler ist und sich damit beschäftigt."

Waren dass die Begründungen für eure Thesen in eurer Magistearbeit oder gab es noch weitere Begründungen?

Zitat
Ich weiß nicht, wieso so viele Leute allergische Reaktionen bekommen, wenn man dem Rollenspiel unterstellt, Kunst oder Literatur zu sein.
Also allergische Reaktionen sind es nicht.
Ich schaue mir halt nur die Definition von Wikipedia an, vergleiche diese Definition mit RPG und sage: "Nee, passt nicht."

Zitat
Die Diskussionen hier sind übrigens auch literaturwissenschaftlich auswertbar. Wer also mit dem Vorwurf, Literatur zu schaffen, nicht leben kann, der lösche bitte sofort sein Benutzerkonto.
Ja, dieser Thread hier ist Literatur. Hier wird schließlich auch etwas fixiert. (Im Gegensatz zum Beispiel zu einem Chatgespräch, wo keiner ein Log mitlaufen lässt: In diesem Fall findet keine Fixierung statt und daher ist ein ungelogter Chat auch keine Literatur sondern ein Gespräch.)

Merke: Sprachlicher Austausch ohne Fixierung --> Gespräch
Sprachlicher Austausch mit Fixierung --> Literatur

Dabei ist es irrelevant, wie der sprachliche Austausch stattfindet und ob er mündlich, schriftlich oder optisch erfolgt.
Wichtig für die Unterscheidung zwischen Gespräch und Literatur ist die Fixierung.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Minne am 10.04.2010 | 16:14
Zitat
Und egal, was du behauptest (hast du eigentlich was fürs Thema Relevantes studiert oder rätst du hier nur?), mündliche Erzählkunst ist nicht fixiert.

Ich kenne mich mit mündlicher Literatur nicht wirklich aus (habe ja auch noch nicht fertig stuidert ;) )  und habe daher eine Nebenfrage, die jetzt nichts mit der Entscheidung darüber, ob Rollenspiel nun Literatur ist oder nicht, zu tun hat: Könnte man bei mündlicher Literatur nicht argumentieren, sie sei mental fixiert? Das ist es eben, wo ich zumindest einen Unterschied zwischen Rollenspiel und einer tradierten Erzählung machen würde, denn im einen Fall entsteht der Inhalt der Erzählung im spielerischen Prozess, während im anderen Fall in der Regel ein vorhandener Stoff vorgetragen wird, der vielleicht variiert und ausgeschmückt wird, jedoch in der Regel ganz charakteristische Merkmale hat, wenn er nicht sogar bloß vers für vers rezitiert wird.

@Korknadel

Habe gerade leider keine Zeit, meine Idee präziser zu fassen. Werde sie mir noch nehmen.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 10.04.2010 | 16:22
Wieso ist der Autorenbegriff auf Volkserzählungen schlecht anzuwenden?
Man muss eine Sache nicht unbedingt schriftlich fixieren, um ein Autor zu sein. Um Autor zu sein, muss man ein sprachliches Konstrukt fixieren. Ob das schriftlich oder mündlich erfolgt, ist dabei irrelevant.

Wichtig bei Literatur und Autor sind zwei Sachen:
a) Es handelt sich um Sprache
b) Diese wird fixiert.

Falls diese beiden Sachen zutreffen gilt: Die Sache, die fixiert wird, wird als "Literatur" definiert und derjenige, der die Fixierung vornimmt, wird als "Autor" definiert.

Ansonsten finde ich es etwas seltsam:
Bei Literatur predigst du, dass man den Begriff nicht so eng sehen soll sondern diesen möglichst weit sehen soll.
Und bei Autor predigst du das Gegenteil, dass man diesen Begriff möglichst eng sehen soll.

Ich sage gar nicht, dass man den Autorenbegriff möglichst eng definieren soll, ich glaube nur, wenn man ihn unbedacht auf Volkserzählungen anwendet, entsteht ein falsches Bild - dass es nämlich darum ginge, bei jedem schöpferischen Moment immer den Urheber benennen zu können. Das war nun mal nicht so, und die Leute haben sich ja auch oft ein Dreck um die Werkintegrität geschert, wenn da einer da z.B. was übersetzt hat, hat er es auch gleich zensiert, aufpoliert, gekürzt, ausgeweitet ...
Die Kunsthistoriker haben da doch ganz oft ähnliche Schwierigkeiten mit den Werken irgendwelcher großer Meister, die letztlich in erster Linie Werkstätten betrieben haben und bei denen gar nicht mehr ermittelbar ist, bei welchen Werken sie selbst konkret mitgearbeitet haben.

Diese sehr feste Verbindung von Autor und Werk ist nun mal eher eine Sache der Moderne (und vielleicht der Antike, da kenne ich mich nicht so aus), fürs Mittelalter kommt man damit einfach nicht weit. Und mit der Fixierung ist es ähnlich. Es gibt eben von vielen tradierten Texten keine kanonische, "richtige" Fassung, weshalb es oft auch wenig Sinn ergibt, den Autor klar benennen zu wollen. Wenn man dann darauf ausweicht, jede Variante als neues Werk zu behandeln und die Autoren der jeweiligen Variationen zu suchen ... tja, wahrscheinlich kann man das machen, aber ich wüsste tatsächlich nicht, warum das von Interesse sein sollte, weil das ja gerade am Charakter dieser Literatur vorbeigeht.

Es hat auch keinen Sinn, den als Autor zu definieren, der ggf. das Fixieren besorgt. Wenn du eine Geschichte erzählst und ich das Diktiergerät dazu anstelle, bin ich dann der Autor?

Es geht mir im Prinzip auch überhaupt nicht darum, bestimmte Begriffe möglichst eng oder weit zu fassen ("Literatur" weit und "Autor" eng, etwa), sondern darum, dass man sich bewusst ist, dass in der Wissenschaft (und d.h. in jeder eingehenderen Auseinandersetzung) die Verwendung von Begriffen auch immer mit Definitionsarbeit verbunden ist. Deshalb fangen wissenschaftliche Arbeiten ja oft mit Begriffsklärungen an, um deutlich zu machen, warum sie welche Begriffe wie anwenden. Wenn man dagegen glaubt, "Autor", "Werk" und "Literatur" seien klar einzugrende und allgemeingültig definierbare Begriffe mit überhistorischen Bedeutungen, dann produziert man zwangsläufig Missverständnisse.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Bitpicker am 10.04.2010 | 16:24
Diese Fixierung auf Fixierung ist diskussionsunwürdiger Blödsinn. Musik ist auch Musik, wenn man sie nicht aufnimmt.

@ nnhndrtzwlf

Zitat
Könnte man bei mündlicher Literatur nicht argumentieren, sie sei mental fixiert? Das ist es eben, wo ich zumindest einen Unterschied zwischen Rollenspiel und einer tradierten Erzählung machen würde, denn im einen Fall entsteht der Inhalt der Erzählung im spielerischen Prozess, während im anderen Fall in der Regel ein vorhandener Stoff vorgetragen wird, der vielleicht variiert und ausgeschmückt wird, jedoch in der Regel ganz charakteristische Merkmale hat.

Einige Punkte sind beim mündlichen Erzählen in der Regel traditionell fixiert, es gibt aber auch Erzähler, die aus dem Stegreif Geschichten produzieren. Ebenso wie es z.B. Stand-Up Comedy mit festem Programm und solche mit Improvisation gibt. Aber einer der interessanten, postmodernen Aspekte beim Rollenspiel ist es, dass die Funktion der Überlieferung (die einer Fixierung zugrunde liegt) heute nicht mehr wichtig ist. In Kulturen mit mündlicher Überlieferung dient diese Überlieferung dem Transport der traditionellen Kultur. In unserer Zeit, in der (nach Margaret Mead, ich will jetzt nicht alles über post-, ko- und präfigurative Kulturen zusammenfassen, wenn du vom Fach bist und meine Arbeit lesen magst, schreib mir ne PM) Erzählung, egal ob schriftlich oder mündlich, nicht mehr dem Erhalt von Überlieferung dient, weil Überlieferung an sich an Wert verloren hat, ist eine Erzählkultur ohne jede Fixierung eine neue Ausprägung von Literatur.

Wenn das Rollenspiel dasselbe wäre wie mündliche Überlieferung, bräuchten wir keine Diskussion. Es muss einen Unterschied zwischen der mündlichen Erzählkunst und dem Rollenspiel geben. Er liegt darin, dass keine Traditionen vermittelt werden, weshalb keinerlei Fixierung notwendig ist, und darin, dass die Erschaffung des literarischen Werkes eine Gemeinschaftsarbeit aller Beteiligten ist und keine Einbahnstraße vom Erzähler zum Zuhörer oder vom Autor zum Leser.

Übrigens komme ich da gerade auf die Idee, dass das Wiki ebenfalls ein Vehikel für eine Literaturform ist, fiktional und nichtfiktional, die nicht fixiert ist. Wiki-Texte sind verschriftlicht, aber wandelbar, und ja, es gibt Literaturprojekte auf dieser Basis.

Robin
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Eulenspiegel am 10.04.2010 | 18:29
Ich sage gar nicht, dass man den Autorenbegriff möglichst eng definieren soll, ich glaube nur, wenn man ihn unbedacht auf Volkserzählungen anwendet, entsteht ein falsches Bild - dass es nämlich darum ginge, bei jedem schöpferischen Moment immer den Urheber benennen zu können.
Oh, das ist nicht der Fall: Jeder schöpferische Akt hat einen (oder mehrere) Urheber. Aber es kann durchaus sein, dass diese Urheber unbekannt sind.

Zitat
Das war nun mal nicht so, und die Leute haben sich ja auch oft ein Dreck um die Werkintegrität geschert, wenn da einer da z.B. was übersetzt hat, hat er es auch gleich zensiert, aufpoliert, gekürzt, ausgeweitet ...
Tja, damals waren Plagiate halt legal. (Die Leute damals wussten wahrscheinlich nichtmal, was ein Plagiat ist.)

Du musst halt unterscheiden zwischen "Es gibt einen Urheber." und "Der Urheber ist bekannt."
Nur weil der Urheber unbekannt ist, heißt das noch lange nicht, dass er nicht existiert. (Und Autor ist letztendlich nichts anderes als eine Abkürzung für "literarischer Urheber")

Zitat
Und mit der Fixierung ist es ähnlich. Es gibt eben von vielen tradierten Texten keine kanonische, "richtige" Fassung, weshalb es oft auch wenig Sinn ergibt, den Autor klar benennen zu wollen.
1) Ich habe nie gesagt, dass ich den Autoren nennen will. Ich habe gesagt, dass der Autor existiert. (Auch wenn er evtl. unbekannt ist.)

2) Auch bei modernen Sachen gibt es keine "richtige Fassung".
Ist jetzt die Zeichentrickserie Batman die richtige Fassung oder sind die Spielfilme zu Batman die richtige Fassung? (Und wenn ja: Welche Spielfilme sind die richtige Fassung?)
Das gleiche könnte ich dich zu Spider Man oder zu Robin Hood fragen.

Wenn ein Werk sich großer Beliebtheit erfreut, wird es unwiderbringlich zu Remakes kommen.
Der Unterschied war halt der, dass im Mittelalter ein Remake sozusagen Standard und an der Tagesordnung war, während es heutzutage nur noch bei sehr berühmten Geschichten zu Remakes kommt.

3) Alleine die Tatsache, dass du sagst: "Der Übersetzer hat gleich zensiert, aufpoliert, gekürzt, ausgeweitet etc.", besagt doch, dass da etwas Fixiertes vorhanden war:
- Es gab ein Werk, das er übersetzen konnte.
- Es gab ein Werk, das er aufpolieren konnte.
- Es gab ein Werk, das er kürzen konnte.
- Es gab ein Werk, das er ausweiten konnte.

Sprich, es war etwas vorhanden, das sich verändern ließ.

Das ist bei einer RPG-Sitzung aber nicht der Fall.
- Du kannst keine zweite RPG-Sitzung machen, die eine Übersetzung einer alten RPG-Sitzung ist.
- Du kannst keine RPG-Sitzung aufpolieren, falls dir die ursprüngliche RPG-Sitzung nicht gefällt.
- Du kannst keine RPG-Sitzung kürzen.
- Du kannst keine RPG-Sitzung ausweiten.

Es ist einfach kein Werk, keine Fixierung vorhanden, n dem du das machen konntest.
Bei mittelalterlichen Geschichten war das anders: Dort existierte ein Werk, das du übersetzen, aufpolieren, kürzen, erweitern etc. konntest.

Bei einer mittelalterlichen Geschichte konnte der Rezipient, nachdem er die Geschichte gehört hatte, sagen: "Die Geschichte an sich ist gut, die erzähle ich weiter. Aber da sind ein paar Details, die ändere ich ab, wenn ich sie weitererzähle."
Das funktioniert bei einem (ergebnisopffenen) RPG nicht. Da kann weder der SL noch der Spieler sagen: "Der RPG-Abend an sich war super. Aber da waren ein paar Details, die ändere ich ab, wenn ich den RPG-Abend das nächste Mal mache."

Disclaimer:
Selbstverständlich gibt es auch bei einem RPG ein paar "fixierte" Elemente, die regelmäßig auftauchen: Sei es, dass man nur eine Viertelstunde auf Nachzügler wartet und dann ohne sie anfängt, dass man immer das gleiche Regelsystem verwendet, dass man um 16:00 Uhr eine kleine Essenspause einlegt, dass der Gastgeber bestimmt, wie lange die Spielsitzung dauert etc.
Das sind natürlich alles fixierte Elemente, die sich ändern lassen. Aber diesen Elementen fehlt die sprachliche Komponente, weshalb diese keine Literatur sind.

Zitat
Wenn man dann darauf ausweicht, jede Variante als neues Werk zu behandeln und die Autoren der jeweiligen Variationen zu suchen ... tja, wahrscheinlich kann man das machen, aber ich wüsste tatsächlich nicht, warum das von Interesse sein sollte, weil das ja gerade am Charakter dieser Literatur vorbeigeht.
Es muss nicht jede Variante ein neues Werk sein.
Wenn der Lektor sich dein Geschreibsel anschaut und dort ein paar Korrekturen vornimmt, ist das noch kein neues Werk, sondern immer noch das alte Werk mit kleinen Veränderungen.

Wenn man sich jedoch Robin Hood von Walt Disney anschaut und sich anschließend den Film "Robin Hood - Helden in Strumpfhosen", dann ist es ein neues Werk.

Bei der Frage, ob etwas ein neues Werk ist oder nicht, kommt es also darauf an, wie groß die Veränderungen sind: Nimmt man nur minimale Veränderungen vor (Beispiel: Lektor korrigiert), dann ist es noch das alte Werk.

Nimmt man jedoch tiefgreifendere Veränderungen vor (Beispiel: Robin Hood als Zeichentrickfilm zu Robin Hood als Spielfilm), dann ist es ein neues Werk.

Sicherlich ist der Übergang fließend und man kann nicht exakt sagen, wieviel Veränderungen ein Werk verkraftet, bevor es zu einem neuen Werk wird.

Aber grundsätzlich lässt sich sagen: Je mehr Veränderungen ein Werk widerfährt und je tiefgreifender die Veränderungen sind, desto wahrscheinlicher ist es anschließend ein neues Werk. (Aber wenn du genaueres wissen willst, müsstest du dich mit ein paar Juristen kurzschließen, die sich darauf spezialisiert haben. Die Frage, was noch als altes Werk und was bereits als neues Werk gilt, ist überaus komplex.)

Zitat
Es hat auch keinen Sinn, den als Autor zu definieren, der ggf. das Fixieren besorgt. Wenn du eine Geschichte erzählst und ich das Diktiergerät dazu anstelle, bin ich dann der Autor?
Nein, derjenige, der den schöpferischen Akt hat, ist der Autor. In diesem Fall also: Derjenige, der sich die Geschichte ausgedacht hat, ist der Autor. (Es sei denn, ich habe die bereits ausgedachte Geschichte so weit abgeändert, dass sie als eigenständiges Werk gilt. Dann wäre ich der Autor.)

Aber du mit deinem Diktiergerät bist nicht der Autor, sondern der Rezipient.

Und du müsstest nichtmal ein Diktiergerät mitlaufen lassen. Wenn du dich entschließen würdest, die Geschichte, die ich dir erzählt habe weiterzuerzählen, wäre es ebenfalls Literatur.
Oder wenn ich mich entschließen würde, die Geschichte, die ich dir erzählt habe, irgendwann später jemand anderem ebenfalls zu erzählen, wäre das ebenfalls Literatur.
Wichtig ist, dass die Geschichte den Augenblick übersteht. Ob nun mit Diktiergerät oder als Bereitschaft, sie irgendwo anders wiederzuerzählen, ist dabei egal.

Wenn diese Bereitschaft jedoch nicht besteht, dann ist das keine Literatur, sondern nur ein Gespräch.

Zitat
Es geht mir im Prinzip auch überhaupt nicht darum, bestimmte Begriffe möglichst eng oder weit zu fassen ("Literatur" weit und "Autor" eng, etwa), sondern darum, dass man sich bewusst ist, dass in der Wissenschaft (und d.h. in jeder eingehenderen Auseinandersetzung) die Verwendung von Begriffen auch immer mit Definitionsarbeit verbunden ist. Deshalb fangen wissenschaftliche Arbeiten ja oft mit Begriffsklärungen an, um deutlich zu machen, warum sie welche Begriffe wie anwenden.
Klar steht es einem Wissenschaftler frei, zu Beginn einer Arbeit zu schreiben: Ich definiere für meine Arbeit das Wort Literatur" wie folgt: ...
Und dann kann man innerhalb der Arbeit anhand dieser Definition messen, ob etwas Literatur ist oder nicht.
Wenn diese Definition aber nicht kommt, dann wird davon ausgegangen, dass man den Begriff so verwendet, wie er auch sonst üblich verwendet wird.

Das gleiche gilt auch hier:
Hätte der Threadstarter geschrieben, wie er Literatur definiert, hätte ich mich an diese Definition gehalten.
Da er das nicht getan hat, verwende ich die Definition aus Wikipedia.
Wenn du jetzt sagst, dass Wikipedia sich irrt und man in der Literaturwissenschaft eine andere Definition verwendet, nämlich [insert definition], dann würde ich diese Definition verwenden.

Diese Fixierung auf Fixierung ist diskussionsunwürdiger Blödsinn. Musik ist auch Musik, wenn man sie nicht aufnimmt.
Ja richtig.
Aber Musik ist keine Musik, wenn keine Schallwellen dabei vorkommen.

Ein definierendes Merkmal von Musik ist, dass Schallwellen erzeugt werden. Werden keine Schallwellen erzeugt, ist es keine Musik.

Und ein definierendes Merkmal von Literatur ist, dass es fixiert wird. Ist es nicht fixiert, ist es keine Literatur.

Niemand hat behauptet, dass Literatur Schallwellen erzeugen muss. Und niemand hat behauptet, dass Musik fixiert sein muss.
ABER: Musik muss Schallwellen erzeugen und Literatur muss fixiert sein.

Pouint taken?
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 10.04.2010 | 19:38

Du musst halt unterscheiden zwischen "Es gibt einen Urheber." und "Der Urheber ist bekannt."
Nur weil der Urheber unbekannt ist, heißt das noch lange nicht, dass er nicht existiert. (Und Autor ist letztendlich nichts anderes als eine Abkürzung für "literarischer Urheber")
1) Ich habe nie gesagt, dass ich den Autoren nennen will. Ich habe gesagt, dass der Autor existiert. (Auch wenn er evtl. unbekannt ist.)

[...]

Wenn ein Werk sich großer Beliebtheit erfreut, wird es unwiderbringlich zu Remakes kommen.
Der Unterschied war halt der, dass im Mittelalter ein Remake sozusagen Standard und an der Tagesordnung war, während es heutzutage nur noch bei sehr berühmten Geschichten zu Remakes kommt.

3) Alleine die Tatsache, dass du sagst: "Der Übersetzer hat gleich zensiert, aufpoliert, gekürzt, ausgeweitet etc.", besagt doch, dass da etwas Fixiertes vorhanden war:
- Es gab ein Werk, das er übersetzen konnte.
- Es gab ein Werk, das er aufpolieren konnte.
- Es gab ein Werk, das er kürzen konnte.
- Es gab ein Werk, das er ausweiten konnte.

Sprich, es war etwas vorhanden, das sich verändern ließ.


Wenn wir schon wikipedia hernehmen: Schau dir mal den Beitrag dort zum "Autor" an, besonders den Abschnitt zu "Geschichte", da steht in sehr knappen Worten, worum es mir geht:

http://de.wikipedia.org/wiki/Autor

Die Vorstellung von der schöpferischen Einzelperson (dem Autorengenie) kommt historisch erst spät auf. und es gibt auch eigentlich keinen Grund anzunehmen, dass etwas "originelles", neuartiges nicht auch in einem Interaktionsprozess heraus entstehen kann, bei dem sich keine Urheberschaft zuordnen lässt. Schon beim Zitieren oder bei Collagetechniken stößt der Begriff des Autors als kreativer Einzelurheber an seine Grenzen. Eigentlich schon beim Übersetzen oder Lektorieren. Wie kann jemand Autor eines Textes sein, der in einer Sprache verfasst ist, die er nicht mal beherrscht? Ist trotzdem möglich. Allein deshalb kann es doch nicht sinnvoll sein, Literatur darüber definieren zu wollen, dass sie einen Autor hat, der als fixierende Instanz auftritt.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Teylen am 10.04.2010 | 19:39
Ich dachte, die Frage war, ob das Ergebnis von Rollenspiel Literatur ist, nicht Rollenspiel selbst?!
Stimmt.

Wobei eine normale Rollenspiel Runde doch gar kein Ergebnis hat?
Das jemand sich danach hinsetzt und sich über den Inhalt der Rollenspielrunde textuell oder sprachlich verbreitet dürfte doch eher die Ausnahme sein. Nun und gerade im Gespräch richtet man sich doch eher an seine Gegenüber, die mit teilgenommen haben, und es ergibt nur einen partiellen Bericht,..
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Eulenspiegel am 10.04.2010 | 21:18
@ Achamanian
Die Vorstellung von Atomen kam auch erst sehr spät auf. Trotzdem gab es auch schon früher Atome.
Und die Vorstellung von Autoren kam auch erst sehr spät auf, trotzdem gab es schon früher Autoren.

Und den Wikipedia-Artikel kenne ich. (Dort wird der begriff Autor auch so verstanden, wie ich ihn verstehe.)

Schon beim Zitieren oder bei Collagetechniken stößt der Begriff des Autors als kreativer Einzelurheber an seine Grenzen.
Also beim zitieren ist doch eindeutig ein Autor zuordbar.
Und bei Collagetechniken haben wir genau das Problem, das ich angesprochen habe: Hier ist der Übergang zwischen "Veränderung des alten Werkes" und "neues Werk" fließend und im Zweifelslfall muss ein Richter entscheiden, ob die Collage jetzt ein neues Werk ist oder bloß Veränderung von alten. (Wobei im Normalfall die Collage als neues Werk gesehen wird.)

Zitat
Eigentlich schon beim Übersetzen oder Lektorieren. Wie kann jemand Autor eines Textes sein, der in einer Sprache verfasst ist, die er nicht mal beherrscht? Ist trotzdem möglich. Allein deshalb kann es doch nicht sinnvoll sein, Literatur darüber definieren zu wollen, dass sie einen Autor hat, der als fixierende Instanz auftritt.
1) Wieso solltest du nicht Autor eines Textes sein, der in einer Sprache verfasst ist, die du nicht kennst? Wenn jemand deine Ideen wortwörtlich übersetzt ohne kreativen Eigenprozess, bist du der Autor des übersetzten Textes.

Ich sehe da kein Problem. Aber ich sehe auch nicht, was das noch mit dem Thema "Ist RPG Literatur" zu tun hat.

2) Du hast mich falsch verstanden: Ich definiere Literatur nicht über den Autoren, ich definiere Autor über die Literatur.
Das heißt, erst wird geguckt, ob etwas Literatur ist oder nicht. Und anschließend wenn man zu dem Schluss gekommen ist, dass es Literatur ist, wird der Urheber dieser Literatur Autor genannt.

Die Eigenschaft "Autor" spielt bei der Frage, ob etwas Literatur ist oder nicht, also keine Rolle. Erst nachdem diese Frage geklärt ist, kommt der Begriff des Autoren ins Spiel.

Aber verrate mir doch mal, was deiner Meinung nach der Unterschied zwischen Literatur und Kommunikation ist. Oder benutzt du diese beiden Begriffe synonym?
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Merlin Emrys am 10.04.2010 | 22:43
Das gleiche gilt auch hier:
Hätte der Threadstarter geschrieben, wie er Literatur definiert, hätte ich mich an diese Definition gehalten.
Hat er denn nicht? Komisch, ich dachte, er hat:
Ist das Ergebnis einer Rollenspielsitzung Literatur im weitesten Sinn?
Wenn Literaturwissenschaftler also weiter definieren als jemand anderes, meint er wohl deren Definition...
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Eulenspiegel am 10.04.2010 | 22:59
"Literatur im weitesten Sinne" ist keine Definition von Literatur.
Genausowenig wie "blablub im weitesten Sinne" eine Definition von blablub ist.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Merlin Emrys am 10.04.2010 | 23:04
"Literatur im weitesten Sinne" ist keine Definition von Literatur.
Und außerdem besagt dieser kleine Satz, daß seitenweise Text völlig überflüssig gewesen ist, und das ist ja zugegebenermaßen ziemlich ärgerlich, nicht wahr? Und "weil nicht sein kann, was nicht sein darf", schließlich ... ;-)
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: WeepingElf am 10.04.2010 | 23:34
Ach wisst ihr, für mich ist es eher nebensächlich, ob das Ergebnis von Rollenspielrunden Literatur ist oder nicht, Hauptsache das Spiel selbst macht Spaß!
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Achamanian am 11.04.2010 | 09:52
1) Wieso solltest du nicht Autor eines Textes sein, der in einer Sprache verfasst ist, die du nicht kennst? Wenn jemand deine Ideen wortwörtlich übersetzt ohne kreativen Eigenprozess, bist du der Autor des übersetzten Textes.


Es ist nicht möglich, ein Werk ohne kreative Eigenleistung zu übersetzen. Wenn du wortwörtlich übersetzt, übersetzt du nämlich nicht, sondern baust ungenießbaren Mist. Ich weiß es aus Erfahrung, Übersetzen ist mein Beruf.

Ansonsten finde ich die Frage nach dem Literaturstatus von RSP-Ergebnissen ja wie gesagt auch nur begrenzt wichtig. Ich finde nur die Ablehnung gegen jede kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Alltagsverständnis von Begriffe erschreckend, deshalb beiße ich mich daran so fest. Autoren sind eben keine Atome. "Es gab schon immer Autoren" ist an sich etwa eine so sinnvolle Aussage wie "Es gab schon im C64-Programmierer". Ob es bestimmte Menschen gibt, die über eine bestimmte gesellschaftliche Tätigkeit (und die Autorentätigkeit ist wie jede andere auch eine Gesellschaftliche, auch wenn die Romantiker das vielleicht nicht glauben wollten ...) definiert werden, hängt immer von den wechselhaften Gesellschaftlichen Verhältnissen ab. Ob es Atome gibt, hängt dagegen nicht von den gesellschaftlichen Verhältnissen ab.

Aber ich schreib mir hier auch nicht die Finger wund, damit sich dann wieder die aufgeweckten kleinen Leutchen wie WeepingElf über die dummen Akademiker lustig machen können ... ja, Mensch, ich spiele RSP auch, weil es mir Spaß macht, und mir ist auch egal, ob Literatur dabei herauskommt oder nicht. Aber wenn man über die Frage diskutiert, sollte man das eben auch genau das ernsthaft tun, und nicht mit diesem dummdreisten "Mann seid ihr alle blöd"-Gestus ankommen, nur, weil man selbst nichts beizutragen hat.
Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: korknadel am 12.04.2010 | 12:06
Witzigerweise hat die Unterscheidung zwischen unterschiedlichen mündlichen sprachlichen Äußerungen im Hinblick auf ihr Literatur-Sein oder Nicht-Literatur-Sein durchaus zu Zeiten unsrer (literarischen) Altvorderen ganz anders ausgesehen. Irgendwo hier im Thread wurde zwischen der Chimäre der "mittelalterlichen Erzählung" die Bemerkung fallen gelassen, bestimmte mündliche Sprachäußerungen wären "nur" ein Gespräch. Den auf Fixierung fixierten Diskussionsbeiträgern wird man damit zwar nicht zu Leibe (oder besser: zu Sinne) rücken können, aber sehr interssant finde ich doch, dass bereits bei den klügsten Köpfen der Antike gerade das Gespräch als eine hohe "Literaturform" angesehen war. Weshalb Leute wie Platon das Gespräch so sehr geschätzt haben, hängt ja mit der ihm innewohnenden Dialektik zusammen, und genau diese Dialektik ist auch vonnöten, um die von Achamanian und Bitpicker gemeinte Differenzierungsfähigkeit aufzubringen.

Jedenfalls gibt es etliche, sehr prominente Beispiele dafür, dass selbst das Gespräch eine ungeheure literarische Relevanz besaß, sonst hätte man sich nicht die Mühe gemacht, Texte in diese Form zu kleiden oder gar Gespräche aufzuzeichnen, bzw. sie in Briefen an dritte "weiterzureichen" (am umfangreichsten dürften wohl Goethes Gespräche (nicht nur die mit Eckermann!) dokumentiert sein). So ist also auch das Gespräch letztlich eine mündliche Literaturgattung, die ähnlich wie kultische Gesänge, Reden, Predigten, Märchen, Legenden, Witze etc. den Sprung in die schriftliche Fixierung geschafft haben.

Zurück zum Rollenspiel: Jetzt bin ich einmal ganz kühn und behaupte (und darauf wollte ich ja auch in meinen letzten Posts schon hnaus), dass es noch ganz andere Arten der "Fixierung" gibt, als nur die Fixierung in einem Medium oder die im Gedächtnis eines Rezipienten, wie Eulenspiegel argumentiert. Dabei denke ich an gattungsspezifische und formale Fixierungen. Auch die mündliche Literatur besitzt ja mannigfaltige Gattungen, die sich nicht nur durch die Situation unterscheiden, in der sie entstehen, sondern auch formal. Wer zweihundert Witze gehört hat, kann die formalen Eigenheiten (z.B. geringe Textlänge, Präsens, schnörkellose Satzstruktur) sicher schnell umreißen und die Witze nach formalen (nicht nur inhaltlichen) Gesichtspunkten sogar in mehrere Untergattungen aufteilen: Der Frage-Witz, der Drei-Stufen-Witz, der Einzeiler, etc.

Mit derlei formalen Eigenschaften lassen sich die meisten mündlichen Literaturgattungen beschreiben. Und also behaupte ich, dass es eine formale Fixierung von mündlichen Sprachäußerungen gibt, die sie in den Stand von Literatur erheben. Selbst wenn ich also ein Gebet oder eine Predigt aus dem Stegreif spreche, also einen völlig neuen Inhalt erfinde, erfülle ich mit ziemlicher Sicherheit eine bestimmte formale Schablone (im Gebet zum Beispiel werde ich den angebeteten wahrscheinlich anreden, und auch wenn ich die Worte dafür völlig neu erfinde, erfülle ich doch den für die Literaturgattung Gebet erforderliche Form, die fixiert ist.)

Und auch wenn ich von einer selbst erlebten Begebenheit erzähle, die noch nie da war, wo es also keinerlei Vorlage gibt, kleide ich sie abends in der Kneipe vielleicht doch in die Form einer Anekdote, bediene mich also einer bestimmten Form und schaffe ein Werk einer bestimmten mündlichen Lteraturgattung, auch wenn das später niemals schriftlich fixiert oder weitererzählt wird.

Beim Rollenspiel handelt es sich freilich auch um eine solche Einmal-Literatur, das hat Bitpicker besser beschrieben, als mir das möglich sein wird. Aber, und darauf habe ich ja oft genug hingewiesen, werden von den Teilnehmern einer Rollenspielsitzung eine ganze Menge formaler Gattungsspezifika erfüllt (wie gesagt, sehr viel Präsens, sehr viel Rede in der zweiten Person, regelmäßiger Wechsel zwischen Narration, Dialog in real und in Figurenrollen, etc.).

Ganz zu schweigen, dass es selbst in Eulenspiegels Definition von "Bearbeitung einer Vorlage" schon aufgrund der Regeln und des jeweiligen Settings eine literarische Vorlage gibt. Und damit meine ich nicht, weil diese Bücher gedruckt sind. Sondern es gibt Versatzstücke wie in der Erzählertradition, wo Geschichtenerzähler aus einem Repertoire von Handlungsbausteinen schöpfen und daraus stegreifmäßig ihre Geschichten zusammenwerfen. So ist im Rollenspiel schon allein die Tatsache zum Beispiel, dass ein Plüschtier einen Wert für Karate besitzt, ein solcher Handlungsbaustein, denn der Erzähler (also Spieler) wird nicht auf die Idee kommen, sein Plüschtier in der entsprechenden Situation mit Pfeil und Bogen schießen zu lassen, weil Regeln und Hintergrund dies nicht vorgeben. Wenn es zum Kampf kommt, wird er auf Karate zurückgreifen, das ist gewissermaßen eine inhaltliche Vorgabe der Erzählung. Schon allein die Tatsache, dass es sich bei der Figur in diesem Falle um ein Plüschtier handelt, ist ein solcher Baustein. Den Einfluss dieser vorgegebenen Details selbst auf das freieste Rollenspiel ist sehr groß und müsste selbst den Fixierungsfanatikern ein wenig Wind aus den Segeln nehmen (was es aber, ich weiß es, nicht tun wird.)

Titel: Re: Ist das Ergebnis von Rollenspielsitzungen Literatur?
Beitrag von: Eulenspiegel am 12.04.2010 | 22:23
@ Korknadel
Dann würde mich mal interessieren, wo du persönlich den Unterschied zwischen Kommunikation und Literatur siehst:
Imho ist Literatur eine echte Teilmenge von Kommunikation.

Aber wie siehst du das: Benutzt du die beiden Begriffe synonym? Oder gibt es Kommunikation, die keine Literatur ist? Wenn ja, woran machst du fest, ob eine bestimmte Kommunikation jetzt Literatur ist oder nicht.

Zu den antiken Gesprächen:
Gerade die "Streitgespräche" zwischen Schüler und Lehrer wurden auch festgehalten und weiter überliefert. Diese Gespräche sind also Literatur.

Beispiel 1: Die normalen Gespräche
Schüler1: "Hallo!"
Schüler2: "Hallo, hast du die Hausaufgaben gemacht?"
Schüler1: "Nein, ich kam nicht dazu, gestern war ne großartige Feier."
Lehrer: "Ruhe, der Unterricht beginnt."

Dieses Gespräch wird wohl 10 Minuten nach Unterrichtsbeginn in Vergessenheit geraten sein. Die drei Leute haben zwar kommuniziert, die Kommunikation wurde aber nicht fixiert. Daher ist dieses Gespräch zwar Kommunikation, aber keine Literatur.

Beispiel 2: Bei den Streitgesprächen
Schüler: "Lehrer, woher weist du, das die Erde rund ist?"
Lehrer: "Na weil man bei einem Schiff zuerst die Mastspitze sehen kann. Das lässt sich nur durch eine Runde Erde erklären."
Schüler: "Ja, aber müssten wir dann nicht auf der anderen Seite runterfallen?"
Lehrer: "Nein, denn..."

Diese Form der Gespräche wurde später mehrmals rezitiert. Es ist sogar unklar, ob dieses Gespräch jemals wirklich stattgefunden hat, oder ob sich der Lehrer das "Gespräch" einfach ausgedacht hat, um einen Sachverhalt zu verdeutlichen.
Daher ist dieses "Gespräch" auch Literatur.

Und ich denke, Platon hat die zweite Form von Gespräch gemeint, wenn er von Literatur sprach.

Aber wollen wir uns nicht hinter antiken Denkern verstecken. Was denkst du? Sind beide Gespräche in deinen Augen Literatur? Oder nur eines oder keines?
Und egal, wie deine Antwort ausfällt: Warum?

Zitat
Jedenfalls gibt es etliche, sehr prominente Beispiele dafür, dass selbst das Gespräch eine ungeheure literarische Relevanz besaß, sonst hätte man sich nicht die Mühe gemacht, Texte in diese Form zu kleiden oder gar Gespräche aufzuzeichnen, bzw. sie in Briefen an dritte "weiterzureichen" (am umfangreichsten dürften wohl Goethes Gespräche (nicht nur die mit Eckermann!) dokumentiert sein).
Du vertauscht hier Ursache und Wirkung:

Falsch: "Weil das Gespräch literarisch ist, wurde es aufgezeichnet."

Richtig: "Weil das Gespräch aufgezeichnet wurde, ist es literarisch."

Eine Korrelation ist sicherlich vorhanden. Aber bitte nicht Ursache und Wirkung verwechseln. ;)