Ich habe hier den Eindruck, dass Du gerade zwei verschiedene Wörter getrennt voneinander erklärt hast, aber jeweils der gleiche Sachverhalt zugrunde liegt.
Die Hauptsache ist: Die Vorstellung der fiktiven Situation nimmt dabei, zu einem gewissen Grad, den emotionalen Stellenwert einer quasi-realen Wahrnehmung der Situation ein.
Auch ist ein Flow für diese Immersion nicht notwendig,
Eine vollständige Vertiefung ins Rollenspiel (bei Dir Flow genannt) ist für mich gleichbedeutend mit der Vorstellung einer fiktiven Situation mit quasi-realer WahrnehmungstiefeIch glaube dir (und anderen) sofort, dass das bei dir gleichbedeutend ist, aber es muss eben nicht so sein. Erstmal ist eine Vertiefung ins Rollenspiel noch kein Flow (wir wollen man den Psychologen ihren schönen Begriff nicht kaputt machen ;)), da muss noch was dazu kommen. Flow ist eben nicht ein Synonym für Spaß, oder Aufmerksamkeit, das darf man nicht so verengen. Es gibt auch durchaus Flow ohne Immersion, auch beim Rollenspiel. Das Problem das zu unterscheiden liegt wahrscheinlich darin, dass ein Flow auch sehr leicht das Gefühl der Immersion induziert, insofern haben die wohl miteinander zu tun. Wenn ich beim Rollenspiel einen Flow bezüglich der Schaffung von Fiktion erlebe, wird es schwer fallen sich nicht gleichzeitig zumindest teilweise oder vorübergehend auch in der fiktiven Situation präsent zu fühlen. Flow erleichtert gewissermaßen die Immersion für manche bis hin zum Automatismus. Flow ist auch durchaus dazu geeignet Immersion deutlich zu vertiefen.
Meiner Meinung bzw. Auslegung nach bezieht sich die Immersion nicht notwendigerweise, und nichtmals vorder wiegen, auf das eintauchen in eine _fiktive_ Situation.Genau das ist eben eher Flow oder The Zone, oder wie man es sonst nennen mag. Minus die Konzentration; Flow beinhaltet meines Wissens nach eher ein Element der Konzentrationslosigkeit.
Ich sehe Immersion als das bedingungslos, konzentrierte eintauchen bzw. aufgehen in einen eingeschraenkten respektive konzentrierten Taetigkeits Bereich.
Meiner Meinung bzw. Auslegung nach bezieht sich die Immersion nicht notwendigerweise, und nichtmals vorder wiegen, auf das eintauchen in eine _fiktive_ Situation.Die Situation muss nicht rein fiktiv im Sinne von "rein gedanklich" sein, es kann auch ein Bild, ein Film, eine multimediale, virtuelle Welt, oder so was zur Hilfe genommen werden, was für viele die Immersion erleichtert. Man darf aber nicht vergessen dass es dabei nicht unbedingt auf Detailiertheit ankommt.
Ich sehe Immersion als das bedingungslos, konzentrierte eintauchen bzw. aufgehen in einen eingeschraenkten respektive konzentrierten Taetigkeits Bereich.Genau das ist aber Flow (http://de.wikipedia.org/wiki/Flow_%28Psychologie%29), wovon ich hier versuche abzugrenzen. Flow bezieht sich auf Handlung und Motivation, Immersion auf Wahrnehmung, und da ist nicht direkt die Wahrnehmung der Tätigkeit oder die Selbstwahrnehmung gemeint.
Flow bezeichnet einen Zustand, bei dem man sich völlig in eine Tätigkeit vertieft, dabei die Umgebung vergisst, Zeit verändert wahrnimmt, und sich allein dadurch gut fühlt nur diese Tätigkeit auszuführen.Ich habe das Wort markiert, das ich für einen Schlüssel zum Verständnis halte. Der Kern des Flow ist die Handlung. Der besondere Charakter der Handlung (nicht zu leicht, nicht zu schwer, Ausblenden von allem anderem usw.) führt zu einer besonderen Empfindung, die die Handlung begleitet.
Die Hauptsache ist: Die Vorstellung der fiktiven Situation nimmt dabei, zu einem gewissen Grad, den emotionalen Stellenwert einer quasi-realen Wahrnehmung der Situation ein.Hier sind die Schlüsselbegriffe bereits vormarkiert. Es beginnt mit der Wahrnehmung. In der besonderen Wahrnehmung der fiktiven Situation kann man natürlich handeln - das unterscheidet Rollenspiel vom Filmegucken, wo man ausschließlich wahrnimmt. Aber selbst wenn man in der besonders wahrgenommenen Vorstellung handelt, der Kern von Immersion ist die Wahrnehmung.
Es ist das Eintauchen in die fiktive Situation selbst, das hat einen situativen, also auch räumlich, zeitlichen Aspekt. Ein Charakter kann dazu als Vehikel verwendet werden, muss aber nicht.Ich bin von dem Ansatz nur teilweise überzeugt. Ich habe in vielen Diskussionen den Begriff "Immersion" immer als "Immersion in einen Charakter" erklärt bekommen. Es wurde von selbsternannten "Immersionsspielern" immer wieder behauptet, dass dies der wichtigste und auch ein unerlässlicher Aspekt von Immersion sei. Zum Teil haben wir das hier schon mal diskutiert (nur weil es 4 Jahre alt ist, ist es nicht schlecht ;) ):
Ich bin von dem Ansatz nur teilweise überzeugt. Ich habe in vielen Diskussionen den Begriff "Immersion" immer als "Immersion in einen Charakter" erklärt bekommen.Immersion funktioniert auch in anderen Medien über Charaktere. In Rollenspielen muss man sich im Regelfall keine Gedanken darüber machen, wer die Identifikationsfigur ist.
Ist die Trennung von wahrnehmungslastigen und handlungslastigen Abläufen denn wirklich so relevant für die Definition von Flow bzw. Immersion?Zu den kognitiven oder neuronalen Mechanismen kann ich natürlich wenig sagen, da bin ich nicht der Experte. Da ist es aber sowieso schwierig zu sagen was "ein" Mechanismus ist (ich meine es findet schon mal alles größtenteils im Hirn statt ;D ).
Oder liegen nicht vielmehr dieselben kognitiven Mechanismen zugrunde?
Ich habe in vielen Diskussionen den Begriff "Immersion" immer als "Immersion in einen Charakter" erklärt bekommen.Ja, das habe ich nur kurz gestreift. Die Telepräsenz ist für Charakterimmersion schon mal notwendige Bedingung. Charakterimmersion ist also noch spezieller. Dass die meisten Rollenspieler davon berichten, dürfte daran liegen, dass die meisten Charaktere spielen und meistens auch noch immer den gleichen.
Oder liegen nicht vielmehr dieselben kognitiven Mechanismen zugrunde?Ich glaube nicht. Aber mir fehlen die Beweise. :-\
(Automatisches Ausblenden störender Informationen aus der Umgebung, Unterdrückung von Metakognitionen, erhöhte Aktivierung des Frontalhirns,...)
Im Zweifel ist Flow eben doch eine notwendige Bedingung für Immersion, wobei die aber trotzdem so viel spezifischer ist dass Flow viel zu wenig sagt. Wir haben dann einen Flow der sich speziell auf Fiktion und dort speziell auf den situativen Aspekt bezieht.
Ich glaube bei Flow muss eine herausfordernde Handlung vorhanden sein. (Handlung als bewusstes, zielgerichtetes Verhalten.) Die darf nicht unterbrochen sein. Ich denke also, das Flow immer vorraussetzt, das man aktiv handelt. Reines Passives Rezipieren kann dann kein Flow sein, und auch wenn passives Erleben zeitweise vorkommt, ist es schon kein Flow.Exactomundo.
Außerdem spielen Emotionen hier eine andere Rolle als beim Flow. Sie sind deutlich vielfältiger, man kann sich beispielsweise in total schreckliche und traurige Situationen immersieren. Solche Gefühle sind beim Flow ausgeschlossen.Sehe ich genauso. Alles was man wahrnehmen kann, kann man auch in der Imersion erleben. Durch die Einstufung als Wahrnehmung vermeidet man eine distanzierte, analytische oder allzu dissoziierte Betrachtung des Geschehens, mit (fast) allen Konsequenzen die das haben kann.
Bei Immersion muss es irgendwas geben, das dafür sorgt, dass das beschriebene Medium (Char, Spielwelt, Film, Buch, was auch immer) den Immersierenden einsaugt. Es muss eine Passung zwischen Medium und Individuum geben.Ja, zwei Elemente die diese Bindung erzeugen habe ich schon angerissen:
Erstens braucht es Eindrücke (oder deren Schilderung), die der unmittelbaren, sinnlichen Wahrnehmung des Menschen adäquat sind.Genauer genommen dem Individuum und nicht dem Menschen allgemein. Das gesprochene Wort als Eindruck ist allen Menschen zugänglich. Aber die gleiche gesprochene Beschreibung wirkt auf die eine Person stark und die andere gar nicht. Superheldengeschichten nach USA-Stil mögen seinen Anhängern problemlos einen immersiven Zugang ermöglichen, bei mir regt sich dabei nichts. Es muss also zum Individuum passen, und zwar nicht nur "mechanisch" (-> Sprache verstehen reicht nicht). Und da können wir meiner Meinung nach ein paar Punkte einkreisen:
Das gesprochene Wort als Eindruck ist allen Menschen zugänglich. Aber die gleiche gesprochene Beschreibung wirkt auf die eine Person stark und die andere gar nicht.Mit Sinnesadäquatheit meinte ich in erster Linie erst mal, dass überhaupt Sinneseindrücke beschrieben werden, oder zumindest solche Informationen die Sinneseindrücke erschließen lassen. Die Art der Vermittlung dieser Inhalte ist im Rollenspiel ja sehr begrenzt auf Möglichkeiten der Kommunikation unter Menschen. Es ist aber z.B. natürlich sinnesadäquater zu (schau)spielen wie sich ein Charakter verhält (weil dabei visuelle Information direkt vermittelt werden), als es nur zu erzählen.
Wir haben im Prinzip die Erklärung, warum alle erfolgreichen Geschichten immer nur Abwandlungen von ein paar immergleichen Strukturen sind. Und zwar psychologischer Strukturen. Solche Geschichten ermöglichen die Immersion. Weil sie im Kern eine Struktur haben, die jeder von uns als entwicklungspsychologische und emotionsgeladene Erfahrung mit sich trägt, bieten sie sowohl eine emotionale Anknüpfung als auch das Gefühl von Kohärenz.Ja, finde ich eine gute Erklärung. Nur geht das natürlich weit über Immersion hinaus und betrifft das gesamte menschliche Denken und Empfinden. So ist übrigens Narrativismus definiert (über "menschliche" Themen).
@ Alice
Was du beschreibst klingt für mich zwar nach Flow, aber wo ist das das Immersionserlebnis, wo ist die Telepräsenz?
@ WulfhelmNur einen Kumpel, der das studiert und mir so erklärt hat.
Bist du Psychologe? Wir brauchen hier Bestätigung von Autoritäten ;D Oder hast du Quellen?
Ist die Trennung von wahrnehmungslastigen und handlungslastigen Abläufen denn wirklich so relevant für die Definition von Flow bzw. Immersion?Ja! Schon in der Theorie ist die Trennung der Handlungs- und Erlebensachse so relevant wie die Trennung von Tag und Nacht. Im verlinkten Paper gibt es dazu einen kleinen Nebenbefund. In einer der Studien wurde zur Kontrolle nicht nur der Einfluss von positiven Affekt auf den Flow untersucht, sondern auch der Einfluss von negativem Affekt. Wie erwartet gab es keinen Zusammenhang zwischen negativem Affekt und Flow. Die "Flow-Achse" ist die Handlungsachse. Negativer Affekt hat hier keine Steuerfunktion.
Dass Immersion weniger mit Handeln und mehr mit Wahrnehmung zu tun hat, hatten wir schon weiter oben festgestellt. Wir wissen nun, dass Flow sehr eng mit der Handlungsachse verknüpft ist und die Elemente der Wahrnehmungsachse keinen Einfluss auf den Flow haben. Für Immersion können wir folgerichtig annehmen, dass sie mit der Wahrnehmungsachse verbunden ist und die Handlungsachse keinen Einfluss darauf nehmen wird.Also kann man sagen, der LARPer ist im Flow, der Fernsehzuschauer ist in der Immersion und der Pen&Paper RPGler ist irgendwo dazwischen: Geringerer Input als beim Fernsehen oder Bücherlesen und weniger Output als beim LARP.
Also kann man sagen, der LARPer ist im Flow, der Fernsehzuschauer ist in der Immersion und der Pen&Paper RPGler ist irgendwo dazwischen: Geringerer Input als beim Fernsehen oder Bücherlesen und weniger Output als beim LARP.Es muss wohl nicht so sein, aber die Möglichkeit besteht, dass das überdurchschnittlich häufig anzutreffende Kombinationen sind. Beim Fernsehen ist man als passiver Konsument wohl tatsächlich auf Immersion festgenagelt. Beim LARP kann es beides geben. Immersion beim LARP äußert sich darin, in der Fantasiewelt aufzugehen. Bei p&p gibt es ebenfalls beides. Wichtig bei Immersion ist nicht die größtmögliche Menge des Inputs, sondern dass der vorhandene Input genau der maximalen Verarbeitungskapazität (bzw. Einordnungskapazität) entspricht. Der limitierende Faktor ist die Verarbeitungskapazität, der Input muss sich daran anpassen. p&p steht daher nicht unbedingt im Nachteil, was das Auslösen der Immersion angeht. Probleme ergeben sich eher aus organisatorischen Punkten. Mehrere Spieler stören sich gegenseitig daran, sich in Ruhe auf die Wahrnehmung zu konzentrieren. In dieser Hinsicht hat ein Buch oder ein Film die besseren Karten.
Btw, bei der Studie geht es um achievement flow. Das heißt, es kann noch eine Reihe von anderen Flows geben, die mit dem achievment flow eher wenig zu tun haben und auch anders ausgelöst werden können.Flow ist seit jeher und per Definition ein achievment Flow. Das Wechselspiel zwischen anspruchsvoller Zielsetzung und ihrer Gerade-noch-Bewältigung ist genau das Themengebiet von achievment. In populären Darstellungen wird die definitorische Koppelung von Flow an das Leistungsmotiv nicht immer hervorgehoben.
Was ist Hyperfokus?Tja diese Frage stellst Du Dir nicht allein. Ein typische Sysmptom bei AD(H)S das genausowenig verstanden ist, wie der Flow.
Eine These, die ich abschließend noch zu Immersion habe, möchte ich noch aus meiner Erfahrung heraus anbringen: [....]Goldrichtig ist die Unterscheidung zwischen Reinfühlen und Reindenken. Nur das Reinfühlen ist der Immersion dienlich. Rationalisieren hingegen steht der Immersion entgegen.
Immersion ist prinzipiell bei mir (und ich denke das trifft auch auf viele andere Spieler zu) eine emotionale Sache. Es ist mehr ein "Reinfühlen" als ein "Reindenken".
Insofern habe ich die intensivsten Immersionsphasen auch in In-Game-Situationen gehabt, die meinen SC auf einer emotionalen, moralischen, sozialen Ebene angesprochen haben – und diese Szenen sind in den meisten RPGs weit abseits dessen, was mit dem realistischen Regelwerk abgebildet wird: Wo man einen Gefallenen beweint, einen ehemaligen Freund verstößt, den ersten Kuss mit der Liebsten hat, eine Entscheidung zwischen zwei undenkbaren Alternativen abwägen muss, einen Plan aufgehen oder verfallen sieht... da schlägt die Immersion bei mir gnadenlos zu. Einfach weil ich das Gefühl habe: Diese Figur, die ich gerade verkörpere ist menschlich. Sie hat Ziele, Wünsche, Hoffnungen. Sie hat Dinge, die ihr wichtig sind. Sie hat Dinge, die sie hasst. Dieses Gefühl von Verbundenheit und Identifikation mit der Figur und mit der Synchronisation ihrer Gedankenwelt mit der meinen erreiche ich nicht darüber, dass das Schwert der Figur realistischerweise +3W Schaden macht. Das erreiche ich voll über den Faktor des "Hineintauchens" als eines "Hineinfühlens" und nicht eines "Hineinrationalisierens". Sämtliche denkwürdigen Szenen, in denen ich starke Immersion verspürte, waren von dieser Art.
Möglicherweise ist meine Beobachtung von oben doch korrekt: Spieler, deren SoD ihnen bei der Immersion in den Weg kommt, denken zu stark auf einer übergeordneten Ebene (und damit genauso außerhalb der Figur wie die Meta-Regel-Fans). Ob ein Auto explodiert oder jemand Superkräfte hat oder Magie in der Welt ist: Das macht keinen Unterschied für die Gedanken- und Gefühlswelt der Figur, in die ich mich hineinversetze. Immersion geht ohne Realismus, weil die Bereiche, in denen ich, und viele andere, mit denen ich das Vergnügen hatte zu spielen, ihren immersionistischen Zugang außerhalb der Regeln finden. Wenn man merkt, dass es der Figur um was geht, dann findet man auch in sie hinein.
Fazit: Das Reindenken steht der Immersion bestenfalls nicht allzu sehr im Weg; in der Regel stört es die Immersion, weil es das Reinfühlen behindert. Das Reinfühlen wiederum ist elementar für Immersion.