Ui, inspiriert durch diesen Thread (http://tanelorn.net/index.php/topic,73300.msg1488432/topicseen.html#new) habe ich mich an meinen alten Impro-Faden erinnert. Ein Thema das mir persönlich nach wie vor viel Spaß bereitet. Deswegen buddel ich tief in der Kiste und schmeiße mal wieder was Neues in den Raum...
Übung: Drei in des toten Manns Kiste
Kategorie: Kooperatives Erzählen
Ziel: Blockieren der Mitspieler vermeiden, Konflikte improvisieren
Ursprung: Meine Theater-Spielleiterin (zumindest wusste sie nicht, ob sie es irgendwo gelesen hatte...)
Beschreibung
Wir haben drei Leichen, jeder wird ein Spieler zugewiesen. Wir wissen, dass sie am gleichen Ort gefunden wurden und bei allen ist die Todesart zu erkennen. (Diese Fakten kann der SL vorgeben oder die anderen Spieler dürfen sie bei einer ersten Untersuchung improvisieren. Auch Alter, Geschlecht, Kleidung, Beruf usw. könnten aus dem Stehgreif geschöpft werden.)
Nun dürfen die drei Verstorbenen sprechen. Sie habe keinen Schimmer davon, was im letzten Augenblick vor dem Tod geschah. Aber ansonsten erinnern sie sich sehr lebhaft daran, wie ihr letzter Tag ablief. Und sie brennen darauf, davon zu erzählen. Sie reden durcheinander und erzählen so immer nur ein Stück, bis ein anderer von ihnen das Wort an sich reißt. (Bei zu viel Chaos können die übrigen SC moderieren.)
Ergebnisse
Die Spieler schaffen als die Verstorbenen Fakten und müssen sich dabei Zwangsweise an die Vorgaben der Vorredner halten. Auch dieses Spiel schärft das Verständnis dafür, wie Ideen und Erzählungen entstehen, ohne die Metaebene zu betreten. Gleichzeitig fordert die Übung die Eskalation einer Situation bis zum Äußersten. Komfort-Zone (als Ursache für Langeweile) ist nicht! :ctlu:
Im Rahmen eines Abenteuers wird den Spielern klar, wie sehr sie selbst die Erzählung mitgestaltet haben und Verantwortung für sie tragen.
Einsatz
Im Spiel handelt es sich natürlich um die Eröffnung eines Krimi-Abenteuers. Tatsächlich ist ein übernatürliches Setting Pflicht und der Rahmen ist (wer hätte es gedacht) eine Séance. Wenn kein SC über entsprechende Fähigkeiten verfügt, so gibt es einen SLC als Medium. Diese Figur sucht dann auch jene SC aus, die an der Sitzung teilhaben ("richtige Schwingungsebene - deine Aura pulsiert").
Mit der Übung habe ich bereits dreimal völlig unvorbereitet Spielabende begonnen, die in meiner Wahrnehmung sehr gelungen verliefen.
Erneute Threadnekromantie - aufgrund intensivierter Beschäftigung mit dem Thema meinerseits...
Übung: How I met my brother
Kategorie: Charakterentwicklung
Ziel: Charaktere kennen lernen und vertiefen; Gruppendynamik aufbauen
Ursprung: Ich (wobei ich ganz schlicht auf die Praxis der improvisatorischen Szenenfindung aufbaue)
Beschreibung
Ein/e Spieler/in versetzt sich mit ihren Charakteren ans Lagerfeuer / in die Taverne / in das Büro eines Auftraggebers / in einen Flirt. Dann eröffnet sie/er eine Erinnerungsszene - mit der Auflage, dass sie mindestens einen weiteren SC mit einbinden. Betrachtet es als "Scene-Framing". Eine gute Eröffnung ist: "Weißt Du noch, als wir damals..."
Die Geschichte wird nach einem kurzen Aufhänger rollenspielerisch dargestellt. Ob Ihr Regeln benutzt oder weg lasst, ist jeweils Eure Sache - die Charaktere können zumindest nicht sterben. (Ist ja schon lange her, nicht wahr?)
Wichtig ist es, die Szenen regelmäßig zu wiederholen. Vielleicht werden sie von einem dritten Spieler dazu aufgefordert: "Erzählt doch nochmal von..." Aus diesen Erinnerungen soll sich nach und nach eine Art Tagebuch-Collage entwickeln. Die Szenen dürfen und sollen immer wieder variieren (auch stark). Es handelt sich hier nicht um irgendwas Verlässliches, sondern um Erinnerungen - noch dazu die Erinnerungen einer Heldengruppe, die von sich erzählt...
Ergebnisse
Die Spieler schaffen eine gemeinsame Vergangenheit der SC, bei der sie außerdem kommunizieren, was sie sich als Erlebnisse für die Gruppe vorstellen (Flags). Die SC-Gruppendynamik wird aufgebaut und die ganze Runde wirkt echter. Vor allem aber dient die Erinnerung als vogelfreier Raum. Hier können Szenen (und damit Charaktere) ungehemmt wiederholt erprobt werden - eine hervorragende Methode die Persönlichkeit der Figur zu entwickeln und kennen zu lernen. Tatsächlich halte ich den Effekt für deutlich stärker, als immer nur neue Szenen zu erfahren (wie im traditionellen Rollenspiel).
Bei der Arbeit im Theater (eigentlich in jedem typischen Probenplan), wird wie selbstverständlich ein und dieselbe Szene immer wieder auf den Seziertisch gelegt, abgeändert und variiert. Gerade die Möglichkeit vor derselben Ausgangssituation ein anderes Verhalten zu erproben, kann sehr viel über meinen Charakter enthüllen.
Ich habe eigentlich nichts gegen das Wiederholen von Szenen im direkten Spiel, aber diese Methode scheint auf mehr Konsens und weniger Hemmungen zu treffen. Es ist ja das, was mein Charakter erzählt... nicht was ich beschreibe... ;)
Der Effekt lässt sich übrigens auch schön auf die Spieler-Gruppendynamik ausweiten, indem nach den Erinnerungen kurze, nicht wertende Feedbacks gegeben werden:
"Ich glaube ich erinnere mich anders..." / "Ihr hatten anscheinend viel Spaß an..." / "Wichtig erschien mir folgende Handlung..." / "Gefühle die ich gesehen habe..." usw.
Einsatz
"How I met my brother" (der Name ist neu) war ursprünglich mein Tool nach der Charaktererschaffung. Jeder SC musste am Lagerfeuer eine Erinnerung anreißen. Es durfte übertrieben oder realistisch sein. Wichtig war herauszuarbeiten, wie der eigene SC einen Weiteren beim ersten Treffen wahrgenommen hat.
Dann ging ich dazu über, immer zwischen zwei Abenteuern Erinnerungen einzubauen; egal ob aus der Zeit vor oder während der Kampagnen. Spieler durften sich von Mitspielern besonders gelungene Erinnerungen wünschen oder neue Einfälle einbringen und selbst "SL spielen" - bzw. einfach drauf los erzählen und sich gegenseitig ins Wort fallen. Die Szenen bekamen einen Namen, wurden auf eine Liste gesetzt und immer mal wieder hervor gekramt. (Ich betone wiederholt: das Wiederholen von Szenen ist der Kerngedanke der Sache!)
Andere Mitspieler dürfen gerne Nebenrollen übernehmen: "Ach ja, und dann war da diese griesgrämige, aber hübsche Bardame..." -> *deutet auf Spielerin X*. Manchmal hat sogar jemand "die Würfel" gespielt.
Das Feedback (siehe oben) gab es eigentlich immer. (Ich halte es auch für denkbar für besonders oft geforderte Szenen Schicksal, Erfahrung, Styledice oder eine andere mechanische Belohnung zu vergeben.)
Mein Zeitlimit für jede Erinnerung war fünf Realminuten, dann haben die lauschenden SLC unterbrochen oder nicht mehr zugehört. Aber das muss wohl in jeder Gruppe neu erprobt werden.