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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspiel- & Weltenbau => Thema gestartet von: Tudor the Traveller am 31.10.2011 | 11:23
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Hallo :T:,
ich denke seit geraumer Weile darüber nach, was ein Setting haben müsste, damit es sich märchenhafter anfühlt. Alle Fantasy-Settings, die ich kenne, und mögen sie noch so phantastisch sein, lassen den Zauber des Märchenhaften irgendwie doch vermissen.
Wodurch zeichnen sich Märchen also aus? Im Prinzip bietet die Fantasy alles, was man braucht - Hexen, Könige, Zauberer, Zwerge, Elfen usw. aber es kommt imo kein Märchen zustande. Woran liegt das bzw. was müsste man machen, damit man das bekommt?
Als Beispiele denke ich da u.a. an:
die Unendliche Geschichte
der Dunkle Kristall
Stardust
(oder auch Shrek)
Ein "Problem" könnte sein, dass sich die Fantasy zu ernst nimmt. Wenn man versucht, alles logisch bzw. kausal zu erklären, nimmt man dem "Zauber" den Raum...
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In Märchen gibt es hauptsächlich Klischees:
- der gute und weise König
- die unschuldige und gutaussehende Prinzessin
- der edle Prinz
- die böse Stiefmutter
Desweiteren hat die Hauptperson einen Namen. Alle anderen Figuren werden nicht mit Namen sondern mit ihrer Funktion angesprochen (König, Stiefmutter etc.)
Ein Märchen hat immer eine ziemliche schwarz-weiß Moral. Entweder die Hauptfigur handelt die ganze Zeit moralisch, oder aber die Hauptfigur handelt am Anfang falsch, sieht ihren Fehler ein und handelt daraufhin richtig (Beispiel Froschkönig).
Sex findet nicht direkt statt sondern wird verklausuliert.
Märchen erzählen nicht von Kriegen sondern entweder vom Leben am Hof oder vom Leben der normalen Dorfbevölkerung. Daher kann in einem Märchen zwar durchaus ein tapferer Ritter auftauchen. Seine Heldentaten werden aber nicht thematisiert: Es wird gesagt, er hat Heldentaten vollbracht. Welche das sind, bleiben dem Zuhörer/Mitspieler aber verborgen.
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IMHO ist das hauptsächliche Abgrenzungsmerkmal von Märchen zur 'normalen' Fantasy der Verzicht auf kausalität, der Mangeln an Information, die Beschränkung auf ein einziges Ereignis und schließlich die Reduktion der Charaktere auf einen Aspekt.
Darum halte ich Märchen für kein erstrebenswertes Genre (oder nur in dem ontext, in dem man 'Kleine Ängste' oder 'Smurfs' Speilen würde).
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Ein "Problem" könnte sein, dass sich die Fantasy zu ernst nimmt. Wenn man versucht, alles logisch bzw. kausal zu erklären, nimmt man dem "Zauber" den Raum...
Ich sehe das Problem eher darin, dass es bei Märchen gewisse Punkte gibt, die vorgegeben sind, und deswegen mit der Offenheit von normaler Fantasy kollidieren. Märchen spielen stets in einer fiktiven Welt, Märchen haben stets ein Happy End, Märchen haben oft etwas mit Familie zu tun und nicht selten enthalten sie noch einen sozialen Aspekt (der arme Bauerssohn, der zum reichen Prinzen wird). Nicht zu vergessen, dass Märchen für Kinder geschrieben bzw. adaptiert wurden-und diese kindgerechte Sprache ist ja auch ein Merkmal von klassischen Märchen. Dieses eher kindhafte(nicht zu verwechseln mit naiv!)beisst sich vermutlich auch mit der normalen und ansonsten eher ernsten und düsteren Fantasy, die wir zumeist in Rollenspielen haben.
Alle Fantasy-Settings, die ich kenne, und mögen sie noch so phantastisch sein, lassen den Zauber des Märchenhaften irgendwie doch vermissen.
Hast du dir schonmal Castle Falkenstein angesehen?
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Märchen spielen stets in einer fiktiven Welt, Märchen haben stets ein Happy End, Märchen haben oft etwas mit Familie zu tun und nicht selten enthalten sie noch einen sozialen Aspekt (der arme Bauerssohn, der zum reichen Prinzen wird).
Nope. Es muss nicht immer ein Happy End geben.
In der Original-Version des Froschkönigs sieht der Prinz, wie egoistisch die Tochter war und verlässt sie, um alleine zum Schloß zurückzukehren.
Bei der französischen Version von Rotkäppchen (Le Petit Chaperon rouge) endet das Märchen damit, dass Rotkäppchen vom Wolf gegessen wird.
Das Happy End wurde jeweils nachträglich hinzugefügt, um das Märchen kindgerechter zu gestalten. Die Originalmärchen sind überhaupt nicht kindgerecht sondern sind Erzählungen von Erwachsenen für Erwachsene.
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Klingt komisch, aber: ich hatte viele Ideen zum Märchenplot aus den paar Seiten der Nostria/Andergast beschreibung aus dem DSA 4.1 Basisregelwerk.
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Klingt komisch, aber: ich hatte viele Ideen zum Märchenplot aus den paar Seiten der Nostria/Andergast beschreibung aus dem DSA 4.1 Basisregelwerk.
Klingt für mich gar nicht komisch. DSA bzw Aventurien trägt einige Züge, die mich an Märchen erinnern; es hat an einigen Stellen imo sehr klischeehafte, fast schon naive Elemente. Das ist mir schon früher aufgefallen.
Castle Falkenstein werde ich mir mal ansehen, danke.
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Dem Statement über den "märchenhaften" Eindruck von DSA kann ich nur sehr zustimmen. Ebenfalls dem bei Castle Falkenstein, wobei man hier für Märchen natürlich den jules-vernigen und "politischen" Part streichen muss. Man nehme einfach die ganze Sammlung der märchenhaften Feengestalten und das romantisierte Europa das 19. Jahrhunderts (das für´s Märchen garnicht so sehr ausdefiniert zu sein braucht), dann passt CF für Märchen schon sehr sehr gut. Das es bei CF eben halt mal nicht das Mittelalter ist, tut dem ganzen keinerlei Abbruch. Die allermeisten Märchenfilme spielen ohnehin nicht im "echten" Mittelalter und es tut der Märchenstimmung nicht den geringsten Abbruch, wenn der dicke Bürgermeister mit Frack, Schärpe und Zylinderhut rumläuft oder der edle Prinz statt mittelalterlicher Gewandung ne fesche Uniform mit polierten Knöpfen (schaut ohnehin besser aus, als wenn er mit Schnabelschuhen rumrennen würde ;) )
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Klingt für mich gar nicht komisch. DSA bzw Aventurien trägt einige Züge, die mich an Märchen erinnern; es hat an einigen Stellen imo sehr klischeehafte, fast schon naive Elemente. Das ist mir schon früher aufgefallen.
Karl May meets Reinhard Mey ;D
Ich denke, dass DSA (auch in Form von Drakensang 1) sehr märchenhaft ist.
Dennoch ist es an Dir als SL, die Stimmung zu transportieren. Ein System wird Dich da kaum stützen.
Kennst Du das System "Grimm" oder auch "Agone"? Die sind relativ märchenhaft.
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...wobei "Grimm" die Märchenthematik recht düster präsentiert. Stellt sich natürlich die Frage, ob man es düster haben will. Ähnliches gilt, wenn auch in wesentlich geringerem Maße, für Agone, das sich sicherlich auch etwas heller bespielen lässt.
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Ich glaube, mit System, Genre und Setting hat das gar nicht so viel zu tun. Es ist eher der Inhalt einer Geschichte, die ein Märchen ausmacht. Ich kann mir da momentan kaum etwas anderes vorstellen, als eine ziemliche Begrenzung der NSC (sowohl in Anzahl als auch in Art und Weise), der SC-Archetypen und der möglichen Handlungsweisen. Ob die Stimmung transportiert wird, entscheidet ja die Runde selbst.
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Naja, Genre und Setting haben damit insofern schon was zu tun, als das es bestimmte Settings und Genres gibt, die Märchenthemen zuträglicher sind als andere, da sie näher an den Erwartungen sind, die man an "Märchen" stellt. Mit Geduld und Spucke bekommt man sicherlich auch in Dark-Heresy, Eclipse Phase oder Hot War Märchenhaftes hin - aber mit anderen RPGs ginge es halt wesentlich besser :)
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In "DnD with Pornstars" gibts dazu einen ganz interessanten Beitrag:
http://dndwithpornstars.blogspot.com/2011/04/nothing-is-fluff-in-fairy-tale.html
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...wobei "Grimm" die Märchenthematik recht düster präsentiert. Stellt sich natürlich die Frage, ob man es düster haben will. Ähnliches gilt, wenn auch in wesentlich geringerem Maße, für Agone, das sich sicherlich auch etwas heller bespielen lässt.
Ich finde Märchen gar nicht so kunterbunt und hallali. Sie sind allesamt irgendwie tragisch, verwunschen und haben ziemlich üble Subplots. Hexen, tausendjähriger Schlaf, Gefangenschaft, Folter, usw, usf...
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Ich finde Märchen gar nicht so kunterbunt und hallali. Sie sind allesamt irgendwie tragisch, verwunschen und haben ziemlich üble Subplots. Hexen, tausendjähriger Schlaf, Gefangenschaft, Folter, usw, usf...
Großmutterfressender Wolf, kinderfressende Hexe, Eltern setzen ihre Kinder zum Verhungern im Wald aus... mal ehrlich, die meisten dieser Geschichten müssten eigentlich als Horrorfilme im Fernsehen nach 22 Uhr laufen.
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Ich denke das Tudor eher sowas wie "Shrek" nachspielen möchte und nicht "Hänsel und Gretel"
Dazu würde schonaml eine "Bier & Bretzel" Gruppe besser passen als das "ernste" spiel was man sonst so betreibt.
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Eigentlich ja - wobei man natürlich auch noch zwischen den Originalmärchen und den heute "kinderzahm" gemachten Märchen unterscheiden sollte. Mir ging es auch weniger um "kunterbunt" und "hallali", als eher darum, dass der "Grim-Dark-Stil", den nicht wenige RPGs pflegen, am "Feeling" von Märchen IMHO etwas vorbei geht, da helle Flecken oftmals fehlen. Märchen sind düster - aber eben nicht mit jeder Faser.