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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Spielleiterthemen => Thema gestartet von: Achamanian am 7.02.2015 | 11:58

Titel: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 7.02.2015 | 11:58
"Kulissenschieben" wird ja, soweit ich das mitbekomme, vor allem als Railroading-Technik diskutiert - der SL entscheidet beispielsweise an der Weggabelung, dass es egal ist, welchen Weg die SC einschlagen, er wird immer zum gewünschten Ziel führen. Die Entscheidung der Spieler wird dabei entwertet, weil sie keine Konsequenzen für den Spielverlauf hat.

Was ich noch nicht entdeckt habe, ist eine Diskussion übers Kulissenschieben, um Konsequenzen des SC-Handelns herbeizuführen.

Beispiel: Die SC verdächtigen in einem Ermittlungsabenteuer den falschen. Der SL macht den Verdächtigten daraufhin vielleicht nicht unbedingt gleich zum Täter, wohl aber zum (vielleicht unwissentlichen) Komplizen. (Das Entwickeln von Theorien ist im Ermittlungsabenteuer ja so eine Art SC-Handeln, würde ich sagen).

Noch ein Ermittlungsbeispiel: In einer Beyond-The-Wall-Impro-Runde vorgestern habe ich als SL das Abenteuer nur in groben Punkten vorher festgelegt; dabei wusste ich bereits, wer die beiden Rubine aus einer magischen Sicherung geklaut hatte ... später kamen die SC halb scherzhaft auf die Idee, dass einer der SC sie geklaut haben könnte, um Hochzeitsringe für seine Verlobte daraus machen zu lassen. Ich habe das aufgegriffen und beschlossen, dass die Verlobte dem Dieb die Rubine abgekauft hat, um - als Überraschung - selbst Hochzeitsringe daraus machen zu lassen.

Und etwas simpleres: Die SC wollen vor einer Gegenpartei an einem bestimmten Abenteuerpunkt ankommen. Die Mittel, die sie dazu wählen, genügen dafür eigentlich nicht - trotzdem könnte man als SL entscheiden, sie früher eintreffen zu lassen oder ihnen einen anderen Vorteil für ihre Bemühungen zu gewähren, damit die Entscheidung, sich zu beeilen, nicht verpufft.

Was haltet ihr von solchen Arten des Kulissenschiebens? Ist das "Spontan-RR", weil ich als SL - inspiriert von den Entscheidungen der Spieler - die Geschichte forciert in eine bestimmte Richtung lenke? Oder ist es das Gegenteil von RR, weil ich die Konsequenzen der Spielerentscheidungen verstärke?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Thandbar am 7.02.2015 | 12:09
Beispiel: Die SC verdächtigen in einem Ermittlungsabenteuer den falschen. Der SL macht den Verdächtigten daraufhin vielleicht nicht unbedingt gleich zum Täter, wohl aber zum (vielleicht unwissentlichen) Komplizen. (Das Entwickeln von Theorien ist im Ermittlungsabenteuer ja so eine Art SC-Handeln, würde ich sagen).

Ich halte das für eine gute und teils notwendige Technik. Wie Bayard examplarisch am Baskerville-Fall gezeigt hat, sind klassische Detektivgeschichten so gestrickt, dass die "Spielwelt" dem Ermittler immer recht gibt. Columbo weiß intuitiv schon vorher genau, wer der Täter war, was die Sache vereinfacht, aber auch Helden wie Hercules Poirot ziehen aus einer logisch unendlichen Anzahl von Schlüssen immer genau die richtige Folgerung.
Bereits in "Eine Leiche zum Dessert" wurde das ja treffend karikiert. Wenn man also keine ganz supersimplen Detektivgeschichten zimmern möchte, muss man als SL häufig den Tathergang retkonnen, während die Spieler ihre Ermittlungstheorien entfalten.

Railroading ist ja ein Kampfbegriff, den ich hier gar nicht verwenden würde. Da ist für mich eher die Frage: Was ist ein gelungenes Detektivabenteuer , und wie setzt man dieses am besten um? 
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: User6097 am 7.02.2015 | 12:17
Gumshoe macht das ja in gebrenztem Maß, wobei die SC hier-egal was sie tun-den Hinweis bekommen, den sie bekommen sollen. Also wenn sie bsp. die Zigarettenschachtel untersuchen, dann ist da der Fingerabdruck des Täters drauf, mit dem sie dann zur nächsten Szene kommen.

Für mich ist das ein legitimer Ansatz, aber in einem klassischen Dedektivabenteuer möcht ich das nicht haben, weil es da drum geht, das man schlau genug ist, das Rätsel zu lösen. Und um ein Rätsel zu lösen, muss halt auch eines da sein.  I ndeinem Beispiel würde ich da sagen, wenn die SC es nicht rechtzeitig schaffen, dann haben sie halt einen Fehler gemacht und Pech für sie. Ein gutes klassisches Abenteuer ist so aufgebaut, das die SC genügend Infos haben, um entweder tatsächloich früher einzutreffen oder eine alternative Stategie auszuwählen, die ihnen einen Vorteil verschafft.

Ob das RR ist oder nicht halte ich ehrlich gesagt für eine Frage, die sowohl unnötig wie auch gefährlich-im Sinne von sinnlose Diskussionen auslösend-ist.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Pyromancer am 7.02.2015 | 12:30
Was ich noch nicht entdeckt habe, ist eine Diskussion übers Kulissenschieben, um Konsequenzen des SC-Handelns herbeizuführen.

[...]

Und etwas simpleres: Die SC wollen vor einer Gegenpartei an einem bestimmten Abenteuerpunkt ankommen. Die Mittel, die sie dazu wählen, genügen dafür eigentlich nicht - trotzdem könnte man als SL entscheiden, sie früher eintreffen zu lassen [...], damit die Entscheidung, sich zu beeilen, nicht verpufft.

Der entscheidende Punkt ist, DASS du hier eine Spieler-Entscheidung entwertest. Die Spieler haben eine SCHLECHTE Entscheidung getroffen, weil das gewählte Mittel EIGENTLICH nicht zu ihrem selbstgesteckten Ziel führt. Du willst die Konsequenz dieser Entscheidung (=die Wahl des unzureichenden Mittels) ignorieren.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 7.02.2015 | 12:36
Mit Railroading hat das alles erst mal gar nichts zu tun, weil das ist es ja nur, wenn die Spieler deine spontane Umentscheidung rausfinden und negativ bewerten würden.
Erstens können sie das schwer rausfinden und zweitens würden sie es vermutlich nicht schlecht finden, weil es zu einer besseren Story und eventuell auch mehr Erfolg ihrerseits führt.

Zuerst mal ist deine Vorgehensweise keine Entwertung, sondern im Gegenteil, eine Überbewertung bzw. Überhonorierung von Spielerentscheidungen.
Wenn man Sandbox spielen möchte, ist das sicher nicht gewollt, wenn man dramatische Storyentwicklung will kann man die sicher gut damit unterstützen.
Im Prinzip liegt das Ganze ja auf dem gleichen Level wie Würfeldrehen, damit ein Spielercharakter nicht stirbt o.ä.
Viele Spieler wollen das nicht. Andere akzeptieren das sehr wohl gerne.

edit: Ich stimme Pyromancer auch zu. Man könnte es vordergründig als Entwertung sehen.
Da du aber letzten Endes das unterstützen willst (so habe ich das jedenfalls verstanden), was die Spieler wirklich im Sinn hatten (Eine bestimmte Art von Erfolg), würde ich es aber nicht als die übliche Entwertung sehen, die einen Plot durchdrücken will, bei dem die Spieler kaum oder keinen Anteil haben.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: JollyOrc am 7.02.2015 | 12:36
Ganz ehrlich: Das ist mein Standard-Vorgehen als Spielleiter. In der Regel ist das Abenteuer, das die Spieler bei mir spielen, nicht das Abenteuer, das ich vorher mir ausgedacht habe. Die Spieler finden plötzlich NPC X viel spannender als meinen Oberbösewicht Y, sie schießen sich auf eine andere Spur ein, sie bringen $WichtigenTippgeber gleich um, bevor der seine Info loswurde...

Und ja: Ich habe schon einmal ein klassisches Kriminalabenteuer geleitet, wo ich vorher keine Ahnung hatte, warum der Tote umgebracht wurde, oder von wem.  Stattdessen habe ich einfach die Ideen und Vermutungen der Spieler aufgegriffen und verfeinert. Im Endeffekt habe ich die NPCs solange Alibis haben und die Spieler neue Theorien aufstellen lassen, bis ich meinte, dass jetzt genug Spielzeit vergangen sei, und der Fall nun besser bald gelöst wäre. Der "Trick" war, dass ich nicht den Überblick verlieren durfte, damit die Geschichte in der Rückschau keine Logiklöcher enthielt. Und dass ich dieses Vorgehen natürlich nicht den Spielern mitgeteilt habe :).

Ich habe mir übrigens sagen lassen, dass der Blechpirat das im Grunde genauso macht.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 7.02.2015 | 12:36
Der entscheidende Punkt ist, DASS du hier eine Spieler-Entscheidung entwertest. Die Spieler haben eine SCHLECHTE Entscheidung getroffen, weil das gewählte Mittel EIGENTLICH nicht zu ihrem selbstgesteckten Ziel führt. Du willst die Konsequenz dieser Entscheidung (=die Wahl des unzureichenden Mittels) ignorieren.


Aus Sicht der Intentionalität der Spielerentscheidung wird hier nichts entwertet; und darauf kommt es für mich an. Der offensichtliche Normalverlauf ist: Die Gegner sind zuerst da, die Spieler entscheiden: Wir wollen versuchen, sie zu überholen, und der SL entscheidet: Okay, das sollte zumindest irgendwelche Konsequenzen haben, auch, wenn sich das so aus meinen Abenteuernotizen nicht unbedingt ergibt.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 7.02.2015 | 12:39
@Jolly Orc:
Mein Eindruck ist auch, dass das eine verbreitete Technik ist, ich wollte die hier nur gerne mal zur Debatte stellen und sehen, wie verbreitet sie tatsächlich ist und wie sie gewertet wird.

Gumshoe hat mit "Terra Nova" ja sogar ein explizit so aufgebautes Abenteuer, das ich auch geleitet habe (allerdings gar nicht so gelungen fand, da gab es tatsächlich zu viele vertrackte Spuren).
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Pyromancer am 7.02.2015 | 12:46
Aus Sicht der Intentionalität der Spielerentscheidung wird hier nichts entwertet; und darauf kommt es für mich an. Der offensichtliche Normalverlauf ist: Die Gegner sind zuerst da, die Spieler entscheiden: Wir wollen versuchen, sie zu überholen, und der SL entscheidet: Okay, das sollte zumindest irgendwelche Konsequenzen haben, auch, wenn sich das so aus meinen Abenteuernotizen nicht unbedingt ergibt.

Die Spieler beschließen: Wir wollen zuerst da sein.
Der Spielleiter entscheidet: Ok, klappt.
Da gibt es kein Problem.

Dein Beispiel war aber:
Die Spieler beschließen: Wir wollen zuerst da sein, und um das zu bewerkstelligen, machen wir XYZ.
Der Spielleiter überlegt: XYZ kann aber gar nicht dazu führen, dass die SCs zuerst da sind.
Der Spielleiter entscheidet: Die SCs sind trotzdem zuerst da.

Hier wird die Entscheidung der Spieler, XYZ zu tun, entwertet.

Bei der Bewertung dieser Tatsache ist in meinen Augen entscheidend, wie bedeutend diese Entscheidung war.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 7.02.2015 | 12:51
Der Spielleiter überlegt: XYZ kann aber gar nicht dazu führen, dass die SCs zuerst da sind.
Der Spielleiter entscheidet: Die SCs sind trotzdem zuerst da.

So ist das aber nicht ganz richtig dargesetellt.
Ich versuche mal darzustellen, wie ich das schon gemacht habe:

Der Spielleiter überlegt: XYZ kann aber gar nicht dazu führen, dass die SCs zuerst da sind.
Der Spielleiter entscheidet: Ich ändere die bisher noch nicht publizierten Weltinformationen so ab, damit es plausibel nachvollziehbar bleibt, dass die SCs trotzdem zuerst da sind.

edit: meistens gibt es auch zum Zeitpunkt der Spielerentscheidung noch gar keine Vorstellung über die Hintergründe und der SL überlegt sich einen, der die Spielerhandlung bestmöglich unterstützt, ohne unplausibel zu wirken und eventuell Railroading zu generieren.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 7.02.2015 | 12:53

Dein Beispiel war aber:
Die Spieler beschließen: Wir wollen zuerst da sein, und um das zu bewerkstelligen, machen wir XYZ.
Der Spielleiter überlegt: XYZ kann aber gar nicht dazu führen, dass die SCs zuerst da sind.
Der Spielleiter entscheidet: Die SCs sind trotzdem zuerst da.

Hier wird die Entscheidung der Spieler, XYZ zu tun, entwertet.

Bei der Bewertung dieser Tatsache ist in meinen Augen entscheidend, wie bedeutend diese Entscheidung war.

Da habe ich das Beispiel schlecht erklärt:
War aus einer konkreten Runde, in der ich Spieler war. Mein Eindruck: Es war erst einmal gar kein wichtiges/vorgesehenes Abenteuerziel, schneller zu sein, wir haben das aber so bewertet. Die Mittel, unsere Gegner zu überholen, hatten wir anscheinend schlicht nicht - wussten wir allerdings da noch nicht. Wir hatten eine gute Idee und haben alle dafür notwendigen Proben geschafft. Ich fand es dann als Spieler ein bisschen doof, dass das erst mal keine erkennbaren Auswirkungen hatte, weil die Gegner trotzdem zuerst da waren, worauf der SL meinte, dass das noch eine entscheidende Auswirkung haben würde, die wir in der nächsten Sitzung mitbekommen werden.
Ich weiß nun natürlich nicht, ob er Kulissenschieben musste, um diese entscheidende Auswirkung präsentieren zu können, für mich klang es aber so ...
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Blizzard am 7.02.2015 | 12:56
Und etwas simpleres: Die SC wollen vor einer Gegenpartei an einem bestimmten Abenteuerpunkt ankommen. Die Mittel, die sie dazu wählen, genügen dafür eigentlich nicht - trotzdem könnte man als SL entscheiden, sie früher eintreffen zu lassen oder ihnen einen anderen Vorteil für ihre Bemühungen zu gewähren, damit die Entscheidung, sich zu beeilen, nicht verpufft.
In dem Moment, in dem du als SL beschließt, dass die SC trotzdem früher ankommen-obwohl die Mittel dafür eigentlich nicht genügen-ist es-wie Pyromancer schon sagt-  eine Entwertung der Entscheidung der Spieler. Eine Spielerentscheidung zu entwerten bedeutet auch, eine Entscheidung der Spieler gegen die Spieler/SC zu entwerten (und in einen Vorteil für die Spieler/SC umzumünzen)-und nicht nur einen vermeintlichen Vorteil für die Spieler/SC zu negieren. Denn in dem Fall ist es ja egal, ob die Mittel der SC um vor den Gegnern da zu sein objektiv ungenügend sind bzw. erscheinen. Sie kommen früher bzw. rechtzeitig an, weil du als SL das so festgelegt hast. Und das ist zumindest nach Ansicht einiger Leute hier ein klassischer Fall von RR.

Ich als SL hätte kein Problem damit, im obigen Beispiel die SC trotzdem früher ankommen zu lassen, wenn sich vielleicht nicht doch noch irgendwie irgendwo was findet, was ein rechtzeitiges Ankommen der SC irgendwie halbwegs plausibel erklärbar macht. Die Spieler dürften ohnehin nichts dagegen haben-zeig mir einen Spieler, der sich darüber beschwert, dass der SL eine vermeintlich falsche oder schlechte Entscheidung gegen ihn/seinen SC negiert oder -wie im vorliegenden Fall-sogar in einen Vorteil ummünzt.

Zu guter Letzt: Dass du, Rumpel, einen solchen Vorschlag machst(also die SCs trotzdem rechtzeitig ankommen zu lassen), erstaunt mich ehrlich gesagt. Was ist passiert? Hast du eine Bahncard geschenkt bekommen?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 7.02.2015 | 13:02
... Und das ist zumindest nach Ansicht einiger Leute hier ein klassischer Fall von RR.

Dann wäre ja jede Freeform-Runde Railroading. Das ist falsch.

edit: und vor ein paar Tagen wurde wieder (gefühlt zum tausendsten mal) in einer Railroading-Diskussion erklärt, dass Railroading nur dann welches ist, wenn sich die Spieler durch die Entwertung gegängelt fühlen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Pyromancer am 7.02.2015 | 13:04
So ist das aber nicht ganz richtig dargesetellt.
Ich versuche mal darzustellen, wie ich das schon gemacht habe:

Der Spielleiter überlegt: XYZ kann aber gar nicht dazu führen, dass die SCs zuerst da sind.
Der Spielleiter entscheidet: Ich ändere die bisher noch nicht publizierten Weltinformationen so ab, damit es plausibel nachvollziehbar bleibt, dass die SCs trotzdem zuerst da sind.
Das kann man herunterbrechen auf: Es passiert nicht das, was sich aus der Entscheidung der Spieler ergeben hätte, sondern das, was der SL für wünschenswert empfindet.

(Das muss nicht schlecht sein! Man sollte sich halt als SL darüber im klaren sein, was man da tut.)
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Oberkampf am 7.02.2015 | 13:07
Ich glaube, das sind zwei, vielleicht sogar drei verschiedene Fragen, die sich zwar berühren, aber nicht mit der gleichen Antwort beantwortet werden sollten.

Einmal dreht sich das Kulissenschieben darum, den vorgefertigten Hintergrund eines Abenteuers während der laufenden Spielrunde, nicht in der Vorbereitungsphase abzuändern.

Solange ein Hintergrund am Spieltisch noch nicht konkretisiert ist, kann man ihn meiner Meinung nach in der Regel (!) immer abändern. Natürlich ist es leichter vertretbar, einen Hintergrund während der Vorbereitungsphase umzuwerfen als während der Spielphase, aber mal ganz ehrlich: Wo liegt wirklich der Unterschied?

Es gibt natürlich einige Ausnahmen zur Regel, z.B. dann, wenn man als Gruppe beschlossen hat, ein vorgefertigtes Abenteuer by the book und wettkampfmäßig durchzuspielen. Aber im Regelfall würde ich sagen, der Hintergrund ist erst dann fest, wenn er sich im Spiel gezeigt hat.

Die andere Frage bezüglich der Bewertung einer SC-Aktion ist, inwieweit ein Spielleiter zugunsten von Spielern an der Plausibilität von Erfolgen drehen darf. Meine persönliche Meinung dazu habe ich ja oft genug geäußert: Plausibilität ist ein zweischneidiges Schwert. Es ist nur eins von vielen Entscheidungskriterien und nichtmal ein allgeimein verbindliches, weil unterschiedliche Menschen den Erfolgsgrad einer Aktion unterschiedlich bewerten. Schließlich kennt jeder von uns Gutachten, die von Experten erstellt werden und sich in vielen Punkten widersprechen. Ein im Rollenspielkontext gutes Beispiel aus dem Forum für unterschiedliche Interpretationen ist der lange Thread über die SL-Entscheidungen beim Versuch, mit Banditen zu verhandeln.

Weil ich Plausibilität etwas skeptisch betrachte, würde ich in solchen Fragen versuchen, die Würfel einzubeziehen. Die Spieler wollen Methode XY anwenden, um Z zu erreichen? Mit welchen Skills kann ich das darstellen? Wenn es keine Skills gibt, auf welchen Risk-Wert (aus Warhammer 1, da soll der SL zur Erfolgsbestimmung den SC-Aktionen einen %-Wert zuordnen) kann ich mich mit der Gruppe einigen? Notfalls gibt es noch die Möglichkeit, Teilerfolge zu vergeben, um eine Spieleraktion wert zu schätzen, deren kompletten Erfolg man für nicht plausibel hält.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 7.02.2015 | 13:18
Das kann man herunterbrechen auf: Es passiert nicht das, was sich aus der Entscheidung der Spieler ergeben hätte, sondern das, was der SL für wünschenswert empfindet.

(Das muss nicht schlecht sein! Man sollte sich halt als SL darüber im klaren sein, was man da tut.)

Man könnte auch sagen (und das trifft es eben meines Erachtens besser), es passiert nicht das, was sich aus der Entscheidung der Spieler ergeben hätte, sondern das, was der SL denkt was die Spieler für wünschenswert empfinden.

Also im Prinzip eben Partizipationismus bzw. verantwortungsvoller Illusionismus.

Solange ein Hintergrund am Spieltisch noch nicht konkretisiert ist, kann man ihn meiner Meinung nach in der Regel (!) immer abändern. Natürlich ist es leichter vertretbar, einen Hintergrund während der Vorbereitungsphase umzuwerfen als während der Spielphase, aber mal ganz ehrlich: Wo liegt wirklich der Unterschied?

Da gibt es meiner Meinung nach keinen Unterschied. Es gibt eine ganze Menge Arten von Rollenspielen, die während des Spiels über die Spielwelt entscheiden.
Und viele davon sind meilenweit von Railroading entfernt.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Blizzard am 7.02.2015 | 13:21
edit: und vor ein paar Tagen wurde wieder (gefühlt zum tausendsten mal) in einer Railroading-Diskussion erklärt, dass Railroading nur dann welches ist, wenn sich die Spieler durch die Entwertung gegängelt fühlen.
Interessant. Komischerweise scheinen sich Spieler nur dann durch die Entwertung gegängelt zu fühlen, wenn ihre Charaktere dadurch einen Nachteil erleiden, oder ihre Charaktere Aktionen nicht so durchführen können, wie sie es gerne (gemacht) hätten. Nicht aber, wenn eine Entwertung bedeutet, dass ein vormals vermeintliche Aktion zum Nachteil der Spieler bzw. ihrer SC negiert/ignoriert oder sogar noch in einen Vorteil umgemünzt wird. Echt interessant. Da wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen.

Das kann man herunterbrechen auf: Es passiert nicht das, was sich aus der Entscheidung der Spieler ergeben hätte, sondern das, was der SL für wünschenswert empfindet.

(Das muss nicht schlecht sein! Man sollte sich halt als SL darüber im klaren sein, was man da tut.)

Sehe ich ganz genau so.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Ucalegon am 7.02.2015 | 13:23
Zu Gumshoe: Trail of Cthulhu verwendet ja z.B. einige Seiten darauf zu erklären, warum es sich bei den Core Clues nicht um Railroading handelt. Besonders überzeugend finde ich nicht, was da steht. Die ganze "Illusionismus ist total cool"-Nummer nehme ich Hite nicht ab. Auch weil ich nicht wirklich sehe, warum dort eine Verteidigung gegen den RR Vorwurf notwendig wäre. Außer natürlich um ToC schmackhafter für klassische CoC Fans zu machen  ;) Wenn die Gruppe sich einig ist, Trail/Gumshoe zu spielen, dann ist doch ohnehin vorab klar, dass die Core Clues, komme was wolle, gefunden werden. Nur weil ich eine lineare Abfolge von Szenen/Dungeon-Räumen oder Core Clues habe, muss es sich nicht zwangsweise um RR handeln (vgl. Beispiel von Huntress im anderen Thread). Die Core Clues wären für mich also der Ausgangspunkt/das Setup einer Szene, die dann ergebnisoffen gespielt werden muss. Caveat: Ich bin bisher nicht dazu gekommen, Gumshoe mal auszuprobieren, weiß also nicht wie sich das in der Praxis umsetzen lässt.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 7.02.2015 | 13:26
Interessant. Komischerweise scheinen sich Spieler nur dann durch die Entwertung gegängelt zu fühlen, wenn ihre Charaktere dadurch einen Nachteil erleiden, oder ihre Charaktere Aktionen nicht so durchführen können, wie sie es gerne (gemacht) hätten. Nicht aber, wenn eine Entwertung bedeutet, dass ein vormals vermeintliche Aktion zum Nachteil der Spieler bzw. ihrer SC negiert/ignoriert oder sogar noch in einen Vorteil umgemünzt wird. Echt interessant. Da wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen.

Das hat mit zweierlei Maß nichts zu tun, sondern schlicht und einfach damit ob dem Spieler gefällt, was der SL mit ihm macht.

Wenn du einen Marathonläufer ins Auto steckst und ihn ins Ziel fährst, dann hast du seine sportliche Leistung entwertet, wenn du ner gehbehinderten Oma über
die Straße hilfst, dann nennt man das nun mal nicht Entwertung, sondern Hilfe.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: firstdeathmaker am 7.02.2015 | 13:27
Interessante Gedanken. Ich würde einfach die "Rule of fun" nutzen: Wenn das Kulissenshieben dazu führt, dass das Spiel allen mehr Spaß macht, dann ist dagegen nichts einzuwenden. Bei dem Beispiel der Wegkreuzung und dem falsch genommenen Abzweig sollte man sich, wenn man wirklich einen falschen Abzweig einbaut, vorher überlegen was dann passiert und ob das Ergebnis spaß macht oder einfach nur Zeitverwendung ist oder Mühe produziert. Wenn es egal ist, welchen Abzweig die Spieler nehmen, weil man dann eben das Ziel genau auf dieser Seite positioniert, sollte man sich fragen, wieso man die Abzweigung überhaupt eingebaut hat. Entscheidungen machen nur dann Spaß, wenn sie auch eine Auswirkung haben.

Bei dem Beispiel mit dem Dieb, sehe ich es eher als dynamisches Storytelling bzw. als "ausdenken" einer gemeinsamen Geschichte. Da ist es meiner Meinung nach sogar besonders cool, wenn man mit einer solchen Idee der ganze Geschichte einen besonderen Twist gibt. Wird den Spielern bestimmt auch mehr spaß bereitet haben und noch eine Weile in Erinnerung bleiben.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Rhylthar am 7.02.2015 | 14:03
Zitat
edit: und vor ein paar Tagen wurde wieder (gefühlt zum tausendsten mal) in einer Railroading-Diskussion erklärt, dass Railroading nur dann welches ist, wenn sich die Spieler durch die Entwertung gegängelt fühlen.
Und ich sage:
Nur, weil im Tanelorn diese Meinung/Definition öfter als woanders kundgetan wird, halte ich sie nicht für allgemeingültig.

Als jahrelanger Reviewleser, egal ob im deutschsprachigen oder englischen Sprachraum, weiss ich, dass sehr oft gerade bei Abenteuern das Wort "Railroading" fällt und zwar bevor der Reviewer die Reaktionen von Spielern kennt. Manch einer mag hier vielleicht lieber lesen, dass der Verfasser die Worte "linear" und/oder "Raildroading-Gefahr" genutzt hätte...hat er aber meist nicht.

Dementsprechend bleibe ich für mich dabei:
Railroading muss grundsätzlich nichts mit dem Spielgefühl der Spieler zu tun. Eine Zugfahrt ohne Ausstiegsmöglichkeit bleibt eine Zugfahrt, egal ob sie genossen oder abgelehnt wird.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: User6097 am 7.02.2015 | 14:08
Stimmt, ist aber sinnlos, da drüber zu diskutieren. Es ist schon selten genug, das irgendjemand mal nachgibt in einer Diskussion, aber in dem Punkt ist es noch unwahrscheinlicher. Ich finde jedenfalls, das es sinnvoller ist, den Begriff so zu verwenden, weil man ihn sonst ja nur im Kontext mit einer spezifischen Situation verwenden kann oder als Beleidigung und nicht als generelles Abstrakta. Das führt halt dazu, dass man dann über RR eigentlich gar nicht mehr reden kann, zumindest nicht hier, oder nur mit den Leuten, dies genauso sehen und den rest ignoriert. Was vermutlich das beste ist.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: afbeer am 7.02.2015 | 14:11
Hier werden zwei Dinge durcheinander geworfen.
a) wird durch die Bezeichnunge Kulissenschieben suggeriert es wäre etwas festgelgt was dann durch Beewertung des Spielerinput verändert wird.
b) die im OP gebrachten Beispiele lassen durch Bewerten des Spielerinputs neue Kulissen entstehen. Das ist dann im Sinne eines gemeinsamen Erzählens.

zu a) auf gar keinen Fall

zu b) aber immer

Merke die Namensgebung eines Konzepts ist schwierig.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 7.02.2015 | 14:49
Zu guter Letzt: Dass du, Rumpel, einen solchen Vorschlag machst(also die SCs trotzdem rechtzeitig ankommen zu lassen), erstaunt mich ehrlich gesagt. Was ist passiert? Hast du eine Bahncard geschenkt bekommen?

Ich stelle eben deshalb hier die Frage, weil mir kürzlich aufgetaucht ist, dass ich eine solche Form von Kulissenschieben gerne betreibe und tendenziell sogar erwarte - ich will, dass der SL Versuche unternimmt, Konsequenzen aus meinen Aktionen erwachsen zu lassen, auch, wenn er dafür spontan die noch nicht "öffentlichen" Fakten ändern muss. Ein "Schöne Idee, kannst du machen, führt aber letztlich zu nichts" finde ich unbefriedigend.

Dabei geht es mir nicht um Vorteile. Wenn ich grandios an einer selbst gesetzten Aufgabe scheitere und der SL dann keine Konsequenzen daraus erwachsen lässt, weil Abenteuer/Setting das eigentlich nicht notwendig machen, finde ich das tendenziell auch langweilig.

Ich komme mit meiner Frage eigentlich aus der "Alles, was die SC mit der Intention zu unternehmen, etwas zu bewegen, sollte auch relevante Folgen haben"-Richtung; was ich wiederum als Gegensatz zum RR-Ansatz empfinde. Nur ist mir halt aufgefallen (möglich, dass ich da der Letzte bin ...), dass Kulissenschieben ein sehr geeignetes Mittel ist, um dafür zu sorgen, dass die Handlungen der SC folgen haben. Und Kulissenschieben ist halt eher mit RR assoziiert.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Ucalegon am 7.02.2015 | 15:11
Ich stelle eben deshalb hier die Frage, weil mir kürzlich aufgetaucht ist, dass ich eine solche Form von Kulissenschieben gerne betreibe und tendenziell sogar erwarte - ich will, dass der SL Versuche unternimmt, Konsequenzen aus meinen Aktionen erwachsen zu lassen, auch, wenn er dafür spontan die noch nicht "öffentlichen" Fakten ändern muss. Ein "Schöne Idee, kannst du machen, führt aber letztlich zu nichts" finde ich unbefriedigend.

Dabei geht es mir nicht um Vorteile. Wenn ich grandios an einer selbst gesetzten Aufgabe scheitere und der SL dann keine Konsequenzen daraus erwachsen lässt, weil Abenteuer/Setting das eigentlich nicht notwendig machen, finde ich das tendenziell auch langweilig.

Ich komme mit meiner Frage eigentlich aus der "Alles, was die SC mit der Intention zu unternehmen, etwas zu bewegen, sollte auch relevante Folgen haben"-Richtung; was ich wiederum als Gegensatz zum RR-Ansatz empfinde. Nur ist mir halt aufgefallen (möglich, dass ich da der Letzte bin ...), dass Kulissenschieben ein sehr geeignetes Mittel ist, um dafür zu sorgen, dass die Handlungen der SC folgen haben. Und Kulissenschieben ist halt eher mit RR assoziiert.

Gibt es denn Fälle in denen einem außer Kulissenschieben nichts übrig bleibt, um den Spieler(inne)n zu zeigen, dass ihre Entscheidungen Konsequenzen haben? In deinem Beispiel mit dem Beeilen könnte man doch z.B. a la ressource depletion sagen, dass sie durch einen sinnlosen Eilmarsch Ressourcen (Ausdauer, Pferde, Rationen ö.Ä.) vergeudet haben. Die Konsequenz einer ungünstigen Entscheidung eben.

Die Frage wäre, warum man sich als SL ausgerechnet am vorher festgelegten Hintergrund (aka die Kulisse) vergreifen sollte, um Konsequenzen deutlich zu machen?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Saffron am 7.02.2015 | 15:22
Mich erinnert das sehr an die Diskussionen, ob man als SL schummeln oder Würfeldrehen darf/ soll. Da gibt es die einen, die ganz empört sind und das als Betrug ansehen und andere die sagen, dass es ok ist, weil der SL die Geschehnisse damit spannender oder besser machen kann.

Letzteres ist meine Meinung, deshalb betreibe ich wenn ich es für eine gute Idee halte, sowohl Kulissenschieberei als auch Schummelei in Konfliktsituationen wie z.B. Kämpfen. Ich verstehe diejenigen, die das als Entwertung der Spielerentscheidungen sehen, aber für mich ist das Ziel von Rollenspiel in erster Linie, gemeinsam eine gute Geschichte  zu erzählen, die allen Spaß macht. Wenn ich ein Spiel spielen möchte, bei dem die Regeln wichtiger sind als die Geschichte, spiele ich ein Brettspiel, und dabei schummele ich auch nicht.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: JollyOrc am 7.02.2015 | 16:55
Mir fällt übrigens gerade eine Kulissenschieberei-Anekdote ein:

Ein Freund und ich hatten uns vor Jahren als Co-SL eine Kampagne geteilt. Mal leitete er, mal ich, manchmal machten wir das gemeinsam, indem wir z.B. spontan verschieden NSCs übernahmen.

In den Vorbereitungen hatten wir nun das Dorf X entwickelt, da wir davon ausgingen, dass die Spieler das als nächstes besuchen würden. Die Dörfler bekamen von uns einige spaßige Brauchtümer verpasst, inkl. einer schöne magische Riesenmuschel, die ihnen beim Walfang hilft.

Soweit so schön. Nächster Spielabend, und die Spieler sagen an, dass sie als nächstes... Dorf X komplett ignorieren und stattdessen nach Dorf Y ziehen würden. Zu dem Zeitpunkt war den Spielern zu beiden Dörfern nur der Name und die Position auf der Landkarte bekannt. Beides waren Küstendörfer.

Also schob ich kurzerhand die Kulisse, übermalte das Schild am Dorfeingang und präsentierte den Spielern Dorf XY.

Mein Co-SL hat sich darüber übrigens so aufgeregt, dass das Ende unserer Zusammenarbeit war.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Skeeve am 7.02.2015 | 17:30
Da habe ich das Beispiel schlecht erklärt:
War aus einer konkreten Runde, in der ich Spieler war. Mein Eindruck: Es war erst einmal gar kein wichtiges/vorgesehenes Abenteuerziel, schneller zu sein, wir haben das aber so bewertet. Die Mittel, unsere Gegner zu überholen, hatten wir anscheinend schlicht nicht - wussten wir allerdings da noch nicht. Wir hatten eine gute Idee und haben alle dafür notwendigen Proben geschafft. Ich fand es dann als Spieler ein bisschen doof, dass das erst mal keine erkennbaren Auswirkungen hatte, weil die Gegner trotzdem zuerst da waren, worauf der SL meinte, dass das noch eine entscheidende Auswirkung haben würde, die wir in der nächsten Sitzung mitbekommen werden.
Ich weiß nun natürlich nicht, ob er Kulissenschieben musste, um diese entscheidende Auswirkung präsentieren zu können, für mich klang es aber so ...

Was wird noch eine entscheidende Auswirkung in der nächsten Sitzung haben? Das die Gegner zuerst da waren oder dass ihr eine gute Idee hattet und alle dafür notwendigen Proben geschafft habt?

Ich vermute ja das erste, aber hoffe dass es bei mir in so einem Fall notfalls eher das zweite wäre. Wenn mich die Spieler mit irgendwas überraschen und mir in der aktuellen Sitzung keine passende Auswirkung einfällt, dann doch hoffentlich zur nächsten Sitzung.
(Mir fallen sowieso häufig passsende Fortsetzungen und Erklärungen für etwas das in der aktuellen Sitzung vorgefallen war, erst in Bus und Bahn auf dem Heimweg ein. Ich bin nicht so spontan wie ich ab und zu gerne wäre.)
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 7.02.2015 | 17:43
Was wird noch eine entscheidende Auswirkung in der nächsten Sitzung haben? Das die Gegner zuerst da waren oder dass ihr eine gute Idee hattet und alle dafür notwendigen Proben geschafft habt?


Letzteres natürlich!
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Skeeve am 7.02.2015 | 17:50
Soweit so schön. Nächster Spielabend, und die Spieler sagen an, dass sie als nächstes... Dorf X komplett ignorieren und stattdessen nach Dorf Y ziehen würden. Zu dem Zeitpunkt war den Spielern zu beiden Dörfern nur der Name und die Position auf der Landkarte bekannt. Beides waren Küstendörfer.

Also schob ich kurzerhand die Kulisse, übermalte das Schild am Dorfeingang und präsentierte den Spielern Dorf XY.

Das würde genauso machen. Aber nur solange das für die Spieler noch weisse Flecken auf der Landkarte sind... Eines der Ziele warum wir zusammen spielen ist doch das die Charaktere Abenteuer erleben (damit die Spieler ihren Spaß haben) und wenn die Charaktere nicht zum Abenteuer kommen, dann muss das Abenteuer zu den Charaktere kommen. Was wäre denn die Alternative gewesen? Den Spielern sagen "Schön wenn ihr nach Dorf Y wollt, dann machen wir gleich wieder Schluß und ihr könnt nach Hause weil wir für das Dorf Y nichts vorbereitet haben. Beim nächsten Mal geht es dann weiter..."? Oder ihnen ein langweiliges Dorf Y präsentieren in dem nun rein garnichts Interessantes los ist und versuchen sie mit Tricks, winkenden Zaunpfählen usw... zu dem Dorf X zu locken?

Wenn die Charaktere schon mal in Dorf X oder Y waren, dann ist das eher schlecth. Dann muß man vielleicht doch sagen "für den Weg haben ich gerade nichts vorbereitet" oder wild improvsieren.

Andererseits wenn die Charaktere nur gehört/gelesen haben dass in dem Dorf X der Heilbutt-König leben soll und die Spieler ihre Charaktere nun zu dem Dorf Y schicken. Dann kann man auch noch das Dorf verschieben und festellen dass die Informationen die die Charaktere erhalten hatten offenbar fehlerhaft waren.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 7.02.2015 | 18:07
Gibt es denn Fälle in denen einem außer Kulissenschieben nichts übrig bleibt, um den Spieler(inne)n zu zeigen, dass ihre Entscheidungen Konsequenzen haben? In deinem Beispiel mit dem Beeilen könnte man doch z.B. a la ressource depletion sagen, dass sie durch einen sinnlosen Eilmarsch Ressourcen (Ausdauer, Pferde, Rationen ö.Ä.) vergeudet haben. Die Konsequenz einer ungünstigen Entscheidung eben.

Die Frage ist halt, was du als Konsequenzen im Sinne einer sich entwickelnden Geschichte betrachtest. Schwindende Ressourcen (so es die in dem jeweiligen Spiel überhaupt in der Form gibt, wir haben in der entsprechenden Kampagne so was bisher nicht verwaltet und haben das m.W. auch nicht vor) sind in meiner Wahrnehmung eher ein Modifikator, der zukünftige Ereignisse beeinflusst, als selbst ein Ereignis. Das als Reaktion auf eine Handlungsidee mit einem konkreten Ziel ("Wir wollen vor denen da sein!") zu bringen, ist in meinen Augen in den meisten Fällen enttäuschend. Wenn auf "Wir wagen ein Anlandemanöver zwischen den Riffen, schaffen unsere Proben dafür und haben damit unseren Weg um mehrere Meilen abgekürzt, um den anderen zuvorzukommen" - ein "ich schau auf meine Karte, die sagt mir, die andern sind immer noch eher da, aber ihr habt beim Klettern Ausdauer verloren, stellt euch den Konsequenzen eures Handelns!" kommt, dann finde ich das ehrlich gesagt in Bezug auf die Handlungsentscheidung, die wir getroffen haben, ebenso langweilig wie "ich schau auf meine Karte, die sagt mir, die andern sind immer noch eher da."
Eine Konsequenz im Sinne eines Ereignisses wäre für mich: "Okay, ihr schafft es knapp vor ihnen", oder "okay, ihr entdeckt bei eurer Kletterpartie in der Eisspalte eine Monsterhöhle mit (Abenteuerrelevantes Zeug drin)", oder halt: "okay, die anderen sind zwar immer noch schneller, aber ich überlege mir zum nächsten Mal eine Auswirkung für eure Idee."

Der Unterschied ist der zwischen einer simulationisch gedachten Konsequenz innerhalb der Welt ("Wenn die SC etwas tun, müssen möglichst unparteiisch die Konsequenzen davon ermittelt werden") und Konsequenzen für die Geschichte, die eher mit einer Art Softcore-Player-Empowerment zu tun haben ("Wenn die SC etwas tun, dann muss das eine für die Geschichte interessante Konsequenz haben - weil die Spieler mit dem Handeln ihrer SC signalisiert haben, worum es ihrer Meinung nach als Nächstes gehen soll.")
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 7.02.2015 | 18:07
... wenn er dafür spontan die noch nicht "öffentlichen" Fakten ändern muss. ...

Und genau da liegt ja die fehlerhafte Vorstellung: In einer Rollenspielrunde wird erst dann etwas zum Fakt, wenn es erzählt wird (öffentlich gemacht wird).
Alles andere ist erst mal nur eine Idee, wie etwas sein könnte - nicht mehr.
Wenn ich klassischer SL bin, dann erwarten die Spieler meistens von mir, dass ich ein paar tolle Ideen für das Spiel habe. Ich persönlich finde es dann absolut legitim,
meine Vorbereitungen (oder das was im Kaufabenteuer steht) über den Haufen zu werfen sobald ich eine bessere Idee habe.
Und diese besseren Ideen kommen oft während des Spiels, weil mich die Spieler irgendwie darauf bringen.

Etwas anderes ist Sandboxrollenspiel, wo vorher ausgemacht wurde, dass der SL vor Beginn eine feste Welt vorbereitet (bzw. diese nach festgelegten
Zufallsprinzipien während des Spiels erschafft). Oder wenn ausgemacht wurde, dass ein Kaufabenteuer "by the book" gespielt wird (ist z.B. bei Turnieren üblich).
Wenn man das abgesprochen hatte, ist Kulissenschieberei natürlich böse.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Grimtooth's Little Sister am 7.02.2015 | 18:19

Was haltet ihr von solchen Arten des Kulissenschiebens? Ist das "Spontan-RR", weil ich als SL - inspiriert von den Entscheidungen der Spieler - die Geschichte forciert in eine bestimmte Richtung lenke? Oder ist es das Gegenteil von RR, weil ich die Konsequenzen der Spielerentscheidungen verstärke?

Das mach ich regelmässig. Manchmal machen die Spieler so die Story komplett alleine ohne es zu merken  ;D
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 7.02.2015 | 18:21
Und genau da liegt ja die fehlerhafte Vorstellung: In einer Rollenspielrunde wird erst dann etwas zum Fakt, wenn es erzählt wird (öffentlich gemacht wird).
Alles andere ist erst mal nur eine Idee, wie etwas sein könnte - nicht mehr.


Da stimme ich dir zu (mitsamt der Sandbox-Ausnahme).
Natürlich sind InGame-Fakten sowieso nur das, was von der Runde gemeinsam als Fakt anerkannt wird - sogar etwas, das schon "bekannt" ist, kann man ja per gemeinsamen Retcon wieder "entfakten".
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Ucalegon am 7.02.2015 | 18:54
Die Frage ist halt, was du als Konsequenzen im Sinne einer sich entwickelnden Geschichte betrachtest. Schwindende Ressourcen (so es die in dem jeweiligen Spiel überhaupt in der Form gibt, wir haben in der entsprechenden Kampagne so was bisher nicht verwaltet und haben das m.W. auch nicht vor) sind in meiner Wahrnehmung eher ein Modifikator, der zukünftige Ereignisse beeinflusst, als selbst ein Ereignis. Das als Reaktion auf eine Handlungsidee mit einem konkreten Ziel ("Wir wollen vor denen da sein!") zu bringen, ist in meinen Augen in den meisten Fällen enttäuschend. Wenn auf "Wir wagen ein Anlandemanöver zwischen den Riffen, schaffen unsere Proben dafür und haben damit unseren Weg um mehrere Meilen abgekürzt, um den anderen zuvorzukommen" - ein "ich schau auf meine Karte, die sagt mir, die andern sind immer noch eher da, aber ihr habt beim Klettern Ausdauer verloren, stellt euch den Konsequenzen eures Handelns!" kommt, dann finde ich das ehrlich gesagt in Bezug auf die Handlungsentscheidung, die wir getroffen haben, ebenso langweilig wie "ich schau auf meine Karte, die sagt mir, die andern sind immer noch eher da."
Eine Konsequenz im Sinne eines Ereignisses wäre für mich: "Okay, ihr schafft es knapp vor ihnen", oder "okay, ihr entdeckt bei eurer Kletterpartie in der Eisspalte eine Monsterhöhle mit (Abenteuerrelevantes Zeug drin)", oder halt: "okay, die anderen sind zwar immer noch schneller, aber ich überlege mir zum nächsten Mal eine Auswirkung für eure Idee."

Der Unterschied ist der zwischen einer simulationisch gedachten Konsequenz innerhalb der Welt ("Wenn die SC etwas tun, müssen möglichst unparteiisch die Konsequenzen davon ermittelt werden") und Konsequenzen für die Geschichte, die eher mit einer Art Softcore-Player-Empowerment zu tun haben ("Wenn die SC etwas tun, dann muss das eine für die Geschichte interessante Konsequenz haben - weil die Spieler mit dem Handeln ihrer SC signalisiert haben, worum es ihrer Meinung nach als Nächstes gehen soll.")

Ressource depletion/Take their stuff findet ja (hoffentlich) auch immer auf der Storyebene statt. Ich meinte das gar nicht unbedingt nur mechanisch.

Ansonsten stimme ich dir schon zu. Ich verstehe nur nicht ganz, in welchen Fällen das Kulissenschieben dann überhaupt passieren soll. Wenn ich die Kulisse "X bewegt sich mit der Geschwindigkeit Y auf einen Zielpunkt zu und wird dort deshalb zum Zeitpunkt Z eintreffen." aufgebaut habe und das der Gruppe bekannt ist (ob in einem Sandbox-Kontext oder nicht), dann habe ich das doch gemacht, um einen objektiven Rahmen zu schaffen. Wenn ich daran jetzt aus welchen Gründen auch immer etwas ändere, hätte ich mir den Versuch Objektivität herzustellen doch gleich sparen können. Dann hätte ich auch einfach sagen können "X ist zum Zielpunkt unterwegs. Unternehmt ihr etwas, um vor ihm da zu sein?"

Edit: Eine schöne Möglichkeit als SL das Riff richtig interessant zu machen, wäre doch auch, wenn die zu Überholenden den Versuch mitbekämen [per Zufallswurf] und sich entschieden, den lästigen Verfolgern bei deren Landung eine Falle zu stellen. Warum sollte eine kreative SL also die wenigen objektiv feststehenden Fakten ändern und Regeln nicht mehr gelten lassen, wenn es so viel Freiraum gibt (selbst in einer krassen Sandbox, wo wirklich alles vorher festgelegt ist).
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: alexandro am 7.02.2015 | 19:11
Ich sehe einen deutlichen Unterschied zwischen "Entscheiden" und "Raten".

Wenn die Spieler aufgrund der Faktenlage eine Entscheidung treffen und der SC dreht etwas am Ergebnis, dann finde ich das scheiße und eine Entwertung der Spielerrolle. Wenn die Spieler aber die Fakten nicht kennen und einfach nur aus den gegebenen Optionen irgendeine auswählen, und der SL wählt dann ein Ergebnis aus, welches zu dieser Entscheidung passt (unabhängig davon, ob er das vorbereitet hat), dann ist das imo OK.

Begegnungstabellen funktionieren im wesentlichen nicht anders: normalerweise sind sie gute Hilfsmittel, um die Spielwelt mit Leben zu füllen. Aber wenn über das Gebiet schon Fakten bekannt sind, kann der Wurf auf dieser Tabelle die Recherche der SC entwerten und die Spielwelt ein Stück weit weniger glaubwürdig machen ("Moment... ein Neo-Otygh lebt einen Steinwurf vom Goblinstamm entfernt? Warum haben die sich noch nicht gegenseitig ausgerottet?"). Man kann dann zwar biegen und brechen und weitere Fakten verändern (der Goblin-Schamane hält den Otygh mit "Charm Monster" unter Kontrolle - wodurch er eine wichtigere Rolle im Stamm einnimmt, was ursprünglich nicht geplant war), aber das änder ja nichts am o.g. Ideal sind diese Tabellen, wenn noch nichts über das zu erforschende Gebiet bekannt ist und man erst über diese Würfe kennenlernt.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 7.02.2015 | 19:11
Edit: Eine schöne Möglichkeit als SL das Riff richtig interessant zu machen, wäre doch auch, wenn die zu Überholenden den Versuch mitbekämen [per Zufallswurf] und sich entschieden, den lästigen Verfolgern bei deren Landung eine Falle zu stellen. Warum sollte eine kreative SL also die wenigen objektiv feststehenden Fakten ändern und Regeln nicht mehr gelten lassen, wenn es so viel Freiraum gibt (selbst in einer krassen Sandbox, wo wirklich alles vorher festgelegt ist).

Es wurden ja gar keine objektiv stehenden Fakten geändert; genau so, wie du es vorschlägst, ist unser SL im Prinzip vorgegangen. Das meine ich mit "Kulissenschieben". Beim klassischen Weg A/Weg B -Beispiel wissen die Spieler ja in der Regel auch nicht, welcher weg "eigentlich" wohin hätte führen sollen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Sid am 7.02.2015 | 20:33
Schönes Thema!

Bei uns ist das Kulissenschieben und auch alle anderen "Erzähltechniken" aktiv wahrgenommenes und praktiziertes Recht eines jeden Spielteilnehmers.
Damit ist also neben dem SL auch jeder Spieler gemeint, der sich genau so Orte, NSCs, Gegebenheiten, usw. ausdenkt, und wenn er nicht das
Erzählrecht hat oder sich aus irgendeinem Grund um entscheidet, diese Dinge irgendwann recycelt.

Beispiel:

Ein Spieler hofft, dass ein NSC Dreck am Stecken hat, um ihn zu erpressen. Gelingt eine entsprechende Probe, hat der Spieler das Erzählrecht und denkt sich liebend gern selbst aus, welches dunkle Geheimnis zu nutze gemacht werden kann. Wenn in dem Zusammenhang ein Ort eingeführt oder verändert wird,
den der SL anders "geplant" hatte, dann hat der Spieler Vorrang.

Alles fließt und gilt erst in dem Moment, indem es erzählt wurde - egal von wem.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Blechpirat am 7.02.2015 | 21:31
Ich habe mir übrigens sagen lassen, dass der Blechpirat das im Grunde genauso macht.

Vermutlich hast du in gewisser Weise Recht. Kommt aber auf das Genre an, und wie sehr die Ermittlung im Mittelpunkt steht. Es für mich ganz dicht am "schummeln". Andererseits stehe ich wirklch nicht drüber, wenn die Spieler das Wettreisen wichtig zu finden, es mit Bedeutung aufzuladen. Ich halte es sogar für meine Pflicht.

Ansonsten finde ich den Begriff "Kulissenschieben" nicht ganz zutreffend. Eigentlich tauchen doch Fakten aus dem Nebel auf...

Sie waren (anders als die Kulissen im Theaterstück) vorher gerade nicht da.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 7.02.2015 | 23:55
Bei mir kommt es stark drauf an, wie ich spiele.

Bei einem klassischen Detektiv Abenteuer denke ich mir Tathergang, Motive und Täter aus und die Spieler sollen genau ihn finden und niemand anderen. Abweichungen gibt es maximal bei der Indiziensuche, soweit ich das für logisch halte, das die Infos an anderer Stelle für sinnvoll halte, aber  auch das um jeden Preis. Eine Änerung der Lösung gibt es nicht. das würde ich auch als Spieler nicht wollen.

Aber ich weiche beim Ende eines Abenteuers ungerne von meiner Idee ab, gehe aber sehr wohl darauf ein, wenn die Spieler einem vorgesehenen Weg nicht folgen sondern eigene Wege finden, zum Ziel zu kommen. Und auch ein vorzeitiges Ende lasse ich zu.

Aber das Ende an die Spieler anpassen mache ich nicht und möchte es auch als Spieler nicht.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 8.02.2015 | 08:21
Ansonsten finde ich den Begriff "Kulissenschieben" nicht ganz zutreffend. Eigentlich tauchen doch Fakten aus dem Nebel auf...

Sie waren (anders als die Kulissen im Theaterstück) vorher gerade nicht da.

So sehe ich das auch. Das Begriff ist nicht nur irreführend sondern schlichtweg falsch.

Außerdem finde ich es immer wieder ätzend, wenn für ganz normale Prozesse irgendwelche Kampfbegriffe generiert werden.
Das Bild suggeriert, dass jemand schon etwas erschaffen hat und man das nachträglich abändert. Der Begriff des Schiebens ist auch fast immer negativ belegt.
Der kreative Prozess, dass man sich bis zum Schluss assoziativ leiten lässt und eine Idee erst dann festklopft, wenn es zu ihrer Konkretisierung kommt, ist aber ein völlig normaler und benötigt eigentlich keinen besonderen Begriff. Man nennt diesen Prozess Ideenfindung - und dass diese Ideenfindung die Entscheidungen der Spieler integriert, sollte eigentlich das Ziel sein. Als Designer ist eine Integration des Kundenwunsches bzw. des Benutzers jedenfalls immer selbstredend. Warum ist das im Rollenspiel nicht so?

Dass es unter Rollenspielern zu solchen Vorbehalten kommt, einer vorbereitete Idee der besseren Idee während des Spiels den Vorzug zu geben, liegt
vielleicht an der Existenz von Kaufabenteuern und einer Art von Hörigkeit gegenüber sogenannten "offiziellen" Produkten. Man möchte es auch so machen wie die
großen Vorbilder, übersieht dabei aber, dass es die unkreativere Alternative ist, die dem Geldverdienen untersteht.
Im Rollenspiel ist es aber besser kreativ zu sein, statt ein braver Konsument.

In jeder professionellen Designschmiede bewertet man Ideen tunlichst nach ihrer Güte und nicht danach, ob sie vorher da war.
Ganz im Gegenteil: die erste brauchbare Idee wird dort eher mit Argwohn betrachtet, weil die Erfahrung zeigt, dass folgende Ideen oft besser sind.
Nur der Laie beißt sich an der ersten Idee fest, weil er noch eine Art romantisches Verhältnis zu Ideen hat.
Ideen sind aber im kreativen Bereich nur Schall und Rauch. Sie bieten sich im Minutentakt an. Das was sie erst wertvoll macht, ist die tatsächliche Umsetzung.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Maarzan am 8.02.2015 | 09:43
Ein Spielleiter kann immer nur so viel leisten und ist auch nicht unfehlbar. In dem Sinne ist eine Spielrealität am Anfang noch lange nicht in Stein gemeißelt und wird unter dem Spieleindruck immer wieder sich etwas umformen, aber auch immer weiter verfestigen mit dann gesetzten Fakten.

Es ist also nur natürlich, dass ein Spielleiter seine Vorabvorstellungen kontinuierlich überprüft und bei besseren weil logischeren oder weil ihm einfach ein Fehler unterlaufen ist richtigen Spielerbeiträgen anpasst. Da ist dann auch ein gewisser Raum für Änderungen, wenn die Beiträge der Spieler bei gleicher Plausibilität unterhaltsamer zu werden versprechen.
Entscheidungen brauchen um relevant zu sein einer stablien Faktenbasis. Ohne die kann man sich auch die Entscheidungen sparen.


Das was ich unter "Achtung einer Spielerentscheidung" im engeren Sinne verstehe ist es aber gerade nicht. Diese bezieht sich auf die Führung des Charakters als charakteristische Beteiligung in einem Rollenspiel und da gehört es eben auch zu einen grundsätzlich auch die Folgen der Fehler solcher Entscheidungen erleben zu lassen. Wo diese Folgen einen Spieler z.B. durch das Verlieren der Figur aus dem Spiel entfernen würde etc. kann man korrigierend eingreifen, aber als Metaproblem, gehört das auch auf der Metaebene angegangen.

Die Ergänzung der Motivation wäre damit OK, die spielweltlich eigentlich unhaltbare "Teleportation" hingegen nicht. Im Rahmen des gesteigerten Unterhaltungswerts könnte das dann individuell entschuldigt werden, führt aber auf die glitschige schiefe Ebene dies dann immer wieder für alle beteiligten Spieler raten zu müssen. Man stelle sich vor, ein Spieler hatte eine bessere Methode vorgeschlagen und war überstimmt worden oder hat gar Ressourcen in diese Option gesteckt.
Die ganze Argumentation mit "Spielspaß" geht meines Erachtens sehr naiv davon aus, dass Geschmack eine homogene Weltsicht wäre. Extreme mögen da klar sein, aber für die weiten Bereiche dazwischen finde ich es eher überheblcih das für alle (in vielen Situationen auch unbekannten) Beteiligten ungefragt festlegen zu wollen. 

Und Railroading ist nur für die ein "Kampfbegriff", für die ein selbstherrliches Hinwegsetzen über die Mitspielerbeteiligung wie ein Gewohnheitsrecht aussieht.

Auch Freefrom sollte der inneren Logik und etablierten Regeln entsprechen, die sind dann nur eben nicht formell festgeschrieben.

Spieler können sich übrigens durchaus über geschenkte Erfolge ärgern, sinkt doch zumindest für einige sowohl die Freude über die Eigenleistung, wie auch die Freude am Erleben einer nun nicht mehr als stimmig empfunden Spielwelt.

Wenn die Spielweise wie bei Gumshoe explizit so angelegt ist, ist es natürlich kein Railroading, weil die Einschränkungen nicht unangemessen aufgezwungen, sondern vorab explizit und transparent sind.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: JollyOrc am 8.02.2015 | 09:49
Ansonsten finde ich den Begriff "Kulissenschieben" nicht ganz zutreffend. Eigentlich tauchen doch Fakten aus dem Nebel auf...

Sie waren (anders als die Kulissen im Theaterstück) vorher gerade nicht da.

Doch, da der SL sich ja ggfs. schon vorher hinter dem Vorhang eine "Wahrheit" zurechtgelegt hatte, und die nun aufgrund von Spielerideen verwirft und schnell eine neue Kulisse hinschiebt, bevor der Vorhang gelüftet wird.

Der Nebel ist dann da, wenn man als SL noch gar keine Idee hatte.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 8.02.2015 | 11:28
Doch, da der SL sich ja ggfs. schon vorher hinter dem Vorhang eine "Wahrheit" zurechtgelegt hatte, und die nun aufgrund von Spielerideen verwirft und schnell eine neue Kulisse hinschiebt, bevor der Vorhang gelüftet wird.
Warum Wahrheit in Anführungszeichen? Weil es eben keine ist, solange sie nicht am Tisch erzählt wurde.
Der Begriff des Kulissen schiebens ist auch deshalb schlecht, weil sie ja überhaupt erst mal auf die Bühne geschoben werden muss, um da zu sein.
Dann wäre ja schon die erste Idee eine geschobene Kulisse?

Der Nebel ist dann da, wenn man als SL noch gar keine Idee hatte.
Mit Nebel war der Nebel aus Sicht der Spieler gemeint.
Der Nebel lüftet sich für die Spieler, sobald der SL aus einer seiner Ideen ein Faktum schafft.
Die Gedanken sind frei! Und auch Kaufabenteuer haben noch niemals jemanden zu etwas gezwungen. Dazu ist ein Buch nicht in der Lage.
Ein Buch oder eine Idee hat nur Macht über Leute, die das zulassen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: am 8.02.2015 | 11:54
Der ganze Thread hier dreht sich doch einmal mehr letztlich um die Frage, ob insbesondere der SL einer Runde die "Rule of Cool" einsetzen darf oder halt nicht. Beides hat verschiedene Vor- und Nachteile, entsprechend wird man zur idealen Ausprägung kaum eine allgemeingültige Antwort finden.

Tut mir nur einen Gefallen: lasst doch Kampfbegriffe wie die "Entwertung von Spielerentscheidungen" raus. Das sind unangemessen tendenziöse Begrifflichkeiten, die außer einer anklagenden Grundhaltung wenig aussagen und zudem ideologisch aufgeladen sind. Warum beschreibt man das Phänomen nicht einfach als "Geisteshaltung der Gruppe" mit den Polen simulationistische versus dramaturgische Orientierung?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: JollyOrc am 8.02.2015 | 12:48
Warum Wahrheit in Anführungszeichen? Weil es eben keine ist, solange sie nicht am Tisch erzählt wurde.

Genau deswegen, yup.

Zitat
Der Begriff des Kulissen schiebens ist auch deshalb schlecht, weil sie ja überhaupt erst mal auf die Bühne geschoben werden muss, um da zu sein.
Dann wäre ja schon die erste Idee eine geschobene Kulisse?
Mit Nebel war der Nebel aus Sicht der Spieler gemeint.
Der Nebel lüftet sich für die Spieler, sobald der SL aus einer seiner Ideen ein Faktum schafft.

jein, ich glaube, Blechpirat meinte mit dem Nebel etwas leicht anderes. Hier mal meine Begrifflichkeiten:

"Kulisse": Ein fertiges Konstrukt für die Spielwelt, dass man als SL vorbereitet hat. Dieses Konstrukt hat seinen Platz, seine Aufgabe im Plot, ist evtl. auch schon mit anderen Dingen verknüpft.

"Kulissenschieben": Der SL verschiebt dieses Konstrukt von A nach B, ändert die Farbe und das Aussehen, seine Relevanz und Auswirkungen

"Nebel": Alles, was bislang nicht am Tisch erzählt bzw. vom SL (ob jetzt offen oder verdeckt) endgültig und unumstößlich als Fakt deklariert wurde.

Aber in der Tat, es gibt mehrere Sorten von Nebel, vielleicht sollte man die auch aufteilen: Den Nebel des Krieges, der einfach auf dem unvollständigen Weltwissen der Spielercharaktere beruht. Aus deren Sicht ist die Welt ja komplett und vollständig, aber sie müssen diese halt noch erst erkunden und aufdecken.

Aus Sicht der Spieler ist der Nebel etwas lichter, sie verfügen zum Beispiel über Wissen aus Quellenbänden oder Metavereinbarungen am Tisch.

Spielleiter wiederum haben eine ganz andere Form von Nebel: Je nachdem wie vor- und ausgearbeitet die Welt ist, ist sie von Nebel erfüllt. Manche SL gehen nur dann an den Tisch, wenn sie sich sicher sind, dass die Spieler ein Gebiet betreten, dass man als Spielleitung schon weitgehend vom Nebel befreit und mit Kulissen ausgestattet hat.

Andere haben Spaß daran, den Nebel gemeinsam mit den Spielern zu lüften, und lassen sich dann während der Session ebenso überraschen, was sich da herausschält.


Im Ergebnis bin ich jemand, der zwar gerne Kulissen für das Spiel vorentwickelt, dann diese aber nutzt, um sie im laufendem Spiel je nach Lust und Laune und Spielerideen passend in den Nebel zu schieben. Und solange die Spieler Spaß daran haben, werde ich bislang ungesehene Requisiten und Kulissen hemmungslos umarrangieren um Handlung und Atmosphäre voranzubringen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 8.02.2015 | 13:17

Tut mir nur einen Gefallen: lasst doch Kampfbegriffe wie die "Entwertung von Spielerentscheidungen" raus. Das sind unangemessen tendenziöse Begrifflichkeiten, die außer einer anklagenden Grundhaltung wenig aussagen und zudem ideologisch aufgeladen sind. Warum beschreibt man das Phänomen nicht einfach als "Geisteshaltung der Gruppe" mit den Polen simulationistische versus dramaturgische Orientierung?

Aber genau um das Verhältnis zwischen theoretischen Positionierungen - die zu Recht mit solchen Kampfbegriffen arbeiten, die ja auch tatsächlich Existentes wertend benennen - und der eigenen Praxis, die da nicht unbedingt deckungsgleich ist, was gegenseitige Abgleichung und Neubewertung mötig macht, geht es mir hier ja.
Ich könnte natürlich auch ganz pseudoneutral darlegen, was für dramaturgisch orientierte SL-Techniken ich bevorzuge; dann würde ich aber nur den Bezug zu ideologisch aufgeladenen Debatten, der mir den Anstoß zu dem Thema gegeben hat, verdecken.  Und das fände meine politische Ikone Donna Haraway gar nicht gut .  :P
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: am 8.02.2015 | 13:39
Naja, aber ein Ergründen unterschiedlicher Positionen wird ja nicht dadurch leichter, dass man sich rabulistische Nebelkerzen der Marke "Entwertung von Spielerentscheidungen" aktiv ins Haus einlädt - zumal man das "Argument" ja mit guter Begründung auch umdrehen könnte ("Was ein bekackter Spielleiter das doch ist! Da hab ich bei der Charaktererstellung extra ein paar Riesenflags gesetzt und dann rennen wir seit vielen Sessions an jeglicher Action, die damit auch nur ansatzweise verbunden sein könnte, vorbei. Wasn Scheiß! Da werden meine Wünsche ignoriert und meine Entscheidungen entwertet!"). Aber hey: es ist Dein Thread, ich halte mich dann mal zurück.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: KWÜTEG GRÄÜWÖLF am 8.02.2015 | 13:44
Jolly Orc hat das meiner Meinung nach hervorragend zusammengefasst, ich sehe es genauso.
Gerade diese Kulissenschieberei ist es übrigens auch, die in meinen Augen der größte Pluspunkt von P/P-RPG gegenüber Computer-RPGs darstellt. Dort hat man ja eine ziemlich festgelegte Lösungsstruktur, und auf die hat der Spieler gefälligst draufzukommen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Greifenklaue am 8.02.2015 | 13:55
Für mich als herausforderungsorientierten Spieler wäre das nix.

Ein Teil meines Spielspaßes ziehe ich daraus, ein vorhandenes Rätsel (hier: Wer ist der Mörder/Täter/Verbrecher? Und Bonus: Wie kann man es beweisen?) zu knacken.

Wenn meine Ideen dann die vermeintliche Lösung liefern und ich es dann knacke, dann hab ich davon nix. Im Einzelfall mag man das nicht merken, sicherlich, aber Spieler lernen oft sehr schnell ihren Spielleiter zu lesen.

Bei improvisierten Oneshots mag die Technik gut klappen (wobei die dann für mich auch nicht so spannend sind, da das Rätsel ja auch erst in Teilen existiert), bei einem Kaufabenteuer wie Private Eye mag das eine schlechte Entscheidung sein, weil sich dann doch Widersprüche entdecken lassen, die man in seiner spontanen Entscheidung noch nicht bedenken konnte.

Und wo Detektivabenteuer als Hauptbeispiel dienen, möcht ich nich kurz sagen: Immer Indiziennetz, nie Kette!  ;)

 
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: K!aus am 8.02.2015 | 14:06
Ah, Kulissenschieben nennt sich das.

Solche Gedanken (http://www.tanelorn.net/index.php/topic,49422.0.html) hatte ich auch schon einmal. ;)

Gruß,
  Klaus.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 8.02.2015 | 14:09
Ich stimme Jolly Orc auch zu, bis auf das hier:

"Kulissenschieben": Der SL verschiebt dieses Konstrukt von A nach B, ändert die Farbe und das Aussehen, seine Relevanz und Auswirkungen
Es ist eben oft genug nicht die gleiche Kulisse, die irgendwo anders hingeschoben wird, sondern eine komplett neue und andere Idee.
Und oft genug sind es auch Protagonisten, die sich ändern, wegfallen oder hinzukommen. Da ist der Begriff auch eher unpassend.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: JollyOrc am 8.02.2015 | 14:17
Wenn meine Ideen dann die vermeintliche Lösung liefern und ich es dann knacke, dann hab ich davon nix. Im Einzelfall mag man das nicht merken, sicherlich, aber Spieler lernen oft sehr schnell ihren Spielleiter zu lesen.

ja, das unterscheidet dann die schlechten vom guten SL: Zu wissen, wann man Dinge gefahrlos hin- und herschieben darf, und wann nicht. Womit wir wieder bei der Ausgangsfrage des Threads sind! :)

Ich postuliere: Man darf das solange tun, wie die Spieler die von ihnen erwartete Herausforderung geboten bekommen. Wenn diese ein komplexe Indizienrätsel erwarten, dann darf ich dieses Rätsel nicht kaputtschieben (statt dem Butler ist plötzlich der Gärtner der Mörder). Ich darf allerdings sicherlich so an den Kulissen schieben, damit sie die Puzzlestücke einsammeln können (das blutige Messer hat der Butler auf der Flucht nicht am Anfang sondern am Ende des Flurs verloren).

Zu den Begrifflichkeiten:

Zitat von: blind cat
Es ist eben oft genug nicht die gleiche Kulisse, die irgendwo anders hingeschoben wird, sondern eine komplett neue und andere Idee.
Und oft genug sind es auch Protagonisten, die sich ändern, wegfallen oder hinzukommen. Da ist der Begriff auch eher unpassend.

Im Grunde hast Du recht. Allerdings finde ich das Bild des Kulissenschiebens immer noch schön genug, als dass ich es einfach wegwerfen mag - klar, nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich, aber man kann halt nicht jeden Sachverhalt immer mit einer 100% passenden Analogie beschreiben.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 8.02.2015 | 14:40
Allerdings finde ich das Bild des Kulissenschiebens immer noch schön genug, als dass ich es einfach wegwerfen mag.

Ich finde den Begriff auch sehr gut für die Verschiebung von Kulissen.
Es kommt ja oft genug vor, dass der SL eine fertige Stadt einfach 20 km nach rechts verschiebt, weil die Gruppe rechts abgebogen ist.
…oder einen Dungeonraum oder ein Haus oder einen beliebigen anderen Ort wo das Spiel stattfinden soll.
Dafür finde ich den doch etwas negativ klingenden Begriff auch gerechtfertigt.

Hier im Thema wurde aber erweitert von einer ganz normalen spontanen Ideenfindung während des Spiels gesprochen.
Dafür braucht es keinen Fachbegriff. Es ist eben spontane Ideenfindung. Oder nenne es assoziative Kreativität. Oder spielerbeeinflusstes Spielleiten.
Spezialbegriffe, die nicht gut passen, halte ich für sehr gefährlich, weil sich daraus dann wieder jahrelange Diskussionen ergeben, bei denen der Begriff
zwar ständig benutzt wird, aber am Ende doch wieder alle aneinander vorbeireden, weil die Definition nie so richtig gepasst hat.

Einen Sachverhalt mit ein paar eigenen Worten wiederzugeben ist sehr viel zielführender als mit schlechten 'Fachbegriffen' um sich zu werfen, unter
denen 50% dies und 30% das verstehen und der Rest keine Ahnung hat und sich anhand des Namens irgendwas zusammenreimt.
Ich verweise nur auf die immer wieder kehrenden Railroading-Threads, in denen es noch nie einen breiten Konsens gab obwohl es immerhin eine
Art von offizieller Forge-Definition dafür gibt. Nach der kräht kein Hahn, weil die Mehrheit sie nie gelesen hat und der Meinung ist, sie wisse ja, was
Eisenbahnschienen sind und dabei die Subjektivität des Begriffs nicht sehen möchte, ohne die Begriffe wie Illusionismus und Partizipationismus z.B.
gar keinen Sinn machen. Just my 2 Cents.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Oberkampf am 8.02.2015 | 14:47
Was an Rumspielstilziels Erklärung der Situation für mich wichtig ist: Der Spielleiter hat die Spieler bei der Einhol-Aktion irgendwelche Proben würfeln lassen.

Ich selbst hasse nichts kaum etwas mehr als unnötig gewürfelte Proben in Rollenspielen, also Proben, die keine Konsequenzen auf den weiteren Spielverlauf haben. So einen Blödsinn habe ich früher selbst oft genug verzapft, mit Wahrnehmungsproben für notwendige Spielinformationen, irrelevanten Wissensproben oder eben Fertigkeitsproben, die nichts bedeuten - also weder Ressourcen schützen, noch erweitern, noch Vorteile bringen, noch Nachteile verhindern, noch Spielwege öffnen oder verschließen.

Heutzutage gibt es so viele intelligente Vorschläge, was man tun kann, um unnötige Proben zu vermeiden oder vorschnell verlangte/erbrachte Proben sinnvoll ins Spielgeschehen einzubinden, dass sinnloses Würfeln einfach nicht mehr sein muss - vom positiven Nebeneffekt abgesehen, dass weniger  sinnlose Proben das Würfeldrehen reduzieren, ganz abgesehen.

Wenn ein Spielleiter im Rollenspiel auf etwas würfeln lässt - egal ob vom SL selbst verlangt oder vom Spieler vorgeschlagen und vom SL abgenickt - sollte das bei Erfolg der Probe auch eine positive Konsequenz für den Spieler zur Folge haben.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 8.02.2015 | 14:55
Ich selbst hasse nichts kaum etwas mehr als unnötig gewürfelte Proben in Rollenspielen, also Proben, die keine Konsequenzen auf den weiteren Spielverlauf haben. So einen Blödsinn habe ich früher selbst oft genug verzapft, mit Wahrnehmungsproben für notwendige Spielinformationen, irrelevanten Wissensproben oder eben Fertigkeitsproben, die nichts bedeuten - also weder Ressourcen schützen, noch erweitern, noch Vorteile bringen, noch Nachteile verhindern, noch Spielwege öffnen oder verschließen.
Es gibt Spiele, wo man bei speziellen Würfelergebnissen etwas lernt (z.B. RuneQuest und Trauma).
Da hätte es dann Berechtigung, obwohl alle Ergebnisse zur gleichen Situation führen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: K!aus am 8.02.2015 | 14:58
Ich finde, wenn der Spielleiter den Vorstellungen der Spieler entgegenkommt und damit seine Vorbereitungen spontan umschreibt, dann wird die (vor dem Abend) getroffene Entscheidung des Spielleiters entwertet.

Damit betreiben die Spieler dem SL gegenüber ziemliches Railroading: Egal was der SL vorbereitet hat, wenn er während der Abends auf die Stimmung der Spieler eingeht und das geschehen lässt was eben jenen als logisch und schlüssig vorkommt und worauf sie hinarbeiten, dann ist doch ziemlich egal was der SL vorbereitet. Es geschieht wie die Spieler es vorhaben.

Kann ich das SL Railroading nennen?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 8.02.2015 | 15:05
Was an Rumspielstilziels Erklärung der Situation für mich wichtig ist: Der Spielleiter hat die Spieler bei der Einhol-Aktion irgendwelche Proben würfeln lassen.

[...]

Wenn ein Spielleiter im Rollenspiel auf etwas würfeln lässt - egal ob vom SL selbst verlangt oder vom Spieler vorgeschlagen und vom SL abgenickt - sollte das bei Erfolg der Probe auch eine positive Konsequenz für den Spieler zur Folge haben.

Dem stimme ich zu und das ist glaube ich auch der Knackpunkt - ich wollte das hier auch gar nicht als scharfe SL-Kritik formulieren, die Situation war für mich eher ein Moment der Erkenntnis. Der SL (übrigens Kriegsklinge hier aus dem Forum) leitet halt eigentlich immer so, dass aus unseren zielgerichteten Aktionen auch irgendwelche ernsthaften Ereignisse resultieren, die auf die eine oder andere Art mit unserem Ziel zu tun haben. Und überflüssiges Gewürfel ist bei ihm eigentlich auch nicht angesagt.
Bei dem Verfolgungsbeispiel habe ich also deshalb etwas gemurrt, weil die Situation anders verlaufen ist, als ich es von ihm als SL gewohnt war: Wir hatten uns was Schönes überlegt, er hat uns Proben abverlangt ... und dann waren wir trotzdem langsamer. Er hat aber wie gesagt auch sofort dazugesagt, dass unser frühes Eintreffen noch Konsequenzen haben wird, die wahrscheinlich erst in der nächsten Sitzung für uns ersichtlich werden.

Im Prinzip ist mir an dieser Situation einfach deutlich geworden, dass ich zumindest von diesem SL erwarte, dass er sein Szenario "on the fly" anpasst, um unsere Ideen zu honorieren und ihnen möglichst viel Relevanz (ob nun positiv oder negativ) zu verleihen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 8.02.2015 | 15:13
Ich finde, wenn der Spielleiter den Vorstellungen der Spieler entgegenkommt und damit seine Vorbereitungen spontan umschreibt, dann wird die (vor dem Abend) getroffene Entscheidung des Spielleiters entwertet.

Damit betreiben die Spieler dem SL gegenüber ziemliches Railroading: Egal was der SL vorbereitet hat, wenn er während der Abends auf die Stimmung der Spieler eingeht und das geschehen lässt was eben jenen als logisch und schlüssig vorkommt und worauf sie hinarbeiten, dann ist doch ziemlich egal was der SL vorbereitet. Es geschieht wie die Spieler es vorhaben.

Kann ich das SL Railroading nennen?

Das ist jetzt aber ein Witz, oder?

Abgesehen davon: Es geht nicht darum, dass immer das geschehen soll, was den Spielern logisch und schlüssig erscheint und das, worauf sie hinarbeiten, sondern darum, dass die Theorien/Intentionen der Spieler vom SL aufgegriffen werden. Wenn die Spieler jemanden für den Mörder halten, muss er deshalb nicht plötzlich der Mörder sein - aber das Abenteuer wird sicher interessanter, wenn der SL die Rolle des NSC, auf den sie sich eingeschossen haben, aufwertet und ihn beispielsweise zum Komplizen macht oder ihm ein anderes Geheimnis gibt, das mit dem Fall in Verbindung steht. Der Verdacht muss nicht richtig sein, aber er sollte nicht einfach ins Leere führen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Chruschtschow am 8.02.2015 | 15:29
Kann ich das SL Railroading nennen?

Nein, denn die "Entwertung" meiner Entscheidung entsteht ja erst, indem sie gegen meinen Willen durchgedrückt wird. Verschiebe ich etwas, dann liegt die Entscheidung eben in letzter Instanz bei mir.

Ich bin übrigens ein glücklicherer SL, seitdem ich für's Kulissenschieben bezahlt werde... mit Fatepunkten. "Können wir die überhaupt einholen?" - Mit einem Pokerchip winkend: "Puh, schwer zu sagen. Wenn die natürlich einen Platten hätten. Oder das Wetter schlechter wird. Oder plötzlich ein Elch auf Straße springt. Ja, das könnte schon echt deren Planung versauen." :d

[Edit]
Aber auch für die Simulationisten gilt: die Simulation ist höchstens so gut wie die Rechenleistung, die ich letztlich dafür aufwende. Nähere ich also in meiner Planung Dinge an und sehe dann bei der detaillierten Planung der Spieler Dinge, die mir so beispielsweise plausibler sind, dann wäre ich ein schlechter Simulationist, wenn ich meine Welt nicht einer stärkeren Simulation anpasse.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Greifenklaue am 8.02.2015 | 16:17
Ich stimme Jolly Orc auch zu, bis auf das hier:
Es ist eben oft genug nicht die gleiche Kulisse, die irgendwo anders hingeschoben wird, sondern eine komplett neue und andere Idee.
Und oft genug sind es auch Protagonisten, die sich ändern, wegfallen oder hinzukommen. Da ist der Begriff auch eher unpassend.

Ich würde da auch (Jolly Orc) widersprechen!

Wenn Entscheidung B statt A zu anderen Konsequenzen mit anderem Handlungsverlauf führt, ist das ja genau nicht das, was der Threadersteller mit Kulissenschieben meint.

(Oder war das nur von Blind cat in Jolly Orcs Aussage rein"intendiert"?)
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Ucalegon am 8.02.2015 | 16:46
Schon die meisten der Eingangsbeispiele würde ich nicht als Kulissenschieben bezeichnen. Außer der Begriff soll jegliches Improvisieren von SL-Seite aus umfassen [btw macht es da für euch wirklich einen Unterschied ob das Element, das on the fly improvisiert wird einer Spieler(innen)idee entstammt oder dem Hirn der SL? Improvisiert man in einer Sandbox gar nicht?].

Oder wie definiert man das sonst?





Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 8.02.2015 | 17:00
Schon die meisten der Eingangsbeispiele würde ich nicht als Kulissenschieben bezeichnen. Außer der Begriff soll jegliches Improvisieren von SL-Seite aus umfassen

Es gibt ja den Unterschied zwischen der Variante: Ich entscheide vorab über bestimmte Elemente (die Rubine sind bei dem Söldner, der sie geklaut hat) und improvisiere Weiteres (unter der Brücke zum Dorf sitzt ein Troll), und: Ich entscheide vorab über bestimmte Elemente (die Rubine sind bei dem Söldner) und ändere sie dann aufgrund von Spieler-Input (Die Rubine sind bei der Verlobten).
Um Letzteres geht es mir.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Greifenklaue am 8.02.2015 | 17:01
Schon die meisten der Eingangsbeispiele würde ich nicht als Kulissenschieben bezeichnen. Außer der Begriff soll jegliches Improvisieren von SL-Seite aus umfassen [btw macht es da für euch wirklich einen Unterschied ob das Element, das on the fly improvisiert wird einer Spieler(innen)idee entstammt oder dem Hirn der SL? Improvisiert man in einer Sandbox gar nicht?].

Oder wie definiert man das sonst?

Nach etwas Nachdenken gebe ich Dir recht.

Wenn Kulissenschieben ursprünglich beim Railroading beschreibt, wie ich die nächste, schon vorgedachte Handlung einfach nur vor die nächste Kulisse schiebe, dorthin, wo die SC sind, um genau das abzuspulen, was geplant war, geht es ja hier eher darum "hinter den Kulissen etwas zu verschieben".

Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Ucalegon am 8.02.2015 | 17:28
Es gibt ja den Unterschied zwischen der Variante: Ich entscheide vorab über bestimmte Elemente (die Rubine sind bei dem Söldner, der sie geklaut hat) und improvisiere Weiteres (unter der Brücke zum Dorf sitzt ein Troll), und: Ich entscheide vorab über bestimmte Elemente (die Rubine sind bei dem Söldner) und ändere sie dann aufgrund von Spieler-Input (Die Rubine sind bei der Verlobten).
Um Letzteres geht es mir.

Ließe sich dann ja eindampfen auf:

Sollte ich als SL Elemente, die ich vorab für eine Session/Kampagne/Spielwelt festgelegt habe, im Spielverlauf ändern? [Macht es dabei wirklich einen Unterschied ob ich das aus Spieler(innen)-Input mache oder weil es mir als SL besser erscheint?]

Statt der vorab festgelegten A wird im Spielverlauf B zur Mörderin gemacht.

Statt der vorab festgelegten 10 Feinden greifen 20 an, weil die SCs noch recht fit sind.

Statt des vorab festgelegten und ausgestalteten Dorfes X befindet sich am Ende des von den SCs eingeschlagenen Weges das komplett anders ausgestaltete Dorf Y.

Provokant gefragt: Warum lege ich Dinge en detail fest, an die ich mich im Zweifelsfall ohnehin nicht halten will?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 8.02.2015 | 17:44
Es gibt ja den Unterschied zwischen der Variante: Ich entscheide vorab über bestimmte Elemente (die Rubine sind bei dem Söldner, der sie geklaut hat) und improvisiere Weiteres (unter der Brücke zum Dorf sitzt ein Troll), und: Ich entscheide vorab über bestimmte Elemente (die Rubine sind bei dem Söldner) und ändere sie dann aufgrund von Spieler-Input (Die Rubine sind bei der Verlobten).
Um Letzteres geht es mir.

Ich würde es nicht mögen, wenn der SL die Festlegung so ändert.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Chruschtschow am 8.02.2015 | 17:46
Da gibt es viele Antworten. Weil ich mich verschätzt habe. Weil ich ein stärkeres Gefühl von Sicherheit habe. Weil ich gerne vorbereite. Weil... Weil... Weil...

Aber darf ich damit nicht flexibel das, was ich mir eh ausgedacht habe, ändern?

@Xemides:
In wie fern stört es dich, ob der SL vor 5 Minuten oder vor 5 Stunden entschieden hat, hinter welcher Tür der Troll ist?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Maarzan am 8.02.2015 | 18:01
Der Spielleiter sollte sich bei der Vorbereitung und bei der laufenden Behandlung der Spielwelt ja etwas gedacht haben und dort bestmögliche Ausführung der ihm zugeschriebenen Aufgaben dabei anstreben.

Damit die Entscheidungen der Spieler für ihren Charakter dann im Spiel selbst Relevanz haben, muss die Spielwelt dafür auch eine stabile Basis bieten und nicht frei rummutieren.

Es kann natürlich sein, dass er - alleine oder durch Spielerinput - erkennt, dass es noch besser geht  oder er einen Fehler gemacht hat. Dann kann es notwendig sein nachzubessern, bzw, in so weit die vorherigen Kausalitäten und Grundlagen nicht betroffen sind, kann auch weiterer Platz für Verbesserungen sein.

Sie sind aber auch immer ein Risiko - doppelt, wo eben nicht die Spielkonsistenz selbst das Ziel ist, sondern etwas davon abweichendes und so vaages und subjektives wie "Spaß" oder "bessere Geschichte", und das nicht im Dialog sondern quasi gedankenlesend.

Daher würde ich von einem gewissenhaften Spielleiter annehmen, dass er seine Spielwelt entsprechend vorbereitet, wie es für das Rollenspiel förderlich ist - nicht mehr und nicht weniger - und sich damit auch abseits möglicher übersehener Verbesserungen auch vor hat sich daran zu halten bzw seine Änderungen in diesem Geiste zu prüfen und dann ggf umzusetzen.

In dem Sinne sehe ich das Beispiel mit dem das zu spät kommen fixen nicht als Honorierung der Entscheidung sondern vielmehr einer Abwertung der Entscheidung zu Gunsten der in der Spielwelt eigentlich irrelevanten Willenserklärung.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Greifenklaue am 8.02.2015 | 18:46
@Xemides:
In wie fern stört es dich, ob der SL vor 5 Minuten oder vor 5 Stunden entschieden hat, hinter welcher Tür der Troll ist?

Mich stört es, wen er es entscheidet, wenn ich durch die Tür gehe*. (Denn dann empfinde ich es als SL-Willkür.)

Außer er konsultiert eine Zufallstabelle und das Ergebnis ist: 1 Troll. ^^

*Weitere Ausnahme: Wenn die SC Ereignisse ausgelöst haben, die dazu führen, dass sich ein vorhanderener Troll in diesen Raum bewegt, wäre das natürlich auch OKay.

Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 8.02.2015 | 20:33
@Xemides:
In wie fern stört es dich, ob der SL vor 5 Minuten oder vor 5 Stunden entschieden hat, hinter welcher Tür der Troll ist?

Nun, das stört mich weniger. Ist aber auch etwas überspitzt von dir dargestellt.

Mich stört aber, wenn bei einem who-done-it der Täter sich meinen Überlegungen anpasst und ich ihn nicht herausgefunden habe.

Wenn meine Entscheidung die richtige ist, obwohl es die falsche ist.

Wenn ein Rätsel von mir nur deshalb gelöst wird, weil ich eine Lösung habe und ich nicht auf die Lösung gekommen bin.

All das entwertet die Arbeit und Grips die ich inventiere. Ich will die Resultate nicht bestimmen sondern herausbekommen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 8.02.2015 | 21:10
Der Spielleiter sollte sich bei der Vorbereitung und bei der laufenden Behandlung der Spielwelt ja etwas gedacht haben und dort bestmögliche Ausführung der ihm zugeschriebenen Aufgaben dabei anstreben.


Die Prämisse finde ich sehr fragwürdig.
Klar hat der SL sich bei seiner Vorbereitung wahrscheinlich was gedacht; andererseits ist aber auch klar, dass es gerade bei etwas komplexeren Szenarien sehr unwahrscheinlich ist, dass die Spieler der Logik des SL folgen, was richtige (oder gar "bestmögliche") Lösungen und z.B. die psychologische Glaubwürdigkeit von NSC-Handeln angeht. Das führt leicht mal dazu, dass die Spieler frustriert sind, weil ihr Handeln ins Leere geht, und der SL ihnen hinterher erzählt, wie dumm sie sind, weil sie das "falsche" gedacht/gemacht haben. Dabei dürfte erfahrungsgemäß der Lösungsansatz der Spieler auf Grundlage der ihnen bekannten Spielwelttatsachen in den meisten Fällen nicht weniger folgerichtig sein als der des SL; es ist halt nur mit hoher Wahrscheinlichkeit ein anderer. Der SL mag sich am Ende vielleicht besonders schlau vorkommen, weil er selbst den "bestmöglichen" Ansatz wusste und alle anderen zu dumm waren, darauf zu kommen - damit ist dann aber maximal einem aus der Gruppe gedient.

Wenn sich die Gruppe beispielsweise geschlossen darauf einschießt, dass der Koch den Grafen ganz offensichtlich hasst, obwohl laut SL-Aufzeichnungen überhaupt keine relevante persönliche Beziehung zwischen Koch und Graf besteht, dann kann der SL jetzt natürlich die Spieler wild gegen den Koch ermitteln lassen und am Ende sagen: "Wie kamt ihr eigentlich darauf, dass der Koch den Grafen hasst? In meinen Notizen steht nichts davon, und wenn ihr das so wahrgenommen habt, dann habt ihr's offenbar nicht verstanden. Jetzt seid ihr eben gescheitert."
Oder der SL kann sich sagen: "Na, offensichtlich habe ich die Situation jetzt so gespielt, dass der Eindruck entsteht, der Koch würde den Grafen hassen. Und die Spieler haben auch noch eine Theorie darüber, warum das plausibel ist. Dann mache ich es doch wirklich so, dass der Koch den Grafen hasst. Deshalb muss er ja noch nicht der Mörder sein. Aber vielleicht freut er sich über den Tod des Grafen. Und vielleicht nutzt der wahre Mörder das, um dem Koch die Schuld anzuhängen. Und das könnte sie SC am Ende sogar auf seine Spur bringen."
Damit haben die SC die Ermittlungen immer noch nicht automatisch "richtig" abgeschlossen, nur weil sie irgendeine Theorie haben; wichtig ist mir aber, dass der SL ihre Theorie in irgendein relevantes Verhältnis zum sonstigen Geschehen setzt und sie nicht einfach ins leere Laufen lässt, weil sie laut ursprünglichen Aufzeichnungen "nicht stimmt". Egal, was die Spieler betreiben - solange sie es zielgerichtet betreiben, sollte es auch in einen Erfolg oder ein Scheitern führen, der oder das etwas mit ihren Zielen zu tun hat, und nicht einfach ins Leere laufen.

Natürlich geht es mir dabei nicht um jeden Pups, den die Spieler lassen, sondern um Pläne und Ideen, die sie mit einer gewissen Leidenschaft und mit Einsatz verfolgen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 8.02.2015 | 21:13

Provokant gefragt: Warum lege ich Dinge en detail fest, an die ich mich im Zweifelsfall ohnehin nicht halten will?

Um Material zu haben, mit dem ich arbeiten kann. Das heißt aber nicht, dass ich das Material nicht jederzeit durch besseres ersetzen könnte. Wenn ich mir einen Schraubenzieher bereitlege, um ein Regal anzubringen, und mit der Nachbar dann, wenn ich gerade anfangen will, einen Akkuschrauber vorbeibringt, sage ich doch auch nicht: "Nee, lass mal, du, ich hab mir jetzt extra meinen Schraubenzieher bereitgelegt."
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: KWÜTEG GRÄÜWÖLF am 8.02.2015 | 21:44
Also ich habe bei Abenteuern (die eh meist selbst gebaute Sachen sind) ungefähre Vorstellungen und Lösungen, aber ich halte mich dann nicht sklavisch daran.

Denn mal ehrlich, wer von uns ist ein so genialer und perfekter Vorausplaner, daß er im Vorherein ganz genau weiß, was in der konkreten Rollenspielsituation später dann atmosphärisch und dramatisch passend sein wird?
Vielleicht gibt es solche Überflieger, ich bins jedenfalls nicht.

Und dann kommt es bei mir durchaus vor, daß bei einer Schilderung der Situation die Spieler dann Zusammenhänge vermuten und postulieren, die um einiges besser und durchdachter sind, als was ich mir vorher mühsam zusammengedengelt habe.
 Und da soll ich dann nach dem Motto "das habe ich aber so festgelegt, das MUSS jetzt so bleiben, ICH bin hier der SL!" stur bei meinem eigenen Konzept mit allen noch so doofen Details bleiben?

Hätte ich das getan, wären einige sehr geniale Spielabende um einiges öder verlaufen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: K!aus am 8.02.2015 | 21:47
Das ist jetzt aber ein Witz, oder?

Ich meinte das nicht als Witz, habe es vielleicht überspitzt dargestellt.

Laut deines Eingangsposts sehe ich folgende Situation: Die Gruppe trifft sich zum Spielen und irgendwann stellt der SL fest, dass er sich in seinen Vorbereitungen etwas vertan hat. Das möchte er nun korrigieren, d.h. wie du selbst schreibst indem er entweder Fakten nach den Vorstellungen der Spieler modifiziert oder gar komplett neu erschafft.

Was haben wir? Einen SL, der ein Auge auf die Stimmung der Spieler hat und gewissenhaft zuhört, wie sie die Situation einschätzen. Das ist doch schonmal top!
Weiterhin scheint der SL die Ideen der Spieler derart ernst zu nehmen, dass er beginnt sie mit seinen eigenen Vorbereitungen zu vergleichen. Er wägt ab und sieht, dass die Ideen der Spieler der aktuellen Dramaturgie dienlich sind. Top!
Was ist die Konsequenz? Der SL ist bereit seine eigenen Vorbereitungen zu modifizieren oder gar über Bord zu werfen, um sie an die Vorstellungen der Spieler anzupassen.
Konkret: Der SL ist bereit seine in die Vorbereitungen gesteckt Zeit und Arbeit verpuffen zu lassen und improvisiert kurzum entsprechend der Gruppe.

Jetzt denken wir uns mal dasselbe aus Sicht der Spieler:
Die Spieler folgen ein paar Hinweisen, machen sich Gedanken was dahinter stecken könnte und handeln entsprechend.
Irgendwann merken sie, dass sie nicht weiterkommen. Sie irrren nun vielleicht mehr als eine halbe Stunde umher, ohne dass sie den Eindruck haben voran zu kommen.

Verhalten sie sich nun genauso wie der SL? Also überdenken sie ihr handeln? Kommen sie zu dem Schluß, dass ihre Aktionen vielleicht doch nicht so passend waren? Sind sie wie der SL bereit die letzten 30 Minuten einfach in die Tonne zu treten und zu sagen "Vielleicht haben wir uns geirrt. Lass uns über eine Alternative nachdenken."

Ich behaupte mal - nein. Sondern?

Es werden Stimmen laut, dass ihre Handlungen zu nichts führen. Sie fühlen sich in ihren Entscheidungen entwertet. Oder es entstehen solche Threads wie Das Leerer Dungeon Syndrom (http://www.tanelorn.net/index.php/topic,45310.0.html).
Mein Knackpunkt ist, dass die Spielzeit am Tisch scheinbar der Dreh- und Angelpunkt vieler Diskussionen ist. Aber was ist mit der Vorbereitungszeit eines SL. Wenn er z.B. für eine Sandbox Personen oder Ereignisse vorbereitet. Und diese werden gutmütig modifiziert, weil schließlich die Zeit am Spieltisch die einzig wichtige ist. Kann ich dann sagen, dass die Vorbereitungen des SLs entwertet werden?

Das hört sich vielleicht alles viel dramatischer an als es ist und ich bin der Überzeugung, dass man am Spieltisch öfter mal eine Pause einlegen sollte und sich Spieler und SL offen gegenseitig fragen, ob die letzten zwei Stunden gerade im Sinne der Gruppe verlaufen.

In diesem Sinne, für mehr Miteinander.

Gruß,
  Klaus.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 8.02.2015 | 21:50
Und da soll ich dann nach dem Motto "das habe ich aber so festgelegt, das MUSS jetzt so bleiben, ICH bin hier der SL!" stur bei meinem eigenen Konzept mit allen noch so doofen Details bleiben?

Aus meiner Sicht: Ja.

Denn ich das Abenteuer ja nicht gelöst, sondern das Abenteuer hat sich mir angepasst. Das ist für mich als Spieler unbefriedigend.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Samael am 8.02.2015 | 21:58
Naja, Spielleitung ist ja immer auch Improvisation. Vorbereitetes Material was noch nicht durch die Handlung manifestiert wurde, steht dem SL durchaus frei anzupassen. In meinen Augen geht's sogar kaum ohne diesen Mechanismus.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: KWÜTEG GRÄÜWÖLF am 8.02.2015 | 22:00
@Xemides: Wenn ich das grundsätzlich bei jedem noch so beknackten Vorschlag der Spieler so machen würde, ja, dann könnte ich das nachvollziehen. Das mache ich wiederum nicht, nur können Spielercharaktere eben viel glaubwürdigere  und durchdachtere Zusammenhänge postulieren, was eine sehr hohe Eigenleistung der Spieler ist. Mit gefällt dann diese Lösung eben viel besser, als die bisher noch gar nicht ins Leben sprich die Spielrealität getretene Lösung.

Dass eine bestimmte Erklärung oder Lösung ab dem Zeitpunkt der Konzepterstellung als SL Spielrealität ist, ist für mich einfach nicht gegeben. Das scheint auch der Knackpunkt an den verschiedenen Meinungen hier zu sein. Wenn man nämlich den Ansatz hat, sobald der SL ein grundlegendes Abenteuerkonzept aufgesetzt hat, IST das nun die Spielrealität, okay, dann macht Kulissenschieberei spieltechnisch vielleicht keinen Sinn mehr. Aber mir persönlich ist das zu statisch, für so starre Ansätze benutze ich lieber Brettspiele und Cosims.  :)
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Chruschtschow am 8.02.2015 | 22:48
Nun, das stört mich weniger. Ist aber auch etwas überspitzt von dir dargestellt.

Willst du mir unterstellen, dass ich mich tatsächlich in einem Internetforum der leichten Über-/Unter-/Hintertreibung schuldig gemacht hätte. Niemand würde so etwas niemals nicht im Internet machen. ~;D... Schuldig im Sinne der Anklage...


Mich stört aber, wenn bei einem who-done-it der Täter sich meinen Überlegungen anpasst und ich ihn nicht herausgefunden habe.

Wenn meine Entscheidung die richtige ist, obwohl es die falsche ist.

Wenn ein Rätsel von mir nur deshalb gelöst wird, weil ich eine Lösung habe und ich nicht auf die Lösung gekommen bin.

Das fände ich ebenfalls als SL wie als Spieler eher ungünstig. Mysterys, Howdunnits, Rätselabenteuer eben, bei denen die Faktensammlung und -interpretation im Zentrum steht. Nun ist das aber bei weitem nicht der größte Teil aller Abenteuer. Wobei ich durchaus solche Details wie Rumpelspielstieldingens' Rubinringe schon ebenfalls stark befürworte. Sie ändern nicht wirklich den Täter und die Zielsetzung, bringen aber noch schön einen persönlichen Spin rein. Cool.

Um wieder zurück zum Troll zu kommen (den ich nämlich tatsächlich schon mal spontan hinter eine Tür gestellt habe), sehe ich das etwas anders. Hier sind wir je eher bei anderen Szenarioformen, beispielsweise einem Dungeon. Ich mag meine Dungeons zum Beispiel gerne persistent, nicht an den Level anpassend. Aber dafür muss ich natürlich fairerweise Flaggen setzen, die den Spielern zeigen, dass hinter der nächsten Tür was echt dickes wartet, dass sie in ihrem jetzigen Zustand einfach weg bratzt. Da funktionieren Dungeonräume nicht als Black Box, Helden rein, Helden, Loot und XP raus. Sie müssen in irgendeiner Weise abschätzbar werden. Und im Eifer des Gefechts vergesse ich das auch manchmal zu signalisieren. Und da gab es durchaus auch schon mal den Fall, dass da ein Troll war, der in meinen Unterlagen Sekunden vorher was viel größeres, viel böseres war. Als ich das nach dem Abend meinen Spielern erzählt haben, musste ich mir jetzt keine großen Vorwürfe anhören, dass ich den TPK mal nicht durchgezogen habe... Fälle, in denen durch meine Fehleinschätzung oder Pannen im Spielaufbau das Spiel selbst droht den Bach runter zu gehen.

Und die andere wichtige Änderung, die ich für nicht nur erlaubt, sondern regelrecht geboten halte, ist die, in der deutlich wird, dass mein Vorstellungsraum und der der Gruppe gerade deutlich auseinander gehen und ich eben auf diesen anderen Vorstellungsraum hin aufgebaut habe. Irgendwo gibt es aus der Sicht des einen einen logischen Bruch in der Sicht des anderen. Als Spielleiter sehe ich den normalerweise schneller (Informationsasymmetrie) und habe einfach mehr Mittel, diese Delle ad hoc auszubeulen.

Und dann gibt es halt all die Fälle, in denen die Spieler Vorschläge zum Voranschreiten der Handlung machen, die einfach viel besser sind, als alles was ich (oder das Abenteuer vor mir) geplant haben. Gestern habe ich das Einführungsabenteuer im Fate Accelerated-Settung The Aether Sea geleitet. Das Abenteuer geht davon aus, dass sich die kleine Schmugglerpinne der SC erst ein Mal auf die ein oder andere Weise in ihr Schicksal fügt und in eine Raumstation geschleppt wird. Aber die Spieler hatten halt so wahnwitzige Aspekte wie Kämpft gern oberhalb seiner Klasse für ihr Schiff und direkt einen Berg Ressourcen auf das Problem großes Kriegsschiff geschmissen, um dem mit einer ziemlich coolen Aktion nicht nur zu entkommen, sondern dabei die Blockade zu durchbrechen und in der Raumstation zu landen, die ja nun zu dem Kriegsschiff gehört. Da war ganz klar zu erkennen, dass die Spieler hier die agierende Partei bleiben wollten und auch alles dran setzten. Das hat sie auch Ressourcen gekostet. Sie haben mit fabelhaften Probenergebnissen die Aktion durchgezogen. Wie unendlich daneben wäre es gewesen, hier am Kurs des Abenteuers stur festzuhalten? Da würde ich mich als Spieler sehr sicher über die Entwertung meiner Aktionen beschweren, wenn ich trotz dieses Aufwandes NICHT die alternative Möglichkeit geboten bekäme.

Das Beispiel mit dem früheren Eintreffen vor der anderen Gruppe, das Rumpel angeführt hat, würde ich ebenfalls hier einordnen. Das Szenario geht nicht davon aus bzw. berücksichtigt das nicht? Dann erweitere ich hier mal die Handlungsoptionen und schaue, was die Spieler draus machen, deren Aktionen gerade in eine andere Richtung gehen.

Nun mag ich als Spielleiter allerdings proaktive Spieler. Wenn ich mich stur an meine selbst erstellten oder vorgefertigte Vorlagen halte, muss ich mich nicht wundern, wenn meine Spieler ob des eingeschränkten Handlungsraums irgendwann rein reaktiv verhalten und nur nach den gegebenen Optionen suchen, um diese zu vergleichen anstatt eigene zu entwickeln.

Wobei auch bei diesem Thema wie allen anderen gilt: Wenn's der soziale Vertrag der Gruppe so sagt und alle damit einverstanden sind, dann ist's in Ordnung.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Ucalegon am 8.02.2015 | 23:06
Wenn sich die Gruppe beispielsweise geschlossen darauf einschießt, dass der Koch den Grafen ganz offensichtlich hasst, obwohl laut SL-Aufzeichnungen überhaupt keine relevante persönliche Beziehung zwischen Koch und Graf besteht, dann kann der SL jetzt natürlich die Spieler wild gegen den Koch ermitteln lassen und am Ende sagen: "Wie kamt ihr eigentlich darauf, dass der Koch den Grafen hasst? In meinen Notizen steht nichts davon, und wenn ihr das so wahrgenommen habt, dann habt ihr's offenbar nicht verstanden. Jetzt seid ihr eben gescheitert."
Oder der SL kann sich sagen: "Na, offensichtlich habe ich die Situation jetzt so gespielt, dass der Eindruck entsteht, der Koch würde den Grafen hassen. Und die Spieler haben auch noch eine Theorie darüber, warum das plausibel ist. Dann mache ich es doch wirklich so, dass der Koch den Grafen hasst. Deshalb muss er ja noch nicht der Mörder sein. Aber vielleicht freut er sich über den Tod des Grafen. Und vielleicht nutzt der wahre Mörder das, um dem Koch die Schuld anzuhängen. Und das könnte sie SC am Ende sogar auf seine Spur bringen."
Damit haben die SC die Ermittlungen immer noch nicht automatisch "richtig" abgeschlossen, nur weil sie irgendeine Theorie haben; wichtig ist mir aber, dass der SL ihre Theorie in irgendein relevantes Verhältnis zum sonstigen Geschehen setzt und sie nicht einfach ins leere Laufen lässt, weil sie laut ursprünglichen Aufzeichnungen "nicht stimmt". Egal, was die Spieler betreiben - solange sie es zielgerichtet betreiben, sollte es auch in einen Erfolg oder ein Scheitern führen, der oder das etwas mit ihren Zielen zu tun hat, und nicht einfach ins Leere laufen.

Natürlich geht es mir dabei nicht um jeden Pups, den die Spieler lassen, sondern um Pläne und Ideen, die sie mit einer gewissen Leidenschaft und mit Einsatz verfolgen.

Aber das ist doch wieder ein Fall, in dem gar keine Kulisse vorhanden ist. Ich als SL habe mir in meinem Konzept keine Beziehung zwischen Koch und Graf überlegt. Aber warum sollte es nicht eine geben? Das könnte ich sogar auswürfeln. 1-3 Koch hasst den Grafen. 4-6 Koch will den Grafen schützen, whatever. Oder ich mache mir eben die Wahrnehmung der Spieler(innen) zu eigen.

Natürlich muss die Gruppe nicht irgendeinen vorher konzipierten Lösungsansatz verfolgen. Wenn sie vollkommen anders als erwartet an die Sache herangehen, dann umso besser! Wenn sie einen Lösungsansatz wählen, der keinerlei Aussicht auf Erfolg hat, habe ich meinerseits wieder viele Möglichkeiten sinnvoll damit umzugehen. Wie in dem Beispiel mit der Landung am Riff. Oder ich kommuniziere das einfach so ( zur Not kann man ja einen Hail Mary Wurf auf einen Kritischen Erfolg o.Ä. anbieten, wenn die Gruppe auf sowas steht).

Das alles ist doch aber etwas anderes als in Reaktion darauf, wie die Gruppe mit einer bestimmten Herausforderung umgeht - ob es gut läuft oder schlecht, ob sie am Ziel vorbeischießt oder nicht - plötzlich an den Parametern der Herausforderung selbst, die ich bewusst als solche formuliert habe, zu drehen.

Wenn ich absichtlich Lücken lasse, um gemeinsam mit der Gruppe herauszufinden, welche Story sich entwickelt, also vorab keine genaue Anzahl an Gegnern pro Raum festlege, vorher vielleicht nur eine grobe Idee habe wer den Grafen ermordet haben könnte, auf der Karte bewusst Dörfer ohne Beschreibung gesetzt habe usw., dann ist das ja alles kein Problem.

Wenn ich aber festgelegt habe, gegen wie viele wie starke Gegner die Gruppe antritt, wer der Mörder des Grafen ist und wohin die Gruppe auf dem rechten, wohin auf dem linken Pfad gelangt und im Spiel herausfinden will, wie meine Mitspieler(innen) innerhalb dieser Parameter handeln, wie erfolgreich sie sind oder ob sie überleben, dann ändere ich daran doch nicht mitten im Spiel etwas. Oder?







Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Thandbar am 8.02.2015 | 23:44
Und da soll ich dann nach dem Motto "das habe ich aber so festgelegt, das MUSS jetzt so bleiben, ICH bin hier der SL!" stur bei meinem eigenen Konzept mit allen noch so doofen Details bleiben?

In einer kurzen, atmosphärisch durchaus genialen Kampagne eines befreundeten SLs kam es einmal zu einer witzigen Szene. Wir hatten ein paar Leute verhauen, die uns auf offener Straße einfach angegriffen hatten, und wandten uns gerade zum Gehen, als uns der SL förmlich anbrüllte: "Wollt ihr die nicht vielleicht DURCHSUCHEN?"
Äh, was? Na gut ... durchsuchen wir sie halt. "Ihr findet ein paar WOLLRESTE." Oha, na sowas, da hatte wohl einer Wolle in der Tasche. "Ja, aber was könnte das BEDEUTEN?" Äh, wir könnten, hm ... "Wohin? Ja, wohin könntet ihr?" Zur Weberei gehen? Da seufzte er befriedigt: "Ihr macht euch also auf den Weg zur Weberei."
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Greifenklaue am 9.02.2015 | 00:05
Um wieder zurück zum Troll zu kommen (den ich nämlich tatsächlich schon mal spontan hinter eine Tür gestellt habe), sehe ich das etwas anders. Hier sind wir je eher bei anderen Szenarioformen, beispielsweise einem Dungeon. Ich mag meine Dungeons zum Beispiel gerne persistent, nicht an den Level anpassend. Aber dafür muss ich natürlich fairerweise Flaggen setzen, die den Spielern zeigen, dass hinter der nächsten Tür was echt dickes wartet, dass sie in ihrem jetzigen Zustand einfach weg bratzt. Da funktionieren Dungeonräume nicht als Black Box, Helden rein, Helden, Loot und XP raus. Sie müssen in irgendeiner Weise abschätzbar werden. Und im Eifer des Gefechts vergesse ich das auch manchmal zu signalisieren. Und da gab es durchaus auch schon mal den Fall, dass da ein Troll war, der in meinen Unterlagen Sekunden vorher was viel größeres, viel böseres war. Als ich das nach dem Abend meinen Spielern erzählt haben, musste ich mir jetzt keine großen Vorwürfe anhören, dass ich den TPK mal nicht durchgezogen habe... Fälle, in denen durch meine Fehleinschätzung oder Pannen im Spielaufbau das Spiel selbst droht den Bach runter zu gehen.
Naja, mächtiges Monster hinter der Tür ungleich TPK. Ich kenne da jedenfalls einige andere mögliche Arten, wie das ausgehen kann. Wäre ja schade, wenn eine Gruppe nur frontal im Dungeon alles weghaut, was sich bewegt und reines Hack'n'Slay betreibt. Nicht, dass das nicht auch Spaß machen würde.

Zitat
Und die andere wichtige Änderung, die ich für nicht nur erlaubt, sondern regelrecht geboten halte, ist die, in der deutlich wird, dass mein Vorstellungsraum und der der Gruppe gerade deutlich auseinander gehen und ich eben auf diesen anderen Vorstellungsraum hin aufgebaut habe. Irgendwo gibt es aus der Sicht des einen einen logischen Bruch in der Sicht des anderen. Als Spielleiter sehe ich den normalerweise schneller (Informationsasymmetrie) und habe einfach mehr Mittel, diese Delle ad hoc auszubeulen.
Sicher. Aber das hat ja weniger mit spontan die Kulissen ändern zu tun, als nochmal zu verdeutlichen, wie sich momentan die Situaton darstellt.

Zitat
Und dann gibt es halt all die Fälle, in denen die Spieler Vorschläge zum Voranschreiten der Handlung machen, die einfach viel besser sind, als alles was ich (oder das Abenteuer vor mir) geplant haben. Gestern habe ich das Einführungsabenteuer im Fate Accelerated-Settung The Aether Sea geleitet. Das Abenteuer geht davon aus, dass sich die kleine Schmugglerpinne der SC erst ein Mal auf die ein oder andere Weise in ihr Schicksal fügt und in eine Raumstation geschleppt wird. Aber die Spieler hatten halt so wahnwitzige Aspekte wie Kämpft gern oberhalb seiner Klasse für ihr Schiff und direkt einen Berg Ressourcen auf das Problem großes Kriegsschiff geschmissen, um dem mit einer ziemlich coolen Aktion nicht nur zu entkommen, sondern dabei die Blockade zu durchbrechen und in der Raumstation zu landen, die ja nun zu dem Kriegsschiff gehört. Da war ganz klar zu erkennen, dass die Spieler hier die agierende Partei bleiben wollten und auch alles dran setzten. Das hat sie auch Ressourcen gekostet. Sie haben mit fabelhaften Probenergebnissen die Aktion durchgezogen. Wie unendlich daneben wäre es gewesen, hier am Kurs des Abenteuers stur festzuhalten? Da würde ich mich als Spieler sehr sicher über die Entwertung meiner Aktionen beschweren, wenn ich trotz dieses Aufwandes NICHT die alternative Möglichkeit geboten bekäme
Hmm, wenn ich Dein Beispiel richtig verstanden habe, würde ich da auch drauf stehen. Ich schätze Spielleiten auch dafür, dass Spieler verrückte Ideen und Einfälle haben und diese dann auch durchführen. Darauf würde ich immer eingehen, aber eben nicht, wenn es die Kulisse verbiegt. Wenn ihre coole Idee z.B. eine Geheimtür braucht oder kein zweiter Wächter im Raum sein darf, passiert das nicht, nur weil die Idee cool ist. Das würde mich als spieler eben auch nicht anturnen.

Zitat
Dann erweitere ich hier mal die Handlungsoptionen und schaue, was die Spieler draus machen, deren Aktionen gerade in eine andere Richtung gehen.
Ja, das wäre auch in meinem Sinne, aber erneut sehe ich darin kein Kulissen verschieben oder verbiegen. Klar ist, das nicht alle Handlungsoptionen zwischen zwei Buchdeckeln passen und wen die Spieler sich gute Handlungsoptionen erarbeiten, dann: wunderbar!

Zitat
Nun mag ich als Spielleiter allerdings proaktive Spieler. Wenn ich mich stur an meine selbst erstellten oder vorgefertigte Vorlagen halte, muss ich mich nicht wundern, wenn meine Spieler ob des eingeschränkten Handlungsraums irgendwann rein reaktiv verhalten und nur nach den gegebenen Optionen suchen, um diese zu vergleichen anstatt eigene zu entwickeln.
Heyo, ich auch.

Wenn die Frage ist: Darf ich Improvisieren oder sollte ich Ideen der Spieler belohnen, dann ein dickes ja.

Wenn die Frage ist: Darf ich spontan den Plot umwerfen, NSC-Rollen austauschen (Beispiel: den Mörder) oder den Endgegner in den letzten Raum setzen. Dann (für mich) nein.

Und angemerkt sei noch: Natürlich gibt es auch Spiele, die auf absolute Improvisation basieren, wo tatsächlich spontan das Abenteuer gewoben wird (ich denke da in Richtung Fiasko / Western City), die sind damit natürlich nicht gemeint.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 9.02.2015 | 05:32
Dass eine bestimmte Erklärung oder Lösung ab dem Zeitpunkt der Konzepterstellung als SL Spielrealität ist, ist für mich einfach nicht gegeben. Das scheint auch der Knackpunkt an den verschiedenen Meinungen hier zu sein. Wenn man nämlich den Ansatz hat, sobald der SL ein grundlegendes Abenteuerkonzept aufgesetzt hat, IST das nun die Spielrealität, okay, dann macht Kulissenschieberei spieltechnisch vielleicht keinen Sinn mehr. Aber mir persönlich ist das zu statisch, für so starre Ansätze benutze ich lieber Brettspiele und Cosims.  :)

Ja das ist wohl der Unterschied, für mich ist das Spielreaitt was sich der SL ausdenkt, und das will ich auch so, zumindest was die Eckpunkte, sprich Hintergründe und Zielsetzung angeht.

Genau dafür bin ich Spieler und sehe das als meine Herausforderung.

Brettspiele und Kosims spiele ichhingegen gar nicht  ~;D.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Chiarina am 9.02.2015 | 07:09
Zitat von: Xemides
für mich ist das Spielrealität was sich der SL ausdenkt

Da komme ich nicht mehr mit. Spielrealität ist doch viel eher, was dir der Spielleiter erzählt, oder? Ob das jetzt in seinem Hirn die einzige Version ist oder eine aufgrund eines unvorhergesehenen Spielverlaufs neu entwickelte, das ist doch völlig egal! ...mir jedenfalls.

Chiarina.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 9.02.2015 | 07:22
... und der SL ihnen hinterher erzählt, wie dumm sie sind, weil sie das "falsche" gedacht/gemacht haben. Dabei dürfte erfahrungsgemäß der Lösungsansatz der Spieler auf Grundlage der ihnen bekannten Spielwelttatsachen in den meisten Fällen nicht weniger folgerichtig sein als der des SL; es ist halt nur mit hoher Wahrscheinlichkeit ein anderer. Der SL mag sich am Ende vielleicht besonders schlau vorkommen, weil er selbst den "bestmöglichen" Ansatz wusste und alle anderen zu dumm waren, darauf zu kommen - damit ist dann aber maximal einem aus der Gruppe gedient.

Ist das wirklich dein Ernst??? Das trifft vielleicht auf eine Runde kindischer Spieler zu. Erwachsene sollten gelernt haben, zu verlieren ohne an sich zu zweifeln (bzw. zu gewinnen, ohne sich persönlich über die anderen zu stellen).

Wenn sich die Gruppe beispielsweise geschlossen darauf einschießt, dass der Koch den Grafen ganz offensichtlich hasst, obwohl laut SL-Aufzeichnungen überhaupt keine relevante persönliche Beziehung zwischen Koch und Graf besteht, dann...

könnte der Spielleiter den Spielern auch erst mal einen Hinweis über die Beziehung zukommen lassen, aufgrund dessen sie das herausfinden können, statt gleich die großen Fakten des Spiels zu ändern.
(Sie könnten z.B. in einem Gespräch erfahren, dass der Koch irgendwas nettes für den Grafen gemacht hat, das eine bessere Beziehung nahe legt)
Du tust so, als gäbe es nur die Möglichkeit des Kulissenschiebens, aber das ist ja auch nicht die ganze Wahrheit. Man muss das nicht machen.
(edit: Die Gespräche der NSCs mit den SCs sind bei mir immer spontan und weitgehend von den Ideen der Spieler abhängig. Gleichzeitig sind sie aber in Detektivgeschichten auch eine Quelle spielentscheidender Informationen. Hier wäre der Begriff des Kulissenschiebens in meinen Augen trotzdem absolut nicht mehr angebracht. Oder wie siehst du das?)

Ich finde, wenn der Spielleiter den Vorstellungen der Spieler entgegenkommt und damit seine Vorbereitungen spontan umschreibt, dann wird die (vor dem Abend) getroffene Entscheidung des Spielleiters entwertet.

Das ist falsch, denn es handelt sich dabei nicht um eine Entwertung sondern um eine Aufwertung. Also genau das Gegenteil.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 9.02.2015 | 07:38
Xemides,
ich kann deine Einstellung verstehen. Taktikspieler verstehen es als Entwertung, wenn man mit der Lösung auf sie zukommt, bzw. ihnen die Lösung präsentiert.
Das wäre so wie in meinem Beispiel, wo der Marathonläufer vom Auto mitgenommen wird. Seine Leistung wird dadurch entwertet. Er mag das sicherlich nicht.

Allerdings möchte ich auch sagen, dass du dich von dieser Vorstellung von der "perfekten Idee" lösen solltest, weil es sie nicht gibt.
Wenn ich ein Abenteuer schreibe, gibt es gewöhnlich eine ganze Tonne von Ideen zu einem Punkt, die ich (bis auf die in meinen Augen beste) verwerfe.
Tatsächlich sind diese Ideen auch meistens auf meine Spielgruppe zugeschnitten (also für bestimmte Charaktere mit bestimmten Fertigkeiten/Möglichkeiten).
Ich möchte ja die Spielgruppe nicht absichtlich in Situationen bringen, die ihre Charaktere nicht oder fast nicht lösen können. Ich will Situationen im Abenteuer haben,
bei denen die Spieler mit ihren Charakteren glänzen können und viele Optionen haben.
Es kann also durchaus sein, dass ich die "beste Idee" über den Haufen werfen (muss), weil eine Stunde vor dem Spiel einer anruft, dass er nicht kommen kann.
Und genau das kann auch im Spiel passieren. Wenn einer der Charaktere einen spielentscheidenden Ausrüstungsgegenstand verliert oder an den Wirt verscherbelt, dann
wäre es in meinen Augen Quark, immer noch die davon abhängige Idee durchziehen zu wollen. Also denke ich mir etwas aus, das der neuen Situation entsprechend
herausfordernd für die Spieler ist.
Würdest du als SL die Gruppe in die Scheiße laufen lassen, weil einer etwas fatales getan hat, (ohne es vielleicht wissen zu können).
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Chiarina am 9.02.2015 | 07:39
Thread-Spin-off: Danke blind cat!

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Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 9.02.2015 | 08:15

Wenn ich absichtlich Lücken lasse, um gemeinsam mit der Gruppe herauszufinden, welche Story sich entwickelt, also vorab keine genaue Anzahl an Gegnern pro Raum festlege, vorher vielleicht nur eine grobe Idee habe wer den Grafen ermordet haben könnte, auf der Karte bewusst Dörfer ohne Beschreibung gesetzt habe usw., dann ist das ja alles kein Problem.

Wenn ich aber festgelegt habe, gegen wie viele wie starke Gegner die Gruppe antritt, wer der Mörder des Grafen ist und wohin die Gruppe auf dem rechten, wohin auf dem linken Pfad gelangt und im Spiel herausfinden will, wie meine Mitspieler(innen) innerhalb dieser Parameter handeln, wie erfolgreich sie sind oder ob sie überleben, dann ändere ich daran doch nicht mitten im Spiel etwas. Oder?

Aber wo genau liegt der Unterschied darin, ob du vorher eine Lücke gelassen hast oder den entsprechenden Slot des Szenarios schon mit etwas befüllt hattest, was du jetzt änderst? In der Praxis hast du doch das gleiche: Ein erspieltes Abenteuer, dass von dir vorher bereitgelegte Elemente enthält und Elemente, die spontan am Tisch aus der Interaktion entstanden sind.
Wenn du Lücken in deiner Vorbereitung so befüllen kannst, dass die Aktionen der SC dadurch möglichst interessant werden und Konsequenzen haben, dann kannst du doch genausogut vorbereitete, aber noch nicht erspielte Elemente in diesem Sinne ändern.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 9.02.2015 | 08:26
@Rumpel:
Also man muss schon die einzelne Kulisse betrachten um eine sinnvolle Aussage über sie machen zu können und nicht ein Mischmasch über lange Zeit und viele unterschiedliche Kulissen hinweg.
Wenn da eine Idee ist und man die Idee abändert, ist es offenbar Kulissenschieberei. (Und offenbar auch nur dann wenn es während des Spiels und durch eine Inplay-Entscheidung passiert?)
Wenn da aber keine Idee ist und man spontan eine während des Abenteuers erschafft fände ich den Begriff völlig sinnentleert, weil es sich meistens weder um eine Kulisse handelt (sondern um eine Idee) und vorher auch keine Idee da war, die geändert (geschoben) wurde.

Letztenendes wäre der Begriff des Kulissenschiebens doch nicht von dem Prozess des Kreierens einer neuen Idee abhängig, sondern in erster Linie ob es eine vorherige, festgelegte Vorbereitung gab.
Sorry. Das macht alles nur sehr wenig Sinn (weder inhaltlich noch linguistisch) und ist auch gar kein neues, unbekanntes Konzept.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 9.02.2015 | 08:34
Ist das wirklich dein Ernst??? Das trifft vielleicht auf eine Runde kindischer Spieler zu. Erwachsene sollten gelernt haben, zu verlieren ohne an sich zu zweifeln (bzw. zu gewinnen, ohne sich persönlich über die anderen zu stellen).

Okay, das war jetzt etwas übertrieben formuliert - so habe ich das auch zuletzt zu Schulzeiten erlebt (da aber leider dauernd, da hatten wir einen SL, der uns regelmäßig mit diesen Worten unter die Nase reiben musste, wie dumm wir wären).
Mit Verlieren habe ich in der Regel auch kein Problem. Lustlosigkeit kommt bei mir aber auf, wenn ich das Gefühl habe, der SL will jetzt irgendwas von uns (die "bestmögliche Lösung"), und wir peilen es einfach nicht, und deshalb geht nix voran ...

könnte der Spielleiter den Spielern auch erst mal einen Hinweis über die Beziehung zukommen lassen, aufgrund dessen sie das herausfinden können, statt gleich die großen Fakten des Spiels zu ändern.
(Sie könnten z.B. in einem Gespräch erfahren, dass der Koch irgendwas nettes für den Grafen gemacht hat, das eine bessere Beziehung nahe legt)
Du tust so, als gäbe es nur die Möglichkeit des Kulissenschiebens, aber das ist ja auch nicht die ganze Wahrheit. Man muss das nicht machen.
(edit: Die Gespräche der NSCs mit den SCs sind bei mir immer spontan und weitgehend von den Ideen der Spieler abhängig. Gleichzeitig sind sie aber in Detektivgeschichten auch eine Quelle spielentscheidender Informationen. Hier wäre der Begriff des Kulissenschiebens in meinen Augen trotzdem absolut nicht mehr angebracht. Oder wie siehst du das?)


Du hast natürlich recht, man muss das an so einem Punkt nicht machen, es gibt sicher einen Haufen anderer Möglichkeiten, cool mit so was umzugehen. Und als SL spontan zu erfinden, dass der Koch etwas Nettes für den Grafen gemacht hat, ist ja im Prinzip das Gleiche wie die von mir vorgeschlagene Kulissenschieberei: Ich gebe der Einschätzung der SC Gewicht, nur hier, indem ich genau das Gegenteil von dem präsentiere, was sie erwarten. Das ist jedenfalls wieder eine andere Reaktion als ein: "Ihr könnt dieses Element anspielen, bis ihr blau im Gesicht wird, hier gibt es trotzdem nichts zu sehen, weil aus meiner Vorbereitung klar hervorgeht, dass das Anspielen dieses Elements keine relevanten Folgen haben wird."

Wobei das Beispiel natürlich auch sehr zahm ist und nur noch wenig damit zu tun hat, vorher Festgelegtes zu ändern, von daher passt der Begriff da echt nicht mehr.

Ich finde die Diskussion aber zugegebenermaßen auch etwas fruchtlos, vielleicht hat Wellentänzer also recht und ich habe zu aufgeladene Begriffe für etwas verwendet, was die meisten SL ganz selbstverständlich machen. Ich finde es halt interessant, gerade da den Bezug zu eher ungeliebten Aspekten des RSP (wie RR) zu suchen, weil man vielleicht herausfindet, wo die eigene Praxis in etwas kippen kann, was man gar nicht will oder wo man sich andererseits bei dem, was man eigentlich ablehnt, doch wieder Anregungen holen kann. So als in beide Richtungen offenen Praxis-Theorie-Abgleich eben.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 9.02.2015 | 08:35
Sorry. Das macht alles nur sehr wenig Sinn (weder inhaltlich noch linguistisch) und ist auch gar kein neues, unbekanntes Konzept.

Wie gesagt ging es mir hier von Anfang an nicht um ein "Neues Konzept", ich wollte auch niemanden mit meinen tollen neuen SL-Techniken erleuchten; sondern nur etwas diskutieren, von dem ich vermute, dass die meisten es wahrscheinlich so oder so ähnlich machen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 9.02.2015 | 08:38
Wenn da eine Idee ist und man die Idee abändert, ist es offenbar Kulissenschieberei. (Und offenbar auch nur dann wenn es während des Spiels und durch eine Inplay-Entscheidung passiert?)
Wenn da aber keine Idee ist und man spontan eine während des Abenteuers erschafft fände ich den Begriff völlig sinnentleert, weil es sich meistens weder um eine Kulisse handelt (sondern um eine Idee) und vorher auch keine Idee da war, die geändert (geschoben) wurde.


Dem würde ich gar nicht widersprechen. Es macht nur für die Praxis am Spieltisch keinen Unterschied, ob ich da als SL nun vorher was in meinen Notizen stehen hatte, oder ob da eine Lücke war.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Luxferre am 9.02.2015 | 08:41
Wie gesagt ging es mir hier von Anfang an nicht um ein "Neues Konzept", ich wollte auch niemanden mit meinen tollen neuen SL-Techniken erleuchten; sondern nur etwas diskutieren, von dem ich vermute, dass die meisten es wahrscheinlich so oder so ähnlich machen.

Sonst hättest Du den Fred wohl auch im Theorieteil aufgemacht, oder?  ;)



@Topic:
wir spielen schon lange ergebnis- und pfadoffen.
Das Rückgreifen auf Ideen von Spielern oder auch bessere Lösungsansätze für die vom SL konstruierten Probleme sind für uns im Spiel elementar.
Da kann ich die bisher geschriebenen Kritiken nicht nachvollziehen. Spielerinput macht doch eine kreative Runde erst aus.
Ich stehe auf die Synergie von 2 bis 5 beteiligten Spielern (SL fasse ich da mal mit ein). Da ist das GroßeganzeTM am Ende immer etwas Besseres.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 9.02.2015 | 09:03
Es macht nur für die Praxis am Spieltisch keinen Unterschied, ob ich da als SL nun vorher was in meinen Notizen stehen hatte, oder ob da eine Lücke war.

Naja, für den SL macht es auf jeden Fall die ganze Zeit einen Unterschied. Und wenn der SL den Leuten erzählt, wie er das macht, dann auch für die Spieler.
Und es macht insofern einen qualitativen Unterschied, als dass die Spieler nicht versagen können und negative Spielerlebnisse seltener oder gar nie vorkommen.
Negative Erlebnisse sind aber für manche Spieler vielleicht auch wichtig, damit die Positiven wertvoller werden (siehe die zahlreichen Ausführungen von Xemides).

Von einer generellen Verheimlichung eines Konzeptes auszugehen ist nicht der richtige Weg.
Deshalb wird z.B. Illusionismus von vielen als die bösere Art von Railroading gesehen.
Und im Prinzip ist ja das ganze nichts anderes als Illusionismus. Jedenfalls fällt mir kein wirklicher Unterschied auf, je länger ich drüber nachdenke.
Railroading und Illusionismus haben auch oft das Ziel die Spieler zum dramatischeren und erfolgreicheren Ende des Abenteuers zu führen.
Dein Konzept könnte man vielleicht als verantwortungsvollen Illusionismus bezeichnen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: KWÜTEG GRÄÜWÖLF am 9.02.2015 | 09:11
Wenn man davon ausgeht, daß Kulissenschieben bedeutet, ALLE Entscheidungen der Spieler positiv ausgehen zu lassen, dann sind die hier auftauchenden negativen Haltungen natürlich nachvollziehbar.

Aber ich lehne mich jetzt mal aus dem Fenster und behaupte, daß kein kulissenschiebender SL das so macht, sondern nur an bestimmten Stellen, wenn er es für angebracht hält. Zumindest handhabe ich das so und alle SLs, die ich gut genug kenne. Da ist sehr wohl weiterhin ein Scheitern der SCs möglich und kommt auch oft genug vor. Öfters jedenfalls als der heimliche Umbau des Szenarios.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 9.02.2015 | 09:12
Naja, für den SL macht es auf jeden Fall die ganze Zeit einen Unterschied. Und wenn der SL den Leuten erzählt, wie er das macht, dann auch für die Spieler.
Und es macht insofern einen qualitativen Unterschied, als dass die Spieler nicht versagen können und negative Spielerlebnisse seltener oder gar nie vorkommen.

Davon war allerdings auch nicht die Rede - es geht um die Frage, ob die Aktionen der Spieler relevante Konsequenzen haben sollten (selbst, wenn sich aus den Vorbereiteten ELementen eher das Gegenteil herleitet), und nicht, ob sie erfolgreich sind.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 9.02.2015 | 09:16
Was sind Konsequenzen denn sonst?
Dass Kulissenschieberei auch bedeuten könnte, dass man eine Idee abändert, wenn die Spieler zu schnellen oder zu leichten Erfolg haben?

Um das klarer zu machen was ich meine: Wenn Spielerhandlungen keine Konsequenzen haben, dann ist das ja ein Misserfolg.
Durch die Kulissenschieberei sollte es doch zu einem irgendwie gearteten Erfolg werden (also etwas anderes als: es passiert nichts), oder hab
ich da was falsch verstanden?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Blechpirat am 9.02.2015 | 09:52
An der Stelle könnte man ja zusammenfassen:

Als SL stelle ich fest, dass die Spieler einen (zeitlichen und inhaltlichen) Schwerpunkt auf etwas legen, was für mich bisher - egal ob die Spieler erfolgreich sind oder nicht - ohne Relevanz war. Ich kann nun

Oder gibt es noch mehr Möglichkeiten?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Chiarina am 9.02.2015 | 09:54
Man könnte auch noch das Abenteuer abbrechen und ein anderes beginnen. Vielleicht wird der ursprünglich geplante Handlungsfaden ja irgendwann später nochmal aufgegriffen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 9.02.2015 | 09:59
Blechpirat, der SL könnte auch Railroading oder Illusionismus betreiben.
Mir scheint allerdings, dass dein dritter Punkt (also das um was es hier geht) mehr oder weniger eine Form von Illusionismus ist (oder hab ich Illusionismus falsch verstanden?).
Auch wenn der SL die besten Absichten hat, ob das als positiv oder negativ empfunden wird, kann er nicht sicher wissen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 9.02.2015 | 10:01
Was sind Konsequenzen denn sonst?
Dass Kulissenschieberei auch bedeuten könnte, dass man eine Idee abändert, wenn die Spieler zu schnellen oder zu leichten Erfolg haben?

Um das klarer zu machen was ich meine: Wenn Spielerhandlungen keine Konsequenzen haben, dann ist das ja ein Misserfolg.
Durch die Kulissenschieberei sollte es doch zu einem irgendwie gearteten Erfolg werden (also etwas anderes als: es passiert nichts), oder hab
ich da was falsch verstanden?

"Misserfolg" ist für mich nur im langweiligsten Fall ein "es passiert nichts". Wünschenswerterweise bedeutet ein Misserfolg eine Verschärfung der Lage.
z.B.:
Fall 1: Die Spieler machen die Frage, ob sie ihre Gegner überholen können, nicht zum Thema. Folge: Die Gegner sind zuerst da.
Fall 2: Spieler legen sich ins Zeug, um zuerst da zu sein. Abhängig von guten Ideen dafür und Würfelwürfen wird das entweder ein Erfolg: Dann sind die SC zuerst da oder erhalten einen anderen Vorteil, der in direktem Bezug dazu steht, dass sie schnell da waren. Oder ein Misserfolg: Dann haben sie die Gegner vielleicht erst auf sich aufmerksam gemacht und laufen in einen Hinterhalt, oder die Gegner sind nicht nur eher dagewesen, sondern sogar schon wieder mit dem tollen Artefakt weg, das sich die Gruppe schnappen will.
Wichtig wäre mir in Fall 2 nur, dass man im Misserfolgsfalle nicht wieder bei Fall 1 rauskommt (ihr habt einen Versuch gemacht, es gibt jedoch keine interessanten Folgen.)

Und was deine erste Frage anbelangt: Da sind wir ja gerade bei der problematischen Nähe zum RR, die mich interessiert. Wenn die SC "zu gut" sind weitere Hindernisse einzuführen, damit sie keine Abkürzungen durchs Abenteuer nehmen, finde ich tendenziell doof - gerade besondere Erfolge sollen ja auch besondere Konsequenzen haben, sonst sind wir wieder bei der Entwertung von Handlungen/Entscheidungen ... aber trotzdem kann es die Gemeinsamkeit geben, dass man sowohl Kulissen schiebt, um die SC auszubremsen als auch, um ihre Aktionen zu honorieren.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 9.02.2015 | 10:02
An der Stelle könnte man ja zusammenfassen:

Als SL stelle ich fest, dass die Spieler einen (zeitlichen und inhaltlichen) Schwerpunkt auf etwas legen, was für mich bisher - egal ob die Spieler erfolgreich sind oder nicht - ohne Relevanz war. Ich kann nun
  • Die Spieler machen lassen und hoffen, dass sie nicht zuviel Zeit vertrödeln.
  • Den Spielern "outtime" sagen, dass sie auf dem Holzweg sind und bitte etwas anderes machen sollen.
  • Die Entscheidung der Spieler mit Bedeutung aufladen, so dass der Ausgang, abhängig vom Erfolgsgrad der Spielerhandlungen, eine Bedeutung für das übrige Spielgeschehen hat und, anders als geplant, Auswirkungen auf den Plot haben wird.

Oder gibt es noch mehr Möglichkeiten?

Mir reichen die drei, Danke!

EDIT: Warum kann ich so was eigentlich nicht so schön kurz zusammenfassen ...?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 9.02.2015 | 10:10
Ja, ob es Railroading (nach Forge-Definition) ist, kann der Kulissenschiebende SL direkt nach dem Spiel rausfinden, indem er es den Spielern sagt und ihre Reaktionen betrachtet.
Xemides fände es, wenn ich ihn richtig verstanden habe, nicht gut und würde sich dann im Nachhinein gerailroaded fühlen.
Andere (die Mehrheit die sich hier geäußert hatten) fänden das gut, weil sie dadurch mehr unterhaltsame Sachen im Abenteuer hätten.
Ich bin auch eher jemand, den das als Spieler ankotzen würde, im Nachhinein davon zu erfahren, weil dann meine taktische Leistung (egal ob gut oder schlecht) nicht mehr relevant war und sich ein eventueller Sieg nicht mehr wie ein Sieg anfühlt.

Wenn ich einen Marathon laufe, will ich das aus eigener Kraft schaffen und akzeptiere meine Platzierung.
Wenn ich einfach nur schnell, gut, schön, sicher und bequem ans Ziel kommen will, dann steig ich in die Bahn und lass mich fahren.
Letzten Endes kommt es halt drauf an, was die Spieler vom Spiel erwarten.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Dark_Tigger am 9.02.2015 | 10:14
  • Die Spieler machen lassen und hoffen, dass sie nicht zuviel Zeit vertrödeln.
  • Den Spielern "outtime" sagen, dass sie auf dem Holzweg sind und bitte etwas anderes machen sollen.
  • Die Entscheidung der Spieler mit Bedeutung aufladen, so dass der Ausgang, abhängig vom Erfolgsgrad der Spielerhandlungen, eine Bedeutung für das übrige Spielgeschehen hat und, anders als geplant, Auswirkungen auf den Plot haben wird.

Oder gibt es noch mehr Möglichkeiten?
Er kann ihnen auch intime Informationen zukommen lassen, die ihnen Zeigen das sie auf dem Holzweg sind, ohne "die Kulisse zu verschieben".
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Achamanian am 9.02.2015 | 10:36
Ich bin auch eher jemand, den das als Spieler ankotzen würde, im Nachhinein davon zu erfahren, weil dann meine taktische Leistung (egal ob gut oder schlecht) nicht mehr relevant war und sich ein eventueller Sieg nicht mehr wie ein Sieg anfühlt.

Wenn ich einen Marathon laufe, will ich das aus eigener Kraft schaffen und akzeptiere meine Platzierung.
Wenn ich einfach nur schnell, gut, schön, sicher und bequem ans Ziel kommen will, dann steig ich in die Bahn und lass mich fahren.
Letzten Endes kommt es halt drauf an, was die Spieler vom Spiel erwarten.

Klar, wenn Leistung bemessen an einer objektivierbaren Aufgabe für dich ein wichtiger Aspekt am RSP ist, dann ist so was natürlich doof ...

Für mich ist es eher so: Wenn ich sage: "Vielleicht können wir die anderen überholen, indem wir an einem gefährlichen Küstenstück mit Riffen und Eisklippen und so anlegen", dann ist meine Leistung, dass ich neue Elemente in die Story einbringe (Klippen, Wettlauf). Und honoriert wird für mich diese Leistung, wenn der SL diese Elemente aufgreift, evtl. sogar ins Zentrum rückt, auch auf Kosten bereits anders vorbereiteter Elemente.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 9.02.2015 | 11:48
Klar, wenn Leistung bemessen an einer objektivierbaren Aufgabe für dich ein wichtiger Aspekt am RSP ist, dann ist so was natürlich doof ...

Für mich ist es eher so: Wenn ich sage: "Vielleicht können wir die anderen überholen, indem wir an einem gefährlichen Küstenstück mit Riffen und Eisklippen und so anlegen", dann ist meine Leistung, dass ich neue Elemente in die Story einbringe (Klippen, Wettlauf). Und honoriert wird für mich diese Leistung, wenn der SL diese Elemente aufgreift, evtl. sogar ins Zentrum rückt, auch auf Kosten bereits anders vorbereiteter Elemente.

Jaaa, die Frage ist ohnehin, ob diese objektive Aufgabe im Rollenspiel überhaupt so existiert, oder ob das nicht ein Trugschluss von taktischem Spiel ist.
Ich empfinde ja auch diebische Freude daran, als taktischer Spieler auf eine virtuose Lösung gekommen zu sein, an die der SL gar nicht gedacht hatte.
Wenn ich die aber einbringe wird ja doch wieder eine neue Idee draus, die es vorher nicht gab. Wobei dann aber Handwedeln nicht so gerne gesehen wird, sondern eher offensichtlich plausible oder sogar axiomatische oder beweisbare Umsetzungen.
Es ist ja gerade die gegenseitige kreative Befruchtung, die "echtes Rollenspiel"©™ von Computer-Rollenspiel oder Brettspiel abgrenzt. Deshalb wundert es mich auch nicht, dass fast alle hier das ganz gut finden. Es ist wohl die normale Art des Rollenspielens, die nur in Extremversionen wie Railroading oder Sandboxing nicht erwünscht ist.

Wobei ich auch nochmal auf den obigen Beitrag von DarkTigger hinweisen möchte. Wenn sich ein Sachverhalt durch Information lösen lässt, ist das in den meisten Fällen wohl die bessere Lösung als gleich ganze Städte zu versetzen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 9.02.2015 | 21:49
Also nochmal zur Erklärung:

Was bei mir als SL festeht und wo ich auch möchte das es feststeht ist, das Ziel des Abenteuers.

Der Mörder, der Dieb, der Intriganz, der Ort des Schatzes, die Lösung des Rätseln etc.

Wo ich improvisiere und auch gerne improvisiert werden darf, ist der Weg dahin.

Wenn die Spieler auf eine Abkürzung zum Ziel finden und ich ihn für plausibel halte, dürfen sie ihn gehen.

Wenn sie eine originellen Weg finden, etwas zu tun dürfen sie das.

Wenn sie einen Weg einschlagen, den das Abenteuer nicht vorsieht, akzeptiere ich ihn wenn ich ihn für gangbar halte.

Da ich aber fertige Settings bevorzuge gibt es Klippen nur, wenn da Klippen sind. Das wissen meine Spieler aber auch.

Was ich aber nicht ändere ist halt die Lösung, nur weil die Spieler eine andere haben. Sie können den Mörder auf frischer Tat ertappen, wenn sie einen Weg finden dahin. Sie können auch das Abenteuer abkürzen damit, wenn sie eine Tat verhindern können. Aber der Täter bleibt der Täter.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Greifenklaue am 9.02.2015 | 22:33
Als SL stelle ich fest, dass die Spieler einen (zeitlichen und inhaltlichen) Schwerpunkt auf etwas legen, was für mich bisher - egal ob die Spieler erfolgreich sind oder nicht - ohne Relevanz war. Ich kann nun
  • Die Spieler machen lassen und hoffen, dass sie nicht zuviel Zeit vertrödeln.
  • Den Spielern "outtime" sagen, dass sie auf dem Holzweg sind und bitte etwas anderes machen sollen.
  • Die Entscheidung der Spieler mit Bedeutung aufladen, so dass der Ausgang, abhängig vom Erfolgsgrad der Spielerhandlungen, eine Bedeutung für das übrige Spielgeschehen hat und, anders als geplant, Auswirkungen auf den Plot haben wird.

Oder gibt es noch mehr Möglichkeiten?

Ein Scene Framing. (Im Prinzip ist es ja vielleicht auch nur eine Technik für Punkt 2 in etwas eleganter.)
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 10.02.2015 | 05:50
... Aber der Täter bleibt der Täter.

Du hast also noch nie ein Spiel geleitet, wo etwas wichtiges passiert ist (z.B. jemand umgebracht worden ist), ohne dass du zu Beginn als SL wusstest wer es ist?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 10.02.2015 | 05:54
Du hast also noch nie ein Spiel geleitet, wo etwas wichtiges passiert ist (z.B. jemand umgebracht worden ist), ohne dass du zu Beginn als SL wusstest wer es ist?

Wenn derjenige nicht von den Spielern umgebracht wurde, nein.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 10.02.2015 | 06:05
Das geht aber einfacher als man vielleicht denkt. Du könntest es mal probieren. Es ist auch ziemlich spannend für den SL.
Die Vorgehensweise geht so. Du konfrontierst die Spieler einfach mit einem Tatort und schaffst dann wenn die
Spieler etwas untersuchen nach und nach wohlwollend (!) Fakten, bis du selber weißt, wer es war.
Der Vorteil ist, dass sich meine Ideen deutlich von den Ideen unterscheidet, die ich normalerweise beim Abenteuerschreiben im
stillen Kämmerlein habe.

Die Betonung liegt dabei vor allem auf "wohlwollend". D.h. deine Fakten sind zwar deine Ideen, aber sie orientieren sich vor allem
daran, was die Spieler wissen wollen.
Wenn die Leiche da liegt und zuerst jemand in den Mund guckt, dann ist im Mund der erste Hinweis (vielleicht Gift). Wenn jemand
den Körper untersucht ist es vielleicht ein gebrochenes Rückgrat etc.

Weiß nicht, ob das ein Experiment für dich sein könnte. Du kannst das am Anfang mit etwas nicht plotrelevantem ausprobieren.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Oberkampf am 10.02.2015 | 06:56
Detektivabenteuer nach Vorbild der englischen Detektivliteratur (Whodunit?) sind ein spezialgelagerter Sonderfall. Natürlich kann man Kriminalabenteuer auch in 10 000 anderen Geschmacksrichtungen spielen, aber einen Whodunit? kriegt man eben nur hin, wenn von vorne herein unverrückbar feststeht, wer der Täter ist, wie er es getan hat und warum er es getan hat. Whodunit gehören in die gleiche Schublade wie Tunierabenteuer.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 10.02.2015 | 07:42
... aber einen Whodunit? kriegt man eben nur hin, wenn von vorne herein unverrückbar feststeht, wer der Täter ist, wie er es getan hat und warum er es getan hat. ...
Glaube ich nicht. Was genau spricht dagegen, das so zu machen wie ich oben beschrieben habe?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 10.02.2015 | 08:00
@Blind cat:

Das geht ja ein die gleiche Richtung wie ich oben beschrieben habe mit der Tatsache, das ich auf dem Weg dahin improvisiere. Aber der Mord und der Täter sind ja die Auslöser des Abenteuers und stehen halt von vornherein fest, wenn die Tat nicht durch die Spieler verursacht wurde.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: blut_und_glas am 10.02.2015 | 08:06
Das geht ja ein die gleiche Richtung wie ich oben beschrieben habe mit der Tatsache, das ich auf dem Weg dahin improvisiere. Aber der Mord und der Täter sind ja die Auslöser des Abenteuers und stehen halt von vornherein fest, wenn die Tat nicht durch die Spieler verursacht wurde.

Wie würdest du das einordnen, wenn statt Improvisation ein Zufallsmechanismus (klassisch: Tabellen) eingesetzt würde?

Nehmen wir an, festgelegt wurde, dass es eine Leiche gibt. Was die Spieler bei der Untersuchung finden wird aber am Tisch ausgewürfelt.

mfG
jdw
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Luxferre am 10.02.2015 | 09:03
Das geht aber einfacher als man vielleicht denkt. Du könntest es mal probieren. Es ist auch ziemlich spannend für den SL.
Die Vorgehensweise geht so. Du konfrontierst die Spieler einfach mit einem Tatort und schaffst dann wenn die
Spieler etwas untersuchen nach und nach wohlwollend (!) Fakten, bis du selber weißt, wer es war.
Der Vorteil ist, dass sich meine Ideen deutlich von den Ideen unterscheidet, die ich normalerweise beim Abenteuerschreiben im
stillen Kämmerlein habe.

Die Betonung liegt dabei vor allem auf "wohlwollend". D.h. deine Fakten sind zwar deine Ideen, aber sie orientieren sich vor allem
daran, was die Spieler wissen wollen.
Wenn die Leiche da liegt und zuerst jemand in den Mund guckt, dann ist im Mund der erste Hinweis (vielleicht Gift). Wenn jemand
den Körper untersucht ist es vielleicht ein gebrochenes Rückgrat etc.

Weiß nicht, ob das ein Experiment für dich sein könnte. Du kannst das am Anfang mit etwas nicht plotrelevantem ausprobieren.

 :d

Was ich hieran ziemlich geil finde, ist dass der SL auch ein Stückweit mehr Spieler sein kann. Er re-agiert und lässt sich überraschen. Sowohl von außen (Spielerinput), als auch von innen (neue, kreative[re] Ideen). Gut formuliert, Herr Wheel.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 10.02.2015 | 09:04
Wie würdest du das einordnen, wenn statt Improvisation ein Zufallsmechanismus (klassisch: Tabellen) eingesetzt würde?

Nehmen wir an, festgelegt wurde, dass es eine Leiche gibt. Was die Spieler bei der Untersuchung finden wird aber am Tisch ausgewürfelt.


Könnte ich zur Not mit leben, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, das das eine logische Kette von Indizien gibt, mit deren Hilfe ich das Rätsel lösen könnte.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: firstdeathmaker am 10.02.2015 | 09:10
Ich finde das driftet ganz schön vom Thema ab, auch wenn ich es interessant finde. Mir fällt allerdings auf, das man bei einem solchen improvisierten Vorgehen höllisch aufpassen muss, sich nicht in Widersprüche zu verwickeln aus denen man später nur noch mit einer abstrusen Erklärung heraus kommt. Einfacher fände ich es, wenn man sich vorher überlegt, was genau passiert ist und dann, je nachdem was die Spieler tun, entsprechende Hinweise streut, die dazu passen.

Aber eigentlich geht es ja ums Kulissen schieben, ich finde da das Beispiel mit der penibel ausgearbeiteten Stadt die man dann mit einer anderen tauscht, ganz schön. Jedenfalls für nicht-Sandbox Runden. Sie stellt einen als SL wirklich vor ein Dilemma und ich weis nicht, wie ich mich in dem Fall entscheiden würde. Vermutlich hängt es davon ab, wie viel die Spieler wissen und wie stark die beiden Städte in meiner Welt verflochten sind (d.h. wie schwierig es wäre, wirklich alle Verflechtungen die sich dadurch ändern, zu bedenken und umzuändern). Wenn das einfach wäre, würde ich es definitiv tun, da bei mir alles was die Spieler noch nicht von mir gehört haben noch nicht 100% festgelegt ist. Ich bereite zwar Dinge vor, aber das dient nur dazu, den Spielfluss und die Qualität zu erhöhen. Ich möchte ganz explizit, dass die Entscheidungen meiner Spieler Einfluss auf die Geschichte und die Welt haben. Deshalb bereite ich auch nicht 3 Abenteuer im Vorraus vor, sondern schaue, was die Spieler machen und welche Wendungen dazu passen könnten.

Aber zum Glück habe ich da eine sehr kooperative Gruppe: Sie wissen, dass ich mir sehr viel Mühe mit der Vorbereitung mache und sind daher auch gewillt, bestimmten Hinweisen zu folgen. Es ist ja kein Spielen "gegeneinander" sondern miteinander (jedenfalls bei uns). Und ich als Spielleiter muss an einer solchen Stelle die Entscheidung treffen, was für den Spielspaß am besten wäre. Und da muss ich dann bei dem Stadtbeispiel "Kulissenschieberei" betreiben, solange es die Glaubwürdigkeit der Spielwelt nicht beeinträchtigt. Und was die Freiheit der Spieler angeht, finde ich andere Entscheidungen viel interessanter, als die, wo man als nächstes hingeht (jedenfalls wenn man sich zwischen zwei Dingen entscheiden muss, über die man eigentlich keine Informationen hat). Interessantere Entscheidungen sind für mich z.B. ob man einen Konflikt friedlich oder gewaltsam angeht, was man mit den kleinen Goblinkindern macht die vom Stamm übrig sind nachdem man die Krieger besiegt hat oder ob man dem despotischen Diktator bei der Verteidigung der Stadt hilft oder ihn stürzt und riskiert, dass die Orkarmee vor der Stadt den Angriff schafft weil die Stadt im chaos versinkt.







Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 10.02.2015 | 09:15
Könnte ich zur Not mit leben, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, das das eine logische Kette von Indizien gibt, mit deren Hilfe ich das Rätsel lösen könnte.

Der Brettspiel-Klassiker Cluedo funktioniert genau so.

Ich finde das driftet ganz schön vom Thema ab, auch wenn ich es interessant finde. Mir fällt allerdings auf, das man bei einem solchen improvisierten Vorgehen höllisch aufpassen muss, sich nicht in Widersprüche zu verwickeln aus denen man später nur noch mit einer abstrusen Erklärung heraus kommt. ...

Das hat insofern genau mit dem Thema zu tun, da es genau dem Zweck dient zu beweisen, dass es ein durchaus akzeptables Konzept ist, nachträglich Ideen abzuändern, weil es sich prinzipiell nicht davon unterscheidet die Idee gleich beim Spiel aus einer Spieleraktion zu assoziieren.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Necoras am 10.02.2015 | 09:19
:d

Was ich hieran ziemlich geil finde, ist dass der SL auch ein Stückweit mehr Spieler sein kann. Er re-agiert und lässt sich überraschen. Sowohl von außen (Spielerinput), als auch von innen (neue, kreative[re] Ideen). Gut formuliert, Herr Wheel.

Das sehe ich vollkommen anders. Ist wohl Geschmackssache. Ich finde es auch wichtig, den Spielleiter bei der ganzen Diskussion als Mitspieler im Blick zu haben. Aber für den SL ist der Illusionismus oder das Kulissenschieben ja notwendigerweise als solcher/s sichtbar.

Vielleicht stelle ich mir das auch einfach nur nicht "richtig" vor. Aber ich lande beim Überlegen sehr schnell bei Beispielen, die mir gar nicht  zusagen: Wenn Spieler bei einem verdächtigen NSC Proben auf Empathie würfeln oder ihn geschickt mit Fakten konfrontieren wollen, um herauszufinden, ob er nun ein Verräter ist oder nicht, dann wäre es ja für uns alle (SCs wie SL) maximal kreativ und unvorhergesehen, wenn ich als SL verdeckt würfeln würde, ob es sich bei ihm um einen Verräter handelt. Aber dann orientiert sich die Geschichte halt maximal am Spielerhandeln. Denn ohne ihre Verdächtigungen hätte ich als SL ja nie gewürfelt, ob der NSC überhaupt ein Verräter hätte sein können. Er wäre einfach unbedeutend geblieben.

Das ist wie bei Fate, wenn man die Herausforderungen zu stark an den Fähigkeiten der Spieler orientiert: Wenn ich als SL immer nur darauf achte, dass die Spieler bei egal was sie tun immer ein bisschen gefordert sind, aber durchaus eine realistische Chance auf Erfolg haben, die Setzung der Schwierigkeit also immer nur von den Skills der SCs abhängig mache (Athletics) und nicht von der intime-Herausforderung (Fachwerkhauswand mit Griffmöglichkeiten), dann mögen zwar jegliche Proben gut "dosiert" sein. Aber die Story geht für mich dann total flöten. Ich finde, wenn ich als SC kreativ bin und mir einen plausiblen und einfachen Weg zum Einbrechen in das Haus suche, dann kann ich auch dafür belohnt werden, dass die Proben für mich tatsächlich leicht sind. Dann sollte ich als guter Kletterer da auch ganz einfach hoch kommen. Scheiß egal, ob das Metaspiel in dem Moment nahe legt "Die Geschichte bewegt sich langsam auf den Höhepunkt zu und der Spielabend ebenfalls; die Spannung sollte angezogen werden und Proben sollen ja immer spannend sein."
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Luxferre am 10.02.2015 | 09:21
Das sehe ich vollkommen anders. Ist wohl Geschmackssache. Ich finde es auch wichtig, den Spielleiter bei der ganzen Diskussion als Mitspieler im Blick zu haben. Aber für den SL ist der Illusionismus oder das Kulissenschieben ja notwendigerweise als solcher/s sichtbar.

Ist doch auch gut so  :d
Im Übrigen heißt das auch nicht, dass ich immer und ausschließlich SO spiele. Es ist eine Art zu leiten. Oder Abschnitte zu leiten. Oder nur kurze Szenen. Oder man lässt es sein, weil es nicht in den Plot, die Kampagne oder an den Tisch passt.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Necoras am 10.02.2015 | 09:27
Ist doch auch gut so  :d
Im Übrigen heißt das auch nicht, dass ich immer und ausschließlich SO spiele. Es ist eine Art zu leiten. Oder Abschnitte zu leiten. Oder nur kurze Szenen. Oder man lässt es sein, weil es nicht in den Plot, die Kampagne oder an den Tisch passt.
Ja, da hast Du recht. Der große Vorteil an dieser Improvisationstechnik ist halt auch, dass man sie nach Belieben dosieren und nutzen kann, ohne sich vorher irgendwie darauf vorbereiten oder festlegen zu müssen. Vermutlich tun wir das alle im kleineren oder größeren Ausmaß, wenn wir spielleiten.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Luxferre am 10.02.2015 | 09:33
Ja, da hast Du recht. Der große Vorteil an dieser Improvisationstechnik ist halt auch, dass man sie nach Belieben dosieren und nutzen kann, ohne sich vorher irgendwie darauf vorbereiten oder festlegen zu müssen. Vermutlich tun wir das alle im kleineren oder größeren Ausmaß, wenn wir spielleiten.

Wichtig finde ich an dieser Stelle, dass man in der Gruppe darüber spricht. Dass man das gleich Gruppen"vertrag" nennt, ist mir persönlich zuwider. Aber wir ja in Deutschland  >;D
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Ucalegon am 10.02.2015 | 12:12
Das hat insofern genau mit dem Thema zu tun, da es genau dem Zweck dient zu beweisen, dass es ein durchaus akzeptables Konzept ist, nachträglich Ideen abzuändern, weil es sich prinzipiell nicht davon unterscheidet die Idee gleich beim Spiel aus einer Spieleraktion zu assoziieren.

Naja Rumpel ging es hier ja eigentlich um die Nähe zum Railroading. Er hat sich imho vollkommen zurecht Sorgen gemacht, dass Kulissenschieben (wie in dem Beispiel mit der Weggabelung) der SL dazu dienen könnte, ihren vorgeplanten Story-Ablauf als Meistererzählung durchzusetzen und Spielerentscheidungen zu entwerten.

Wenn ich als SL jetzt in ein Detektivszenario reingehe, um gemeinsam mit der Gruppe herauszufinden, wer eigentlich für den Mord/Diebstahl/etc. verantwortlich war und mich dabei von Vorschlägen und Ideen der Gruppe leiten lasse, dann finde ich es schwer, das mit RR in Verbindung zu sehen. Dabei ist es dann auch egal ob ich das freeforme, Zufallstabellen für clues habe, FATE Punkte einsetze und so weiter. Wir haben das mal mit tremulus probiert und es hat eigentlich super funktioniert. Kulissen an denen sich meine Entscheidungen konkretisieren könnten gibt es hier aber gar nicht, weil es meine und die Entscheidungen meiner Mitspieler(innen) sind, die die Kulissen entstehen lassen.

Ein bisschen anders läuft das ja bei Gumshoe, wo von vorneherein ein Fall samt vordefinierten Clues feststeht (eine Kulisse), die Spieler(innen) aber, egal wie sie vorgehen (ob sie zuerst in den Mund schauen oder den Körper untersuchen) bestimmte Core Clues auf jeden Fall erhalten. Aus meiner Sicht hat das, wie ich ganz am Anfang des Threads geschrieben habe weder was mit RR noch mit Illusionismus zu tun, weil von vorneherein allen klar sein muss, dass es, zumindest was die Core Clues angeht, keine Spielerentscheidung gibt, die entwertet werden könnte. Diese Art mit der Suche nach Indizien umzugehen fällt für mich unter Scene Framing. Die Frage ist nicht ob die Spieler(innen) bestimmte Infos bekommen, sondern wie sie damit umgehen. Gumshoe-Experten dürfen mich gerne korrigieren, wenn ich da was falsch verstanden habe.

Zur Frage des Schiebens nochmal meine Meinung: Wenn die SL Kulissen schafft, dann kann ich als Spieler natürlich nicht wissen ob in dem Raum jetzt 1 oder 3 Trolle sind, ob A oder B die Mörderin ist, wohin der rechte und wohin der linke Pfad führt, bevor ich es im Spiel herausfinde. Was ich aber wissen kann und worauf ich mich auch verlassen können will, ist, dass ich meine Entscheidungen auf einer feststehenden Basis treffe und die SL nicht plötzlich anfängt Parameter zurechtzubiegen, weil meine Entscheidung und ihre plausibel abzuleitenden Konsequenzen nicht in ihr Story Konzept passen oder ihr nicht interessant/erfolgversprechend/gefährlich genug erscheinen oder oder. Ob das immer Railroading sein muss oder ob es Grenzfälle geben kann? Schwierige Frage.       

Edit: Zurück zum Zitat  ~;D Ich würde dir also widersprechen und behaupten, dass es sehr wohl einen Unterschied macht ob ich nachträglich Kulissen verschiebe oder diese aus Spieler(innen)handlungen entwickle.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 10.02.2015 | 15:39
Der Brettspiel-Klassiker Cluedo funktioniert genau so.

Habe ich nie gespielt, wenn dann vor Jahren ein oder zwei Mal. Und nur weil es im Brettspiel vielleicht Spaß macht, muß es das im RPG noch lange nicht. Sind ja zwei verschiedene Spielarten, und bei beiden gehe ich mit unterschiedlicher Erwartung ran.

Ich komme eher von den Lebstlösekrimis, die es in meiner Jugend gab, oder Sherlock Holmes Kriminal Kabinett.

Deshalb  mag ich vielleicht auch die Midgard-Abenteuer lieber, bei denen man ein Mysterium oder Rätsel lösen muss als puren Dungeoncrawl. Was für ein Spaß war das, bei Smaskrifter die Geheimnisse zu lösen. Und wie unmöglich wäre das geworden, wenn der Spieler sich da nach uns Spielern gerichtet hätte.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Pyromancer am 10.02.2015 | 15:46
Im Endeffekt läuft es auf folgenden Unterschied hinaus:
1) Die Spieler ermitteln in einem fiktiven Mordfall - suchen Hinweise, befragen Zeugen, versuchen, das Puzzle zu lösen, und schaffen das oder scheitern.

oder

2) Die Spieler ermitteln gar nicht wirklich, sondern erschaffen gemeinsam mit dem SL eine Erzählung, die nur wie eine Ermittlungs-Geschichte aussieht.

Das kann beides Spaß machen, man sollte sich halt als Gruppe einig sein, ob man 1) oder 2) spielt.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: K!aus am 10.02.2015 | 16:13
1) Die Spieler ermitteln in einem fiktiven Mordfall - suchen Hinweise, befragen Zeugen, versuchen, das Puzzle zu lösen, und schaffen das oder scheitern.

oder

2) Die Spieler ermitteln gar nicht wirklich, sondern erschaffen gemeinsam mit dem SL eine Erzählung, die nur wie eine Ermittlungs-Geschichte aussieht.

Präzise. Das bedeutet aber (vielleicht sehe ich es falsch) in Fall 1), dass sich einer hinsetzen muss, um so ein knackiges Rätsel zu entwerfen. Wobei der Begriff Rätsel jetzt als Synonym steht für Intrige aufdecken, Mord klären oder das klassische Rätsel im Dungeon.

Ich kann z.B. verstehen, dass im Laufe der Jahre und zunehmenden Verpflichtungen keiner mehr die Zeit findet, um derartige Rätsel zu entwerfen.

Weiterhin müssen dann auch Spieler bereit sein auf dem Holzweg zu sein und der Spielabend frustrierend verläuft, weil man auf dem Holzweg ist.

Vielleicht will man das auch nicht mehr so richtig, sondern der immer seltenere Rollenspielabend wird zu einer Art Comfort Zone, wo ein 'Zähne ausbeißen' nicht mehr so ins Bild passt?

Also für ein glorreiches Lösen des Rätsels oder Scheitern braucht es 1) ?

Ich weiß es nicht.

Gruß,
  Klaus.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Pyromancer am 10.02.2015 | 16:26
Präzise. Das bedeutet aber (vielleicht sehe ich es falsch) in Fall 1), dass sich einer hinsetzen muss, um so ein knackiges Rätsel zu entwerfen.
Ja sicher. Irgend wo muss es ja herkommen.  ;)
Und wenn keiner Bock oder Zeit hat, so etwas vorzubereiten, dann kann man es nicht spielen. Tä.

Zitat
Also für ein glorreiches Lösen des Rätsels oder Scheitern braucht es 1) ?
Man kann natürlich auch in 2) scheitern, wenn man halt gemeinsam das Scheitern herbeierzählt. "Fiasco im Orient-Express", alles kein Problem.
Aber es sollte offensichtlich sein, dass man kein Rätsel lösen kann, wenn es kein Rätsel gibt! Und Spieler, die Rätsel lösen wollen, kommen dann eben nicht auf ihre Kosten.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Ucalegon am 10.02.2015 | 18:24
Weiterhin müssen dann auch Spieler bereit sein auf dem Holzweg zu sein und der Spielabend frustrierend verläuft, weil man auf dem Holzweg ist.

Vielleicht will man das auch nicht mehr so richtig, sondern der immer seltenere Rollenspielabend wird zu einer Art Comfort Zone, wo ein 'Zähne ausbeißen' nicht mehr so ins Bild passt?

Ein paar grundsätzliche Gedanken:

Frustration, weil man als Spieler(in) Würfe nicht schafft und ingame stirbt, den Falschen verdächtigt, von NPCs hinters Licht geführt oder verraten wird o.Ä. finde ich kindisch. Wer das nicht will, wird wohl mit kaum einem Rollenspiel glücklich werden. Man ärgert sich vielleicht über das Würfelpech oder die eigene Blödheit, aber Frustration?

Frustration, weil es nicht voran geht, weil man das Gefühl hat nichts bewegen oder herausfinden zu können, weil die Spielwelt auf Entscheidungen nicht reagiert o.Ä. kann ich dagegen bestens verstehen. Wer will das schon bei einem coolen, lustigen, herausfordernden, spannenden Rollenspielabend? Deswegen muss die ganze Gruppe und insbesondere der SL, so es denn einen gibt, sicherstellen, dass es zu solchen Situationen nicht kommt.

Geniales Szenario, Holzweg hin oder her, wenn sich diese Art von Frustration einstellt, läuft irgendetwas gewaltig schief. (Mal abgesehen von Fällen, wo das bewusst passiert, aber das ist schon arg grenzwertig, insbesondere wenn die Spieler(innen) nicht eingeweiht sind.)

Um aber zum Thema zurückzukommen: Wenn ich Spielerentscheidungen honorieren will, dann sollte ich Kulissenschieberei im eigentlichen Wortsinn bleiben lassen. Dass das im Gegenzug nicht heißen muss, dass ich dann Frustration auf Spieler(innen)seite in Kauf nehme, ist glaube ich im Thread deutlich geworden, oder sehe ich da was falsch?



Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Maarzan am 10.02.2015 | 18:34
Ein paar Gedanken:
Das Problem mit den Spielerentscheidungen ist doch eigentlich nur dann relevant, wenn im Charaktermodus operiert wird. In den anderen Fällen sollte die Spielerbeteiligung doch auf der Metaebene geregelt sein und so ein hoheitliches Kulissenschieben gar nicht vorkommen, da die Spieler selbst an der Kullissenpositionierung etc. direkt beteiligt wären.

Das andere Wort an dem ich mich stoße ist das "honorieren". Auch das hört sich so von oben herab an. Als Spieler mit entsprechendem Interesse am charakte´rorientierten Spiel reicht es mir zumindest völlig, wenn der Spielleiter meine Entscheidungen ehrlich, kompetent und neutral verarbeitet. Extra (und wertende) Belohnungen erwarte ich nicht und wenn ich was falsch mache kommt eben auch ein Fehlschlag.

Klar wird niemand alles bis ins kleinste vorbereiten können und auch mal Fehler machen und daher werden gewisse Abweichungen und Änderungen immer auch notwendig sein. Aber es geht dann um die Art und Weise und die Anlässe bzw. Zielsetzung des Eingriffs. Und da halte ich alles, was ohne Rücksprache auf der Annahme von Geschmack (Spaß/Story/Dramatik) beruht für eine höchst zweifelhafte Grundlage.

Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Greifenklaue am 10.02.2015 | 18:44
Das hat insofern genau mit dem Thema zu tun, da es genau dem Zweck dient zu beweisen, dass es ein durchaus akzeptables Konzept ist, nachträglich Ideen abzuändern, weil es sich prinzipiell nicht davon unterscheidet die Idee gleich beim Spiel aus einer Spieleraktion zu assoziieren.
Wem möchtest Du das denn beweisen?

Natürlich ist das Konzept akzeptabel, nur, darum muss ich das ja trotzdem nicht mögen noch mein Geschmack sein.

Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: blut_und_glas am 10.02.2015 | 19:48
Könnte ich zur Not mit leben, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, das das eine logische Kette von Indizien gibt, mit deren Hilfe ich das Rätsel lösen könnte.

Nehmen wir einfach einmal an, dass der Zufallsgenerator ausgefeilt genug ist, um eine solche logische Kette zu ermöglichen.

Wenn die Spielleitung nun das Buch mit den Tabellen am Spielabend leider zu Hause vergessen hat, aber die Einträge der gerade relevanten Tabelle im Kopf hat, wäre es dann akzeptabel, die Tabelle aus dem Gedächtnis zu reproduzieren?

Separate Frage: Wie wäre es, wenn anstatt auf der Tabelle zu würfeln, ein Ergebnis von der Spielleitung gezielt ausgewählt würde?

mfG
jdw
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 10.02.2015 | 21:28
Um mal ein paar Punkte zusammen zu fassen:

1. Wenn ich Spieler bin bin ich in der Charakterperspektive, nicht in der Spielerperspektive. Ich möchte ein Abenteuer erleben, nicht erschaffen. Das mache ich wenn ich SL bin. Ausnahmengibt es immer, kleinere Mitgestaltung, aber halt nicht in den Eckpunkten des Abenteuers.

2. B_u_G: Wenn die Tabellen so sind und der SL ein Ergebnis auswählt oder auswürfelt, ist das auch okay. Aber ich als Spieler möchte das nicht wissen, bevor ich es gelöst habe und nicht daran beteiligt sein.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Maarzan am 10.02.2015 | 22:31
Nehmen wir einfach einmal an, dass der Zufallsgenerator ausgefeilt genug ist, um eine solche logische Kette zu ermöglichen.

Wenn die Spielleitung nun das Buch mit den Tabellen am Spielabend leider zu Hause vergessen hat, aber die Einträge der gerade relevanten Tabelle im Kopf hat, wäre es dann akzeptabel, die Tabelle aus dem Gedächtnis zu reproduzieren?

Separate Frage: Wie wäre es, wenn anstatt auf der Tabelle zu würfeln, ein Ergebnis von der Spielleitung gezielt ausgewählt würde?

mfG
jdw

Für eine echte Entscheidung gehören entsprechende (nicht zwingend vollständige) Informationen dazu - sonst ist es blindes raten.
Es wäre also eigentlich notwendig, dass der Spielleiter sich vor der Entscheidung diese Gedanken gemacht hat, wie die Dinge ineinander greifen sollten - sei es Tage vorher oder auch wenige Augenblicke, denn die dann vermittelten Informationen sind es, auf denen die Spielerentscheidung aufbauen muss.
Es kann sein, dass der Spielleiter feststellt, dass das Vorbereitete nicht der bestmögliche Schuss war. Dann ist eine Anpassung entsprechend sinnvoll. Dazu gehört aber auch, dass die bisherigen Informationen etc. weiter gültig und stimmig sind. Bei spontaner Modifikation steigt aber die Gefahr von Fehlern gegenüber der sorgfältigen Vorbereitung deutlich denke ich mal, insbesondere wenn ganz andere Motive als dem Spieler eine stimmige Welt (bzw. davon abgeleitet des Charakters Sicht darauf) und so eine entsprechende Entscheidungsbasis vorzulegen Trumpf seien sollten.

Das wählen passt nicht, da damit die Entscheidung des Spielers entwertet wird, welche üblicherweise auf eben einer Chancenabschätzung des zu erwartenden Ergebnisraums beruht.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 11.02.2015 | 09:10
Das wählen passt nicht, da damit die Entscheidung des Spielers entwertet wird, welche üblicherweise auf eben einer Chancenabschätzung des zu erwartenden Ergebnisraums beruht.

Ja, und wenn der Spieler die Tabelle gar nicht kennt und auch von ihrer Existenz nichts weiß (weder vorher noch nachher), dann gibt es doch auch gar keinen zu erwartenden Ergebnisraum. Trotzdem fändest du es in Ordnung, oder?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: blut_und_glas am 11.02.2015 | 10:45
Es wäre also eigentlich notwendig, dass der Spielleiter sich vor der Entscheidung diese Gedanken gemacht hat, wie die Dinge ineinander greifen sollten

Was wäre wenn diese Gedanken in der Auswahl der Tabelle gemündet haben (oder in deren Erstellung)?

mfG
jdw
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Maarzan am 11.02.2015 | 12:52
Ja, und wenn der Spieler die Tabelle gar nicht kennt und auch von ihrer Existenz nichts weiß (weder vorher noch nachher), dann gibt es doch auch gar keinen zu erwartenden Ergebnisraum. Trotzdem fändest du es in Ordnung, oder?

Ob das aus einer Tabelle ist oder was anderes ist unerheblich. Der Spieler muss von einer bestimmten Spannbreite an möglichen Handlungsfolgen als Settingeigenschaft ausgehen und bestimmten Wahrscheinlichkeiten dafür. Danach kann er eine Entscheidung treffen. Hat er keinerlei Hinweise ist es wie gesagt keine Entscheidung, sondern Raten.

In der Theorie kann es auch im Setting nur eine wahre Lösung geben. Im Üblichen wird aber auf eine dermaßen tiefgreifende Festlegung der Details verzichtet und der Rest durch einen Würfelwurf abgedeckt.

Was wäre wenn diese Gedanken in der Auswahl der Tabelle gemündet haben (oder in deren Erstellung)?

Wie gesagt: Tabelle passend erstellen OK, einen der möglichen Werte willkürlich auswählen NOK!
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 11.02.2015 | 15:24
Ob das aus einer Tabelle ist oder was anderes ist unerheblich. Der Spieler muss von einer bestimmten Spannbreite an möglichen Handlungsfolgen als Settingeigenschaft ausgehen und bestimmten Wahrscheinlichkeiten dafür. Danach kann er eine Entscheidung treffen. Hat er keinerlei Hinweise ist es wie gesagt keine Entscheidung, sondern Raten.

Aber das ist doch exakt genau so, wenn der SL entscheidet. Der entscheidet ja auch mit gewissen Wahrscheinlichkeiten aus einer bestimmten Spannbreite an Handlungsfolgen die im Setting vorkommen können.
Ich bring mal ein Beispiel, weil man sich da immer am besten versteht: Wo siehst du den Unterschied wenn da eine Leiche liegt (um die es in dem Abenteuer vor allem geht) und der SL vor dem Spiel eine Todesart festgelegt hat, vorher eine Todesart ausgewürfelt hat oder die Todesart erst festlegt, wenn du die Leiche untersuchst?
Gibt es anhand der dir unbekannten Tabelle für Todesarten eine andere Erwartung als wenn der SL das entscheidet? Und welchen Vorteil hättest du genau davon wenn der SL es vor dem Spiel entscheidet, statt es während deiner Untersuchung zu entscheiden?
Angenommen, du findest heraus, es wäre Herzversagen gewesen. Gäbe es da für dich, in welchem Setting auch immer, einen Hinweis wie der SL auf diese Art des Todes gekommen ist?
Ich hoffe, das Beispiel betrifft das, was du meinst. Zumindest war das eine Sache um die es in der letzten Zeit ging.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Chruschtschow am 11.02.2015 | 15:51
Ich sehe ehrlich gesagt eher ein Manko darin, wenn die Spieler aufgrund irgendwelcher Tabellen oder ähnlichem Hinweise auf die Lösung finden. Das ist doch total dem Sinne eines Whodunit oder irgendeiner anderen Krimiform entgegengesetzt. Als würde Columbo sagen: "Nein, Sie hätten zwei 20en hintereinander würfeln müssen. Sehr unwahrscheinlich."

Die Lösung des Falls muss sich doch aus Informationen innerhalb der Spielwelt ergeben, die den Spielern zur Verfügung gestellt werden. Wie der Spielleiter diese Informationen erst ein Mal generiert hat, ist dabei ziemlich wurscht, so es denn die Möglichkeit gibt, daran zu kommen.

Dass sich dabei alle an gewisse Genrekonventionen o.ä. halten müssen, sollte dabei klar sein. -> Gruppenvertrag.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Pyromancer am 11.02.2015 | 16:05
Aber das ist doch exakt genau so, wenn der SL entscheidet. Der entscheidet ja auch mit gewissen Wahrscheinlichkeiten aus einer bestimmten Spannbreite an Handlungsfolgen die im Setting vorkommen können.
Ich bring mal ein Beispiel, weil man sich da immer am besten versteht: Wo siehst du den Unterschied wenn da eine Leiche liegt (um die es in dem Abenteuer vor allem geht) und der SL vor dem Spiel eine Todesart festgelegt hat, vorher eine Todesart ausgewürfelt hat oder die Todesart erst festlegt, wenn du die Leiche untersuchst?
Es gibt einen ganz praktischen Unterschied: Wenn die SL solche wichtigen Fakten erst zur Laufzeit generiert, dann ist es unglaublich schwer, ein konsistentes Gesamtgebäude zu konstruieren. ALLE generierten Fakten müssen widerspruchsfrei zusammenpassen. Das ist schwer, wenn die SL noch gar nicht weiß, was da hinterher noch an Fakten dazukommt. Und subtile Hinweise streuen und Foreshadowing geht überhaupt nur, wenn die Daten schon DA sind.

Nehmen wir an, ich weiß als SL VORHER, dass der Gärtner den Lord mit der Harke erschlagen hat. Dann kann ich, wenn die SCs am Tatort eintreffen, z.B. schon unauffällig beschreiben, wie der Gärtner mit Gartengeräten hinten durchs Bild läuft - bevor sie die Leiche untersuchen. Weiß ich das nicht, kann ich das nicht. Und dann wird es halt schnell gekünstelt: "Ja, jetzt wo du nachfragst erinnerst du dich, dass da vorhin hinten der Gärtner mit Gartengeräten durchs Bild lief..." Das kann man machen, es ist aber nicht das gleiche.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: User6097 am 11.02.2015 | 16:15
Ich denke man kann erin plausibles Szenario entwerfen, wenn die Spieler kreativ sind und man einfach abwartet, bis sieselber eine Erklärung liefern. Also am Beispiel: Die Spieler wundern sich das der Gärtner vorher nie aufgetaucht ist. Anstatt darauf irgendwie einzugehen, wartet man ab, bis die Spieler sich selber eine Erklärung ausgedacht haben, und verwedet diese direkt oder in abgewandelter Form. Da die Spieler selbst sich die Sache zurechtbiegen, ist sie für sie immer plausibel.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Pyromancer am 11.02.2015 | 16:19
Ich denke man kann erin plausibles Szenario entwerfen, wenn die Spieler kreativ sind und man einfach abwartet, bis sieselber eine Erklärung liefern. Also am Beispiel: Die Spieler wundern sich das der Gärtner vorher nie aufgetaucht ist. Anstatt darauf irgendwie einzugehen, wartet man ab, bis die Spieler sich selber eine Erklärung ausgedacht haben, und verwedet diese direkt oder in abgewandelter Form. Da die Spieler selbst sich die Sache zurechtbiegen, ist sie für sie immer plausibel.

Ich verweise auf meinen Beitrag #124: http://www.tanelorn.net/index.php/topic,92649.msg1935990.html#msg1935990
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: bobibob bobsen am 11.02.2015 | 16:26
Zitat
Nehmen wir an, ich weiß als SL VORHER, dass der Gärtner den Lord mit der Harke erschlagen hat. Dann kann ich, wenn die SCs am Tatort eintreffen, z.B. schon unauffällig beschreiben, wie der Gärtner mit Gartengeräten hinten durchs Bild läuft - bevor sie die Leiche untersuchen. Weiß ich das nicht, kann ich das nicht. Und dann wird es halt schnell gekünstelt: "Ja, jetzt wo du nachfragst erinnerst du dich, dass da vorhin hinten der Gärtner mit Gartengeräten durchs Bild lief..." Das kann man machen, es ist aber nicht das gleiche.

Vielleicht ist das Beispiel schlecht gewählt. In den Gruppen in denen ich mitspiele wäre der Fall bei der unauffälligen Beschreibung des Gärtners bereits gelöst (Meine Spieler gehen bei einem Kriminalfall jedem noch so kleinen Trigger nach). Die würden sich daran sofort festbeißen.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Maarzan am 11.02.2015 | 16:38
Aber das ist doch exakt genau so, wenn der SL entscheidet. Der entscheidet ja auch mit gewissen Wahrscheinlichkeiten aus einer bestimmten Spannbreite an Handlungsfolgen die im Setting vorkommen können.
Ich bring mal ein Beispiel, weil man sich da immer am besten versteht: Wo siehst du den Unterschied wenn da eine Leiche liegt (um die es in dem Abenteuer vor allem geht) und der SL vor dem Spiel eine Todesart festgelegt hat, vorher eine Todesart ausgewürfelt hat oder die Todesart erst festlegt, wenn du die Leiche untersuchst?
Gibt es anhand der dir unbekannten Tabelle für Todesarten eine andere Erwartung als wenn der SL das entscheidet? Und welchen Vorteil hättest du genau davon wenn der SL es vor dem Spiel entscheidet, statt es während deiner Untersuchung zu entscheiden?
Angenommen, du findest heraus, es wäre Herzversagen gewesen. Gäbe es da für dich, in welchem Setting auch immer, einen Hinweis wie der SL auf diese Art des Todes gekommen ist?
Ich hoffe, das Beispiel betrifft das, was du meinst. Zumindest war das eine Sache um die es in der letzten Zeit ging.

Da sind wir doch bei einem ganz anderen Thema. Ich würde exakt erwarten, dass er das vorher festlegt, den rest seines Settings darauf abstimmt und eben nicht das kurzfristig und spontan ändert, weil jemand gerade was anderes in die Runde geworfen hat.

Die Tabellen oder auch spontane Würfel kommen doch als Lückenfüller dazu ein bisher nicht abschließend erfasstes Element in einer dieser Unsicherheit entsprechenden Relation ins Spiel einfließen zu lassen und so der auf dieser Verteilung basierenden Entscheidung des Spielers gerecht zu werden - also es gibt den kurzen. gefährlichen Weg durch den Wald oder den eher langen aber meist sichereren Weg über die Ebene, dann sit es eben die Risikoabwägung der Spieler, die zunichte gemacht wird, wenn es auf jeden Fall zu einem Räuberüberfall kommt, weil der Spielleiter diesen Kampf will. Er braucht nicht würfeln, wenn er vorher begründet festgelegt hat wo die Bande heute ist, aber dann hat sie gefälligst auch nicht auf der anderen Strecke auftauchen zu lassen und ggf. gibt es dann auch Hinweise darauf.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: am 11.02.2015 | 16:56
Im Endeffekt läuft es auf folgenden Unterschied hinaus:
1) Die Spieler ermitteln in einem fiktiven Mordfall - suchen Hinweise, befragen Zeugen, versuchen, das Puzzle zu lösen, und schaffen das oder scheitern.

oder

2) Die Spieler ermitteln gar nicht wirklich, sondern erschaffen gemeinsam mit dem SL eine Erzählung, die nur wie eine Ermittlungs-Geschichte aussieht.

Das kann beides Spaß machen, man sollte sich halt als Gruppe einig sein, ob man 1) oder 2) spielt.

Diese beiden Ansätze gibt es ganz grundsätzlich, aber sie ergänzen sich wunderbar und lassen sich kombinieren. So wird das auch in den allermeisten mir bekannten Runden gehandhabt. Das hat den Vorteil, dass der SL und die Gruppe situativ die jeweils am besten passende Alternative auswählen können. Durchgängiges Handeln nach Methode 1  ist hingegen ein Extremfall. Es gibt diverse Runden, in denen das eine valide Wahl darstellt, das klassische ARS und Sandboxing beispielsweise. Kann man machen, muss man aber nicht und ist in den meisten Fällen meiner Ansicht nach auch nicht sinnvoll.

Die Mehrheit der Runden wird jedenfalls nach meiner festen Überzeugung mit Mischformen glücklich. Wie da das Verhältnis aus den Ansätzen 1 und 2 auszusehen hat, muss der SL in Absprache mit der Gruppe entscheiden. Das hat vor allem mit der sozialen Kompetenz des SL, mit dem Vertrauen/der Vertrautheit der Runde, mit den Spielvorlieben, mit dem Spiel, mit der Gruppenhistorie, mit dem Setting und vielem mehr zu tun.

Die Suspension of  Disbelief auf seiten der Spieler funktioniert schließlich auf mehreren Ebenen: in der Fiktion (fliegende Schiffe, Magie, Mythoskreaturen, whatever), aber auch am Spieltisch. Wenn der SL es kunstvoll und mit impliziter oder expliziter Zustimmung der Gruppe schafft, 1 und 2 ebenso clever wie zum allgemeinen Genuss zu kombinieren, dann halte ich das für großartig.

Entsprechend handelt es sich beim Kulissenschieben selbstverständlich um eine Art Spezialform der Beschneidung von Spielerentscheidungen durch den SL - aber das ist keineswegs schlimm und schon gar nicht moralisch verwerflich. Man kann das auch anders handhaben, nämlich rein nach Methode 1. Nur fängt man sich dann halt ein paar negative Sekundäreffekte ein, die einen sonst nicht nerven würden. Case closed.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Pyromancer am 11.02.2015 | 18:05
Die Spieler von Ermittlungsabenteuern wollen feststehende Tatsachen herausfinden. Sie gehen davon aus, dass die SL die grundlegenden, plotentscheidenden Tatsachen vor Spielbeginn festlegt, und im Bedarfsfall (der natürlich immer eintritt) um diese feststehenden Tatsachen herumimprovisiert, diese aber nicht verändert.
Das ist die Erwartungshaltung von ALLEN Rollenspielern, die gerne und explizit Ermittlungsabenteuer spielen (Ausnahme: Die zwei Hansel, die sich hier gleich melden werden).

Bezeichnenderweise gibt es hier im Thread dann auch etliche SLs, die das anders handhaben und unvorbereitet ein Detektivabenteuer leiten, nur um dann die Lösung an die Überlegungen der Spieler anzupassen - aber keinen einzigen Spieler, der das gut fände. Das ist auch nicht verwunderlich. Das Genre "Ermittlungsabenteuer" ist für die Aktivität "gemeinsames Geschichten-Erschaffen" einfach wenig geeignet. Das geht in anderen Genres besser, und findet deshalb auch bevorzugt in anderen Genres statt.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: am 11.02.2015 | 18:15
Nunja, das stimmt so nicht ganz. Es gibt beispielsweise einen Grund, weshalb Trail of Cthulhu als System speziell für Ermittlungsabenteuer so designt wurde. Der Grund ist, dass herkömmliche RSP-Systeme ein für alle Seiten befriedigendes Detektivabenteuer nun mal sauschwer abbildbar machen. Deshalb muss man, sollte der Gruppe der Sinn nach einem Detektivabenteuer im Rahmen einer eigentlich anderweitig orientierten Kampagne stehen, gewisse Abstriche machen. Dafür gibt es verschiedene Alternativen, von denen eine das Kulissenschieben ist. Ich habe damit weder als SL noch als Spieler ein Problem, sondern freue mich sogar darüber, wenn ich einen derartig cleveren und flexiblen SL habe. Das kann man gerne anders sehen.

Insofern finde ich aber  die Dichotomisierung, die Du da aus meiner Sicht unnötiger Weise an die Wand malst, falsch.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Pyromancer am 11.02.2015 | 18:29
Nunja, das stimmt so nicht ganz. Es gibt beispielsweise einen Grund, weshalb Trail of Cthulhu als System speziell für Ermittlungsabenteuer so designt wurde.
Der Grund hat aber nichts damit zu tun, während des Spiels die Fakten zu verändern. Bei Trail of Cthulhu stehen die Fakten vor Spielbeginn fest, und die Spieler finden sie heraus. Was willst du also sagen?
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Maarzan am 11.02.2015 | 18:29
Es geht nicht um besser, sondern um unpassend.

Wer den Spielspaß aus Exploration und Charakterspiel und folgenden Entscheidungen zieht, für den torpediert eine Spielführung, welche so mutiert, den Spielspaß.

Wer aber als involvierter Zuschauer oder gar als Erzählbeteiligter an dem Spiel teilnimmt, der hat einen ganz anderen Fokus als diese Entscheidungen, würde also nicht unter die meines Erachtens Zielgruppe der im geschilderten Umfang  Entscheidungsberührten fallen.

Und der von mir wahrgenommene Ton war: Rätsellöser, Taktiker, Immersionisten - was wollt ihr eigentlich, es gibt doch auch Spieler, die so eine Art Spielleitung gut finden. 

Dazu die teils durchschimmernde Fehleinschätzung, dass es auf die Realisierung eines Wunsches geht bei Stress um Entscheidungen. Den Knackpunkt ist für besagte Zielgruppe vielmehr die "ehrliche, vorlagenkonforme Abhandlung", welche eben das autenthische Spielerlebnis ermöglicht. Klar merkt man meist nicht sofort, wenn man verarscht wird, aber spätestens auf Dauer fällt es dann halt böse auf, bei ungeschickten Spielleitern entsprechend eher und härter.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Ucalegon am 11.02.2015 | 18:31
Nunja, das stimmt so nicht ganz. Es gibt beispielsweise einen Grund, weshalb Trail of Cthulhu als System speziell für Ermittlungsabenteuer so designt wurde.

Trail macht aber genau das Folgende, oder?

Die Spieler von Ermittlungsabenteuern wollen feststehende Tatsachen herausfinden. Sie gehen davon aus, dass die SL die grundlegenden, plotentscheidenden Tatsachen vor Spielbeginn festlegt, und im Bedarfsfall (der natürlich immer eintritt) um diese feststehenden Tatsachen herumimprovisiert, diese aber nicht verändert.

Weil beim klassischen CoC genau dieses Improvisieren oft nicht klappt, wenn man als SL kein Konzept dafür hat, und es frustrierend werden kann, gibt es Trail. Da ist das einfacher. Sind nicht die Armitage Files die einzige Ausnahme, bei der tatsächlich das Szenario selbst improvisiert wird?

Edit: Pyromancer war schneller.  ;)
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: KWÜTEG GRÄÜWÖLF am 11.02.2015 | 18:35
Wird hier sich nicht zu sehr auf die Unverträglichkeit von Kulissenschieberei bei einer bestimmten Unterkategorie des Rollenspiels, nämlich dem detektivischen Ermittlungsspiel, eingeschossen?

Da kann ich ja so einiges an Ablehnung nachvollziehen, aber es klingt dann doch langsam, als ob allgemein das Kulissenschieben als Spielerverarschung abgestempelt wird, und da ich das KS selber öfters praktiziere, finde ich diese Wertung ziemlich unpassend.

Ansonsten habe ich ja schon gesagt, wie ich das handhabe, mit welcher Motivation und auf welche Weise, da muss ich euch den Thread jetzt nicht noch zehnmal damit vollabern  :)
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Chiarina am 11.02.2015 | 18:42
Zitat von: Maarzan
Klar merkt man meist nicht sofort, wenn man verarscht wird, aber spätestens auf Dauer fällt es dann halt böse auf, bei ungeschickten Spielleitern entsprechend eher und härter.

Nur mal so der Hinweis, dass der Strang heißt: "Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren". Wenn sich dabei jemand verarscht fühlt, dann hat irgendetwas wohl nicht so ganz funktioniert.

Mal abgesehen davon kommen mir die Gegner des Kulissenschiebens hier ziemlich hardcore-mäßig vor: Leistung muss sich wieder lohnen! So kommt das für mich ´rüber. Nagut... ich glaube, das Thema hier sehe ich relativ unverkrampft.

Chiarina.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Crimson King am 11.02.2015 | 18:45
Wird hier sich nicht zu sehr auf die Unverträglichkeit von Kulissenschieberei bei einer bestimmten Unterkategorie des Rollenspiels, nämlich dem detektivischen Ermittlungsspiel, eingeschossen?

Da kann ich ja so einiges an Ablehnung nachvollziehen, aber es klingt dann doch langsam, als ob allgemein das Kulissenschieben als Spielerverarschung abgestempelt wird, und da ich das KS selber öfters praktiziere, finde ich diese Wertung ziemlich unpassend.

Ansonsten habe ich ja schon gesagt, wie ich das handhabe, mit welcher Motivation und auf welche Weise, da muss ich euch den Thread jetzt nicht noch zehnmal damit vollabern  :)

Die ganze Diskussion ist höchst seltsam. Es ist ziemlich klar, dass Kulissenschieben im gamistischen Kontext eine Entwertung von Spielerentscheidungen darstellt, wenn die Spielleitung auf diese Weise dafür sorgt, dass der Grad der Herausforderung sich dadurch verändert. Genauso ist es klar, dass das Gegenteil der Fall ist, wenn in einer storyorientierten Runde durch die Wechselwirkung von Spielerentscheidungen und Kulissenschieben die Spielerentscheidungen verstärkt Einfluss auf den Fortlauf und die Qualität der Geschichte nehmen.

Die vom Wellentänzer propagierten Mischformen sehe ich dabei als Spezialfall des storyorientierten Ansatzes an, bei dem die Spielleitung Fakten vordefiniert, diese aber bei Bedarf überschreibt.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Maarzan am 11.02.2015 | 18:50
Nur mal so der Hinweis, dass der Strang heißt: "Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren". Wenn sich dabei jemand verarscht fühlt, dann hat irgendetwas wohl nicht so ganz funktioniert.

Mal abgesehen davon kommen mir die Gegner des Kulissenschiebens hier ziemlich hardcore-mäßig vor: Leistung muss sich wieder lohnen! So kommt das für mich ´rüber. Nagut... ich glaube, das Thema hier sehe ich relativ unverkrampft.

Chiarina.

Honorieren ist denke ich genau ein Zeichen für den Gedankenfehler. Wer mit entsprechendem Fokus spielt, will nicht gönnerhaft "honoriert" werden, sondern einfach ein korrektes Spiel.

Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 11.02.2015 | 19:10
Ich beschränke mich nicht aus Ermittlungsabenteuer. Ich ziehe meinen Spaß daraus, in der Charaktersicht zu agieren und die vom Sl gestellte Aufgabe zu lösen. Dazu ist es notwendig, das der Sl überhaupt eine solche stellt.

Der Weg zur Lösung der Aufgabe kann dann durchaus fleivbel und improvisiert sein, aber die Lösung nicht. So einfach ist das.

Bsp. in unserer SR-Runde spielen wir in einer Sandboxumgebung. Teilweise setzen wir uns unsere Ziele selber, aber es gibt auch vom SL gestellte Aufgaben bei Runs.

Auf dem Weg zur Lösung unserer Runs oder unserer Ziele darf er gerne improvisieren, neue Wege eröffnen, auf unsere Ideen eingehen. Soll er sogar. Aber die Zielsetzung bleibt doch die gleiche.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: am 11.02.2015 | 20:29
Da kann ich ja so einiges an Ablehnung nachvollziehen, aber es klingt dann doch langsam, als ob allgemein das Kulissenschieben als Spielerverarschung abgestempelt wird, und da ich das KS selber öfters praktiziere, finde ich diese Wertung ziemlich unpassend.

Aber genau das ist die Stoßrichtung. Wenn Du als SL das Kulissenschieben praktizierst, so die Suggestion, weichst Du von einer "ehrlichen", "authentischen"  Art des Rollenspiels ab und betreibst "Spielerverarschung" oder die "Entwertung von Spielerentscheidungen" oder "Spielleiterwillkür" oder "Railroading". Das geht, so die oftmalige Argumentation, mit gewissen moralischen Defiziten des SL einher. So kenne ich die Argumentation und habe sie schon oft gelesen. Mein Eindruck ist, dass auch Marzaan beispielsweise das so oder ähnlich sieht. Zornhau verbreitet das auch so, Settembrini sogar noch extremer. Da gabs vor einigen Jahren mal eine ganze Bewegung von, die noch immer viele Jünger um sich schart.

Deshalb weise ich in der Sache ja auch so klar darauf hin. Es handelt sich um den Versuch, die Deutungshoheit über das zu erlangen, was gut und richtig ist im Rollenspiel. Been there, done that.

Dabei ist die Grundidee ja nicht falsch. Das Kulissenschieben ist in den meisten Fällen ja eine improvisierte Reaktion des SL auf nicht vorhergesehene Aktionen von Spielern. Wenn der SL aber perfekt wäre, also die Gedanken der Spieler lesen und ein allzeit konsistentes, dennoch höchst abenteuerförderliches Setting heraufbeschwören könnte: ja, dann bräuchte niemand mit dem Kulissenschieben anzufangen, es gäbe keinen Leerlauf, keine Orientierungslosigkeit und so weiter. Dann müsste der SL nicht einmal den Gedanken hegen, das Spiel in einer bestimmten, womöglich dramaturgisch motivierten Weise zu manipulieren. Er könnte vielmehr seine Welt so simulieren, dass sich im Ergebnis die Runde immer im höchsten Glück des Abenteuers sonnt. Das ist die grobe Argumentationslinie der reinen Lehre.

Mich erinnert das immer an den Irrglauben des Laplaceschen Dämons (http://de.wikipedia.org/wiki/Laplacescher_D%C3%A4mon). Das stimmt irgendwie auch, klingt sinnvoll und ist nachvollziehbar, bleibt letztendlich aber doch Blödsinn.

Die ganze Diskussion ist höchst seltsam. Es ist ziemlich klar, dass Kulissenschieben im gamistischen Kontext eine Entwertung von Spielerentscheidungen darstellt, wenn die Spielleitung auf diese Weise dafür sorgt, dass der Grad der Herausforderung sich dadurch verändert. Genauso ist es klar, dass das Gegenteil der Fall ist, wenn in einer storyorientierten Runde durch die Wechselwirkung von Spielerentscheidungen und Kulissenschieben die Spielerentscheidungen verstärkt Einfluss auf den Fortlauf und die Qualität der Geschichte nehmen.

Die vom Wellentänzer propagierten Mischformen sehe ich dabei als Spezialfall des storyorientierten Ansatzes an, bei dem die Spielleitung Fakten vordefiniert, diese aber bei Bedarf überschreibt.

Ja genau. Nur will ich da echt nix propagieren. Ich spiele ja selbst manchmal sehr gerne rein simulationistisch. Nur verschweige ich die damit einhergehenden Nachteile nicht und maße mir vor allem nicht an, diese Form über die Alternativen zu erheben bzw. Proponenten dieser Spielformen zu diskriminieren.

Der Grund hat aber nichts damit zu tun, während des Spiels die Fakten zu verändern. Bei Trail of Cthulhu stehen die Fakten vor Spielbeginn fest, und die Spieler finden sie heraus. Was willst du also sagen?

Trail of Cthulhu wurde spezifisch dazu designt, für investigative Abenteuer ein funktionales Regelgerüst  zur Verfügung zu stellen, weil es mit klassischen System so häufig zu Problemen kommt. Und das genau will ich sagen: wer auch mal, aber halt nicht nur investigative Abenteuer spielen möchte, muss bestimmte Kompromisse eingehen. Das Kulissenschieben ist eine von mehreren Möglichkeiten dafür.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 11.02.2015 | 21:12
Also mir persönlich geht es nur um meinem Spielspaß, ich sage nicht das meine Art zu spielen die bessere ist. Wobei ich auch kein reiner Simulationist bin.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Chruschtschow am 11.02.2015 | 21:25
Der Weg zur Lösung der Aufgabe kann dann durchaus fleivbel und improvisiert sein, aber die Lösung nicht.
[...]
Aber die Zielsetzung bleibt doch die gleiche.

Wahrscheinlich ist das Wortklauberei meinerseits. Ich stimme dir dabei zu, dass es echt schlechter Stil ist, eine ein Mal von den Spielern eingeschlagene Richtung mal eben fallen zu lassen (so sie es nicht selbst anregen und insbesondere, wenn man selbst seine Brotkrumen in der Richtung verteilt hat). Von daher: Zielsetzung gleich halten.

Nur bei der Lösung wäre ich etwas vorsichtiger. Gerade da ist das Festhalten an der einen richtigen Lösung manchmal ein so absurder Spielkiller, dass ich nicht verstehen kann, dass manche Spielleiter das für einen auch nur ansatzweise akzeptablen Spielweg halten. Mein Paradebeispiel ist da ein bestimmter SL, mit dem ich nur sehr bedingt gut klar komme. Der hat tatsächlich mal in einem Oneshot auf einem Treff eine Runde fast eine volle Stunde an einem dämlichen Rätsel, dessen Lösung sich nicht wirklich aus dem Kontext (oder nur einem Ansatz von logischem Denken) herleiten ließ, einfach mal rumprobieren lassen. Und immer wieder "Nö, klappt nicht." Weil seine Vorlage halt sagte: "Das ist die Lösung." AAAAAAAAAAAAAAAARGH!!! Für so etwas sollte man tatsächlich physische Kulissen beim Rollenspiel haben. Die kann man dann auf besagten SL fallen lassen.

Wohlgemerkt, ich meine hier mit Lösung nicht die Auflösung eines Kriminalfalls. Die kann die gleiche bleiben. Aber wenn ich ein Kriminalabenteuer mit ein paar Tipps für pfiffige Pathologen aufbaue und meine Spieler eher in einer anderen Sparte unterwegs sind, dann verteile ich meine Tipps eben um, eben auch den Weg zur Auflösung des Rätsels, also andere Lösungsschritte. Ansonsten produziere ich einfach nur Frust. So ähnlich, als würde ich reine Schleichercharaktere anregen, aber dann fette Bosskämpfe forcieren (ja, ich meine dich, Deux Ex 3!) oder mehr Diplomatie und Rollenspiel verlangen und dann im ersten Encounter gleich ohne Diskussion drauf ballern... weil das andere ja nicht auf dem Plan steht...  :q

[EDIT]
Ansonsten habe ich tatsächlich ebenfalls den Eindruck, als würden hier zwei Leute rein metaphorisch gerade im Spidermankostüm den Reichstag erklimmen (http://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:No_climbing_the_Reichstag_dressed_as_Spider-Man). Gerade sobald jemand mal ein ALLE Rollenspieler schreibt, sollte er sich bewusst sein, dass er diesem Allgemeingeltungsanspruch nicht gerecht werden kann. Ein Gegenbeispiel reicht, um Allgemeinaussagen zu falsifizieren. Ich stelle mich gerne als dieses Gegenbeispiel zur Verfügung (und Ermittlungsabenteuer kenne ich übrigens fast nur aus der Spielerperspektive).
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: KWÜTEG GRÄÜWÖLF am 11.02.2015 | 21:28
Das Stichwort hier wäre jetzt Pixelbitching, oder?
Das ist nämlich genau der Effekt, den ich mit Kulissenschieberei zu vermeiden suchen würde...
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Bad Horse am 11.02.2015 | 21:32
Der Weg zur Lösung der Aufgabe kann dann durchaus fleivbel und improvisiert sein, aber die Lösung nicht. So einfach ist das.

Bsp. in unserer SR-Runde spielen wir in einer Sandboxumgebung. Teilweise setzen wir uns unsere Ziele selber, aber es gibt auch vom SL gestellte Aufgaben bei Runs.

Auf dem Weg zur Lösung unserer Runs oder unserer Ziele darf er gerne improvisieren, neue Wege eröffnen, auf unsere Ideen eingehen. Soll er sogar. Aber die Zielsetzung bleibt doch die gleiche.

Und was passiert, wenn eure Charaktere unterwegs beschließen, ihr Ziel zu ändern? Wenn sie z.B. statt dem geplanten Datendiebstahl dann doch lieber die Leute retten wollen, an denen da herumexperimentiert wird?  wtf?

Genau darum geht es ja beim Kulissenschieben - wenn die Spieler plötzlich lieber Leute retten wollen, dann verschiebt der SL den Fokus der Sache halt entsprechend. Auch wenn er sich vorher gar keine größeren Gedanken um diese Leute gemacht hat.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Pyromancer am 11.02.2015 | 21:33
Das Stichwort hier wäre jetzt Pixelbitching, oder?
Das ist nämlich genau der Effekt, den ich mit Kulissenschieberei zu vermeiden suchen würde...

Ungefähr so erlebt: Gesicherte Tür, magisch, blödes Rätsel, nicht zu knacken. Die Wand daneben dagegen ließ sich ohne allzu große Probleme mit der Spitzhacke durchbrechen. :)
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Chruschtschow am 11.02.2015 | 21:36
Ungefähr so erlebt: Gesicherte Tür, magisch, blödes Rätsel, nicht zu knacken. Die Wand daneben dagegen ließ sich ohne allzu große Probleme mit der Spitzhacke durchbrechen. :)

Wobei das nicht ein Mal sonderlich absurd ist, wie mir mal jemand erzählt hat, der in Industrie- und gewerblichen Gebäuden für Brandschutzmaßnahmen zuständig ist. Brandschutztür? Dann nimm lieber die Gipspappwand daneben... :d Zugegebenermaßen immer noch schlechter Stil eines SL, wenn man keinen Brandschutzexperten dabei hat.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: KWÜTEG GRÄÜWÖLF am 11.02.2015 | 21:39
@Bad Horse / Pyro: Wobei ich mir jetzt nicht mehr sicher bin, ob das noch Kulissenschieberei wäre - man verändert ja nix an der Ausgangssituation, sondern legt seinen Fokus auf etwas anderes -  seien es die zu rettenden Versuchskarnickel oder die Brüchigkeit der Wand.
Und so wie einige hier argumentieren, echauffieren sie sich ja mehr darüber, daß bestimmte Gegebenheiten hinter dem Wahrnehmungshorizont der Spieler verschoben werden, doof gesagt: Egal, wo der Piratenkapitän die Schaufel in den Boden rammt, dort liegt der Schatz.

Andererseits, wenn ich das jetzt so betrachte, mache ich eigentlich als SL ja gar keine Kulissenschieberei, sondern lenke den Fokus auf Sachen, die bis dahin unscharf im Hintergrund waren, für die sich aber die Spieler mehr interessieren, und verpasse ihnen einen Rattenschwanz improvisierter Details. Juhuuu, jetzt kann mir negative Wertung von KS egal sein  :)

Ich will aber hier jetzt nicht der Spaßbremsenquasimodo sein, der die unvermeidliche Definitionsfragenbüchse der Pandora öffnet... :-\
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Pyromancer am 11.02.2015 | 21:44
Wobei das nicht ein Mal sonderlich absurd ist, wie mir mal jemand erzählt hat, der in Industrie- und gewerbliche Gebäuden für Brandschutzmaßnahmen zuständig ist. Brandschutztür? Dann nimm lieber die Gipspappwand daneben... :d Zugegebenermaßen immer noch schlechter Stil eines SL, wenn man keinen Brandschutzexperten dabei hat.

Der SL war nicht nur nicht schlecht, er war GUT. Der Standard-Weg wäre vermutlich gewesen, dass wir das Tür-Rätsel lösen. Wir hatten halt keinen Bock auf stundenlanges, evtl. unergiebiges Knobeln, und haben wahrscheinlich auch irgendwelche Hinweise übersehen oder nicht gefunden. Und dann haben wir eben nach anderen Lösungsmöglichkeiten gesucht und auch gefunden. Ich mag sowas.

Und das ist explizit ein Beispiel, wie man so eine Situation OHNE Kulissenschieberei für alle befriedigend lösen kann. Kulissenschieberei wäre gewesen, wenn der SL einfach eine unserer Lösungsmöglichkeiten als richtig definiert hätte, "weil das ja eigentlich auch eine gute Idee ist".
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Chruschtschow am 11.02.2015 | 21:49
Der SL war nicht nur nicht schlecht, er war GUT. Der Standard-Weg wäre vermutlich gewesen, dass wir das Tür-Rätsel lösen.

Ah, ich hatte das so verstanden, dass das die einzige Lösung wäre und als hätte er euch stundenlang drumherum wurschteln lassen. Mit der genaueren Umschreibung gibt es hier für den SL von mir ein klares :d

Übrigens habe ich deine Kommentare in diesem Thread bisher auch so verstanden, dass du die Meinung vertrittst, dass ein solcher Eingriff falsch wäre, eben weil hier doch recht stark abgewichen wird. Ich habe so langsam den Eindruck, dass hier viele Leute sehr ähnliches meinen, aber aneinander vorbei reden.  ;)
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: KWÜTEG GRÄÜWÖLF am 11.02.2015 | 21:50
Also Cruschtschow, ich muß dir da widersprechen, denn ich habe so langsam den Eindruck, dass hier viele Leute sehr ähnliches meinen, aber aneinander vorbei reden.  ^-^
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: sir_paul am 11.02.2015 | 22:00
Ich habe je fast schon Angst mich hier zu Wort zu melden, denn ich scheine ein fast schon zwanghafter Kullissenschieber zu sein.

Ich höre mir immer sehr gespannt die Diskussionen meiner Spieler an und nur allzu häufig kommen da so coole Ideen bei rum das ich mir denke "Scheiss auf das Abenteuer" und die Ideen der Spieler aufnehme um eine gänzlich andere Situation zu bespielen. Meistens erst zwischen den Sitzungen, ab und an aber auch mitten drin :)

Die Ideen werden allerdings meistens noch angepasst und Überraschungen eingebaut, es soll für die Charaktere ja auch was zu entdecken geben.

Auf diese Weise habe ich schon ganze Kampagnen geleitet und meine Spieler hatten immer viel Spaß! Allerdings muss ich sagen, das reine Krimiabenteuer nicht mein Fall sind.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Chruschtschow am 11.02.2015 | 22:09
@Sir Paul:
Willkommen in der Definitionshölle. Anscheinend ist dein Kulissenschieben nicht das Kulissenschieben, das die Kritiker in diesem Thread meinen. :d

Das ist eher ein Neuerrichten von noch nicht erstellten oder vielleicht nur als Gerüst herumstehenden Kulissen. Erst die Änderung an schon bestehenden Kulissen ist wohl der Punkt, an dem die Meinungen auseinander gehen. Wobei ich mir auch da nicht mehr so sicher bin. ;)
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Xemides am 11.02.2015 | 22:11
@Chruschtschow:

Das was du beschreibst ist das, was ich mit dem Weg improvisieren meine. Wobei ich bei Rätseln oder Hinweissuche dann eher mal mit Tipps helfe damit es weiter geht und nicht stumm sitzen bleibe. Aber das ist halt ein Zwischenschritt.

Kwutegs vereinfachtes Piratenbeispiel umschreibt es sehr gut. Wenn es eine Schatzkarte gibt, soll sie entschlüsselt werden, dabei helfe ich halt durchaus wenn die Spieler nicht weiter kommen. Am Ende gibts den Schatz. Aber der Schatz kommt den Spielern nicht entgegen.

@Bad Horse: Dann verschiebt ssich die ganze Zielsetzung und die ursprüngliche liegt brach. Dann überlegt sich der Sl einen Weg dahin - er ist da recht gut im improvisieren. Zur Not gibts ne Pause oder der Abend wird abgebrochen.

Aber der SL fragt immer danach, was unsere nächsten Pläne sind und bereitet sich darauf vor. Und wir weichen davon auch nicht plötzlich ab. So ähnlich würde ich das auch handhaben.

Aber das Ziel des Datenklaus bleibt halt gleich, außer ein externer Faktor verändert etwas. Wenn hinterher der immer noch ansteht und möglich ist, gehts halt wieder weiter wie ursprünglich geplant.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: sir_paul am 11.02.2015 | 22:12
Na, dann bin ich ja fein raus... Ich habe mich schon in der Hölle schmoren sehen...
Allerdings denke ich meine Anpassungen mitten in einer Sitzung sind schon recht nah am bösen Kullissenachieben  der Verdammung ;)
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Bad Horse am 11.02.2015 | 22:37
Der SL war nicht nur nicht schlecht, er war GUT. Der Standard-Weg wäre vermutlich gewesen, dass wir das Tür-Rätsel lösen. Wir hatten halt keinen Bock auf stundenlanges, evtl. unergiebiges Knobeln, und haben wahrscheinlich auch irgendwelche Hinweise übersehen oder nicht gefunden. Und dann haben wir eben nach anderen Lösungsmöglichkeiten gesucht und auch gefunden. Ich mag sowas.

Und das ist explizit ein Beispiel, wie man so eine Situation OHNE Kulissenschieberei für alle befriedigend lösen kann. Kulissenschieberei wäre gewesen, wenn der SL einfach eine unserer Lösungsmöglichkeiten als richtig definiert hätte, "weil das ja eigentlich auch eine gute Idee ist".

Ich finde es toll, wenn ein alternativer Weg gesucht und gefunden wird; sowohl von Spielern als auch von SL. Das ist der Idealfall.

Andererseits würde ich es aber weitaus bevorzugen, wenn eine Lösung, auf die die Gruppe plausibel gekommen ist (die aber eben nicht die vorbestimmte Lösung war), zum Weiterkommen im Abenteuer führt. Die Alternative - es geht eben nicht weiter, bis das Rätsel korrekt gelöst wurde, egal, wie lang das nun dauert - würde mir vermutlich ziemlich auf die Nerven gehen.  :P
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: KWÜTEG GRÄÜWÖLF am 11.02.2015 | 22:46
Die Alternative - es geht eben nicht weiter, bis das Rätsel korrekt gelöst wurde, egal, wie lang das nun dauert - würde mir vermutlich ziemlich auf die Nerven gehen.  :P

Diese von manchen SLs gnadenlos durchgezogene Methode hat mindestens drei Freunde von mir auf ewig vom Rollenspiel vergrätzt. Und hätte mich auch verscheucht, wenn ich nicht auch andere SLs gekannt hätte und sowieso dann angefangen hätte, selber zu leiten (mit diesem Fall als abschreckendes Beispiel im Hinterkopf).  >:(
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: User6097 am 11.02.2015 | 22:50
Ich finde es toll, wenn ein alternativer Weg gesucht und gefunden wird; sowohl von Spielern als auch von SL. Das ist der Idealfall.

Andererseits würde ich es aber weitaus bevorzugen, wenn eine Lösung, auf die die Gruppe plausibel gekommen ist (die aber eben nicht die vorbestimmte Lösung war), zum Weiterkommen im Abenteuer führt. Die Alternative - es geht eben nicht weiter, bis das Rätsel korrekt gelöst wurde, egal, wie lang das nun dauert - würde mir vermutlich ziemlich auf die Nerven gehen.  :P

Nja, die Alternative in einem Krimiabneteuer wär wohl, das der Täter nicht enttarnt wird. Aber hier tun sich ja nun interessante Möglichkeiten auf. man kann aufgeben, oder jemanden aufgrund von Indizien verhaften, oder dem Täter ne falle stellen usw.

Ich glaub das Problem ist hier eher die implizite Erwartungshaltung der Spieler, das der SL, wenn die Spieler nur lang genug vor dem Rätsel sitzen, irgendwann nachgibt und es selber löst. Ich habs zumindest immer so erlebt. Nur ein einziges Mal hat der SL tatsächlich nicht nachgegeben, und wir saßen tatsächlich 4 Stunden vor einem Rätsel. Das Problem war aber hier, das wirs nicht einfach gesteckt haben. 
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Pyromancer am 11.02.2015 | 22:54
Flaschenhälse und Leerlauf sind immer bäh! ;)
Und Kulissenschieberei ist nicht das einzige und meistens auch kein gutes Mittel dagegen.

Die Stelle, wo Kulissenschieberei in meinen Augen ihren Platz hat, ist in charakterfokussierten Drama-Runden. Wenn alle auf Anschlag spielen, die Situation eskalieren soll, und dann von einer Spielerin ein Spruch kommt in die Richtung: "Boah, sag bloss, es war meine eigene Schwester, die... nein, das kann ich ja gar nicht glauben...", in so einer Situation ist es angemessen und wird auch erwartet, dass die SL dann eben die Schwester aus dem Hut zieht, oder spontan noch einen oben drauf setzt: "Nein, nicht nur die Schwester, die Schwester als Komplizin, gemeinsam mit eurem Vater!" ("Und das es ursprünglich der Gärtner gewesen wäre, der in der Session vor zwei Stunden mal kurz durch's Bild lief und seither nicht mehr beachtet wurde, drauf gesch....!")
In so einer Runde stand aber auch nie die Ermittlung im Vordergrund, sondern immer die Interaktion der Charaktere.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Chruschtschow am 11.02.2015 | 22:54
Hey, es gibt dafür sogar noch einen anderen Terminus als Pixelbitching, der mir noch besser gefällt: Zorking (http://rpgtalk.wikia.com/wiki/Zorking).
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 12.02.2015 | 08:57
Es gibt einen ganz praktischen Unterschied: Wenn die SL solche wichtigen Fakten erst zur Laufzeit generiert, dann ist es unglaublich schwer, ein konsistentes Gesamtgebäude zu konstruieren. ALLE generierten Fakten müssen widerspruchsfrei zusammenpassen. Das ist schwer, wenn die SL noch gar nicht weiß, was da hinterher noch an Fakten dazukommt. Und subtile Hinweise streuen und Foreshadowing geht überhaupt nur, wenn die Daten schon DA sind.

Nehmen wir an, ich weiß als SL VORHER, dass der Gärtner den Lord mit der Harke erschlagen hat. Dann kann ich, wenn die SCs am Tatort eintreffen, z.B. schon unauffällig beschreiben, wie der Gärtner mit Gartengeräten hinten durchs Bild läuft - bevor sie die Leiche untersuchen. Weiß ich das nicht, kann ich das nicht. Und dann wird es halt schnell gekünstelt: "Ja, jetzt wo du nachfragst erinnerst du dich, dass da vorhin hinten der Gärtner mit Gartengeräten durchs Bild lief..." Das kann man machen, es ist aber nicht das gleiche.

Ich kann nur annehmen, dass du das behauptest ohne es jemals ausprobiert zu haben.
Ich dachte das nämlich vorher auch.
Da ich aber weiß, dass man das durchaus machen kann und es obendrein auch viel einfacher ist als man denkt, widerspreche ich deinem Posting vollständig.
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Pyromancer am 12.02.2015 | 12:14
Ich kann nur annehmen, dass du das behauptest ohne es jemals ausprobiert zu haben.
Ich dachte das nämlich vorher auch.
Da ich aber weiß, dass man das durchaus machen kann und es obendrein auch viel einfacher ist als man denkt, widerspreche ich deinem Posting vollständig.

Ich hab dazu einen neuen Thread aufgemacht und würde mich über deine Beiträge freuen:
http://www.tanelorn.net/index.php/topic,92721.msg1936702.html
Titel: Re: Kulissenschieben um Spielerentscheidungen zu honorieren
Beitrag von: Turning Wheel am 13.02.2015 | 13:17
Ich hab dazu einen neuen Thread aufgemacht und würde mich über deine Beiträge freuen:
http://www.tanelorn.net/index.php/topic,92721.msg1936702.html

Ich hab mal einen Beitrag in dem Thema geschrieben. Aber ich weiß nicht, ob der überhaupt was taugt. Das Thema ist umfangreich und theoretisch nicht unbedingt gut fassbar.