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Pen & Paper - Spielsysteme => Apocalypse World System (PbtA) => Thema gestartet von: achlys am 2.03.2016 | 22:41

Titel: Charaktere bei pbtA
Beitrag von: achlys am 2.03.2016 | 22:41
Hi!
Ich mache mich gerade wegen des KULT:DL Kickstarters ein wenig schlau über AW/pbtA.
Was ich noch nicht ganz begreife:
a) In AW hat ja jeder Charakter sein 'Playbook', in welchem seine Vorzüge, Verbindungen usw. stehen. Find ich generell super, aber (und jetzt meine Frage): Sind die Charaktere hierbei eher individuell oder holzschnittartig/archetypisch? Letzteren Eindruck machen sie auf mich. Will heißen:  Ein Skinner ähnelt dem anderen durchaus sehr und hat nur wenig (regelseitig) Möglichkeiten zur individuellen Ausgestaltung.
b) Wie sieht die Charakterentwicklung aus?
c) Wie unterscheiden sich hier die einzelnen Spiele (AW, MH, Urbanshadows usw.)

Danke im Vorraus für Eure Antworten!
Titel: Re: Charaktere bei pbtA
Beitrag von: nobody@home am 2.03.2016 | 23:51
Zu a): In den beiden pbtA-Spielen, die mir bisher in die Hände gefallen sind (Dungeon World und Monster of the Week) ist nicht vorgesehen, daß Playbooks in derselben Gruppe doppelt verwendet werden. D.h., beispielsweise der Kämpfer bei DW ist nicht einfach irgendein Kämpfer, sondern der Kämpfer des Teams; einen zweiten gibt's nicht, oder zumindest keinen zweiten Angehörigen derselben "Klasse", auch wenn vielleicht noch ein Waldläufer und/oder Paladin dabei ist (für die natürlich dann dasselbe gilt). Dadurch entsteht das Problem, daß sich zwei Charaktere mit demselben Playbook eventuell zu sehr ähneln, zumindest kurzfristig gar nicht erst; über ausreichend viele Kampagnen betrachtet kann das natürlich anders aussehen, weil wir hier letztendlich doch wieder über ein Klassen- und Stufensystem reden.

Zu b): Charakterentwicklung läuft zumindest in diesen beiden Spielen darüber ab, daß man Erfahrungsmarken bzw. -punkte sammelt. Die gibt's einzeln aus jeweils gegebenem Anlaß; was genau als einer zählt, kann von Spiel zu Spiel variieren, eine Marke quasi als Trostpreis für eine hinreichend vergeigte Aktion (Wurf 6 oder weniger) ist aber anscheinend Standard. Hat man genug zusammen (und sind auch eventuelle andere Vorbedingungen erfüllt, Dungeon World zum Beispiel setzt voraus, daß die Gruppe dazu erst mal eine Verschnauf- und Besinnungspause einlegt, MotW verlangt das nicht), dann kann man eine Stufe aufsteigen und die damit verbundenen Verbesserungen mitnehmen.

Zu c): Im Detail gibt's schon gehörige Unterschiede. Auf der abstraktesten Grundebene ("wirf 2W6 + Attribut...") mag das System irgendwo noch das gleiche sein, aber die einzelnen Spiele sind deutlich auf ihren jeweiligen Verwendungsbereich zurechtgeschnitten, was sich zumindest teilweise schon in ihren spielspezifischen Basismoves und anderen Charaktergrundelementen niederschlägt. Ein Playbook aus einem Spiel läßt sich also beispielsweise eher nicht automatisch in ein anderes importieren, ohne zumindest einiges an "Übersetzungsarbeit" zu leisten.

Das ist jetzt alles ein bißchen graue Theorie, weil ich noch nie dazu gekommen bin, diese Systeme tatsächlich zu spielen (bzw. zu leiten), aber vielleicht hilft's schon ein wenig weiter.
Titel: Re: Charaktere bei pbtA
Beitrag von: D. M_Athair am 3.03.2016 | 00:55
Dadurch entsteht das Problem, daß sich zwei Charaktere mit demselben Playbook eventuell zu sehr ähneln, zumindest kurzfristig gar nicht erst; über ausreichend viele Kampagnen betrachtet kann das natürlich anders aussehen, weil wir hier letztendlich doch wieder über ein Klassen- und Stufensystem reden.
Da Beziehungen eine wichtige Rolle spielen und Spielfiguren über debts (Urban Shadows) oder bonds (Sagas of the Icelanders) miteinander verbunden sind würde ich sagen, dass diese Ebene verhindert, dass sich Figuren sich zu "ähnlich" anfühlen.

(Andererseits: Die denkwürdigsten, verschiedenartigsten Charaktere habe ich mit Systemen wie Lamentations of the Flame Princess oder Warhammer Fantasy Roleplay 2nd erlebt. Also genau NICHT! mit Spielen (wie z.B. Savage Worlds), die relativ viel Charakterdiversifizierung über Regelbauklötze zulassen. Darum: Wenn dir regelseitige Diversifizerung sehr wichtig ist, könnte ich mir vorstellen, dass das bei pbtA-Spielen Schwierigkeiten machen könnte.)
Titel: Re: Charaktere bei pbtA
Beitrag von: Haukrinn am 3.03.2016 | 06:44
a) Die Charaktere basieren schon auf relativ klaren Archetypen, man hat aber ausreichend Gestaltungsmöglichkeiten um auch zwei Charaktere mit dem gleichen Playbook voneinander zu differenzieren - sei es über die Beziehungen zu anderen, egal ob das jetzt Bonds, Debts, Strings, Trust oder Hx heißt, oder auch durch die simple Tatsache dass du deutlich mehr spezielle Moves in einem Playbook findest als ein Charakter nehmen kann. Im Normalfall sollte es aber tatsächlich nur jedes Playbook einmal am Spieltisch geben. Und das ist in der Regel auch kein Problem, denn Playbooks sind keine "Klassen".
b) Man kann die Charaktere über Erfahrungspunkte verbessern. Damit kann man nicht nur neue Moves (auch aus anderen Playbooks) nehmen oder Attribute steigern, sondern auch irgendwann ein neues Playbook wählen (man behält teilweise seine alten Fähigkeiten) oder den Charakter in Rente schicken.
c) Extrem. Abgesehen vom Grundmechanismus haben alle pbtA-Spiele einen sehr starken Fokus und sind entsprechend auf die Art von Geschichte optimiert die man damit erzählen will. Das sieht man besonders schön wenn man Monsterhearts, Urban Shadows und Monster of the Week vergleicht. Alles drei ist Urban Fantasy, aber der Fokus der Spiele (und damit die Spezialregeln) unterscheiden sich ziemlich voneinander. Hier und da kann man klauen, aber so wirklich kompatibel sind die Sachen untereinander nicht. Trotzdem wird man sich wenn man ein Spiel kennt schnell in den anderen zurecht finden.

Was man halt beachten sollte: pbtA-Spiele sind keine herausforderungsorientierten Spiele sondern Storygames. Bei Dungeon World und Monster of the Week ist das  noch relativ subtil, bei den anderen Vertretern ziemlich deutlich. Und daraus ergeben sich einige interessante Konsequenzen:
1.) Charakterkompetenz ist unwichtig. Die Charaktere ragen von Beginn an aus der Masse heraus (deshalb gibt es sie als Playbook und deshalb sollte eigentlich auch jedes Playbook nur einmal am Tisch verwendet werden). Aber an der Kompetenz der Charaktere ändert sich durch das Sammeln von Erfahrung aber nix, du gewinnst als Spieler nur mehr mechanische Handlungsmöglichkeiten hinzu. Einige Spiele geben dir zumindest eine Möglichkeit die Kompetenz des Charakters zu steigern (du kannst Moves verbessern), aber das ist definitiv nicht der Fokus.
2.) Alles auf deinem Charakterbogen dient als kreative Einschränkung. Es gibt keine allgemeinen Moves. Wenn du einen Move machen willst musst du schauen wie du die Erzählung in diese Richtung lenkst. Wenn du nicht weiter weißt dann hast du mit deinen Moves (auch als SL) eine kurze Liste zur Inspiration und bist da auch schnell bereit mal etwas zu wählen was nicht gerade perfekt passt sondern das Problem nur vielleicht löst, oder auch gar nicht. Der archtetypische Aufbau der Charaktere ist auch eine klare Einschränkung. Viele Leute mögen genau diese Einschränkungen bei pbtA nicht weil sie sich in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt fühlen. Das was die Spiele hier machen ist aber Flugzeugbenzin in dein Kreativitätsmofa zu füllen und den Fokus immer wieder darauf zu lenken worum es in dem Spiel geht.
3.) Moves beschreiben in erster Linie wie die Geschichte weiter geht und dienen als Eskalationsmechanismus. Dass sie hier und da auch angeben ob ein Charakter etwas schafft oder nicht ist eher ein Nebeneffekt.

Titel: Re: Charaktere bei pbtA
Beitrag von: 1of3 am 3.03.2016 | 08:22
Du kannst für praktisch alle Spiele der Familie die Playbooks und Basic Moves runterladen. Dungeon World gibt's auch komplett als SRD.
Titel: Re: Charaktere bei pbtA
Beitrag von: Rabe am 5.03.2016 | 15:45
a)
Trotz gleicher Playbooks können (!) Charaktere sehr unterschiedliche Konzepte haben:

Skinner:
Gunlugger
Savyhead

und so weiter.