Irgendwann umnebelt die Müdigkeit Matildes Verstand. Der Wille erliegt der Monotonie von Dunkelheit und Ruhe. Sie schläft ein und erwacht erst wieder, als das schwache Licht des neuen Tages durch den Schnee dringt und sie weckt. Der Wolf ist fort. Matilde ist allein im Unterschlupf. Ein Loch im Schnee zeigt den Weg, den das Tier genommen hat, um zurück in die Wildnis zu gelangen.
Matilde: Ich bleibe noch ein paar Minuten liegen. Ich atme ruhig durch. Und ich geniesse das Licht des neuen Tages. Ich habe es geschafft. denke ich erleichert. Hans ruht und die Stimmen in meinem Kopf auch.
Dann stehe ich auf und krieche raus. Ich nehme das Holz, das ich dabei hatte und mache ein Feuer. Dann setze ich mich daneben und esse das restliches Brot mit den Käse.
Un caffé, das wäre schön. denke ich. Dann brechen die Bilder der letzten Nacht über mich herein. Olaf und Ragnar sind gestorben. Nein, sie sind verschwunden. Nein, sie sind, wie die andere zwei Jäger, Opfer dieses Dings geworden. Ich muss trotzem zurück ins Hotel und... sagen, dass ein Monster die Leute umgebracht hat? Ich seufze und nehme meinen Kopf zwischen die Hände. Würden sie mir glauben? Würde ICH mir glauben?
Matilde kaut lange auf dem Brot herum. Ihr Blick ist der Welt entrückt. Sie starrt in die Flammen, um ihre Gedanken zu ordnen. Das lebendige Flackern. Das Züngeln und Zucken. Das Knistern des Holzes. Das Glimmen der Glut. Immer noch in ihren Gedaken verloren, schaut sie aus dem Feuer auf.
Matilde: Ich stehe langsam auf und kneife die Augen zusammen. Dann schaue ich mich um. Zur Sicherheit nehme ich John in den Hände. "Ma che diavolo?" [Was zum Teufel?] flüstere ich. Die Nacht ist doch vorbei. Und auch die Wilde Jagd. Oder bin ich doch in dieser Nacht gestorben? Und das ist jetzt eine andere Welt? Ich bleibe stehen. Fasziniert beobachte ich dieses blaues Licht, dieses Polarlicht, absolut unfähig mich auch nur zu bewegen.
Eine Hand aus Fell legt sich auf Matildes Stirn. "Sakte, sakte. Ta det rolig, Madame."
Matilde: Ich drehe mich erschreckt um. "HVEM?" [Wer?] schreie ich.
Eine kalte Hand auf ihrer Stirn drückt Matildes Kopf nach unten. Sachte aber kraftvoll. "Beruhigen Sie sich, Madame Visconti. Nur die Ruhe. Sie sind in Sicherheit."
Matilde: Ich bleibe zwar liegen, aber ich schaue mich um, besonders wer gerade mit mir spricht.
"Wer sind sie? Wo bin ich? Ist die Jagd vorbei? Oder sind Sie auch tot?"
"Tot? Nein, Sie leben. Sie sind in Sicherheit. Ich bin es, Ragnar. Olaf und ich, wir haben sie aus der Höhle geholt. Sie haben laut geschrien."
Matilde: Ich schaue beide an. "Alles... alles klar. Ich werde Euch jetzt was erzählen... und ihr hört bitte zu, bis ich fertig bin, einverstenden?"
Dann setze ich mich und fange an alles zu erzählen was ich in dieser Vision oder diesem Traum geshen habe und alles, was geschehen ist. Ich erzähle von den Jägern, von Witiko und wie er sie umgebracht hat. Wie die Pferde geflohen sind und wir mitgeschleppt worden sind. Wie Olaf gestorben ist. Wie Ragnar gestorben ist. Wie ich auf die Wölfe traf, wie die Nacht kam, wie ich die Toten sah, darunter auch Ragnar, Olaf und Hans. Was Hans angehabt hat. Ich erzähle von Witiko, jede Einzelheit, an die ich mich erinnern kann. Was ich gemacht habe, war das Ding gemacht hat, dass das ein Traum im Traum gewesen ist. Diese blaue Sonne. ALLES. Ohne sie dabei anzuschauen. Das letze was ich sage ist... "Ich bin nicht verrückt." Dann bleibe ich still und beobachte ihre Reaktion.
Ragnar und Olaf schauen sich an. Olaf verzieht sein Gesicht und hebt die Augenbrauen. Ragnar legt den Kopf schief. Sein Gesicht ist Matilde abgewandt. Dann dreht sich Ragnar Matilde zu "Sie sind nicht verrückt, Madame. Aber sicherlich abgespannt und übermüdet. Das war alles zu viel für Sie." Nachdem er kurz Olaf's Reaktion abgewartet hat. "Wir hätten Ihren Auftrag nicht annehmen dürfen, Madame. Wir hätten es besser wissen müssen, nach allem, was geschehen ist. Das alles hat sie überanstrengt und seelisch stark angegriffen."
Matilde: Ich senke den Kopf. Und sage darüber kein Wort mehr. Ich schaue auf die Uhr. "Ist gut... Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Ihr Recht habt." Dann schüttele ich den Kopf und schaue nochmal dort hin, wo Hans jetzt ruht. Dann steige ich auf den Schlitten und nehme John zu mir.
"Wir können gerne gehen, meine Herren." Vielleicht ist es ja auch besser so. Wenn einem das nicht geglaubt wird. Wenn ich tatsächlich verrückt geworden bin, braucht ja niemand daran zu glauben.
Ragnar "Madame? Sie haben eine sehr lange Zeit allein in der Höhle verbracht, nachdem Sie uns hinausgeschickt hatten. Vermutlich mehr als eine halbe Stunde."
Matilde: Ich schüttele den Kopf. Ich kann mir nicht erklären was er da sagt. Ich habe etwas anderes erlebt. Vielleicht bin ich wirklich wahsinnig geworden. "Ich erinnere mich nicht daran. Ich... war nur fünf Minuten... und dann... ich meine, ich habe es ja schon erzählt." Ich schaue an mir herunter, ob ich noch alle Sachen mit mir trage und nichts verloren ging. "Ich weiss nicht, was da drin passiert ist." wiederhole ich.
"Als wir Sie fanden, Madame, lagen Sie auf dem Boden. Neben dem Findling, auf dem der Tote ruht. Sie hatten Ihren Dolch in der Hand. Was dort genau geschah, das wissen dann wohl nur die Götter, wenn Sie sich selbst an nichts erinnern können."
Matilde "Ich... ich habe keine Ahnung." sage ich total verwirrt. Und das ist die Wahrheit. "Können wir bitte gehen?" Ich bin bestimmt nicht mehr bei Sinnen. Was ist mit mir da drin geschehen? denke ich verzweifelt. Ich schaue zum Gletscher hinauf. "Bringen Sie mich bitte zurück." sage ich. "Ich flehe sie an. Bitte." Ich verliere den Verstand. Hans, was hast du mir angetan?
Ragnar "Dann lassen Sie uns aufbrechen, Madame Visconti. Wir werden Sie sicher zur Juvasshytta zurück bringen. Machen Sie sich keine Sorgen. Das Wetter ist gut und es sind noch über zwei Stunden bis zur Dämmerung."
Matilde: Ich sitze auf dem Schlitten, mit John in der Hand. Ich sage kein Wort mehr.
Ragnar sitzt auf dem Bock, während Olaf die zwei Pferde führt. Der Schlitten ist schon geraume Zeit unterwegs. Nur die Glöckchen am Geschirr und das Schnauben der Pferde ist zu vernehmen. Keiner von den dreien spricht ein Wort. Dann dreht sich Ragnar unvermittelt zu Matilde um. "Madame, wenn ich Ihnen von diesem Erlebnis erzählen würde, was würden Sie von mir denken?"
Matilde: Ich schaue ihm in die Augen. "Was ich denken würde? Schwierig. Vor ein paar Tagen, hätte ich sicher gedacht, Sie seien verrückt." Ich mache eine kurze Pause und schaue zu Olaf hinüber. Dann wende ich mich wieder zu Ragnar. "Aber jetzt würde ich denken, Sie haben eine Vision erlebt. Ich weiss nicht viel über Eure Mythologie. Bei uns sind Wahrsager in fast jeder guten Geschichte oder Legende dabei." Ich lächele. "Bitte verzeihen sie mir." sage ich plötzlich.
"Natürlich würde ich diese Geschichte nicht glauben."
Einige Zeit später sind aus dem Waldgebiet, das vor Dir liegt, Schüsse zu hören. Zuerst zwei Schüsse, gefolgt von Hundegebell. Dann wieder ein Schuss. Und noch einer. Die genaue Richtung, aus der die Schüsse kamen, ist nicht auszumachen.
Olaf bringt den Schlitten zum Stehen, während Ragnar sich erschreckt zu Matilde umdreht "DIE WOLFSHATZ !!! Genau wie in Ihrer Geschichte... WIE sagten Sie doch gleich, ging Ihre Geschichte weiter? Denken Sie nach, Madame, denken Sie schnell nach. Und noch eins. Ich GLAUBE Ihnen."
Matilde: Ich stehe auf, nehme John und ziel ins Nichts, wo bald erst die Hunde, dann die Jäger kommen werden. "Tun sie jetzt genau was ich Ihnen sage. Machen Sie sich zur Flucht bereit."
Ich ziele leich nach oben und schiesse. Das sollte die Wölfe und die Hunde verschrecken und fern halten. Ich drehe mich zu Ragnar. "WEG HIER! JETZT! LOS!" Ich setze mich wieder hin und halte mich am Schlitten mit einer Hand fest. Ich denke an Luni. Hoffentlich wird diese Änderung reichen, um ihm die Kugel zu ersparen.
Olaf streift seine Schneeschuhe ab und springt auf den Schlitten "Hurtig, Ragnar. Vekk her. Ga hesten los. Forte seg. Pa venstre. Forte seg!!!"
Ragnar treibt die beiden Pferde an. Links um die Jagd herum. Immer noch Richtung Osten.
Die Tiere traben durch den Schnee. Schnell, aber ohne Hektik. Rechts von ihnen nimmt die Dunkelheit zu. Breitet sich aus. Und verdichtet sich. Schreie sind zu hören. Menschliche Schreie. Todesschreie. Und unmenschliche Laute. Verstörende Geräusche. Hundegebell und das Heulen von Wölfen. Gemischt mit dem Heulen des Windes. Ein Sturm zieht auf. Dicke Schneeflocken fallen und werden durch die Luft gewirbelt.
Matilde: Witiko! denke ich erschreckt und denke dabei an diese Jagd, bei der ich die Beute war und als alles so nutzlos war, was ich tat. Und an das Monster und wie es meine Angst genossen und geschmeckt hatte. "Weg! Schnell weg hier! Es kommt! Er! Witiko! Er wird uns alle töten!" Ich drehe mich um und versuche etwas zu erkennen. Versuche zu erkennen, ob uns etwas verfolgt.
Aus der Dunkelheit sind nur noch Schreie zu hören. Bestialische Schreie. Heulende Schreie voll Wut und Enttäuschung. Fauchender, brennender Hunger schwingt im Wüten des Windes mit. Ein Toben. Ein Peitschen. Ein Knacken und Brechen von Ästen und Bäumen. Und das Aufwirbeln von riesigen Schneemassen.
Matilde: "Oh Gott, er wird uns erwischen! Er holt uns ein! Los schnell!" schreie ich.
Der Schlitten gleitet zwischen den Bäumen hindurch. Er springt über Schneewehen hinweg, durch Mulden und über Baumstümpfe. Geradewegs auf eine Lichtung zu. Es ist ein zugefrorener See oder eine Art freie Weidefläche. Als der Schlitten die Mitte der Lichtung erreicht hat, bricht ein Rudel Wölfe hinter Euch aus dem Nadelwald und hetzt hinter dem Schlitten her.
Matilde: Ich drehe mich um und sehe die Wölfe hinter uns. "Sie wollen die Pferde!" schreie ich Ragnar zu. "Ich werde einen von ihnen erschiessen und hoffe, dass die andere aufgeben und vertrieben werden!" Ich ziele auf einen Wolf, einen grauen und schiesse.
Die Fahrt ist unruhig. Der Boden uneben. Die Jägerin ist das Schiessen von einem sich bewegenden Objekt nicht gewöhnt. So geht der Schuss fehl. Und die Pferde sind den Lärm einer .450er Nitro Express nicht gewöhnt und gehen durch.
Matilde Verdammt... denke ich. Ich drehe mich um und halte mich so gut ich kann am Schlitten fest. Und ducke mich dabei. Ich greife dann in die Tasche. Ich nehme die Pistole. "Olaf, halt Dich fest!" sage ich. Aber es ist ok, denke ich und ich versuche mich etwas zu beruhigen. Diesmal bin ich nicht allein und sie sind ebenfalls bewaffnet. Und Witiko ist nicht mehr zu sehen.
Die Wölfe hetzen dem Schlitten hinterher. Ragnar kann die durchgehenden Pferde kaum halten. Der Schlitten nimmt immer mehr an Fahrt auf und lässt das Rudel schliesslich hinter sich. "Wir sind die Meute noch nicht los. Sie haben noch nicht aufgegeben. Sie lassen sich zurückfallen und werden uns im Wald wieder einholen. Denken Sie an meine Worte, Madame Visconti."
Matilde: Ich schau Ragnar entschlossen an. "Dann müssen wir bereit sein, auf sie zu reagieren." Ich lade John nach. Was ist in der Höhle wirklich passiert? Und haben wir zumindest das Ding hinter uns gelassen? "Machen Sie sich, sobald wir ein bisschen Geschwindigkeit reduziert haben, bereit!" Die Situation scheint nicht einfach zu sein. Doch alles ist besser, als das, was sich im Traum abgespielt hat. Der ist nämlich so unheimlich zum Ende gegangen, dass ich meine Gänsehaut wieder spüre. Im Traum waren die Wölfe auf meiner Seite. Ja. Und die beiden Männer waren tot. Spinnst du Matilde? Du hast das richtiges getan. sagt mir meine innere Stimme. "Ja, ich habe das Richtige getan." hauche ich. Die Kälte sticht meine Wangen, wie ein eisiges Messer und erinnert mich an die ekelhafte Berührung der Monsterzunge. "Wir werden es schaffen." sage ich.
Langsam bringt Ragnar die Pferde wieder unter Kontrolle und lenkt den Schlitten sicher zwischen den Bäumen hindurch. Von den Wölfen ist keine Spur mehr zu sehen. Kurz nach 1500, die Dämmerung ist bereits fast vollendet, hört Ihr das Heulen eines einzigen Wolfes. Ragnar verlangsamt die Fahrt und bringt den Schlitten zum Stehen. Olaf lauscht, steigt dann ab und nimmt seine Flinte vom Schlitten. Er schaut sich um. Auf einem Felsvorsprung sitzt ein grosser, schwarzer Wolf im Zwielicht und heult den Mond an.
Olaf hebt sein Gewehr und zielt. "Sitte stille, barn dens mane. Sitte stille, liten ulv. Dine pels tilhore meg."
Matilde "NEI!" schreie ich und schlage Olaf's Gewehr nach oben. "Den nicht" sage ich energisch.
Das könnte Luni sein. Oder auch nicht. Ich weiss es nicht. Ich muss es aber wissen. Um das zu wissen, sollte ich Hans vertrauen. Noch einmal. - Er ist ein Geschenk. - hatte er gesagt. Es könnte aber auch mein Tod sein. "Zielen Sie nicht auf ihn. Bitte. Ich habe Euch davon erzählt. Ich hatte einen schwarzen Wolf bei mir, der so aussah. Bitte nicht schiessen." Ich mache zwei Schritte auf ihn zu. John habe ich bei mir, doch ich hebe ihn nicht. "Bist Du das?" frage ich mit ruhiger Stimme. "Luni? ..." Ich schaue ihm in die Augen und hoffen auf den Moment des Wiedererkennens.
Der Felsvorsprung ist zwei Meter erhöht. Als sich Matilde nähert, erhebt sich der Wolf. Das Tier schaut Dich mit seinen Eis-blauen Augen an. Ein hungriges Feuer lodert hinter den Augen. Es liegt keinerlei Wiedererkennen darin. Warum auch. Die Ohren des Tieres sind unruhig. Die Lefzen sind gebleckt. Das Tier knurrt. Ein tiefes grollendes Knurren.
"Forsiktighet, Madame!" ruft Olaf. Ein Schuss fällt. Gestein splittert. Das Tier bleibt unverletzt, springt hinweg und sucht sein Heil in der Flucht.
Matilde: Als der Schuss fällt, zucke ich zusammen. Dann beobachte ich, wie der Wolf die Flucht ergreift. Meine Augen verfolgen das Tier solange, bis er verschwunden ist. "Was ist nur ein Traum gewesen? Und was war real?" flüstere ich traurig. "Mach's gut, Luni" Ich drehe mich um. "Wir sollten bald da sein, oder?" frage ich etwas nervös. Es ist bereits finstere Nacht.
"Sie haben ein gutes Gefühl für Entfernungen, Madame." ruft Die Ragnar zu "In etwa einer Viertelstunde sollten wir zurück sein. Dann sind Sie wieder in Sicherheit." Der Schlitten fährt wieder langsam an. Die Pferde schnauben. Die Glöckchen klingeln. Die Kufen knirschen im Schnee. Feine, kleine Schneeflocken fallen. Es ist nahezu windstill. "Heisser Gewürzwein und gegrilltes Rentier-Fleisch." murmelt Ragnar "Ich kann es fast schon auf meiner Zunge schmecken." Irgendwo in der Nähe heult ein einsamer Wolf den Mond an. "Was für ein Tag! Was für ein verrückter Tag!" Dann treibt Ragnar die Pferde weiter an.
Als Matilde tief durchatmet und in den Himmel schaut, glaubt sie, in den dahin treinenden Wolken, ein Gesicht zu erkennen. Eine Fratze mit ausladendem Elch-Geweih. Mit zwei leuchtenden, glühenden, weissen Sternen in der Mitte, welche gierig und hungrig vom Himmel herab funkeln. Dann treibt ein Windstoss die Wolken wieder auseinander.
Die Pferde-Glöckchen klingen. "Alles ist gut!" ruft Ragnar. Dann lacht er. Ein tiefes, höhnisches Lachen, das so gar nicht zu diesem freundlichen Norweger zu passen scheint.
Matilde: Ich schaue noch den Wolken hinterher. War das alles nur Einbildung? Ich hoffe es sehr. Dann drehe ich mich zu Ragnar um, denn ich habe erst jetzt sein komisches Lachen registriert. "Ist alles in Ordnung?" frage ich besorgt.
Ragnar hat ein freches, unverschämtes Grinsen im Gesicht "Alles ist in schönster Ordnung, Madame. Es könnte nicht besser sein. Bald ist die Heilige Nacht. Da kommt dann das Christkind. Hahaha. Und ein jeder bekommt etwas. Ein jeder bekommt, was er verdient, Madame. Das ist die Zeit, in der alle Wünsche in Erfüllung gehen." Ragnar berührt kurz Matildes Handgelenk, oberhalb der Handschuhe. Seine Finger sind so eisig, wie die eines Toten. Ein kalter Schauer läuft Matilde den Rücken hinab. "Was wünschen SIE sich, Madame?"
Matilde: Ich ziehe meine Hand schnell zurück und schaue entsetzt und fragend zu Olaf rüber. Dann wende ich mich wieder Ragnar zu. "Was...? Was ich mir wünsche ist Mut." sage ich und hole den Dolch heraus. "Und was wünschen Sie sich?" frage dann sarkastisch.
"Mut, Madame?" fragt Ragnar, der dem Dolch keinerlei Beachtung schenkt. "Davon haben Sie doch nun wahrlich genug. Sie haben viel auf sich genommen und Sie haben viel vollbracht. Und das an nur einem Tag. Sie können stolz auf sich sein, Madame."
"In der Heiligen Nacht kommt der Herr der Herrlichkeit auf die Erde. Der König der Könige.
Wünschen Sie sich etwas, Madame. Wünschen Sie sich etwas reales."
Währenddessen läuft ein schwarzer Wolf zwanzig Meter vom Schlitten entfernt neben diesem her. Seine blauen Augen leuchten im Mondlicht.
Matilde: Stille. "Ich wünsche mir, so sein zu dürfen, wie der Mann, den wir gerade beerdigt haben." Ich schaue ihm dabei in den Augen. Dann beobachte ich den Wolf. Ich wünsche mir irgendwie... Macht.
Ragnar "Schauen Sie, Madame Visconti, da vorne sind die Lichter der Lodge. Wir sind da... Dann gibt es jetzt gleich heisse Getränke und ein prasselndes Feuer, an dem Sie sich wärmen können. Sie legen sich am Besten hin und schlafen etwas. Es war heute sehr anstrengend und aufwühlend für Sie."
Matilde: Ich bin leicht verdutzt, als er wieder so normal spricht. Aber eigentlich ist es nur ein weiterer Beweis, dass ich gerade durchdrehe. Ich stecke den Dolch wieder weg und sage zu Ragnar. "Ja, ich... Sie haben Recht. Es war sehr... anstrengend." Ich warte bis den Schlitten steht, dann springe ich runter. "Vielen Dank, meine Herren. Für alles. Passen Sie auf sich auf und bleiben Sie am besten heute Abend auch hier."
"Sie sagten, Sie hätten Familie. Bitte kaufen Sie für Ihre Familie einen grossen Kuchen und sagen Sie Ihnen, er käme aus Italien und von Herzen." Ich gebe beiden Männern etwas Geld und lächele dabei, aber ohne sie anzuschauen. "Ich wünsche Ihnen ein frohes Fest." Ich drücke beiden die Hand und verabschiede mich. Ich laufe zur Lodge, mit gesenktem Kopf. "Ich wünsche mir so zu sein wie er." sagte ich. Und ich meine damit den Menschen, der er war. Aber Hans ist tot. Wer war Hartmut Stürmer wirklich? Hiess er wirklich so? Hätte ich mich in ihn verliebt, wenn er noch leben würde? Nein, er wollte mich verlassen. Ich hätte ihn nie wieder gesehen. "Das hätte er nicht geschafft." sage ich leise zu mir. Mich zu verlassen? Ich hätte ihn gehen lassen. Doch er hätte irgendwann vor meiner Tür in Paris gestanden. Ein bitteres Lächeln zeichnet sich auf meinem Gesicht ab, während ich die Tür meines Zimmers aufmache.
Ermattet fällt Matilde in ihr Bett. Sie wird wach, als an ihre Tür geklopft wird. In der Nähe heult ein einsamer Wolf. Eine Frauenstimme "Hallo? Madame? Sind Sie wach? Ich bin es, Helgard, das Hausmädchen. Es gibt ein grosses Nachtmahl, Madame. Kommen Sie zu den anderen Herrschaften herunter, oder soll ich Ihnen Ihr Essen aufs Zimmer bringen?"