Hallo allerseits,
nachdem zuletzt breit ausdiskutiert wurde, ob Rollenspieltheorie überhaupt einen Nutzen hat, möchte ich hier meine eigenen Überlegungen strukturiert darlegen und in der Diskussion mit euch weiterspinnen bzw. erarbeiten.
Vorüberlegungen:
Viele theoretische Konstrukte beziehen sich auf einen Ausschnitt der Einflüsse auf das Rollenspielerlebnis, sei es "creative agenda", "GNS" oder "Spielertypen nach laws". Inzwischen wurde viel darüber diskutiert, einiges verworfen, anderes weiterentwickelt. Meiner bisherigen Erfahrung nach gibt es dabei einige Aspekte des Rollenspiels, die bislang nur wenig Beachtung gefunden haben. Oder ich habe noch nicht genug Theorien gelesen. Besonders interessiert mich, welche Eigenschaften des Riollenspiels einzelne Personen oder Gruppen motivieren. Motivationstheorien, die mich dabei sehr ansprechen, sind die Theorie der kognitiven Dissonanz (Festinger), die Zwei-Faktoren-Theorie (Herzberg) und Erwartungs-mal-Wert-Theorien (diverse).
Prämisse:
Das Erlebnis und die Erwartungen an ein Papier und Bleistift - Rollenspiel wird vor alle durch die Qualitäten von fünf Einflüssen bestimmt - ich nenne sie die fünf Säulen des Rollenspielerlebnisses: Spieler, Gruppe, Regeln, Situation und Umwelt.
Kurze Begriffsklärung:
- Unter Spieler verstehe ich jeden Teilnehmer (also auch die SL) am Rollenspiel im Rahmen einer Rollenspielsitzung, d.h. des zeitlich und räumlich verbundenen Rahmens, in dem Rollenspiel stattfindet. Besonders die eigenen Dispositionen zum Rollenspiel sowie Persönlichkeitsmerkmale und Kompetenzen beeinflussen das gemeinsame Spielerlebnis. Dies drückt sich z.B. in der Regel "Spiele nicht mit ... ." aus.
- Unter Gruppe verstehe ich in diesem Zusammenhang alle am Rollenspiel beteiligten Spieler, seien es dauerhaft eingebundene Spieler oder Gastspieler. Hier beeinflussen auch die interindividuellen Beziehungen das Spielerlebnis. Ob die Spieler über das Spielen hinaus miteinander befreundet sind, wäre ein Aspekt, der hierunter fällt.
- Unter Regeln verstehe ich alle explizit erklärten und implizit akzeptierten Vereinbarungen, die die Gruppe zum Gestalten des Spiels anerkennt und anwendet. Über Regelwerk, Setting und Agenda hinausgehend betrifft das auch Fragen wie Ausfallregelung, Umgang mit SCe abwesender Spieler, Kommunikation und ähnliches.
- Unter Umwelt verstehe ich die Umgebungsbedingungen der Spieler außerhalb der Spielsitzung. Haben sie z.B. Kinder, wohnen sie weit weg (und haben einen langen Anfahrtweg) oder ggf. gemeinsam in einer WG?
- Zuletzt verstehe ich unter Situation die unmittelbare Umwelt der Spieler bei einer Spielsitzung. Hat man einen geeigneten Raum/Tisch, wird man gelegentlich evtl. von anderen gestört und solche Sachen.
Dabei können sich einzelne Elemente des Rollenspiels auch mehreren Säulen zuordnen lassen.
Theorie:
Erst unter Einbeziehung aller fünf Einfluss-Faktoren lässt sich das Spielerlebnis beurteilen und erklären. Insbesondere müssten Umwelt und Situation stärker mit einbezogen werden, um die Entscheidungen für oder gegen ein Spiel besser erklären zu können. Zudem spielen Zwei-Faktoren-Theorie, Kognitive Dissonanz und Erwartungs-mal-Wert-Modelle bei der persönlichen Erwartungshaltung hinsichtlich aller fünf Faktoren eine besondere Rolle für die Erklärung von Spielerverhalten und Spielverlauf.
Hierzu vielleicht ein paar Hypothesen:
1. Im Mittel werden Spieler, die einen längeren Anfahrtweg zum Ort der Spielsitzung haben, mehr demotivierende Aspekte der Spielsitzung erdulden, als Spieler mit kürzerem Anreiseweg/Anreisedauer.
2. Online vertreten sind vor allem die Rollenspieler, die viel Zeit in dieses Hobby investieren und zudem über bestimmte ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale verfügen (z.B. Extraversion und Offenheit, aber evtl. auch Neurotizismus oder geringe Verträglichkeit --> vgl. Fünf-Faktoren-Theorie)
Um mal auf das direkte Spielerlebnis zu kommen:
3. Die räumliche Situation und die Spielerpersönlichkeit beeinflussen, inwieweit Spieler auf ihrem präferierten Spielstil bestehen.
4. Dysfunktionale Faktoren des Spielerlebnisses können durch andere Faktoren ausgeglichen werden, solange die Dysfunktionen keine Hygienefaktoren betreffen.
Zu den genannten Hypothesen fallen mir Erlebnisbeispiele ein, allerdings wären diese natürlich keine Bestätigung für die jeweilige Hypothese, weshalb ich im Ausgangspost darauf verzichte.
Auf eure Erfahrungen und Meinungen zu meinem Beitrag bin ich gespannt.
p^^