50 Fathoms ist ein Fantasy-Piratensetting für Savage Worlds von Pinnacle Entertainment, dem Stammverlag des Regelwerks. Die erste Edition erschien 2003, im Folgenden beziehe ich mich auf die PDF-Version der 50 Fathoms Explorer’s Edition aus dem Januar 2012.
Ich habe 50 Fathoms für 30 Spielabende für 5-6 Spieler geleitet und möchte unsere Erfahrungen und Meinungen dazu hier zusammenfassen.
Die aktuelle Version ist in einen allgemeinen Teil und einen Spielleiterteil aufgeteilt, der erfreulicherweise nicht in ein separates Buch ausgelagert ist. Auch der 50 Fathoms Companion, der ursprünglich separat erhältlich war, ist hier mit enthalten, sodass es das Buch auf 208 Seiten bringt. Zum Zeitpunkt des Verfassens ist die PDF für 9,99 $ (etwa 8 €) in Pinnacles eigenem Online-Shop oder bei DriveThruRPG erhältlich, was ich für die Menge an Material für sehr ordentlich halte. Wer es unbedingt braucht, bekommt für 4,99 $ nur den Spielerteil als PDF.
Caribdus – die Welt von 50 Fathoms – besteht aus vielen kleinen und großen Inseln und viel, viel Wasser, was dadurch zustande kam, dass der Meeresspiegel drastisch gestiegen ist. Bevölkert wird sie sowohl von Einheimischen – menschenähnliche Masaquani, geflügelte Atani, trollartige Halb-Ugaks, fischähnliche Kehana, Kraken, Scurilians (intelligente, große Krebse), Doreen (Delfinmenschen), Grael (Robbenmenschen) und Ugaks bzw. Rothäute („Red Men“). Das ist schon eine ganze Menge und wirkt schon ein bisschen überladen – in unseren Spielen haben wir es nur mit Mühe geschafft, die ganzen Völker wenigstens soweit unterzubringen, dass es nicht hart aufgesetzt wirkt und trotzdem die Umstände auf Caribus abbildet. Innerweltlich kann ich das aber nicht beanstanden, da die Welt ja vor dem Anstieg des Meeresspiegels deutlich größer war. Wenigstens die Begründung schwächelt also nicht wie bei anderen „Kitchen Sink“-Settings.
Dazu kommen dann aber noch die Besucher von der Erde, die auf magische Weise hierher transportiert wurden und aus der Zeit von 1400 bis 1815 stammen: Briten, Franzosen Spanier, Holländer und Chinesen sind weit verbreitet und haben auch noch großen Einfluss in der Welt, kontrollieren Städte und große Handelsgilden. Auch das ist wieder gut begründet dadurch, dass erst durch die Besucher die Kenntnis über Schießpulver nach Caribdus kam. Für mich schien die Welt allerdings schon mit den einheimischen Völkern viel zu voll, sodass eine zusätzliche Handvoll menschlicher Völker, die an sich schon genug für ein eigenes Setting wären, das für mich komplett überlaufen wirken lässt. Da es sowieso schon Masaquani gibt, die vom Ding her eigentlich auch nur Menschen sind, hätte man die ganzen irdischen Völker eigentlich auch bequem weglassen können. Dass die Leute von der Erde dann auch noch so eine große Präsenz in Caribdus haben, nimmt der Welt für mich leider auch noch einiges an Zauber.
Apropos Zauber: Magie gibt’s, Fantasy-typisch, auch. Einerseits die Elementarmagie, die auch den Spielern offensteht und andererseits die Blutmagie, die nur von bösartigen NPCs benutzt wird. Abgesehen davon gibt es aber noch viele verzauberte Relikte und ähnliches, die man auch ohne ein Studium der Magie nutzen kann.
Die Orte auf Caribdus sind in dem Buch alle soweit beschrieben, dass man einen guten Eindruck hat. Kneipen, Läden und andere wichtige Orte innerhalb einer Stadt werden mitgeliefert und bei jeder Stadt sind die dazugehörigen Abenteuer direkt mit aufgeführt. Außerdem gibt es für jede Region eine eigene Zufallstabelle an Begegnungen (dazu später mehr). Wenn man eine Plot-Point-Kampagne mit kleineren Abenteuern aus dem Buch leitet, ist das sehr praktisch und übersichtlich. Ist man allerdings eher auf Einstiegspunkte und Inspirationen für eigene, spielercharakterzentrierte Abenteuer aus, kann man sich die meisten Beschreibungen eigentlich komplett sparen und sich stattdessen den Caribdus Gazetteer durchlesen, der das alles kurz auflistet, aber natürlich auch nicht mehr liefert. Da 50 Fathoms allerdings als Setting mit Plot-Point-Kampagne konzipiert ist, kann ich das gut nachvollziehen.
Kommen wir zu den Regeln. Das Setting ist immer wieder aktualisiert worden, um mit dem Savage Worlds-Grundregelwerk Schritt zu halten. An der Oberfläche klappt das meist auch ganz gut, aber leider merkt man dem Setting meiner Meinung nach an vielen Stellen an, dass es schon älter ist. Viele Settingregeln aus 50 Fathoms sind prima, an anderen Stellen haben wir nach einigen Spielrunden allerdings lieber wieder das Grundregelwerk benutzt.
Das merkt man z.B. an den vielen Setting-Talenten, die hier mitgeliefert werden. Manche sind so gut, dass sie sich gar nicht nur im Piratensetting verstecken müssen und finden sich im deutschen Grundregelwerk zu Savage Worlds wieder. Einige sind nur sinnvoll, wenn man die Zufallstabellen des Settings nutzt (ich komme noch dazu, versprochen!). Andere sind „enabling Edges“, wie z.B. Schiffszimmermann (Ships Carpenter), das auch noch Wissen (Zimmerei) benutzt und einem erst erlaubt, Schiffe außerhalb eines Trockendocks zu reparieren – warum man selbst Hand anlegen sollte, wenn man sowieso schon für’s Trockendock zahlt, bei dem die Reparatur inklusive ist, erschließt sich mir nicht. So etwas wirkt für Savage Worlds schon etwas angestaubt und überregelt. Das gilt auch für Würfe auf’s Betrinken – „Würfel mal auf Zechen, ob du betrunken bist!“ trieb auch den DSA-Spieler nahe an den Tableflip (in Savage Worlds würfelt man natürlich nur auf Verstand).
Was interessanterweise fehlt, ist dagegen irgendein Expertentalent für Navigatoren. Sogar Wissen (Navigation) ist in diesem Setting, im Unterschied zu den Grundregeln, komplett gestrichen – trotzdem sind Navigatoren in dem Setting Spezialisten, die einen höheren Lohn oder mehr Anteile bekommen.
Die Schiffe und ihre Geschwindigkeiten sind auf die 50 Fathoms-Karte ausgelegt und haben neben Beschleunigung und Maximalgeschwindigkeit auch noch eine Reisegeschwindigkeit. Die sorgt zwar dafür, dass man die Schiffe nicht so einfach für andere Settings nutzen kann und wirken ein bisschen beliebig. Für viele ergeben die Reisegeschwindigkeiten keinen Sinn und auch die Beschränkung, wegen der gefährlichen Überreste der versunkenen Städte nur am Tage fahren zu können, werden teilweise auch harsch kritisiert, ich finde es aber machbar. Vor allem sorgt aber die Regelung dafür, dass man sein Schiff auf der Karte einfach um bestimmte Felder weiterbewegen kann, statt herumrechnen zu müssen.
Die Schiffskämpfe haben wir mit den (angepassten) Verfolgungsjagdregeln aus 50 Fathoms bestritten. Solange mit Kanonen geschossen wird, sorgt die Anzahl von Kanonen auf größeren Schiffen für Verwaltungsaufwand – gezählt werden sowohl Kanonen als auch Pulverfässer – und für einiges an Würfeln und Zahlen auf dem Tisch (Treffer und Schaden werden für jede Kanone einzeln bestimmt). Da jede Kanone nach dem Setting nicht nur mit dem niedrigeren von Schießen und Seefahrt bedient wird, sondern zusätzlich noch dem Abzug von -2 für unsicheren Grund bekommt, kann man davon ausgehen, dass die meisten Kanonen (die von NSCs bemannt werden müssen), sowieso daneben schießen. Die Außer-Kontrolle-Tabelle ist dazu auch noch reichlich uninteressant, da nur bei zwei Würfelergebnissen überhaupt etwas passiert. Das Interessante in einem Piratensetting ist aber vermutlich sowieso das Entern: Dabei gibt’s einen Gruppenwurf auf Werfen (bei ausreichender Menge an Verteidigern vergleichend gegen Kämpfen), und danach geht’s weiter zu einem normalen Kampf an und unter Deck. Den Beispielwerten für Piraten zufolge ist dabei kein Massenkampf vorgesehen, was bei üblichen Crews von 30 bis über 100 Mann doch etwas zäh wird. Andererseits können die Beispielpiraten auch alle nicht werfen (ungeübt), also sollte man möglicherweise gar nicht so viel von den Werten auf das Spiel schließen. Wer
Nun aber endlich zu den Tabellen! 50 Fathoms liefert dafür nämlich eine ganze Menge mit. Zum Beispiel eine Handelstabelle, mit dem man schnell bestimmen kann, wie viel Ware man in einem Ort kaufen oder verkaufen kann und wie viele Leute man anheuert. Leider sind diese Mengen völlig unabhängig von den Fertigkeiten der Charaktere. Auch für Beute gibt es Zufallstabellen, wie man sie vermutlich aus anderen Settings gewohnt ist, mit Geldsummen und Chancen auf magische Relikte. Außerdem gibt es für Begegnungen überall Zufallstabellen. Diese eignen sich für die spontane Benutzung während eines Spiels für mich allerdings überhaupt nicht.
Nehmen wir zum Beispiel mal an, die Crew besteht aus Piraten, die auf Beute lauern. Man blättert also zur Seite 99 und würfelt dazu einmal auf die dortige Tabelle, um zu schauen, was man so trifft – niemanden, Händler, Piraten oder Piratenjäger. Sagen wir mal, die Crew hat Glück und trifft einen Händler. Da keine Seitenzahlen in der Tabelle angegeben sind, müssen wir zum Inhaltsverzeichnis und von dort zu den Begegnungen mit Handelsschiffen finden. Dort würfeln wir also erstmal auf die Tabelle für den Schiffstyp. Fregatte mit Escorte? Jetzt also noch auf die Eskorte-Tabelle würfeln. Wir haben also eine Fregatte mit einer Galleone als Eskorte (es sei denn, wir sind innerhalb von 15 Seemeilen im Gebiet des Kieran-Imperiums, dann wäre die Eskorte mit 75 %-iger Wahrscheinlichkein ein Kieranischer Kutter). Jetzt wieder ins Inhaltsverzeichnis und die Werte für die Schiffe rausgesucht, die Werte für Matrosen und Kapitäne sucht man sich dann wieder aus den Angaben aus dem Begegnungsanhang heraus.
Das passiert aber zusätzlich zu der Tabelle für das Gebiet! Also schnell noch die Begegnung für das Gebiet ausgewürfelt, der Seitenzahlangabe gefolgt und von dort aus – falls man ein Schiff getroffen hat – wieder zu einer Schiffstabelle. Zum weiteren Vorgehen: Siehe oben.
Das Ganze finde ich im Spiel überhaupt nicht praktikabel, aber auch bei der Vorbereitung viel zu langsam. Von anderen Runden habe ich aber wiederum Lob für die tollen Zufallstabellen gehört.
Bei den Abenteuern gibt es einerseits einen recht spartanischen Abenteuergenerator und einen kleinen Haufen von Abenteuerideen, aber so richtig Wert legt 50 Fathoms ja auch die Plot-Point-Kampagne. Und davon gibt es in der aktuellen Ausgabe sogar zwei, die sich prima nebeneinander spielen lassen. Ich benutze Abenteuer meist eher als Ideensteinbruch, sodass ich die meisten nur überfliege und nicht so leite, wie sie im Buch stehen. Die Auswahl ist auf jeden Fall ziemlich groß – wer keine Zeit hat, eigene Abenteuer vorzubereiten, wird mehr als ausreichend fertige Abenteuer in dem Buch finden. Die Länge davon variiert stark und bietet dafür auch genug für kürzere Spielabende. Manche Abenteuer sind mit den Zufallstabellen verknüpft, viele bieten auch genug „große“ Abenteuer abseits von den Plot-Point-Kampagnen und lassen die Seite, auf die sich die Gruppe schlägt, offen. Auch ein paar Ideen für die Zeit nach Abschluss der Kampagnen sind dabei. Die Qualität der Abenteuer habe ich – nach dem Durchlesen – als durchaus in Ordnung eingeschätzt, auch wenn es gelegentlich Flaschenhälse oder recht spezifische Herausforderungen gibt. Das bleibt aber vermutlich nicht aus, wenn man so viele Optionen offen lässt. Die Schwierigkeit empfand ich bei vielen Abenteuern als durchaus knackig, was ich aber für das Setting und das System ganz angemessen finde. Das Einstiegsabenteuer für die große Plot-Point-Kampagne habe ich beispielsweise als Oneshot geleitet und hatte danach nur noch eine Gruppe schwer Verletzer und verkrüppelter SCs übrig.
Kann ich das Setting also für Piratenrunden mit Savage Worlds empfehlen? Auf jeden Fall! Es ist zwar nicht für jede Art von Runde geeignet und auch ein bisschen gealtert, trotzdem bietet es für diese Art von Setting für wenig Geld genug Material, um eine richtig gute Runde mit Savage Worlds auf die Beine zu stellen. Wer das Setting nicht so spielen möchte, wie es im Buche steht, kann sich mit dem sowieso benötigten Grundregelwerk, 50 Fathoms und etwas Zeit problemlos eine gut funktionierende Piratenrunde basteln, sollte aber auch die Augen nach weiterem piratigen Savage Worlds-Material wie z.B. Buccaneer offen halten.
(Rückmeldung zu der Rezension nehme ich gern per PN entgegen – egal, ob ich irgendwo falsch lag, ihr nicht meiner Meinung seid, euch der Schrebstil nicht gefiel oder sonst irgendwas)