Autor Thema: Beeinflussung des Themas durch Designer, Spielgruppe, SL, Spieler und andere  (Gelesen 1120 mal)

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Offline pharyon

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Hallo allerseits,

nachdem Ende letzten Jahres / Anfang dieses Jahres einige Themen dazu aufkamen, stellt sich mir die Frage, wer von den Beteiligten am Spieltisch in welchem Rahmen und Umfang für die Auswahl bzw. Begrenzung der Themen inwiefern verantwortlich ist?

Was meine ich mit Thema?
Als Thema verstehe ich hier eine konkrete oder zumindest beabsichtigte Auseinandersetzung mit bestimmten Lebenssachverhalten wie beispielsweise Moral, Gewalt, Willensstärke, Sexualität, gesellschaftliche Ordnung, persönlicher Horror, Magie, (Aber-)Glauben und Ähnliches.

Meine Meinung
An einem Rollenspielabend benötigt es nicht unbedingt ein Thema. Man kann auch gut und unterhaltend ohne ein bestimmtes Thema spielen. Spielen mit Thema ist also nicht unbedingt besser oder schlechter als Spielen mit Thema. Für mich ist das Spielen mit einem Thema aber ein interessanter Weg mich mit meinen unbewussten und bewussten Annahmen auseinanderzusetzen. Wenn die Gruppe mitzieht, kann das ein Spielabend (oder eine Reihe von Spielabenden) werden, der (die) mir noch mehr bringt, als solche ohne Thema. Das schöne an dem Hobby ist ja (für mich) auch, dass manauf so viele verschiedene Arten die Zeit miteinander gestalten kann.

Der Designer/die Designerin
Hier sehe ich die Möglichkeit, über den Setting-Rahmen und die Regelsetzung Einfluss auf den Verhandlungsrahmen von Gruppen zu nehmen. Wie sehr sind in den Settings bestimmte Themen genannt, wie wird damit umgegangen? Als Beispiel für die Herausstellung bestimmter Themen nenne ich mal die Thematisierung von Rassismus in Shadowrun oder die Thematisierung von Religion, Geschlechterrollen, Sexualität und Rassismus in Aventurien.

Die Gruppe
Meiner Meinung nach der stärkste Faktor für die Themenauswahl. Immerhin entscheidet mMn die Gruppe darüber, ob beim Cowboys vs. Aliens-Spiel sexuell bestimmte Nebenplots Aufmerksamkeit erhalten sollen / dürfen. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Gruppen fände ich hier aber Infos / Material dazu, wie Gruppen konkret bestimmte Themen erörtern können (!) hilfreich. Aufgrund meiner Erfahrungen, Persönlichkeit und Studium gehe ich bei mir davon aus für viele Themen empfänglich, feinfühlig und offen zu sein. Nun bilde ich bestimmt nicht den Maßstab der Rollenspieler, und der ein oder die andere ist bestimmte dankbar und interessiert für Vorschläge (ich bin es auf jeden Fall).

Die Spielleitung
Als Mitspieler (so vorhanden) vermutlich die gewichtigste Einzelstimme. Die SL hat am ehesten die Möglichkeiten bestimmte Themen für kurze Zeit einzubringen und die Möglichkeiten, diese Themen wieder "fallenzulassen".

Die Spieler
Auch als Spieler kann man natürlich Themen vorschlagen oder begrenzen. Gerade wenn das eigene Befinden über Gebühr (was das ist, und wie weit das geht, darf mMn jede/r für sich festlegen) strapaziert wird, halte ich es für die Verantwortung des Spielers / der Spielerin, sich hierzu in konstruktiver, klarer Form zu äußern. Natürlich fällt das nicht jedem gleich leicht. Vielleicht gibt es hier auch nochmal Verweise auf erfolgreich genutzte Methoden, um dies anzugehen.

Meine Fragen:
Wo seht ihr bestimmte Verantwortungsbereiche? Wer trägt wie viel und wie kann man diese Verantwortung teilen und gemeinsam nutzen? Welche weiteren Einflüsse nehmt ihr an? Habe ich bei meiner Ausführung eurer Meinung nach etwas übersehen? Gibt es zu diesem Thema vielleicht (bestimmt!) schon interessante Aufsätze und Diskussionen?

Meine Bitte
Eine gesittete, wohlwollende Diskussion ist mir am liebsten. Bitte hängt euch nicht an einzelnen Punkten auf. Falls doch, begründet zum Verständnis der anderen Teilnehmenden, warum für euch jener Aspekt so wichtig ist. Ich weiß, dass aufgrund jüngerer Diskussionen sehr schnell in SC-Richtung gedriftet werden kann. Meine Intention ist nicht die Provokation, sondern Erkenntnis. Die genannten Themen dienen nur als Beispiel und sind für mich nur am Rande Thema dieses Fadens.

Ich hoffe, dass es zu einer fruchtbaren Diskussion kommt, und erwarte gespannt eure Beiträge.

p^^
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Lord Kagrenac

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Finde das Thema sehr gut.

Sowohl als Spielleiter, als auch als Spieler, bin ich kein Freund davon, eine externe Prämisse, also OPs Thema, über den Rollenspielabend oder eine bestimmte Kampagne zu legen. Vermutlich ist mein größtes Problem damit, dass eine Motivation/ eine Färbung des Spiels, die nicht intrinsisch ist, von vorneherein aufgesetzt oder sogar aufgezwungen wirken kann.

Ganz im Gegensatz dazu bin ich ein großer Fan davon, bereits im Spiel enthaltende Themen auch dementsprechend zentral und dominant zu behandeln. Das muss bei Weitem nicht immer der Fall sein, aber ich kann mich an einige tolle SR-Runden erinnern, wo es zentral um die soziale Ungerechtigkeit und Verfolgung von Goblinisierten ging. Das war auch etwas ernster als das (für uns) sonst übliche, klassische Shadowrun-Heist-Geballer. In dieser Hinsicht bin ich auch sehr dankbar, wenn Gamedesigner solche Themen bereits ins Spiel integrieren. In aller Regel führen Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Themen, wenn auch nur in Stellvertreterschaft, dazu, dass das Setting bunter und greifbarer für mich wird, also vielleicht etwas mehr Tiefgang erhält. Zumindest aber bietet es neben der Standardkost auch etwas anderes an, womit man sich befassen kann und das in einer Form eines Bonus, der im Grunde nie verkehrt ist - solange er optional ist. Ich kann bei Shadowrun immer hin auch entscheiden, diese gesellschaftskritischen Konnotationen als Beiklang ins gewöhnliche Spiel einfließen zu lassen, ohne dass es seinen Gehalt verliert.

Insofern sehe ich die Gamedesigner quasi, um bei OPs Formulierung zu bleiben, in der Hauptverantwortung, dieses Element zu tragen und ins Spiel und Setting zu bringen. Ich kann mir zwar auch vorstellen, dass die Gruppe entscheidet, ein solches Theme als Kern zu behandeln, hab damit aber wie gesagt keine guten Erfahrungen gemacht.

Spiele die hauptsächlich mit einem solchen Thema hantieren haben mir erfahrungsgemäß nie so ganz getaugt. Der Personal Horror im Vampire/WoD-Setting hat für uns einfach oft nicht als übergeordnetes Thema in den Runden funktioniert. Dafür waren die Ablenkungen zu groß und andere Dinge innerhalb der Story standen im Vordergrund. Individuellen, persönlichen Horror einzelner Charakter mit einfließen zu lassen ging zwar, hat aber oft merklich nur von dem abgelenkt, mit dem wir uns eigentlich auseinandersetzen wollten. Das Gleiche gilt auch für Cthulhu und andere Horror-Rollenspiele, die hauptsächlich auf einer "Engine" laufen. Mir ist das oft zu begrenzend und in seiner extremen Form verkommt das ganze zu eine Art Kammerspiel, die mir und meinen Mitspielern in der Vergangenheit überhaupt nicht zugesagt hat.

Was das Nicht-Behandeln etwaiger Themen betrifft, im Bezug darauf, dass es einzelnen Spielern (oder ganzen Gruppe) missfällt, bin ich immer für einen offenen Dialog. Das fängt dabei an, dass ich bei einem neuen Spiel oder einer neuen Kampagne im Vorfeld einen knappen Abriss darüber gebe, welche Stimmung ungefähr angestrebt wird und ob das für alle in Ordnung ist. Ich kann mich an einen Fall erinnern, wo ein Spieler es als unangenehm empfand, Folter als Spielinhalt zu behandeln. Das war kein wirkliches Thema, dass wir unbedingt behandeln wollten im Spiel, sondern hatte sich eher organisch aus der Situation ergeben. Das hatte er angesprochen, nachdem uns aufgefallen war, dass er immer stiller und unbeteiligter wurde und es war überhaupt kein Problem, das Thema fortan auszuklammern. Ich finde so sollte es auch im Idealfall laufen.
« Letzte Änderung: 22.01.2018 | 10:45 von Lord Kagrenac »

Offline Ifram

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Wir hatten am Wochenende das Gründungstreffen für eine neue Gruppe. Dabei haben wir abgesteckt, was wir am Spieltisch nicht thematisieren möchten und wie weit anderes ausgespielt werden soll. Einer der Spieler war ein wenig verblüfft und fand vieles selbstverständlich. Ich finde es sowohl als einer der angehenden SL als auch als Spieler gut und wichtig, sehe mich aber in beiden Rollen gleichermaßen verantwortlich.
Dabei ging es um ausgeschlossene Themenbereiche. Der generell angestrebte Stil der Gruppe war auch Thema, für besonders erwünschte Vertiefungsbereiche sollten wir uns mMn besser kennen. Ich selber will nur spielen und wenn es jemand wichtig ist, irgendwas auf den Tisch zu bekommen, muss er selber damit rausrücken. Initiativ werde ich bei den Beispielen voraussichtlich nicht, Vetos nur einlegen wenn ich Veto fühle. Wir haben auch ausgemacht, zeitnah und möglichst offen über Sachen zu sprechen, die uns helfen könnten oder stören würden.
Die Grundlage ist da und nun muss zucken, wen's juckt.
« Letzte Änderung: 23.01.2018 | 07:56 von Ifram »

Offline Aendymion

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Offener Austausch als Gruppe über die von dir genannten Themen ist auch meiner Sicht auch sehr sehr wichtig. Ich würde mich auf folgenden Ansatz verständigen:

- Themen, die aufgrund des Settings intendiert sind (z.B. unterdrückte Frauenrolle und "weiblicher Horror" bei Bluebeard's Bride, Rassismus bei Shadowrun, Sexualität bei Monsterhearts, etc.) sind so explizit Teil des Spiels, dass ich als SL vor Beginn des Spiels klären würde, ob jemand damit ein Problem hat. Also proaktiv, in dem ich die Themen benenne und nachfrage.

- mit Themen, die nicht explizit Teil des Settings/Spiels sind, aber unter Umständen auftauchen können (z.B. Ängste / Traumata bei Spielern, die durch Inhalte eines Horror-RPGs wie Cthulhu ausgelöst (getriggert) werden könnten, Diskriminierung innerhalb des Settings, usw.), würde ich so umgehen, dass ich den Spielern die Verantwortung übertrage, sich zu melden (verdeckt oder offen), wenn sie einen "Grenzübertritt" empfinden. Dann haben diese "Störungen" aber Vorrang und ich als SL würde versuchen, möglichst eine Lösung zu finden, bei der sich der betroffene Spieler wieder wohl fühlt.

Allgemein würde ich schon sagen, dass ich von allen Spielern in meiner Runde erwarte, dass sie sich sozial verantwortungsvoll verhalten. Ich erwarte ja auch von Gästen auf ner Geburtstagsparty, dass sie im gewissen Rahmen Rücksicht darauf nehmen, wenn sich ein Gast im Raum mit einem Gesprächsthema sehr unwohl fühlt. Hier sind aber natürlich die Übergänge fließend und ich beziehe mich eher auf Themen, bei denen sich jemandem (aus welchem Grund auch immer) schlecht fühlt. Es geht nicht darum, dass der alle anderen ihren Nudelsalat lieber mit Gurken mögen, einer aber nicht! ;)

Von Designern wünsche ICH mir aber ein gewisses Feingefühl für heikle Themen und eine Reflexion und Erläuterung dazu im Regelwerk. Warum beschäftigt sich Spiel XY explizit mit einem bestimmten (streitbaren oder ungewöhnlichen) Thema? Was haben sich die Designer dabei gedacht und wie soll damit im Spiel umgegangen werden. Monte Cook Games macht z.B. sehr explizit auf ihrer Website deutlich, warum es ihnen wichtig ist, Vielfalt in Bezug auf Geschlechterrollen und Sexualität in ihre Spiele einzubauen. Und bei Bluebeard's Bride haben die Designerinnen auch erläutert, weshalb es ihnen wichtig war, das Spiel zu entwickeln. Hängt aber aus meiner Sicht sehr vom Thema ab. Aber auch hier sehe ich zumindest die Verantwortung, nicht bewusst und offensichtlich diskriminierende oder verletzende Themen unreflektiert ins Spiel oder Setting einzubauen.

Offline 1of3

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Der Designer/die Designerin
Hier sehe ich die Möglichkeit, über den Setting-Rahmen und die Regelsetzung Einfluss auf den Verhandlungsrahmen von Gruppen zu nehmen. Wie sehr sind in den Settings bestimmte Themen genannt, wie wird damit umgegangen? Als Beispiel für die Herausstellung bestimmter Themen nenne ich mal die Thematisierung von Rassismus in Shadowrun oder die Thematisierung von Religion, Geschlechterrollen, Sexualität und Rassismus in Aventurien.

Ähm, viel zu wenig. Viel interessanter ist die Core Story, welche Figuren gespielt werden sollen und was sie tun werden. Die Hintergrundwelt ist tatsächlich ziemlich irrelevant. Wenn du Dogs in the Vineyard spielst, ist das Thema zwangsläufig das Verhalten von gesetzlichen und moralischen Autoritäten. Das Spiel tut nichts anderes.

Offline pharyon

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Ähm, viel zu wenig...
Das ist mir bewusst. Durch die Core-Story, die ich als Designer ja eng oder weit fassen kann, abe ich natürlich noch eine sehr wirkmächtige Stellschraube, mit der ich das Thema sehr direkt und klar bestimmen kann. Auf der anderen Seite gibt es ja auch genügend Spiele, die trotz einem Mangel an enggefasster Core-Story über den Hintergrund Themen zulassen, betonen, fördern aber auch hemmen.

Ich würde dir zustimmen, dass je stärker die Core-Story ausgearbeitet ist, der Hintergrund um so weniger Einfluss auf das Thema nehmen kann und braucht. Umgekehrt schließe ich aber daraus, dass wenn die Core-Story (zu) weit gefasst ist (oder schlecht umgesetzt oder nicht/nur schwach existiert), der Hintergrund diese Funktion mindestens zum Teil übernehmen kann.

p^^
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