Nicht nur meine SC kriechen ewig auf Level 1 herum, auch als SL warte seit mehr als zehn Jahren vergeblich auf ein 'Level up'.
An Ideen für Kampagnen mangelt es mir nicht, seien es die Bandenkriege in einer Stadt, die Wiederauferstehung eines Lichs oder die Machenschaften eines Kults von Dämonenanbetern.
Ich glaube eher, dass ich noch keinen Mittelweg gefunden habe zwischen "Den Erzfeind gleich in Abenteuer 1 auf dem Silbertablett servieren" und "Den Antagonisten im finalen Abenteuer einfach so aufploppen lassen". Und womit fülle ich etwaige Zwischenräume? Mit weiteren Antagonisten?
Du hast also das Gefühl, strukturell auf der Stelle zu treten, aber nicht dass es an den anvisierten Spielinhalten liegt. Gegenfrage: Wann hast du deine Ideen, was man spielen kann und wie man es spielen sollte, das letzte Mal wirklich hinterfragt? Weil deine Beschreibungen lassen mMn den Schluss zu, dass du nur auf das richtige System und die richtige Konstellation wartest, um dein Ding endlich so machen zu können, wie du dir das vorstellst - was denke ich wohl alle Spielleiter nur zu gut kennen (ich auf jeden Fall!). Aber hast du dich selber schon mal gefordert, da abseits von so klassischen Schemata zu denken? Hast du schon mal ergebnisoffen gespielt, ohne Plot und Faden im Hintergrund? Nichtlineare Abenteuer? Versucht, Ideen aus irgendeinem Indyshice™ in deine klassische Runde zu transplantieren?
Ich will hier nicht oberlehrerhaft klingen, und auf keinen Fall was unterstellen, das ist ernst gemeint. Mir selber hat es nämlich enorm geholfen, meine eigene Perspektive zu ändern im Bezug auf was ich spielen will, warum ich es spielen will, und vor allem wie ich es spielen will. Weil immer so weiterzumachen wie bisher und dabei auf das eine, große System zu hoffen dass endlich Klick macht, das klappt mMn für viele einfach nicht.
Vielleicht möchten einige SL hier (oder im SL-Teil des Forums) ein paar Tipps zum Kampagnenbau geben.
- Nehmt Ihr nur ein Start-Abenteuer und lasst den Rest der Kampagne auf Euch zukommen?
Bei einigen Kampagnen Ja, bei anderen Nein, generell bin ich aber ein Fan davon keine zu detaillierte Anleitung zu benutzen und vor allem Übergänge zu improvisieren. Als ich z.B. meinen Pathfinder Hexcrawl entworfen habe, gab es im Startort ca. 5 initiale Aufhänger, um die Sache ins Rollen zu bringen und Charaktere in die unerforschten Hexfelder zu treiben. Der Rest ergab sich daraus, wie die Gruppe mit den teils zufällig generierten Inhalten und den händisch verstreuten Plot-Brocken interagiert hat. Für mich war das ein Augenöffner.
Meine aktuelle 5E Runde besteht aus einer Liste an groben Plot Points, die ich mir gebastelt habe, sowie einer SL-Version der Karte des Tals, in dem unsere Kampagne spielt, wo alle ortsgebundenen Plot Points markiert sind. Je nachdem wo die Gruppe gerade ist, gucke ich auf Karte und Liste und triggere nach Bedarf neue Sachen, oder knüpfe sie an die aktuell laufenden Sachen an (manche Verbindungen ergaben sich für mich erst im Spielbetrieb, an die habe ich im stillen Kämmerlein nicht gedacht). Ist ein sehr entspanntes, reaktives Leiten - ich habe meine vorbereiteten Brocken, der Rest entsteht am Tisch. Ist im Grunde ein Point-Crawl.
- Habt Ihr zu Beginn an Antagonisten, die den größten Teil der Kampagne "hinter den Kulissen" tätig ist?
Ja, absolut. Manchmal ist der passiv in der Reserveschublade und triggert erst, wenn X oder Y passiert, manchmal arbeitet der aktiv und ich würfele auf Tabellen oder denke mir passende Handlungen aus. Aktive Gegner sind mMn für Spielleiter insofern nützlicher, als dass sie einem einen konkreten Anhaltspunkt geben, um "Team Monster" zu koordinieren. Mit einer detaillierten Figur mit eigener Motivation, eigenen Freunden und Feinden sowie eigenen Problemen kommt man immer leicht an Ideen, was als nächstes passieren kann (oder man hat eben eine fertige Liste an Optionen). Der Trick ist, das Ganze auch mittelfristig für die Spieler erkennbar zu machen - deren SCs müssen Muster erkennen, Spuren folgen können und Verdachtsmomente haben. Falsche Fährten sind OK, aber wenn zu lange und zu viel Ungewissheit da sind, dann wirkt das schnell willkürlich und kann Spielerengagement sehr effektiv töten. Im Zweifelsfall lieber eine zu offensichtliche Spur legen als große Mysterien aufbauen.
- Wie geht Ihr mit "Zwischenräumen" bei Levels im Kampagnenspiel um (die Charaktere sind erst auf Stufe 2, aber der Overlord ist für Stufe 5 im Monsterhandbuch eingetragen)
Sowas wie Levelunterschiede sind nicht Bestandteil meiner Überlegungen als SL, und sollten es auch nicht bei dir sein. Wozu ist das wichtig? Für eine "faire" Herausforderung? Wie langweilig! Warum kann der Strippenzieher hinter der Diebes- und Mörderbande, mit denen sich die Gruppe etliche Level lang herumplagt, und den sie vielleicht mit Level 7 endlich dingfest machen, nicht ein popeliger Level 2 NSC sein, der mit Geld, Erpressung und Cleverness gearbeitet hat? Und der Waldgeist, dessen Spuren die Party mit Level 3 folgt, warum kann der nicht ein Level 9 Monster sein (genug auffindbare Spuren für seine Mächtigkeit vorausgesetzt)? Den zu besiegen ist dann keine Sache, die direkt an die Identifikation erfolgt, sondern eine langfristige Sache, die Suche nach Verbündeten und Artefakten beinhalten oder aber auf eine diplomatische Lösung hinführen kann.
Wenn du "angemessene" Gegner benutzt, dann verbaust du dir selbst und deinen Spielern enorm viel Potential für überraschende Wendungen und unerwartete Herausforderungen. Und wenn die Spieler wissen, dass Gegner i.d.R. irgendwie zu ihrer Stufe passen, dann führt das gerade im Fantasybereich schnell zu Murderhobos.
- Wie umfangreich ist die Storyline Eurer Kampagne?
Ca. 1,5 Seiten Text in Form von kurz umrissenen Abschnitten, wo ich meine Ideen zum grundlegenden Plot umreiße. Daraus baue ich dann Plot Points, die ich in eine lose Reihenfolge sortiere, was wann triggern kann. Vom Umfang her variiert das enorm, manchmal habe ich nur eine bestimmte Einzelepisode, die ich gerne im Spiel sehen will (im Hexcrawl war dass meine Version von der Prinzessin im Turm, die in diesem Falle der Geist eines Mädchens war, die mit ihrem Klagegesang Harpyien angelockt und zu deren "Königin" geworden war), manchmal hab ist das eine längere Entwicklung, wo ich mehrere Etappen grob skizziere und schaue, ob und wie das wirklich so am Spieltisch passiert. Ich arbeite aber nicht ansatzweise so detailliert wie offizielle Abenteuer das gerne tun.