Das Hauptaugenmerk Deines Essays im Bezug auf die Atmosphäre scheint mir auf der angemessenen/guten/plastischen Beschreibung der Spielwelt und ihrer Geschehnisse im Konsens mit der Plausibilität der Spielwelt zu liegen.
Hi hi, wenn ich jetzt ja sage, bin ich ja Simulationist...
Wie ich schon sagte, man kann jede GNS-Spielweise "atmosphärisch" in meinem Sinne betreiben. Das
Produkt ist ein besonders intensives Gefühl für die Spielwelt, aber dieses entsteht nicht notgedrungen und ausschließlich durch möglichst plastische Beschreibung und Plausibilität, sondern kann auch dadurch erreicht werden, dass die Spieler aus anderen, insbesondere inhaltlichen Gründen vom Spielgeschehen gefesselt werden (Stichwort Dramaturgie, Stichwort Faszination). Okay, Dramaturgie und Gamism gehen vielleicht nicht so gut zusammen, dann müsste man sich eben eher auf die anderen Aspekte konzentrieren. Aber meine Definition des "atmosphärischen Rollenspiels" ist jedenfalls nicht gleichbedeutend mit Simulationism.
Das mit dem Charaktere in Gefahr bringen darf man m.E. nicht übertreiben, sonst nutzt es sich ab. Es sollte besonderen Anlässen vorbehalten bleiben. Okay, in einer heroischen Kampagne werden die Charaktere augenscheinlich ständig in Gefahr schweben, meistens wissen die Spieler jedoch, dass schon alles gut gehen wird (auch wenn es halsbrecherisch aussieht). Also wenn ich SCs in echt kritische Situationen bringe, dann sind das auch bedeutsame Situationen, so dass der Tod des Charakters jedenfalls nicht "schmählich" wäre.
Mit Antiklimax meine ich schlicht und ergreifend, dass etwas dramaturgisch sehr unangemessenes passiert. Der Charakter patzt im falschen Moment und macht sich zum Gespött der Leute. Er setzt alle Hebel in Bewegung, um noch rechtzeitig zur Rettung zu kommen, und kann doch nicht mehr in den Kampf eingreifen. Wie ich schon sagte, es geht nicht einfach nur darum, eine fiktive Realität zu erleben, sondern eine fiktive Realität zu erleben, die einem auch gefällt. Das heißt nicht notgedrungen, dass Charaktere immer alles bekommen müssen, was sie wollen. Aber wenn die
Spieler etwas für ihre Charaktere wollen und das auch zum Gruppenkonsens passt, sollten sie es (früher oder später) bekommen. Und dazu gehört eben auch das Recht auf einen "guten Auftritt" bzw. "gerade noch rechtzeitig zu kommen" oder die Genugtuung "poetischer Gerechtigkeit". All das trägt zur Intensität des Spielerlebnisses bei. Man muss nur aufpassen, dass es plausibel bleibt.
Was das Regelwerk angeht, so kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich z.B. DSA4 zu umständlich finde. Wenn sich die Spielerinnen nach der dritten Sitzung immer noch nicht auf dem Charakterbogen zurechtfinden, ist das für mich Grund genug, ein System abzulehnen. Ebenso, wenn das Spiel öfter als einmal pro Stunde durch Nachschlagen unterbrochen wird.