Um ganz ehrlich zu sein: Ich habe das Regelbuch von Two-Fisted Tales (TFT) bisher noch gar nicht gründlich gelesen, geschweige denn am Spieltisch eingesetzt, möchte aber nach einmaligen „Querlesen“ schon einmal einen ersten Eindruck schildern.
„Two-Fisted Tales – The Roleplaying Game of Thrilling Pulp Action“ ist die zweite Auflage eines Rollenspiels, das bei Precis Intermedia erschienen ist. Das PDF gibt es auf
Drivethrurpg, das gedruckte Buch bei
amazon.
Das Buch (bzw. PDF) hat 235 Seiten und enthält ein Rollenspielsystem im Pulp-Genre.
I. Aufbau des BuchesDas Buch beginnt mit einer kurzen Einleitung über Geschichte und Inhalt der „Pulps“ (5 Seiten), dann werden (ganz kurz) die Grundlagen des Rollenspiels und die Grundregeln des Systems dargestellt (6 Seiten). es folgen Regeln über Charaktere und deren Erschaffung (37 Seiten), Geld und Ausrüstung (9 Seiten) und Gimmicks (Gadgets, Mystische und Mentale Kräfte, Superkräfte usw., 43 Seiten). Danach erst werden die eigentlichen Regeln zur Durchführung allgemeiner Aktionen und Kampf geliefert (37 Seiten). Dieser Abschnitt enthält auch Regeln zu Gefahren, Überleben in der Wildnis und wissenschaftlicher Forschung sowie Umgang mit NSCs. Dann folgen noch Kapitel zur Gestaltung einer Pulp-Kampagne (50 Seiten) sowie zu Schurken und Monstern mit Beispielen und Regeln zu deren Gestaltung (23 Seiten). Ein Tabellenteil schließt das Buch ab.
II. Die RegelnCharaktere werden mit einem Kauf-System erschaffen. Es gibt einen Katalog an
templates typischer Pulp-Charaktere wie Amateurdetektiv, Reporter, kostümierter Verbrecherjäger, Forscher und „Wilder“ (im Sinne von Tarzan), die als Vorlage dienen und modifiziert werden können. Alternativ kann man auch seinen Charakter ganz frei erschaffen (wird dann aber vermutlich nahe an einer der
templates landen).
Charaktere verfügen über neun
abilities (
brains,
muscle,
reflexes usw.). Bemerkenswert ist hier, dass
wealth als
ability abgehandelt wird, die für das abstrakte Kaufsystem relevant ist, und dass
weird insbesondere die Höchstwerte der anderen
abilities festlegt.
luck legt fest, wie viele Spielkarten ein Charakter zu Beginn einer Spielsitzung erhält. Diese können vor einem Wurf eingesetzt werden, um das gewürfelte Ergebnis um den entsprechenden Kartenwert zu erhöhen. Dabei haben Bildkarten und die Kartenfarbe noch eine spezielle Bedeutung, da sie Sondereffekte auslösen können (Buben können auch für die Würfe andere Spieler eingesetzt werden und Herz-Karten zur Heilung von Wunden).
Zusätzlich können
concentrations und
specialities gewählt werden (das Fertigkeitssystem von TFT). Dabei gibt eine
concentration (z.B.
gunfighting einen festen Bonus von 4 auf den Wert der
ability und eine
speciality (z.B.
pistol einen weiten Bonus von 4. Weitere Abstufungen der Fertigkeiten gibt es nicht.
Soweit es in die Kampagne passt, können die Charaktere auch
gimmicks erwerben, also superwissenschaftliche Geräte (wie Jetpacks), mystische Fähigkeiten, übermenschliche Kampfsportkenntnisse oder sogar Superkräfte.
Bei der Durchführung von Aktionen wird der Wert der
ability (ggf. inkl. der Boni für
concentrations und
specialities) mit einem Zielwert verglichen, den es zu erreichen gilt.
Damit es nicht zu langweilig wird, wird auch gewürfelt, und zwar mit 2W10. Dabei wird einer der Würfel zum Wert addiert und der andere subtrahiert, so dass statistisch gesehen ein Ergebnis von 0 herauskommen müsste und doch der Anfangswert gilt (aber dass Statistik die Würfelergebnisse im Rollenspiel nur bedingt erklären kann, das wird sicher jeder hier bestätigen können).
Beim Würfeln gibt es zwei Besonderheiten: die „0“ zählt tatsächlich als 0 (und nicht, wie in den meisten Systemen, als 10) und beide Würfel explodieren. D.h. bei einer 9 wird erneut gewürfelt und das Ergebnis des zweiten Wurfes addiert, ist dies wieder eine 9, dann immer weiter.
Außerdem ist es gelegentlich so, dass zusätzliche positive oder negative Würfel geworfen werden, die auch explodieren können.
Der Kampf läuft klassisch ab: Es wird um Initiative gewürfelt, dann teilen die Beteiligten in aufsteigender Initiativereihenfolge die geplanten Aktionen mit und führen sie in absteigender Reihenfolge aus. Jeder Beteiligte hat ein bis drei Aktionen (bei einer gibt es einen zusätzlichen positiven, bei drei einen zusätzlichen negativen Würfel).
Beim Angriff werden ein Angriffs- und ein Verteidigungswurf miteinander verglichen, bei einem höheren Ergebnis des Angreifers trifft der Angriff.
Angriffe richten grdsl. einen festen Schaden an, der jedoch durch die Qualität des Treffers beeinflusst wird. Schaden wird (nach Abzug eines Widerstands- und Rüstungswertes des Opfers) von den Wunden des Opfers abgezogen. Richtet ein einzelner Angriff besonders viel Schaden an, kann das Opfer direkt bewusstlos werden (oder sterben).
Das ist es im Wesentlichen, wobei ich nicht verschweigen will, dass die Regeln viele spezielle Situationen sowohl im Kampf (Ringkämpfe, Tricks, Fahrzeugkampf) als auch darüber hinaus (Feuer, Stürze, Gift , Verdursten) erfassen. Natürlich gibt es auch ein Erfahrungssystem.
III. Zusätzliche InhalteDas Buch enthält erfreulich ausführliche Regeln dazu, wie man mit TFT Kampagnen abseits des „Standards“ dieses Regelbuchs (Pulp-Abenteuer in den 1930ern) spielen kann. So gibt es Vorschläge und
templates für historische Kampagnen (Wildwest und Piraten) und exotischere Ideen (Science Fiction und Sword & Sorcery - was auch das erstaunlich umfangreiche Zauberspruchrepertoire erklärt). Kurze Hinweise gibt es auch dazu, wie man Kampagnen in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg modifiziert (man macht die Ausrüstung teurer, das ist es im Wesentlichen).
Schließlich gibt es sehr schöne Texte und Tabellen dazu, wie man den Aufhänger für ein Abenteuer entwirft und was für Abenteuerideen welche Art von Vorbereitung erfordern. Auch wird erklärt, wie der Spielleiter die Geschichte vorantreiben kann. Besonders ausführlich wird auf
mysteries eingegangen, wie man das Finden und Auswerten von Hinweisen im Spiel ausgestalten kann. Außerdem gibt es ein kurzes System zur Erschaffung von Zufallsdungeons.
Ein kleines „Monsterhandbuch“ mit Beispielen für
extras (also Kanonenfutter)
experts (kompetente Handlanger) und
villains (Oberschurken) sowie mit Werten für Tiere und Monster rundet das Ganze ab (und vereinfacht die Arbeit für den Spielleiter).
IV. Grafische GestalungDer Text ist zweispaltig ausgelegt, Tabellen sind durch andere Typen deutlich optisch abgegrenzt. Es gibt zahlreiche Illustrationen, von denen die meisten wohl Originalbilder aus alten Pulps sein dürften.
Leider ist der Innenteil des Buches nur schwarz-weiß, gerade die schönen Illustrationen hätten in Farbe sicher besser gewirkt.
V. FazitIch bin begeistert – das merkt man wahrscheinlich schon an der Tatsache, dass ich überhaupt diesen Eindruck hier niederschreibe.
TFT schlägt in eine ähnliche Kerbe wie Savage Worlds und scheint mir eine willkommene Alternative für diejenigen zu sein, die die „swinginess“, das Hantieren mit verschiedenen Arten von Würfeln, Bennies und Karten und die Wurzeln von SW in einem Tabletop-Spiel stören. Klar, durch die explodierenden Würfe kann ich extreme Ergebnisse auch bei TFT haben, aber mir scheint das hier sehr viel seltener zu sein. Die Stat-Blöcke der Charaktere haben mich übrigens (optisch) sehr an die von Ubiquity erinnert. Da das System eine ähnliche Nische bedient, ist das wahrscheinlich kein Zufall.
Die umfangreichen Kapitel zu Magie, Superkräften usw. zeigen mir auch, dass der Fokus auf „klassischen Pulp“, den sich das Regelwerk selbst auferlegt, zu eng gesetzt ist. Tatsächlich ist TFT ein Universalregelwerk, das für jede Art von (pulpiger) Kampagne geeignet sein dürfte. Insbesondere werden verschiedenen
power levels (
gritty,
escapist,
superhereoic) geregelt, die die Kompetenz der Charaktere betreffen.
Bei all der Begeisterung aber auch ein paar Kritikpunkte:
Die Regeln sind an einigen Stellen etwas unklar formuliert und man muss die Beispiele lesen, um zu verstehen, wie sie gemeint sind.
Regeln für Verfolgungsjagden habe ich bisher nicht gefunden. Klar, die allgemeinen Regeln reichen hierfür wahrscheinlich aus, aber so oft wie Verfolgungsjagden in Pulps vorkommen, wäre da ein (kurzes) eigenes Kapitel m.E. angebracht.
Kein Index. Geht gar nicht. Das Inhaltsverzeichnis ist detailliert, aber nicht so gut, dass es den fehlenden Index ersetzen würde. Im PDF habe ich ja noch die Wortsuche, aber im gedruckten Buch?
Trotzdem werde ich sicherlich über kurz oder lang diese Regln mal am Spieltisch einsetzen.