Autor Thema: Schlüsselmomente/-figuren bewusst NICHT beschreiben? [Spannung/Horror]  (Gelesen 1802 mal)

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Offline Seraph

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Hallo zusammen,

durch das Schauen der (grandiosen) Serie "Chernobyl" ist mir letztens eine Technik eingefallen, die ich demnächst mal im Rollenspiel ausprobieren möchte. Was würdet ihr davon halten, wenn nach längerem Spannungsaufbau eben KEINE Erlösung durch Beschreibung des Monsters, des lange gejagten NSC, eines sonstigen Mysteriums erfolgt, sondern diese bewusst offen gelassen wird, damit das Kopfkino der Spieler anspringt? Hat da jemand Erfahrungen mit gemacht?

Achtung leichte SPOILER zur Serie:
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Spontan stelle ich es mir so vor, dass man nur grob beschreibt, wie das Monster/der NSC/sonstiger Encounter wirkt, aber eben nicht, wie es aussieht.

Spieler 1: "Tritt endlich die Tür ein! Jetzt oder nie! Wir müssen das tun!"
Spieler 2: "Oh Gott, es geht los..."
SL: "Als ihr die Tür öffnet, dringt euch ein widerwärtiger Geruch entgegen. Das Geräusch von reißendem Fleisch dringt an eure Ohren, als ihr euren Lichtschein in den Keller werft"
Spieler 1: "Wie sieht es aus? Was sehen wir?"
Spieler 3: "Oh fuck!"
SL (schweigt kurz): "Das was ihr seht, ist definitiv schlimmer als das, was euch die Dorfbewohner erzählt haben. So etwas kann nicht natürlich sein."
Spieler 2: "Was sehen wir denn??"
SL (schaut die Gruppe nur an. Musik im Hintergrund läuft weiter)
I had a dream, which was not all a dream.
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Offline ghoul

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"Jetzt sag schon, SL, irgendwie muss es ja aussehen! Hat es Tentakel, Klauen, einen festen Körper oder wabert es? Hat es was worauf ich schießen kann?"
"Mir egal. Ich werfe Dynamit!"
"Ich auch"

So würden meine Spielerinnen reagieren.
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Zensur nach Duden:
Zitat
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Offline CK

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So eine Technik funktioniert gut im Medium Film (hat seiner Zeit imho Schweigen der Lämmer besonders ausgezeichnet - Lector beisst zu, man sieht ihn aber nur seinen Rachen aufreissen und - Schnitt - wie er von hinten den Kopf des Gebissenen packt, das Kopfkino "zaubert" den visuellen Rest dazu), bei Büchern oder RPG funktioniert das so (imho) aber nicht, schon gar nicht bei grundsätzlichen visuellen Beschreibungen.
« Letzte Änderung: 1.07.2019 | 09:20 von CK »

Offline Seraph

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So eine Technik funktioniert gut im Medium Film (hat seiner Zeit imho Schweigen der Lämmer besonders ausgezeichnet - Lector beisst zu, man sieht ihn aber nur seinen Rachen aufreissen und - Schnitt - wie er von hinten den Kopf des Gebissenen packt, das Kopfkino "zaubert" den visuellen Rest dazu), bei Büchern oder RPG funktioniert das so (imho) aber nicht, schon gar nicht bei grundsätzlichen visuellen Beschreibungen.

Und warum funktioniert es deiner Meinung nach nicht?


"Jetzt sag schon, SL, irgendwie muss es ja aussehen! Hat es Tentakel, Klauen, einen festen Körper oder wabert es? Hat es was worauf ich schießen kann?"
"Mir egal. Ich werfe Dynamit!"
"Ich auch"

So würden meine Spielerinnen reagieren.

So Spieler kenne ich auch  ;D
Es erfahrt natürlich auch "Atmosphäre-Spieler", die bei sowas mitziehen.
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Offline Thaalya

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Doch, in Büchern funktioniert es auch. Ich habe schon einige Bücher gelesen, in denen nur von "unbeschreiblich", "nicht natürlich", "noch nie etwas vergleichbares gesehen" die Rede war, aber das Monster nicht genau beschrieben wurde. Oder nur Bruchteilhaft (was vielleicht fürs Spielen eine gute Idee wäre). Also so etwa : ihr könnt Tentakel erkennen, der Rest geht in ein undefinierbare masse oder Körper über, so etwas habt ihr noch nie gesehen. Wo genau die Tentakel ansetzen ist auch nicht erkennbar... "


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Offline Seraph

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Doch, in Büchern funktioniert es auch. Ich habe schon einige Bücher gelesen, in denen nur von "unbeschreiblich", "nicht natürlich", "noch nie etwas vergleichbares gesehen" die Rede war, aber das Monster nicht genau beschrieben wurde. Oder nur Bruchteilhaft (was vielleicht fürs Spielen eine gute Idee wäre). Also so etwa : ihr könnt Tentakel erkennen, der Rest geht in ein undefinierbare masse oder Körper über, so etwas habt ihr noch nie gesehen. Wo genau die Tentakel ansetzen ist auch nicht erkennbar... "



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Eine Pen&Paper-Sitzung ist ja auch nichts anderes als ein gesprochenes Buch. Mit dem Unterschied eben, dass die Spieler da explizit nachhaken können.
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Offline Edwin

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Das Problem ist, denke ich, dass es im Film/Buch eine Trennung zwischen dem Wissen der Figur und dem Wissen des Zuschauers gibt.

Das heißt: die Figur kann (vor dem Hintergrund ihres Wissens) auf Grundlage der Situation entsprechend reagieren, inklusive Ausflippen, Wegrennen usw.
Gleichzeitig kann der Zuschauer im unklaren gelassen werden, auf was eigentlich reagiert wird.

Im Rollenspiel ist der Zuschauer gleichzeitig der Spieler, in den meisten Fällen ist das Wissen der zu spielenden Figur mit dem Wissen des Zuschauers/Spielers deckungsgleich.

Entsprechend kann der Spieler seine Figur nicht bei fehlender Beschreibung der Situation entsprechend handeln lassen.

Lasse mich aber gerne eines Besseren behlehren.
Guten Tag! Ja, ich bin ein sprechendes Pferd mit einer Kerze auf dem Kopf, aber kommunizieren Sie doch bitte mit mir so unbefangen wie mit bipedalen vernunftsbegabten Lebewesen auch!

Offline Saffron

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Das Problem beim Rollenspiel ist, dass es üblich ist, den SL nach weiteren Informationen zu fragen, insbesondere bei wichtigen Szenen. Das ist nicht nur bei sehr taktischen Systemen so, sondern auch bei welchen, die sehr atmosphärisch dicht sind.

Ich selbst würde mich mit dem Mangel an Beschreibung nur dann begnügen, wenn es ingame einen Grund dafür gibt, z.B. wenn das Monster von dichtem Nebel umgeben ist oder die Begegnung im Dunkeln stattfindet. Wenn der SL einfach schweigt, so wie in Seraphs Beispiel, wäre ich frustriert, denn es wirkt, als wenn der SL mauert.

Die Spieler meiner Runde fordern auch oft Infos. Neulich war der Endgegner mal ein Dämon in Form eines Seeungeheuers. Ich habe die Kreatur so gut ich konnte beschrieben, darauf eine Spielerin: "Hast du gar kein Bild, das du zeigen kannst?"
Ich leide nicht an Realitätsverlust. Ich genieße ihn.

Offline Hotzenplot

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Die Fragestellung ist durchaus interessant, funktioniert aber im Rollenspiel eher in relativ eng umfassten Bereichen. Das Besondere an den beschriebenen Situationen ist ja nicht, dass das ETWAS nicht beschrieben wird, sondern dass die Reaktion der Protagonisten bestimmt sein muss. Die Hauptfiguren müssen ja den Schrecken (oder Angst oder sonstwas) auf dieses ETWAS zeigen. Im Grunde genommen geht es also darum, dass die SpielerInnen auf eine gewisse Art und Weise handeln und das scheint so eng gefasst, dass viele Gruppen daran keinen Spaß hätten. In einer stimmungsorientierten Horrorsession kann das schon ganz gut funktionieren. Es müsste aber klar kommuniziert werden oder von vornherein klar sein, wie die SpielerInnen zu reagieren haben. "Ich nehme meine Plasmaknarre und zerschieße das Ding zu Brei" ist wohl nicht das, was in der Runde ausgespielt werden soll? ;)
ehrenamtlicher Dienstleistungsrollenspieler

Mein größenwahnsinniges Projekt - Eine DSA-Großkampagne mit einem Haufen alter Abenteuer bis zur Borbaradkampagne:
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Ich habe die G7 in 10 Stunden geleitet! Ich habe Zeugen dafür!

Ich führe meinen Talion von Punin in der Borbaradkampagne im Rollenhörspiel
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Offline Faras Damion

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In Romanen kann man die Gefühlswelt der Protagonisten beschreiben, im Rollenspiel wird das schnell als übergriffig empfunden.

Aber für bestimmte Gruppe passt es, z.B. bei meiner alte Wh40k Gruppe.
Die Chaoswesen beschreibe ich nur sehr vage, dafür ausführlich welche Auswirkung ihre Unnatürlichkeit auf Körper, Gefühl und Geist der Helden hat. Beispielweise habe ich mal eine Szene aus einem Roman geklaut, wo in einer Globule die Winkel nicht passten. Das kann man sich natürlich nicht vorstellen, aber die Auswirkungen von Kopfschmerzen, Unwohlsein, Doppelbilder, Halluzinationen, Angstattacken haben den Spielern Spaß gemacht.

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Offline Seraph

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Die Fragestellung ist durchaus interessant, funktioniert aber im Rollenspiel eher in relativ eng umfassten Bereichen. Das Besondere an den beschriebenen Situationen ist ja nicht, dass das ETWAS nicht beschrieben wird, sondern dass die Reaktion der Protagonisten bestimmt sein muss. Die Hauptfiguren müssen ja den Schrecken (oder Angst oder sonstwas) auf dieses ETWAS zeigen. Im Grunde genommen geht es also darum, dass die SpielerInnen auf eine gewisse Art und Weise handeln und das scheint so eng gefasst, dass viele Gruppen daran keinen Spaß hätten. In einer stimmungsorientierten Horrorsession kann das schon ganz gut funktionieren. Es müsste aber klar kommuniziert werden oder von vornherein klar sein, wie die SpielerInnen zu reagieren haben. "Ich nehme meine Plasmaknarre und zerschieße das Ding zu Brei" ist wohl nicht das, was in der Runde ausgespielt werden soll? ;)

Ich denke, das bringt es schon ganz gut auf den Punkt.
Es ist natürlich etwas, was man nicht im "Bodenplan-Rollenspiel" mit detailliertem Kampf, Questbelohnungen etc. bringen kann, sondern wirklich eher in der, wie du es so schön nennst, "stimmungsorientierten Horrorsession".

Und - die (gewünschte) Reaktion der Spieler kann man ja auch leicht anteasen oder nicht? In dem o.a. Beispiel geht es schon grob in die Richtung (Gerüche, Geräusche), dass hier etwas Schreckliches zu finden ist. Dazu längere Zeit gruselige Musik z.B. und eben SL-Acting. Das ganze soll ja nicht von 0 auf 100 passieren, sondern erst dann, wenn sich die Spannung schon aufgebaut hat.

Übrigens kommt mir da gerade der Gedanke, dass es vermutlich noch wirklungsvoller ist, wenn die Spieler die Auswirkungen dieses Monsters (um mal bei dem Beispiel zu bleiben) nicht von mir direkt erzählt bekommen ("Das Monster baut sich auf, schreit und haut NSC XYZ in Stücke..."), sondern wenn sie nur Hinweise darauf finden und den Rest zusammen schlussfolgern. Eben wenn etwas stark impliziert wird. Zumindest als Spieler triggert mich sowas am besten.
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Offline tartex

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Und warum funktioniert es deiner Meinung nach nicht?

Ich denke, man muss hier einfach zwischen interaktiven und nicht-interaktiven Medien unterscheiden. Wenn der Konsument keine direkte Kontrolle hat, wird ihm ein absichtlich hergestellter Kontrollverlust weniger vor den Kopf stoßen.

Das Weglassen an sich ist ja auch nicht das Problem. Das Problem wäre es beim Nachhaken weitere Infos zu verweigern.
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Offline Sir Markfest

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...durch das Schauen der (grandiosen) Serie "Chernobyl" ist mir letztens eine Technik eingefallen, die ich demnächst mal im Rollenspiel ausprobieren möchte. Was würdet ihr davon halten, wenn nach längerem Spannungsaufbau eben KEINE Erlösung durch Beschreibung des Monsters, des lange gejagten NSC, eines sonstigen Mysteriums erfolgt, sondern diese bewusst offen gelassen wird, damit das Kopfkino der Spieler anspringt? Hat da jemand Erfahrungen mit gemacht?

Das mache ich durchaus öfters in meinen Cthulhu-Runden. Natürlich sind die Spieler sich dieser Technik bewusst (manche Monster sind ja auch bei Lovecraft so beschrieben, dass man sie sich eigentlich gar nicht so vorstellen kann, weil die menschlichen Sinne das Grauen gar nicht detailliert erfassen können), und natürlich braucht es Spieler, die da mitziehen.

Offline KhornedBeef

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Hallo zusammen,

durch das Schauen der (grandiosen) Serie "Chernobyl" ist mir letztens eine Technik eingefallen, die ich demnächst mal im Rollenspiel ausprobieren möchte. Was würdet ihr davon halten, wenn nach längerem Spannungsaufbau eben KEINE Erlösung durch Beschreibung des Monsters, des lange gejagten NSC, eines sonstigen Mysteriums erfolgt, sondern diese bewusst offen gelassen wird, damit das Kopfkino der Spieler anspringt? Hat da jemand Erfahrungen mit gemacht?

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Spieler 2: "Oh Gott, es geht los..."
SL: "Als ihr die Tür öffnet, dringt euch ein widerwärtiger Geruch entgegen. Das Geräusch von reißendem Fleisch dringt an eure Ohren, als ihr euren Lichtschein in den Keller werft"
Spieler 1: "Wie sieht es aus? Was sehen wir?"
Spieler 3: "Oh fuck!"
SL (schweigt kurz): "Das was ihr seht, ist definitiv schlimmer als das, was euch die Dorfbewohner erzählt haben. So etwas kann nicht natürlich sein."
Spieler 2: "Was sehen wir denn??"
SL (schaut die Gruppe nur an. Musik im Hintergrund läuft weiter)
Das Problem ist, dass ist schon in einer geschriebenen Erzählung schwer gut zu machen, vor allem ohne Wiederholung und Klischees. Und im Rollenspiel hast du weniger Kontrolle über die Erzählung.
Also, kann funktionieren, aber bei uns würde ich 1:2 wetten dass es albern oder langweilig wirkt, weil ich halt nicht H.P. Lovecraft bin.
"For a man with a hammer, all problems start to look like nails. For a man with a sword, there are no problems, only challenges to be met with steel and faith."
Firepower, B&C Forum

Ich vergeige, also bin ich.

"Und Rollenspiel ist wie Pizza: auch schlecht noch recht beliebt." FirstOrkos Rap

Wer Fehler findet...soll sie verdammt nochmal nicht behalten, sondern mir Bescheid sagen, damit ich lernen und es besser machen kann.