Autor Thema: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen  (Gelesen 2368 mal)

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Offline Zed

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Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« am: 1.09.2020 | 21:22 »
Hallo zusammen!

In einem Werkstattthread sammelt torben gerade Ideen zu seiner Kampagne, die im dritten Zeitalter im Osten von Mittelerde spielt. Dort kamen wir auf das Thema, dass epische Kampagnen mit epischen Gegnern auch Nachteile haben:

Das Problem mit einem übermächtigen Gegner ist immer, wie wird man den am Ende wieder los, so dass die Gruppe dabei den "Heldenpart" einnimmt, denn sie sollen im Mittelpunkt der Geschichte stehen. In früheren Kampagnen haben die Vorfahren der heutigen Helden z.B. schon Drachen getötet, was damals vor allem aufgrund noch massiv stärkerer Magie möglich war. Heute würde ich es als äusserst schwer für eine Gruppe erachten, einen Drachen zu erlegen. Richtig, es gibt natürlich immer die "spezielle Ausnahme", sei es der Nordmann Fram, der den Drachen Scatha erschlagen hat, oder Bard, der Smaug vom Himmel holen wird.
Ich möchte der Gruppe eigentlich keinen "richtigen" Drachen mehr vorsetzen, da er locker in der Lage sein müsste, mindestens einen wenn nicht alle Gefährten nieder zu machen, rein physisch, von der geistigen Beeinflussung usw. spreche ich da noch gar nicht... klar, auch da könnte man zig Wege zur Plausibilisierung finden, aber diese "innere Gedankengrenze" habe ich mir mal als erste "Haltelinie" gesetzt, die ich erst überschreiten will, wenn es dafür gute Gründe gibt und es einen grossen Mehrwert fürs Spiel bringen könnte.

Je grösser dieser übermächtige Gegner ist, desto schneller erfasst die Spieler auch ein Ohnmachtsgefühl, weil man weiss "das kriegen wir alleine niemals hin, also werden wir jetzt zig Sachen probieren und uns in zig Sideplots verstricken müssen, um die Sache irgendwie für uns drehen zu können." Als Bild etwa: Die Ameise sieht Sissifus' Stein und erhält die Aufgabe, diesen bis auf den Berg, der am Ende überhängend ist, hoch zu schaffen. So eine Vorgabe kann die Spielfreude trüben, da die "eigene Mächtigkeit" über längere Zeit eingeschränkt erlebt wird und man sich eher wie ein Puzzlestück vorkommt, denn wie ein frei entscheidender "Held" (dem aber natürlich trotzdem nicht alles gelingen muss). Letzteres führt - vermute ich - gerade wenn es einn länger dauernder Zustand ist - zu grösserem Spielspass. Aber da gibt's natürlich zig verschiedene Stellschrauben, mit denen man alles butterweich zum Laufen bekommt, wenn man seine Gruppe und ihre Bedürfnisse kennt, keine Frage.

Ich selbst tendiere immer zum epischen Plot. In meiner allerersten Spielleitung (ist schon ein paar Jahrzehnte her) waren die SCs der ersten Stufe auf dem Weg in ein kleines Dorf, Hommlet, das nahe einer legendenumwobenen Ruine liegt. Ich ließ auf dem Weg dorthin ich einen Halbgott des Bösen, Iuz, auf einem Alptraumross am Horizont vorrübereiten, denn Iuz ist ein Gegenspieler in der Ruine und wird dort laut Kaufabenteuer später einen geskripteten Kurzauftritt haben.

Die guten Charaktere der ersten Stufe ließ ich kurzfristig vom Anblick des Bösen erblinden. Ich wollte ein Zeichen setzen, dass es in dieser Kampagne "um etwas geht" und auch gegen epische Mächte geht: Wir werden Göttern geschiedete Gegenstände in Vulkane werfen und uns so mit ihnen anlegen und nicht nur Ratten im Wirtshauskeller zum schwarzen Keiler töten. Das hatte meine Spieler damals mächtig beeindruckt. Es trat bei den Spielern sicher auch ein leichtes Ohnmachtsgefühl ein, wie Torben es beschreibt, aber ich hatte das Glück, dass es die SCs nicht lähmte, sondern anspornte. Hier half natürlich, dass wir ein D&D spielten, das klar darauf ausgelegt ist, irgendwann gegen Halbgötter bestehen zu können.

Wie haltet Ihr es mit der Epik? Muss für Euer beabsichtigtes Spielgefühl weit im Hintergrund bei Euren Kampagnen auch die Apokalypse drohen, die die Helden irgendwann aufhalten wollen/sollen? Oder ist die Göttlichkeit und Mystik Eurer Welt etwas, das von den SCs, den Normalsterblichen, so weit entfernt ist und bleibt, dass sie dort niemals Einfluss nehmen können?

Wenn Ihr eher epische Kampagnen leitet, wie geht Ihr mit den von Torben genannten Problemen um?
« Letzte Änderung: 1.09.2020 | 21:54 von Zed »

Swafnir

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #1 am: 1.09.2020 | 21:32 »
Ich mag es wenn ein Plot episch ist. In meiner Dragon Age-Runde hat die Gruppe den Auftrag bekommen den Architekten zu töten.
Das war ne wirklich epische Kampagne. Ein Spieler ist nach der ersten Sitzung ausgestiegen. Er hatte Angst um seinen Charakter und fand "Selbstmordmissionen" doof.

Offline flaschengeist

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #2 am: 1.09.2020 | 22:11 »
Wenn ich episch definiere als "es geht um die Rettung der Welt" sind epische Kampagnen nicht meine Leibspeise. Ich bevorzuge Kampagnen, bei denen das Scheitern eine "mittlere Katastrophe" zur Folge hat, z.B. die Verwüstung einer Region, die Vernichtung einer bedeutenden Stadt oder den Niedergang eines Volkes.
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
Hier findet ihr mein mittelgewichtiges Rollenspiel-Baby, das nach dieser Philosophie entstanden ist, zum kostenfreien Download: https://duodecem.de/

Offline Zed

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #3 am: 1.09.2020 | 22:20 »
Wenn ich episch definiere als "es geht um die Rettung der Welt" sind epische Kampagnen nicht meine Leibspeise. Ich bevorzuge Kampagnen, bei denen das Scheitern eine "mittlere Katastrophe" zur Folge hat, z.B. die Verwüstung einer Region, die Vernichtung einer bedeutenden Stadt oder den Niedergang eines Volkes.

Letzteres würde ich auch schon zu "episch"  zählen.
« Letzte Änderung: 1.09.2020 | 22:24 von Zed »

Offline YY

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #4 am: 1.09.2020 | 22:38 »
Muss für Euer beabsichtigtes Spielgefühl weit im Hintergrund bei Euren Kampagnen auch die Apokalypse drohen, die die Helden irgendwann aufhalten wollen/sollen? Oder ist die Göttlichkeit und Mystik Eurer Welt etwas, das von den SCs, den Normalsterblichen, so weit entfernt ist und bleibt, dass sie dort niemals Einfluss nehmen können?

Nein, muss nicht. Sollte sogar eher nicht - ich fühle mich auch eher im "Mittelfeld" wohl.
Göttlichkeit und Mystik locken mich nicht so, das wird mir schnell zu überkandidelt. Dann lieber halbwegs gesittete SF, Historisches oder low fantasy.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Offline torben

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #5 am: 1.09.2020 | 23:52 »
Ich habe grade schon drüben in meinem Werkstatt-Thread etwas zu Epik in unseren Kampagnen geschrieben, kopiere es hier aber nochmals rein und ergänze es vielleicht noch ein bisschen:

Ich habe es bisher immer vermieden, den Charaktern die ganz bösen Jungstm vorzusetzen, also kein Sauron, keine Nazgûl, kein Smaug. Wir spielen quasi die "2. Liga". Jetzt das ABER  ;)
Aber diese 2. Liga hat's dennoch in sich. Da sind zum einen von Sauron/dem Hexenkönig zu Schattenwesen korrumpierte Menschen (jetzt den Nazgûl gleiche Schattenwesen), die rein von den Spielwerten einem Nazgûl "locker" das Wasser reichen können. Da sind Drachen, die bei Tolkien keine wörtliche Erwähnung finden, die aber an die Spielwerte von Smaug oder Scatha kommen. Da ging es um die Entdeckung und Erkundung Belegosts die Wiederauffindung der Perle Nimphelos; um die Vernichtung eines Schergen des Hexenkönigs, welcher die eigentliche Ursache für den Langen Winter im Jahre 2758/59 3Z war, und dabei um die eigentliche Rettung Rohans; um die Suche nach König Arvedui und die Sichtung eines Palantirs und um die Rettung der Eisbucht von Forochel vor einer Armee aus untoten Eiswesen, die früher oder später über Eriador hergefallen wären, hätten nicht die Charakter die Völker des Nordens zum Kampf vereint usw.
Sprich: Bei uns haben die Charakter Kontakt und pflegen Beziehungen zur obersten Elite (Elrond, Truchsess Beregond, König Fréaláf, Saruman), spielen aber dennoch in einer Liga ein Stück darunter und fliegen so quasi "dicht unter dem Radar der gondorianischen Geschichtsschreiber", weshalb sie in den Annalen der Könige nicht namentlich genannt werden. Ihre Taten haben aber gleichwohl grossen Einfluss auf die Geschichte, wie sie bei Tolkien niedergeschrieben wurde.

Daher würde ich sagen, dass wir durchaus epische Geschichten spielen und damit dazu beitragen, dass am Ende das geschehen kann, was die Geschichtsschreiber von Gondor in den Annalen der Könige festgehalten haben. Und es ist diese "Vermischung" unserer Geschichten mit Tolkiens eigentlichem Plot, der für uns den Reiz ausmacht. Dass man nach einer Kampagne hingehen kann und sagen "Schau mal der Eintrag zum Jahr 2758/59 3Z, der Lange Winter. Da steht, der sei erst im März gebrochen. Da steht aber nicht wieso, aber wir wissen, was da wirklich geschehen ist (dabei in Erinnerung an eine grosse Kampagne schwelgend  ;D ).

Soweit mal, was ich drüben in der Werkstatt geschrieben habe.

Fazit: Ich mag sehr gerne epische Geschichten oder Geschichten mit einem mystischen Hintergrund spielen, bei denen es aber nicht immer um die Rettung der Welt gehen soll (hoffentlich nie, sondern lieber nur um partielle Untergänge, die sich aber verbinden können). Das bedeutet indessen nicht unbedingt, dass dabei auch Gegner auftauchen müssen, die von vorneherein übermächtig sind oder gegenüber den Spielern als das "deklariert" werden.

Jetzt noch ein paar Worte zu meiner These, dass ein übermächtiger Gegner den Charaktern (und vor allem auch den Spielern) ein Ohnmachtsgefühl vermitteln kann. Ich sage bewusst "kann", denn es kommt bei der Sache - wie immer - auf sehr viele Faktoren an, z.B. an welchem Punkt in der Kampagne erfahre ist, wer der "Endgegner" ist (ganz am Anfang kann es zu einem grösseren Ohnmachtsgefühl führen, als wenn man sich langsam vortastet und der Endgegner/eigentliche Plot erst mit der Zeit klar wird). Dann aber auch, wie viele "Sideplots" sind "abzuarbeiten", bis man dieses Endproblem gelöst hat? Soll es nach dem Endproblem überhaupt weitergehen? Wenn nicht, dann lässt es sich viel besser damit leben, als wenn man weiss, dass kommt "und danach müssen wir dann noch xy erledigen", usw.
Kurz, es kommt ganz drauf an, wann und wie man diese Gegner ins Spiel bringt und welche Werkzeuge man den Spielern/Charaktern an die Hand gibt.

Viele Grüsse
torben

Offline Tele

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #6 am: 2.09.2020 | 08:55 »
In meiner sehr epischen Warhammer 40k Kampagne ist der Antagonist nicht viel stärker als die Charaktere. Sie wissen nur nicht, wer es ist, sondern haben nur einen Namen. Auf dem Weg müssen sie unterschiedlich starke Handlanger beseitigen. Vor allem ist für sie schwer seine Pläne zu entschlüsseln.

Offline Hotzenplot

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #7 am: 2.09.2020 | 09:17 »
Ich mag es auch episch. Das bedeutet natürlich viel Arbeit. Groß, breit und lang :). Wobei das größte Problem m. E. die Kontinuität ist und die hängt von der Gruppe ab. Dafür braucht man KampagnenspielerInnen, zumindest einige in der Gruppe. Viele von uns können ein Liedchen davon trällern, wie solche groß angelegten Kampagnen dann am Ende scheitern, weil Leute wegziehen, das Interesse verlieren, aus familiären Gründen keine Zeit mehr haben und dergleichen.

Die Chance im Spiel sehe ich vor allem darin, einen langen Charakterausbau auszuspielen. Je nach System mehr oder weniger Wertefrickelei (im positiven Sinne)), vor allem aber auch die charakterliche, storyrelevante Entwicklung der SC. Außerdem möchte ich, dass die SC im Rahmen von so einer Kampagne irgendwie die Welt (mehr oder weniger stark) beeinflussen und verändern. Für die SpielerInnen muss am Ende das Gefühl entstehen, etwas Großes geschaffen zu haben.

Risiken sehe ich in den o. g. Problematiken, die eher outgame sind. Ansonsten: Ermüdung bei zu langen (aka langweiligen) Kampagnen. Vielleicht aber auch einfach die mangelnde Abwechslung, wenn man immer nur an einer Kampagne spielt und nichts anderes zwischendurch. Dann könnte es natürlich noch passieren, dass sich SpielerInnen mit ihren SC irgendwie verrennen. Vielleicht haben sie sich verskillt (je nach System ist das denkbar) oder die dramatische Entwicklung ihrer Charaktere gefällt ihnen nicht (mehr). Charaktertod wäre auch ein möglicher Bruch für manche.
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Offline Zed

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #8 am: 2.09.2020 | 11:24 »
Das 2.-Reihe-Kampagne, wie Du sie beschreibst, torben, wäre durch die Interaktion mit legendären NSCs und den Kampf um "den Osten" für mich auf jeden Fall auch schon episch.

"Ohnmachtsgefühle": In dem Gefühlsmix eines Spielers stecken sicher mal Größenwahn, mal Ohnmacht. Schwierig wird es, wenn das Ohnmachtsgefühl andauert und überwiegt. Das hängt weniger vom absoluten Machtlevel der Gegner ab, als vielmehr vom Verhältnis der Sterblichkeit zu den Gegnern. Beispiel:

In meiner Kampagne starteten wir mit einem microliteartigen Homebrewsystem, einem s e h r reduzierten D&D. Mit steigenden Stufen schien mir das zu ausausgereift, also transformierten wir die Kampagne zu einem etablierten System, zu RuneQuest. Doch RuneQuest ist tödlicher: Plötzlich verkrochen sich die SCs in Erdlöchern und versuchten über Tage hinweg mit Magie aus Entfernung einen Harpyenschwarm zu dezimieren. Das war nicht die Art von Helden, die ich mir vorstellte, aber meine Spieler sagten, dass sie einfach zuviel Schiss hatten, dass ihre SCs sterben. Also wechselten wir zu D&D3.5, und die SCs konnten sich wieder wie epische Helden benehmen.

Also: Ohnmachtsgefühle hängen sehr von der Tödlichkeit des Systems ab, und erst in zweiter Linie von den Machtleveln der Gegner.

Offline torben

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #9 am: 2.09.2020 | 21:23 »
@Zed
Zitat
Also: Ohnmachtsgefühle hängen sehr von der Tödlichkeit des Systems ab, und erst in zweiter Linie von den Machtleveln der Gegner.

Ja, die Tödlichkeit und damit die Angst um den eigenen Charakter ist oft ein Faktor, wenn es um das Ohnmachtsgefühl angesichts eines übermächtigen Gegners geht.

Für mich spielt auch noch ein anderer Aspekt mit rein, der allerdings nicht primär mit der Übermächtigkeit des Gegners zu tun hat/davon abhängt: Wenn man schon ganz zu Beginn der Kampagne erkennt, dass man es mit einem übermächtigen Gegner zu tun bekommt und weiss, dass man - falls überhaupt - nur eine Chance hat, wenn erst die Sideplots X, Y, Z und auch noch A und B erledigt/erfüllt sind, damit man z.B. die allesvernichtende Waffe zusammenbauen kann usw. Ich habe da so ein Bild vor Augen: Frodo steht in den Emyn Muil auf der Kante und blickt über die Totensümpfe hinweg zum Morannon (ich weiss gar nicht, ob er im Film das Tor von dort aus sehen kann... egal, es geht um das Bild). Also er guckt und sieht am Ende dieses riesige Tor und hat keinen Plan, wie der da reinkommen soll. Das ist aber nicht sein einziges Problem, sondern er sieht auch noch den ganzen Weg bis dorthin, also zuerst die Totensümpfe, dann da noch ein bisschen Hügel und dort noch ein bisschen tralala... und dann denkt er sich "Sch*** wie soll ich denn reinkommen? Und wie soll ich überhaupt erst mal da hinkommen? Da verlauf ich mich unterwegs doch gleich drölfzig Mal und dann kommt sicher noch so ein blödes Totenlicht und will mich zum Baden animieren und ich habe doch nur meinen Boratanzug dabei... (ich gleite ab  ~;D ).
Langer Rede kurze These: Das frühe Wissen darum, was man auf dem Weg zum Ziel alles "abhaken" muss (und dass man all diese "Posten" ablaufen muss und daher gar nicht soooo frei in seinen Entscheidungen ist), um dann schliesslich überhaupt erst eine Chance zu bekommen, kann ein weiterer "Ohnmachtsfaktor" sein, weil man die ganze Kampagne über eigentlich schon weiss, worauf es hinauslaufen wird und man einfach Ewigkeiten benötigt, um endlich an das Ziel zu kommen.
Kennt man hingegen das Ziel am Anfang noch nicht und erkennt es erst im Verlauf der Kampagne, kann das auch motivationssteigernd sein, z. B. weil man sich sagt "Hej und guckt mal, wir sind schon so weit gekommen, da werden wir bald mal 'ne Chance haben, dem Obermotz, der sich da grade geoutet hat, eins auf den Döns zu geben."
Königsweg könnte vielleicht sein, den Obermotz am Anfang mal zu erwähnen, den Spielern aber noch nicht klarmachen, dass es am Ende dann auch wirklich gegen den gehen wird. Dann können sie am Ende sagen "Ach guck, das ist doch der Hoschi von ganz am Anfang, na der kann jetzt aber mal was erleben."

Schliesslich muss ich sagen, dass die Spieler in meinen Kampagnen bis jetzt eigentlich sehr selten wirkliche Ohnmachtsgefühle hatten, dass aber die lange Kenntnis schon mal dazu führte, dass sie sich zwischendurch auch mal ein anderes Ziel gewünscht hätten... so àla "ach es wäre doch auch mal schön, wenn wir nur einfach ein paar Trolle verkloppen müssten (statt jetzt hier dieses diplomatische Klimbims durchzuziehen, um dann etwas in der Hand zu haben, um damit xy zu tun...)". Natürlch sind die Charakter/Spieler grundsätzlich jederzeit frei, wie sie sich im Lauf der Kampagne entscheiden, aber manchmal sind die verschiedenen Wege halt unterschiedlich sinnvoll... und natürlich komme ich solchen Wünschen auch immer wieder mal nach, um sie nach getaner Klopperei (oder was auch immer) wieder frohen Mutes zurück auf die eigentliche Kampagne zu schubsen, vielleicht sogar mit einem auf dem Seitenweg gefundenen Bonus  :)
Die Kampagne haben sie bis jetzt jedenfalls immer sehr engagiert und interessiert vorangetrieben und ich denke, das Problem der "Übermacht" des Gegners ist vielleicht auch eines, das sich eher beim SL stellt, der sich dann ebenfalls mögliche Lösungen überlegen sollte, damit der Plot am Ende nicht wegen "nicht schaffbar" an die Wand gefahren wird.

Viele Grüsse
torben

Offline Tudor the Traveller

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #10 am: 2.09.2020 | 21:34 »
Nun, ich denke, bei epischen Kampagnen geht es ja darum, den Weg zu finden, das Unmögliche zu schaffen. Es ist halt wichtig, dass der Blick auf den Weg frei ist. Dass es MÖGLICH ist zu siegen, sollte nicht zu sehr in Frage gestellt werden.
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Offline Weltengeist

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #11 am: 3.09.2020 | 08:13 »
Ich mag es auch episch. Das bedeutet natürlich viel Arbeit. Groß, breit und lang :). Wobei das größte Problem m. E. die Kontinuität ist und die hängt von der Gruppe ab. Dafür braucht man KampagnenspielerInnen, zumindest einige in der Gruppe. Viele von uns können ein Liedchen davon trällern, wie solche groß angelegten Kampagnen dann am Ende scheitern, weil Leute wegziehen, das Interesse verlieren, aus familiären Gründen keine Zeit mehr haben und dergleichen.

Die Chance im Spiel sehe ich vor allem darin, einen langen Charakterausbau auszuspielen. Je nach System mehr oder weniger Wertefrickelei (im positiven Sinne)), vor allem aber auch die charakterliche, storyrelevante Entwicklung der SC. Außerdem möchte ich, dass die SC im Rahmen von so einer Kampagne irgendwie die Welt (mehr oder weniger stark) beeinflussen und verändern. Für die SpielerInnen muss am Ende das Gefühl entstehen, etwas Großes geschaffen zu haben.

Risiken sehe ich in den o. g. Problematiken, die eher outgame sind. Ansonsten: Ermüdung bei zu langen (aka langweiligen) Kampagnen. Vielleicht aber auch einfach die mangelnde Abwechslung, wenn man immer nur an einer Kampagne spielt und nichts anderes zwischendurch. Dann könnte es natürlich noch passieren, dass sich SpielerInnen mit ihren SC irgendwie verrennen. Vielleicht haben sie sich verskillt (je nach System ist das denkbar) oder die dramatische Entwicklung ihrer Charaktere gefällt ihnen nicht (mehr). Charaktertod wäre auch ein möglicher Bruch für manche.

Der Hotze bringt Satz für Satz auf den Punkt, worin für mich die Probleme epischer Kampagnen bestehen. Meist kommen sie daher auch nicht zum Abschluss. Trotzdem reizt es natürlich ganz ungemein. Daher versuche ich es immer mal wieder, und ganz, ganz selten klappt es denn auch mal. Im Moment habe ich so eine Konstellation in meiner "Türme von London"-Runde, bei der ich eine Chance sehe, dass wir gemeinsam bis zum Finale kommen. Aber mit den meisten Runden beschränke ich mich inzwischen auf Episodenspiel.
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Offline Ninkasi

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #12 am: 3.09.2020 | 10:17 »

Es wird hier vorausgesetzt, dass die Gruppe den Gegner als übermächtig ansieht. Praktisch habe ich dies noch nicht oft erlebt.
Meist haben die Spieler, trotz Warnhinweise und Wink mit dem Zaunpfahl, es nicht ernst genommen.

Langer Rede kurze These: Das frühe Wissen darum, was man auf dem Weg zum Ziel alles "abhaken" muss (und dass man all diese "Posten" ablaufen muss und daher gar nicht soooo frei in seinen Entscheidungen ist), um dann schliesslich überhaupt erst eine Chance zu bekommen, kann ein weiterer "Ohnmachtsfaktor" sein, weil man die ganze Kampagne über eigentlich schon weiss, worauf es hinauslaufen wird und man einfach Ewigkeiten benötigt, um endlich an das Ziel zu kommen.

Das kann passieren, eine befürchtete Langeweile? Rührt aber wohl eher durch schlechte Erfahrungen her, oder?
Mit einer coolen Trupper könnte ich auch erwarten, dass der scheinbar langwierige Teil doch sehr unterhalsam wird.

Ich habe diesen Ohnmachtsfaktor eigentlich selber als Spielleiter, wenn ich solche Kampagnen lese.
Da verspüre ich keine Lust mehr die Ereignisse "einfach nur" nachzuspielen.


Kennt man hingegen das Ziel am Anfang noch nicht und erkennt es erst im Verlauf der Kampagne, kann das auch motivationssteigernd sein, z. B. weil man sich sagt "Hej und guckt mal, wir sind schon so weit gekommen, da werden wir bald mal 'ne Chance haben, dem Obermotz, der sich da grade geoutet hat, eins auf den Döns zu geben."
Königsweg könnte vielleicht sein, den Obermotz am Anfang mal zu erwähnen, den Spielern aber noch nicht klarmachen, dass es am Ende dann auch wirklich gegen den gehen wird. Dann können sie am Ende sagen "Ach guck, das ist doch der Hoschi von ganz am Anfang, na der kann jetzt aber mal was erleben."
Jo, kann man so gut machen.

Offline ghoul

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #13 am: 3.09.2020 | 10:58 »
Gibt es auch unepische Kampagnen?
Warum soll der SL wissen, wohin sich die Kampagne entwickelt und wer der "Endgegner" sein wird?

Ich verstehe die Problematik nicht. Bei mir gibt es mehr als einen Antagonisten, wobei nicht unbedingt klar sein muss, der Antagonist und wer Auftraggeber ist. Ich habe zu Beginn einer Kampagne häufig gar keine Ahnung, auf welche ueberraschende Weise die Spieler die Spielwelt verändern werden, welche Bündnisse sie eingehen und wen dies als Antagonisten auf den Plan rufen wird.
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Offline Weltengeist

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #14 am: 3.09.2020 | 11:03 »
Gibt es auch unepische Kampagnen?

Natürlich. So sind zum Beispiel alle episodenhaften Kampagnen, wo die Gruppe einfach von Auftrag zu Auftrag pilgert, unepische Kampagnen. Und ich würde vermuten, dass sie in der Praxis deutlich in der Mehrzahl sind, schon weil (zumindest außerhalb des Tanelorn) die Kaufabenteuerspieler deutlich in der Mehrzahl sind.
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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #15 am: 3.09.2020 | 11:08 »
Epische. klar das Böse hat die Heilligen Wächter des Licht reiches (so eine Art Super Erzengel) zerschmettert. Nun sind die Sc nur noch Splitter der Seelen  dieser Wächter die sich an Menschen hängen und sie zu Guten Taten  anstiften müssen um wieder stärker zu werden. Am Anfang mit Level 1  gar nicht episch  aber später retten sie halt ganze Welten werden Götter und besiegen die Feinde von denen sie zerschmettert worden sind.
« Letzte Änderung: 3.09.2020 | 11:23 von Supersöldner »

Offline Zed

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #16 am: 3.09.2020 | 11:51 »
Am Anfang mit Level 1  gar nicht episch  aber später retten sie halt ganze Welten werden Götter und besiegen die Feinde von denen sie zerschmettert worden sind.

Ob die Epik so weit geht, hängt sicher vom System ab. Aber ja: Das wäre "Epik maximal".

In torbens Mittelerde-Kampagne interagieren die SCs mit Elrond, Saruman und Co - das würde ich auch schon "episch" nennen, vielleicht auf einer niedrigeren Ebene. Weltengeist hat für mich gut definiert, was auch ich nicht mehr episch nennen würde.

Offline Ninkasi

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #17 am: 3.09.2020 | 11:54 »
Gibt es auch unepische Kampagnen?
Warum soll der SL wissen, wohin sich die Kampagne entwickelt und wer der "Endgegner" sein wird?

Ich verstehe die Problematik nicht. Bei mir gibt es mehr als einen Antagonisten, wobei nicht unbedingt klar sein muss, der Antagonist und wer Auftraggeber ist. Ich habe zu Beginn einer Kampagne häufig gar keine Ahnung, auf welche ueberraschende Weise die Spieler die Spielwelt verändern werden, welche Bündnisse sie eingehen und wen dies als Antagonisten auf den Plan rufen wird.

So leite ich auch nur noch.
Aber wenn man eine vorgefertigte Kampagne spielen möchte, sieht es oftmals ander aus.
Oder aber einige Spielleiter wollen nicht sonderlich viel improvisieren und/oder "ihre" Geschichte spielen.

Offline Ayou

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #18 am: 3.09.2020 | 12:44 »
Ich habe und leite auch weiterhin immer wieder epische Kampagnen. Ich habe mehrere davon bereits erfolgreich abgeschlossen. Letztens erst meine Legend of the 5 Rings Runde.
Ein wichtiger Punkt sind immer die Spieler. Wenn diese keine Lust haben die Geschichte zu erzählen und zu erleben, ist eine epische Kampagne nicht möglich.

Auch habe ich bereits verschiedene Ansätze für eine epische Kampagne ausprobiert. Von reiner Sandbox (dann wirds meist nicht so episch) oder eine Plotpoint Kampagne, sowie ne Menge dazwischen. Meiner Erfahrung nach braucht eine epische Kampagne ein gewisses Ziel. Am besten einen vordefinierten Endpunkt. Der Weg dorthin ist im Endeffekt egal. Den werden de Spieler ohnehin zu großen Teilen mitbestimmen und das ist auch gut so.

Aber ohne ein Ende, wird die Epik irgendwann auf der Strecke bleiben, oder Überhand nehmen. Einige der hier angesprochenen Probleme kann ich aber kaum nachvollziehen, weil sie mir kaum untergekommen sind. Interessant trotzdem wie andere darüber denken.
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Offline flaschengeist

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #19 am: 3.09.2020 | 13:54 »
Kennt man hingegen das Ziel am Anfang noch nicht und erkennt es erst im Verlauf der Kampagne, kann das auch motivationssteigernd sein, z. B. weil man sich sagt "Hej und guckt mal, wir sind schon so weit gekommen, da werden wir bald mal 'ne Chance haben, dem Obermotz, der sich da grade geoutet hat, eins auf den Döns zu geben."
Königsweg könnte vielleicht sein, den Obermotz am Anfang mal zu erwähnen, den Spielern aber noch nicht klarmachen, dass es am Ende dann auch wirklich gegen den gehen wird. Dann können sie am Ende sagen "Ach guck, das ist doch der Hoschi von ganz am Anfang, na der kann jetzt aber mal was erleben."

So ähnlich sehe ich es auch: Kampagnen, die zwar (mittel) episch sind aber erst im Laufe der Zeit entfalten, wie groß die Bedrohung tatsächlich ist, haben großen Reiz. Aktuell spiele ich mit einer Runde die berühmte "Enemy Within Kampagne" aus Warhammer. Das ist genau so ein Kaliber, bei dem sich erst im Laufe der Zeit das "Bedrohungs-Puzzle" erschließt.
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
Hier findet ihr mein mittelgewichtiges Rollenspiel-Baby, das nach dieser Philosophie entstanden ist, zum kostenfreien Download: https://duodecem.de/

Offline Derius

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Re: Epische Kampagnen: Probleme und Chancen
« Antwort #20 am: 4.09.2020 | 14:17 »
Ohne Epik kann ich nicht. Jedenfalls als Spielleiter, als Spieler kann man das ja nicht immer beeinflussen. Es ist wohl auch kein Zufall, dass ich am liebsten High-Fantasy-Systeme (Pathfinder) spiele bzw. leite. Witzigerweise sind meine Welten dann aber eher Low-Fantasy-Welten. Ich mag es, wenn die Welt an sich normalerweise wenig episch/bunt/magisch ist, aber dennoch das Potential für genau das bietet, was dann eben Teil der Geschichte der SC ist.

Genauso mag ich es aber, dass die SC nicht schon von Anfang an mit dem BBEG konfrontiert sind, sondern dass sich das erst langsam entwickelt. Die SC sollen da mehr so reinrutschen und von sich aus die Motivation entwickeln, sich mit dem, was sich schließlich als mögliche Apokalypse herausstellt (sei es auch nur aus einer Perspektive), auseinanderzusetzen.

Um auf die eigentliche Frage des Threads zu antworten: Ich finde die beste Lösung für dieses Problem ist, das unaufhaltsame Böse mehr so als Ahnung im Hintergrund zu haben. Die SC merken, dass die Apokalypse droht und besiegen sie, indem sie sie verhindern. So hat man einen epischen Sieg, muss aber nicht erklären, warum nun ausgerechnet die SC den grausamen Gott des Bösen tatsächlich besiegen konnten. Stattdessen haben sie eben verhindert, dass er überhaupt aus seinem göttlichen Gefängnis entweichen konnte. Oder gegen/mit was auch immer man spielen mag.

Edit:

So ähnlich sehe ich es auch: Kampagnen, die zwar (mittel) episch sind aber erst im Laufe der Zeit entfalten, wie groß die Bedrohung tatsächlich ist, haben großen Reiz.

Das kann ich so unterschreiben.