Autor Thema: Abenteuer schreiben: Meine bevorzugte Struktur  (Gelesen 1028 mal)

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Offline Swanosaurus

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Abenteuer schreiben: Meine bevorzugte Struktur
« am: 18.03.2025 | 11:07 »
Ich habe in den letzten zwei Jahren immer mal wieder ein Abenteuer aufgeschrieben und mir dabei viel Gedanken darüber gemacht, welche Textstruktur mir hilft, ein vorgefertigtes Abenteuer zu verstehen, zu leiten, umzuarbeiten, auszuschlachten.

Vorweg: Mir geht es hier um Abenteuer als Szenarioanlässe mit offenem Ende und mindestens impliziten Verlaufsvorschlägen. Keine Sandboxes, keine Hexcrawls, mit denen habe ich keine Erfahrung (lasse mir aber gerne etwas über sie erzählen).

Ich habe also meistens eine Handlungsidee ("Die Charaktere müssen einen Schiffbrüchigen befreien, der in einem Winkel in der Höhle eines Seedrachen feststeckt und von ihm gezwungen wird, ihn mit Geschichten zu unterhalten"; "Die Charaktere müssen einen jungen Mann daran hindern, gemeinsam mit der Frau, die ihn liebt, in eine eine transhumane Existenzweise überzutreten, die faktisch seinen Tod bedeuten würde").

Typischerweise fächert diese Idee sich bei der ersten Annäherung ans Thema bereits auf, wenn mir alternative Bewertungen des Geschehens und mögliche Komplikationen einfallen ("der 'Tod' des jungen Mannes hätte evtl. politische Folgen, die einen dauerhaften Frieden herbeiführen könnten - was ist das wichtigere Ziel?"). Das ist der erste Schritt weg von der Handlungsidee und hin zu der Öffnung der Prämisse als Rollenspielmaterial.

Dann beschreibe ich erst einmal alle unmittelbar mit der Handlundsidee verbundenen Elemente auf: Das sind in der Regel NSC und Schauplätze (wobei die NSC üblicherweise Vorrang habe und ich Schauplätze erst ganz am Schluss erstelle).

Anschließend "fülle ich auf", indem ich weitere NPC beschreibe, sie mit der Handlungsidee verknüpfe oder manchmal auch einfach nur vor Ort sein lasse. Genauso gehe ich mit den Schauplätzen vor.

Jetzt habe ich als Elemente: Eine Handlungsidee, eine Sammlung von NSC und eine Sammlung von Schauplätzen. Die Handlungsidee formuliere ich jetzt möglichst knapp als Mission für die SC (bei manchen Abenteuern entwickeln sich während der Ausarbeitung auch mehrere mögliche Missionen, die dann als Optionen aufgeführt werden). Diese Handlungsidee/Mission enthält keinen geplanten Ablauf des Abenteuers. Sie stellt vielmehr den Anlass da, mit den NSC und Schauplätzen zielgerichtet zu interagieren.

Nebenher erarbeite ich eine Zeitleiste der bisherigen Ereignisse und eine Zeitleiste, die darstellt, was geschieht, wenn die NPC nicht eingreifen.

All das wird ann in folgender Reihenfolge zusammengefügt:

Einleitung (oft ein kurzer Einstimmungstext)
Die Mission
Was bisher geschah
Was geschehen wird
NSC-Beschreibungen
Schauplatzbeschreibungen

Es gibt keinen Abschnitt "Ende des Abenteuers", "Belohnungen" o.Ä. Sollten Belohnungen (Kopfgeld oder so) in Aussicht stehen, sind die bei der Mission vermerkt.

Warum diese Reihenfolge?
Die getrennten Abschnitte ermöglichen es, SC und Schauplätze leicht herauszulösen und in anderen Kontexten zu verwenden.

Die NSC kommen vor den Schauplätzen, weil NSC neben den Charakteren die Handlungstreiber sind: Die Situation, in die die SC eintreten, ist dadurch entstanden - und weiter in Bewegung -, dass die NSC ihre jeweiligen Ziele vorantreiben. Alle NSC-Beschreibungen zu lesen ermöglicht es meistens, die Handlungsstränge des Abenteuers gut zu erfassen.

Schauplätze sind zwar für's Spiel sehr wichtig, aber meistens von nachgeordneter Bedeutung, um die Ereignisstruktur zu erfassen. Deshalb kommen sie zuletzt.

Es gibt keinen Abschluss-Abschnitt, weil das nun aufgefächerte Szenario nicht wieder künstlich auf einen oder mehrere mögliche Ausgänge festgelegt werden sollen.


Diese Struktur hat bei mir in der Ausarbeitung zu einer wichtigen Erkenntnis geführt: NO TIMED TWISTS!

Es gibt nie einen vorgesehenen Zeitpunkt, zu dem die Charaktere etwas Bestimmtes herausfinden sollen! Das heißt nicht, dass keine Überraschungen in dem Material angelegt sein dürfen, aber es darf niemals eine Voraussetzung für das "Gelingen" des Abenteuers sein, dass die SC zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Information bekommen, die ihre Bewertung der Lage verändert. Dafür müsste ich nämlich erst einmal wissen, wie sie die Lage vorher bewerten, und dann noch steuern, wann sie welche neue Information erhalten und wie diese ihre Lagebewertung ändern. Ich habe schon oft in der Praxis festgestellt, dass das wenn überhaupt dann nur mit viel sanftem Druck gelingt. Besser, als einen bestimmten Twist festzulegen ("Als die SC dann dem Goblinhäuptling gegenübertreten, wird ihnen klar, dass ER der Bestohlene ist und sein Groll auf das Menschendorf ganz und gar berechtigt!"), ist es, Twists anzulegen ("Der Goblinhäuptling will sein gestohlenes Erz von den Dörflern zurückholen - mit allen Mitteln") und offen zu lassen, wann, wie und ob die SC mit diesen Informationen interagieren und ob sie auf ihrer Grundlage ihre Bewertung der Lage ändern.

Für mich ist diese Erkenntnis erst so klar hervorgetreten, als ich Abenteuer, die ich bereits geleitet hatte, auf dem Papier strukturiert habe, schlicht und einfach, weil die Struktur, für die ich mich entschieden hatte, es mir unmöglich gemacht hat, einen "Timed Twist" in den Text zu schreiben. Ich musste mich fragen: Was steckt eigentlich hinter dem Twist - wer tut hier was warum?, und DAS hinschreiben, anstelle des imaginierten großen Moments, in dem es den Spieler*innen wie Schuppen von den Augen fällt.

(Und ja, die Abenteuerstruktur habe ich fast 1:1 von MERS übernommen!)
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Offline Namo

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Re: Abenteuer schreiben: Meine bevorzugte Struktur
« Antwort #1 am: 18.03.2025 | 11:53 »
Danke für die Zusammenfassung bzw. deinen Abenteueransatz. Gefällt mir sehr gut und ist auch die Richtung in die ich oft schreibe. Zugegebener Weise manchmal aber auch etwas "zielgerichteter" oder eben einfach linearer. Häufig habe ich dann schon auch mal eine besondere (Schluss)szene im Kopf, die ich gerne in irgendeiner Form verwirklicht hätte.

(Und ja, die Abenteuerstruktur habe ich fast 1:1 von MERS übernommen!)

Da musste ich gerade gut lachen. Beim Lesen dachte ich schon die ganze Zeit "erinnert mich an die typische I.C.E. Abenteuerstruktur)

Offline klatschi

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Re: Abenteuer schreiben: Meine bevorzugte Struktur
« Antwort #2 am: 18.03.2025 | 12:26 »
Gute Struktur, wobei ich wohl die NSCs und die Schauplätze vor dem Abschnitt „was geschehen wird“ seien würde, um das organischer und verständlicher zu machen - die Setpieces sind dann eingeführt und umrissen, so dass der grobe Verlauf ohne Handlung der PCs besser nachvollzogen werden kann :)

Offline tartex

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Re: Abenteuer schreiben: Meine bevorzugte Struktur
« Antwort #3 am: 18.03.2025 | 12:29 »
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Offline Swanosaurus

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Re: Abenteuer schreiben: Meine bevorzugte Struktur
« Antwort #4 am: 18.03.2025 | 13:42 »
Jetzt gib uns ein Beispiel!

Erscheint dieser Tage auf drivethru für Cloud Empress (weshalb mich das Thema auch gerade so umtreibt - ich arbeite auch gerade an einem Troika!-Abenteuer nach dem Prinzip und will dann noch meine beiden Mythras-Abenteuer dahingehend umarbeiten und für Dragonbane neu veröffentlichen).

Gute Struktur, wobei ich wohl die NSCs und die Schauplätze vor dem Abschnitt „was geschehen wird“ seien würde, um das organischer und verständlicher zu machen - die Setpieces sind dann eingeführt und umrissen, so dass der grobe Verlauf ohne Handlung der PCs besser nachvollzogen werden kann :)

Ergibt auch Sinn - ich mag "was geschehen ist/wird" ganz gerne als Anreißer, der einige Fragen aufwirft und dann, wenn man den Rest gelesen hat, umfassend verständlich und gut als Ressource nutzbar ist, aber ja, diesen Teil ganz ans Ende zu setzen, ist eigentlich sogar logischer.
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Offline Namo

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Re: Abenteuer schreiben: Meine bevorzugte Struktur
« Antwort #5 am: 18.03.2025 | 14:09 »
Ich finde die Logik von Klatschi vom Aufbau her auch besser.

Wobei ich persönlich es auch sehr mag, wenn vorab eine kurze Zusammenfassung der Handlung/des Abenteuers gegeben wird (maximal eine Seite), damit ich grob weiß worum es geht. So kann ich dann wiederum die NSC Einträge beim Lesen schon besser zuordnen, wie wenn ich erst später erfahre was eigentlich passieren soll.

Offline Swanosaurus

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Re: Abenteuer schreiben: Meine bevorzugte Struktur
« Antwort #6 am: 19.03.2025 | 11:26 »
Ich finde die Logik von Klatschi vom Aufbau her auch besser.

Wobei ich persönlich es auch sehr mag, wenn vorab eine kurze Zusammenfassung der Handlung/des Abenteuers gegeben wird (maximal eine Seite), damit ich grob weiß worum es geht. So kann ich dann wiederum die NSC Einträge beim Lesen schon besser zuordnen, wie wenn ich erst später erfahre was eigentlich passieren soll.

Ich glaube auch, dass sich da die eine oder andere Dopplung nicht vermeiden lässt. Manchmal braucht es einen einleitenden Abriss, und bei manchen Szenarien ist die Timeline erst am Ende zu verstehen, aber am Anfang braucht es trotzdem einen kurzen Blick auf die Ereignisse.

Wichtiger als die Reihenfolge finde ich eigentlich die Übersichtlichkeit. Zumindest für örtliche relativ begrenzte Abenteuer finde ich da die großen Blocke "Ereignisse", "NSC" und "Schauplätze" ideal. Bei z.B. langen Reisestrecken zwischen den Orten ergibt es evtl auch Sinn, erst nach Schauplätzen zu Ordnen und bei den jeweiligen Schauplätzen dann die NSC zu beschreiben.

Was ich vermeiden will, ist vor allem das Abenteuer, das einem vorgesehenen Handlungsablauf folgt und und "unterwegs" die jeweils dafür relevanten NSC und Schauplätze abarbeitet - das begegnet mir doch nach wie vor ziemlich oft und erschwert es sehr, Abenteuer abzuwandeln oder auszuschlachten.
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Offline Swanosaurus

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Re: Abenteuer schreiben: Meine bevorzugte Struktur
« Antwort #7 am: 19.03.2025 | 20:25 »
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Offline tartex

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Re: Abenteuer schreiben: Meine bevorzugte Struktur
« Antwort #8 am: 19.03.2025 | 20:26 »
aber am Anfang braucht es trotzdem einen kurzen Blick auf die Ereignisse.

Die Betonung allerdings auf kurz! Aber ich will die dort auf jeden Fall haben.
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Offline Zouan81

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Re: Abenteuer schreiben: Meine bevorzugte Struktur
« Antwort #9 am: 19.03.2025 | 20:44 »
Meine persönliche Idee wäre noch, dem SL noch einen Prolog mit an die Hand zu geben, den der SL als Einleitung den Spielern vorlesen kann.

Quasi als Einleitung für die SCs für den Einstieg ins Abenteuer.


Kann doch auch ganz brauchbar als Stütze sein, oder?


Ansonsten sollten ja insbesondere die Abschnitte "Was geschah", "Die Mission" und "Was geschehen wird" nötige Eckdaten mitgeben, um als SL damit arbeiten zu können.



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Re: Abenteuer schreiben: Meine bevorzugte Struktur
« Antwort #10 am: 19.03.2025 | 23:30 »
(Und ja, die Abenteuerstruktur habe ich fast 1:1 von MERS übernommen!)

Ich verwende die Abenteuerstruktur der MERS Module auch.  :d
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