So, hier bin ich auch... besser spät als nie.
1. Ich verstehe mich als Rollenspieler durchaus als Künstler. Wenn ich eine Geschichte schreibe, läuft prinzipiell der selbe Prozeß ab, der auch stattfindet, wenn ich ein Abenteuer schreibe. Anders gewichtet, natürlich, aber eigentlich läuft es darauf hinaus, erstmal verschiedene Szenen zu entwickeln und dann zu überlegen, wie die zusammenhängen könnten, wie ich von a) nach b) komme. Die Resolution der Sache ist natürlich unterschiedlich (ich schreibe meine Abenteuer nicht als Geschichten), aber ich sehe keinen fundamentalen Unterschied. Ich bin jetzt vielleicht nicht Goethe oder Grass - klar - aber wenn ich Geschichten schreibe, benutze ich dasselbe Medium. Damit benutze ich ein Medium, das ziemlich eindeutig als Kunst zu definieren ist. Und der Unterschied zwischen Prosa und Abenteuer liegt - für mich - in der Gewichtung der einzelnen Elemente.
Auch der Vergleich mit dem Theater hinkt nicht unbedingt. Warum gehe ich denn ins Theater? Um in Geschichte einzutauchen und dadurch - im günstigsten Fall - Erkenntnisse und Rückschlüsse für mein eigenes Leben mitzunehmen. Klassisches Theater basiert u.a. darauf, daß sich das Publikum mit dem Helden identifiziert. Und beim Rollenspiel? Im Idealfall tauche ich da auch in eine Geschichte ein und nehme daraus Erkenntnisse für mein eigenes Leben mit. Warum sollte das eine Kunst sein und das andere nicht?
2. Zum Thema Theorie: Nein, ein Künstler braucht vielleicht keine Theorie. Ein Schriftsteller muß nicht wissen, wie eine Geschichte aufgebaut ist, was ein Blickwinkel ist und wie man ihn verwendet. Ich denke, viele Schriftsteller haben ein intuitives Gespür für solche Dinge. Aber schaden tut es nun sicher auch nicht - ganz im Gegenteil, es hilft vielleicht, Fehler zu vermeiden und eine gute Idee durch einen Fehltritt zu entwerten. Genauso bei der Musiktheorie - klar kannst du eine Melodie erfinden, ohne zu wissen, wie das mit Tonika, Dominante und Subdominante funktioniert. Aber wenn du mal hängst, hilft der das Wissen über die Zusammenhänge vielleicht weiter.
Und so ist es auch im Rollenspiel. Du brauchst die Theorie vielleicht nicht, um gut zu spielen oder zu leiten, aber wenn du hängst oder wenn irgendwas schief läuft, dann hiflt sie dir möglicherweise, einen Lösungsansatz zu finden. Oder zumindest eine Erklärung, mit der du Konflikte das nächste Mal besser bewältigen kannst. Du sieht einfach deutlicher, was du - und was andere - tun, und das ist eigentlich alle Rechtfertigung, die so eine Theorie braucht.
3. Ja, das Problem mit den "Begrifflichkeiten" sehe ich auch. Ich habe GNS am Anfang völlig anders verstanden - aber lustigerweise hat dieser fehlverstandene Ansatz mir in meiner privaten wie-geht-denn-Rollenspiel-Theorie sehr weitergeholfen. Insofern finde ich es wichtig, daß diskutiert wird. Besser, es kommt zu Mißverständnissen (wer weiß, was daraus wird), als es wird überhaupt nicht debattiert.