Warum aber vergleichtst du publizierte (und fertig ausformulierte) Szenarien mit deinen eigenen Kampagnenideen? Wenn es dir (so deine Meinung, die ich nach dem hier gelesenen keinesfalls teilen kann) so schwer fällt frei zu erfinden, warum verwendest du nicht auch bei UA all die vorgefertigten Szenarien und läßt deine Spieler diesen Spaß genießen?
Ich vergleiche doch gar nicht. Das Problem ist, dass ich wenig Zeit zum Vorbereiten habe, daher ist ein publiziertes Abenteuer weniger Arbeit - wenn es schnell anpassbar ist. Die UA-Abenteuer sind aber durchweg unbrauchbar, mit ganz wenigen Ausnahmen. In One Shots ist nichts, was ohne gewaltige Modifikationen einen Sinn für eine Gruppe macht, die schon besteht, und in Weep gibt es vielleicht zwei Abenteuer, die man für den Einstieg brauchen kann - und GGG habe ich ja verwendet. Das zweite wäre Garden full of Weeds, alles andere ist für mich völliger Mist (ok, Swap Meet ist auch brauchbar, aber das kann man kaum als Abenteuer bezeichnen).
Vielleicht ist das Problem, daß du UA als Horror-Spiel spielst, bei dem die Charaktere von schrecklichen Dingen erfahren, die ihren Verstand permanent übersteigen.
Eigentlich hatte ich das nicht vor - liest sich meine Beschreibung so? Sicher, von Kult und CoC her bin ich diese Herangehensweise gewöhnt, aber bei UA habe ich eigentlich eher Schwierigkeiten, den Horror überhaupt zu sehen.
Es ging nicht darum, die Spieler zu schockieren. Aber es ging darum, sie die Welt von UA entdecken zu lassen. Natürlich haben sie sich an der einen Sache festgebissen, für die es per definitionem keine Lösung gibt, nämlich die Nackte Göttin. Aber auch da fehlten den Spielern fruchtbare Ideen (wie z.B. andere Darsteller aus dem NG-Tape aufzutreiben und zu befragen).
Wenn du das (ausschließlich) tun willst, solltest du vielleicht tatsächlich besser detektivische Geschichten im Rahmen von Cthulhu spielen, denn solche Szenarien findet man dort wie Sand am Meer. Nur wenn man es einmal satt hatt, immer wieder aufs neue zu entdecken, welche unaussprechlichen Schrecken unter uns weilen, und sich jedesmal neu als Spieler doof zu stellen, oder man endlich die Mittel in der Hand haben will tatsächlich etwas zu verändern, dann ist die Zeit reif für Unknown Armies.
Wie gesagt, es geht nicht ausschließlich darum - aber meine Spieler mussten sich noch nie doof stellen. Ich bin ziemlich gut darin, das Gesamtbild verschleiert zu halten. Meine Spieler lesen aber auch kein Hintergrundmaterial.
Im Vordergrund stehen hier hauptsächlich als Patchwork der Postmoderne dargestellte philosophiosche Fragestellungen, und für uns alle in der Gruppe ist dies ein neues einmaliges Happening, welches wir beim Rollenspiel noch nie hatten.
Und hier liegt eines der Probleme. Ich kann mit dem postmodernen Ansatz nichts anfangen, denn eigentlich bedeutet er 'mach irgendwas ohne Hand und Fuß, denn es ist alles eh bloß Schein'. Dadurch kommen so unlogische und inkohärente Sachen zustande wie David-Lynch-Filme, bei denen sich immer irgendwas dagegen stemmt, mit den anderen Dingen in einen stimmigen Zusammenhang gebracht zu werden. Das finde ich vollkommen unbefriedigend. Ich kann nicht aus heiterem Himmel all die Abenteuer aus Weep derselben Gruppe auftischen, weil das schon für mich selbst total unglaubwürdig ist.
Ein Beispiel aus CoC: selbst da vermeide ich es, mit der Gruppe von Mythos-Element zu Mythos-Element zu springen. Ich mache eher eine Serie von zehn Abenteuern, die ausschließlich mit Innsmouth und Tiefen Wesen zu tun haben, als dass ich z. B. von Cthulhu zu Yog-Sothoth springe. Ich brauche einen realistischen inneren Zusammenhang. Wenn der fehlt, entstehen solche Serien wie die Highlander-Filme, bei denen praktisch nichts zusammenpasst und irgendwelcher Quatsch, der mit dem Bisherigen nicht zusammenpasst, einfach reingewürfelt wird.
Vielleicht ist es deshalb der offene 'Alles kann passieren und nicht alles ist erklärbar'-Ansatz, den UA verfolgt, der mir schwer im Magen liegt. Bei Kult kann ich mit Zeit und Raum und der Realität alles anstellen, was ich will, aber es gibt dafür einen definierten Grund. Bei UA kann ich mit der Statosphere und der Invisible Clergy allein nicht alles erklären, was geschieht - aber mehr metaphysischen Hintergrund gibt es nicht. Das bereitet mir massive Probleme.
Ich wünsche dir und uns allen, daß du die Gelegenheit hast noch einen ähnlichen "Aha"-Effekt zu erleben, und uns schreibender Weise erhalten bleibst.
Man weiß ja nie, möglich ist es.
Wjassula:
Die starke Betonung auf die Motivation der Charaktere und Regelmechanismen wie die Stresswürfe, die ein ganzes Abenteuer umdrehen können, stärken eigentlich eher "player driven campaigns", wo man als Spielleitung mit Beziehungsgeflechten arbeitet, die man spontan den Handlungen der Charaktere anpasst, anstatt einen Plot vorzuplanen.
Das ist auch Teil des Problems - meine Spieler haben noch nie dazu geneigt, ihre Charaktere mit eigenen Motivationen zu versehen und diese auch konkret auszuspielen, selbst dann nicht, wenn das vorher so besprochen war. Das liegt zum Teil natürlich daran, dass viele meiner früheren Abenteuer sich den Charakteren quasi aufdrängten - es hieß, das vorliegende Problem zu lösen oder ihm zum Opfer zu fallen.
Auf der anderen Seite bin ich selbst aber auch kaum in der Lage, komplexe Dinge zu improvisieren. Als z. B. der Diebstahl des Fabergé-Eis zur Sprache kam, habe ich erst mal Sicherheitsmaßnahmen von Museen und den Hintergrund der Eier und des Museums recherchiert, um ein realistisches Bild zeichnen zu können. Sowas kann ich nicht aus der Luft greifen und ich kann auch nicht gut Fünfe gerade sein lassen. Ein Rollenspiel-Setting ist bei mir fast immer eine Erweiterung der Realität, z. B. um den Cthulhu-Mythos, um den Kult-Mythos oder eben den UA-Mythos, ein 'Was wäre, wenn Mythos X hier und jetzt wahr wäre'. Aber dabei brauche ich möglichst genaue Infos über das Hier und Jetzt (auch wenn es z. B. ein historischer Hintergrund ist), wie es wirklich ist, sonst kommt mir alles falsch und flach vor. Ist vielleicht eine Realismus-Neurose...
Robin