Die erste Frage wäre hier was "charakterorientiertes" Spiel sein soll.
These:
Spielregeln im Rollenspiel sind dazu da, zwischen den internen Vorstellungen der Beteiligten zu vermitteln und so einen möglichst gut überschneidenden gemeinsamen Vorstellungsraum zu schaffen, oder zumindest konfliktärmeren in den Bereichen, wo weitere Entscheidungen von diesen Elementen abhängen.
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Wenn die Vorstellungen der Spieler eh schon sehr ähnlich sind oder kaum Konflikte auftauchen, weil es kaum konkurrierende Vorstellungen gibt, braucht es eigentlich auch keine Regeln.
Ich glaube, Du meinst mit "Spielregeln" hier etwas anderes als der Rest von uns, nämlich Spielregeln nicht als Regeln zur Realisierung von "Spielmechaniken", sondern Regeln für das Gruppenspiel.
Diese Unterscheidung ist wichtig, weil wir über zwei verschiedene Regelebenen sprechen, quasi "Metaregeln zwischen Spielern vs. Ingame-Regeln zwischen Charakteren und Spielwelt".
Zumindest deute ich Deinen Beitrag so, denn auf Spielmechaniken bezogen machten Deine Ausführungen nicht so viel Sinn (für mich). Falls das doch auf eben jene gemünzt sein sollte, oder Du dort keine Unterscheidung machst, wäre eine genauere Klärung hilfreich!
Spielregeln im eigentlichen Sinne (also "wie geschrieben im Regelbuch (!)") sind ja erst einmal Strukturierungselemente für dei Interaktion zwischen den Spielercharakteren und der Spielwelt; sie beschreiben die Mechaniken, wie Konflikte und nicht-triviale Herausforderungen mit dieser Spielwelt am Spieltisch abgehandelt werden (Probenmechaniken, Subsysteme), wie die Charaktertypen in diesen Konflikten und Herausforderungen wirkmächtig werden (Werte), und wie die Charaktere dann noch wirkmächtiger werden/wachsen durch Erfolge an und in der Spielwelt (Erfahrungs-/Steigerungsregeln).
Im Sinne von von "Gruppenregeln", d.h. gemeinsam abgeklärte Erwartungen und Vorstellungen über Themen, Dynamiken und Ziele des Spiels an sich (unabhängig von Spielmechaniken) kann ich Deiner Beschreibung folgen. Wer mit guten Freunden spielt, sich also gegenseitig gut kennt und schätzt und viel Vertrauen in die jeweils anderen Spieler mitbringt, braucht keine "Klärungs-Session" mehr, bevor es überhaupt losgeht, und keinen Verhaltenscodex.
Ich würde allerdings eher sagen, dass so etwas immer noch kein regelfreier Raum ist; nur dass die Regeln in dem Aufbau der langjährigen guten Freundschaft bereits im Vorfeld abgeklärt und internalisiert wurden, was bei neuen Gruppen dann beschleunigt, und evtl. mit Hildmitteln wie X-Card nachgezogen werden muss.
Falls Du hier keine Unterscheidung machst zwischen "Mechanik der Spielwelt-Interaktion" und "Regeln für die Spieler-Interaktion" bräuchte ich allerdings noch ein paar Argumente, warum das eigentlich das gleiche ist Deiner Ansicht nach und wie das mit dem Thema zusammenhängt ("Gutes Rollenspiel ohne Spielregeln?").